Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 28.01.2013, Az.: 1 A 464/10

Möglichkeit der Aufgabe zur Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von 15 Monaten bei mangelnder Feststellbarkeit des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
28.01.2013
Aktenzeichen
1 A 464/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
[keine Angabe]
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2013:0128.1A464.10.0A

Fundstelle

  • DAR 2013, 295

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung, für die Dauer von 15 Monaten ein Fahrtenbuch zu führen.

Er ist Halter des PKW mit dem Kennzeichen F.. Dieses Fahrzeug wurde am 7. Juni 2009 durch die Geschwindigkeitsmessanlage in G. an der H. in Fahrtrichtung I. erfasst. Nach dem Fallprotokoll wurde eine Geschwindigkeit von 113 km/h gemessen; die zugelassene Höchstgeschwindigkeit beträgt an dieser Stelle 70 km/h.

Mit Schreiben vom 15. Juni 2009 hörte die Bußgeldstelle des Beklagten den Kläger zu dem Verstoß an. Der Kläger reichte den Anhörungsbogen unter dem 18. Juni 2009 zurück. Er machte Angaben zur Person, nicht aber zur Sache. Sein Prozessbevollmächtigter bat darüber hinaus um Akteneinsicht und um Angaben zur Messtechnik sowie zu den beabsichtigten Maßnahmen der Fahrerermittlung. Am 22. Juni 2009 stellte die Bußgeldstelle des Beklagten das Bußgeldverfahren gegen den Kläger ein. Am gleichen Tag übersandte sie einen Zeugenfragebogen an ihn. Nachdem der Kläger auch auf erneute Nachfrage vom 14. Juli 2009 hin keine Angaben zum Fahrzeugführer gemacht hatte, stellte die Bußgeldstelle das Bußgeldverfahren am 4. August 2009 ein.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2010 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er beabsichtige, ihm die Führung eines Fahrtenbuches aufzuerlegen. Der Kläger äußerte sich hierzu und machte geltend, erst am 14. Juli 2009 sei eine Aktion der Bußgeldstelle erfolgt, die man in Bezug auf seine Halterpflichten einordnen könne. Zu dieser Zeit sei die Erinnerungsfrist längst abgelaufen gewesen, innerhalb derer sich der Fahrzeughalter üblicherweise an die Fahrzeugnutzer erinnern könne. Es sei im Übrigen weder geklärt, ob eine regelgerechte Messung vorliege, noch, ob die Fahrerermittlung nicht möglich gewesen sei. Es sei nicht zu erkennen, dass alle zumutbaren Maßnahmen zur Fahrerermittlung ergriffen worden seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass seit dem 4. August 2009 und dem Anhörungsschreiben sechs Monate Zeit verstrichen seien.

Mit Bescheid vom 19. März 2010 gab der Beklagte dem Kläger auf, für die Dauer von 15 Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Wegen der Begründung wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Der Kläger hat am 14. April 2010 Klage erhoben. Der Bescheid sei rechtswidrig. Es sei bereits ungeklärt, ob eine technisch einwandfreie Messung vorliege. Daraus ergebe sich, dass auch ungeklärt sei, ob es zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung gekommen sei. Einen Verstoß gegen die Vorschriften der StVO habe es am 7. Juni 2009 nicht gegeben. Es gebe keine gesetzliche Grundlage für die Installation von Geschwindigkeitskontrolleinrichtungen von der Art, wie sie in G. an der H. stehe. Für eine Verkehrsüberwachung an dieser Stelle fehle jede nachvollziehbare Begründung. Daraus resultiere ein Beweisverwertungsverbot, wie es auch das Oberlandesgericht Oldenburg in seiner Entscheidung vom 27. November 2009 im Zusammenhang mit dem Verkehrskontrollsystem VKS 3.0 (vidit) angenommen habe. Im Übrigen sei bei dem eingesetzten Mess-System des Herstellers ROBOT Visual Systems GmbH, Traffiguard 4/519 die Feststellbarkeit der Messposition des gemessenen Fahrzeugs zu den piezoelektrischen Kontakten in der Fahrbahn erforderlich. Ob eine korrekte Messung erfolgt sei, hänge unter anderem davon ab, ob die piezoelektrischen Kontakte vor Ort in der Fahrbahn ausreichend genau positioniert gewesen seien, ob diese Positionierung ausreichend genau vermessen worden sei, ob die piezoelektrischen Kontakte richtig funktionierten, ob die Anlage ausreichend kalibriert sei und ob aus den zu verarbeitenden elektrischen Impulsen letztendlich die zutreffende Geschwindigkeit errechnet werde. Dies müsse gegebenenfalls der Beklagte nachweisen, um eine zutreffende Messung darzulegen. Dazu sei er nicht in der Lage, weil es über die Anlagenkonstruktion und die Konfiguration der Messstelle an der H. keine Nachweise geben. Diese Messstelle sei noch nie durch ein Sachverständigengutachten überprüft worden. Es fehle der Nachweis, dass die Messstelle nicht verändert worden sei. Die Messeinheit werde regelmäßig an wechselnden Stellen eingesetzt. Durch das Abnehmen des Kamerakopfes und das Transportieren der Kamera zu einem anderen Standpunkt könnten Fehler auftreten. Kontrollmaßnahmen, um das zu verhindern, fänden nicht statt, insbesondere sei nicht ersichtlich, dass vor dem Austausch der Kamera ein Kalibrierfoto gefertigt worden sei. Eine Fehlmessung könne deswegen nicht ausgeschlossen werden. Der mögliche Verkehrsverstoß sei auch nicht seinem Fahrzeug zuzuordnen. Das zur Diskussion stehende Messbild könne gegebenenfalls aufgrund der Gerätefunktionsweise der Messautomatik auch auf eine Fehlfunktion zurückgehen, die aus zwei angeschlossenen Messkreisen resultieren könne. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Messvorgang durch die andere Fahrbahnkontaktschleife ausgelöst worden sei. Der Beklagte arbeite in G. mit selbst konzipierten Messanlagesystemen ohne Gesamtfunktionsprüfung. Eine Zulassung der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt bestehe insoweit nicht. Eine Eichung im Sinne von § 13 Abs. 1 EichG könne nur unter den Bedingungen erfolgen, dass die Vorgaben der Bauartzulassung eingehalten würden. Dies sei hier nicht der Fall. Es fehle deswegen an einer Eichung im materiellen Sinne.

Im Übrigen habe der Beklagte im Rahmen seiner Entscheidung nach § 31a StVZO Fehler bei der Abwägung vorgenommen und sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Er habe nicht berücksichtigt, dass nach den Richtlinien des Niedersächsischen Innenministeriums für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch Straßenverkehrsbehörden Verkehrsüberwachungsmaßnahmen nicht ohne Fahrerfeststellung stattfinden sollten. Es sei unzulässig, Fahrzeuge lediglich von hinten zu fotografieren.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19. März 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt zur Begründung vor:

Sowohl die Geschwindigkeitsmessung als auch die Erstellung des Messbildes seien ordnungsgemäß. Es bestehe kein Zweifel an der Verwertbarkeit der Messung. Es gehe aus den in den Verfahrensakten befindlichen Eichscheinen hervor, dass die gesamte Messanlage zum fraglichen Zeitpunkt vorschriftsmäßig geeicht gewesen sei. Die Geschwindigkeitskontrolle und der Messvorgang verletzten auch nicht das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Dies lasse sich bereits aus dem jüngsten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juli 2010 - 2 BVR 759/10 - entnehmen.

Den von dem Kläger befürchteten Messfehlern als Folge des Kameratausches werde durch die Anfertigung eines sog. Kalibrierfotos vorgebeugt. Hier sei ein derartiges Foto am 29. Mai 2009 gefertigt worden, das für die Messung am 7. Juni 2009 maßgeblich gewesen sei. Nach der Gebrauchsanweisung des eingesetzten Messsystems sei der Austausch einzelner Komponenten durch andere gültig geeichte Komponenten zulässig.

Das Gericht hat Beweis erhoben, indem es ein Gutachten eines Sachverständigen eingeholt hat. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten des Sachverständigen J. vom 25. Juli 2012 Bezug genommen. Das Gericht hat weiter eine Auskunft der Jenoptik Robot GmbH eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Schreiben vom 20. Juni 2012 verwiesen. Das Gericht hatte die Sache mit Beschluss vom 13. Oktober 2011 auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Diese hat die Sache nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 3. Januar 2013 auf die Kammer zurückübertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Der Beklagte hat dem Kläger mit dem angefochtenen Bescheid auf der Grundlage des § 31a StVZO zu Recht die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von 15 Monaten aufgegeben. Nach der genannten Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Zunächst wurde mit dem Fahrzeug des Klägers am 7. Juni 2009 durch das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 39 km/h (abzüglich Toleranz) gegen Verkehrsvorschriften verstoßen. Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus dem Gutachten des Sachverständigen J.. Der Gutachter hat die Funktionsfähigkeit der einzelnen Anlagenteile sowie der Anlage insgesamt überprüft und keinen Grund zur Beanstandung gefunden. Er hat u.a. ausgeführt, dass es zulässig sei, ein geeichtes Innenteil an mehreren geprüften Messstellen einzusetzen bzw. eine geeichte Messstelle mit mehreren geeichten Innenteilen zu betreiben. Die Signalanalyse und die rechnerische Beurteilung der Güte einer Messung finde in dem intelligenten Piezo-Vorverstärker statt, der fest an der Messstelle verbaut sei und nicht ausgewechselt werde (Seite 23). Es sei weiter zulässig und üblich, den "Einschub" (Innenteil) und die Messbasis separat zu eichen (Seite 14). Es sei eine gültige Eichung des Geschwindigkeitsüberwachungsgeräts (Innenteil/Einschub) am 7. Juni 2009 nachgewiesen, sofern sich keine der in § 13 Abs. 1 der Eichordnung beschriebenen Veränderungen zwischen dem Eichtag und der Messung ergeben hätten (Seite 17). Insoweit wird hier weder substantiiert vorgetragen, dass solche Veränderungen eingetreten seien, noch sind solche ersichtlich. Der Sachverständige legt weiter dar, dass auch der intelligente Piezo-Vorverstärker gültig geeicht gewesen sei (Seite 19) und dass das hier relevante Sensorfeld in Fahrtrichtung I. den Vorgaben aus der Richtlinie zur Eichung des intelligenten Piezo-Vorverstärkers Robot IPV entspreche.

Soweit der Kläger befürchtet, dass durch den Einsatz der Messstelle an unterschiedlichen Orten Fehler entstehen könnten, ist dies durch das Gutachten widerlegt. Vielmehr heißt es insoweit, dass die an der Frontseite des Innenteils montierten Kontaktstifte der Steckereinheit der Netzversorgung und der Steckverbindung während des Bestückungsvorganges des Außengehäuses mit dem Innenteil in die entsprechenden Buchsen auf der Innenseite der Front des Außengehäuses geschoben würden. Wegen der passgenauen Abmessungen der Innenteile und der Außengehäuse und der vorhandenen Führungsschienen sei es auszuschließen, dass die Kontaktstifte nicht ordnungsgemäß einrasteten (Seite 26). Am Besichtigungstag hätten sich die einzelnen Kontaktstifte und - buchsen der vier Verbindungselemente sowie die Kabelanschlüsse in einem einwandfreien Zustand befunden (Seite 26).

Aus der Überprüfung der konkreten Messreihe am 7. Juni 2009 durch den Sachverständigen ergaben sich weiter keine Hinweise auf systematische oder einzelfallbezogene messtechnische Fehler (Seite 37). Die vorgeschriebene Kalibrierung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden (Seite 30). Soweit der Sachverständige festgestellt hat, bei der Messung der einspurigen Fahrzeuge in Richtung I. sei keine durchgehend plausible Dateneinblendung vorhanden gewesen (Seite 34), ist das unerheblich, weil es hier nicht um ein einspuriges Fahrzeug - d.h. um ein Kraftrad - geht. Im Hinblick auf die Messung, die das Fahrzeug des Klägers betrifft, führt der Sachverständige ausdrücklich aus:

"Die Auswertungsvorschriften sind insoweit erfüllt worden und es finden sich keine Hinweise auf eine technisch fehlerhafte Messung".

Allerdings hat der Sachverständige ebenfalls zur Überzeugung der Kammer festgestellt, dass der Einsatz der Messeinrichtung in der Weise, wie der Beklagte dies bei der Messung in Fahrtrichtung I. praktiziert, mit der Bedienungsanleitung nicht übereinstimmt und damit auch von der Bauartzulassung nicht gedeckt ist. In der Bedienungsanleitung heißt es ausdrücklich, die Einrichtung sei für die Messung des ankommenden Verkehrs zugelassen. Aus dem Gesamtzusammenhang, d.h. insbesondere aus der weiteren Vorgabe, die Einstellungen der Kamera und des Blitzgeräts müssten eine deutliche Erkennbarkeit von Fahrzeugkennzeichen und Fahrzeugführer ermöglichen, ist damit eindeutig der Verkehr gemeint, der auf die Kamera zufährt. Soweit in G. der Verkehr in Fahrtrichtung I. erfasst wird, wird aber der von der Messstelle wegfahrende, d.h. der abfließende Verkehr gemessen.

Dies führt hier aber nicht zum Erfolg der Klage. Bei dem Einsatz des Messgerätes Traffipax Traffiphot S handelt es sich um ein sog. standardisiertes Messverfahren (OLG Köln, Beschl. v. 11.02.2003 - Ss 5/03 (Z), Ss 5/0, [...]). Das ist ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGH, Beschl. v. 30.10.1997 - 4 StR 24/97 - BGHST 43, 27); [...]). Wird ein derartiges Verfahren eingesetzt, sind nach der Rechtsprechung der Strafgerichte geringere Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen zu stellen, d.h. der Tatrichter ist nur dann gehalten, die Zuverlässigkeit von Messungen, die mit einem anerkannten und weitgehend standardisierten Messverfahren gewonnen worden sind, zu überprüfen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler bestehen (BGH, Beschl. v. 30.10.1997 - 4 StR 24/97 - BGHST 43, 27); [...]). Wenn keine Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen vorliegen und das jeweilige Messgerät vom Bedienungspersonal standardmäßig verwendet wurde, d.h. im geeichten Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend, gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung und wenn die vorgeschriebenen Toleranzwerte beachtet wurden, sind außer diesen Feststellungen weitere Darlegungen im Urteil entbehrlich. Wenn von einer standardmäßigen Verwendung nicht ausgegangen werden kann, ist eine nähere Beweiserhebung notwendig, um die Geschwindigkeitsüberschreitung zur Überzeugung des Gerichts feststellen zu können (vgl. hierzu: OLG Celle, Beschl. v. 26.06.2009 - 311 SsBs 58/09 -, [...]; OLG Hamm Beschl. v. 15.05.2008 - 2 Ss OWi 229/08 -; BGH, Beschl. v. 19.08.1993 - 4 StR 627/92 -, [...]).

Eine solche Beweiserhebung ist hier erfolgt, die zu dem Ergebnis geführt hat, dass die konkrete Messung ein zuverlässiges Ergebnis erbracht hat. Dabei lässt sich aus den Ausführungen des Gutachters erkennen, dass der Aufbau der Anlage dergestalt, dass in Fahrtrichtung I. die Kraftfahrzeuge von hinten fotografiert werden, keinen Einfluss auf den konkreten technischen Messvorgang und seine Zuverlässigkeit hatte. Im Übrigen ergibt sich aus der Stellungnahme der Jenoptik GmbH vom 20. Juni 2012, dass es auch generell auf die Zuverlässigkeit des Messergebnisses keinen Einfluss hat, wenn

- wie hier - durch die Geschwindigkeitsüberwachungsanlage Traffiphot S der abfließende Verkehr gemessen wird. In dieser Stellungnahme heißt es u.a.

"...Schließlich werden die piezo-elektrischen Sensoren in derselben Reihenfolge (Sensor 1, Sensor 2, Sensor 3) überfahren und das Messergebnis entspricht genauso exakt der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit wie bei der Messung des ankommenden Verkehrs..."

und weiter:

" ...Zusammenfassend betrachtet sind die Messungen des ankommenden und abfließenden Verkehrs messtechnisch gesehen absolut identisch. ..."

Die von dem Beklagten durchgeführte Messung kann auch nicht mit Rücksicht auf den Gemeinsamen Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration sowie des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (vom 25.111994 zuletzt geändert durch den gemeinsamen Runderlass vom 7.10.2010) beanstandet werden. Die hierin formulierten Richtlinien für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs schließen weder die Anfertigung von Heckaufnahmen im Rahmen von Geschwindigkeitsüberwachungsmaßnahmen aus, noch ergibt sich daraus, dass das Vorliegen eines Heckfotos zur Rechtswidrigkeit der Messung führt.

In Nummer 6 Satz 3 der Anlage zu dem Erlass heißt es lediglich, dass der Fahrernachweis durch Fotodokumentation sicherzustellen ist. Nummer 7 der Anlage sieht vor, dass, sofern es der Verkehrsraum, die Art des Einsatzes und die Konstruktion des Überwachungsgerätes zulassen, Fahrzeuge von vorn zu fotografieren sind (Satz 1). Das Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Integration hat zu seinem Erlass unter dem 5. Dezember 2011 ergänzend Stellung genommen und klarstellend ausgeführt:

"... Im Rahmen von Geschwindigkeitsüberwachungsmaßnahmen ist das Anfertigen von Heckaufnahmen grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Die o.a. Richtlinien für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs regeln in Nr. 6 und 7 der Anlage lediglich die Handhabung der Geschwindigkeitskontrollen zum Zwecke der Beweissicherung. Um in einem Bußgeldverfahren den erforderlichen Beweis der Fahrereigenschaft führen zu können, ist aber der i.d.R. eine Fotoaufnahme des verantwortlichen Fahrzeugführers erforderlich. Entsprechendes wird in Nr. 6 der Anlage zu o.a. Erlass geregelt. Das Anfertigen von Heckaufnahmen schließt der Erlass dennoch nicht aus, wobei Nr. 7 der Anlage zu dem genannten Erlass den zusätzlichen Einsatz von Geräten für Frontaufnahmen verlangt, sofern diese zur Verfügung stehen. Allein das Vorliegen von Heckaufnahmen würde weder den Erlass eines Bußgeldbescheides noch eine unmittelbare Inanspruchnahme des Fahrzeughalters als Beschuldigten rechtfertigen. Bei einem von dem Halter des Betreffenden Fahrzeugs im Nachhinein eingeräumten Verstoß handelt es sich jedoch zweifelsfrei um einen Verstoß, der entsprechend geahndet werden kann. Dies gilt auch für den Fall, dass lediglich eine Heckaufnahme zur Verfügung steht, weil die Angaben des Fahrzeugführers hier als weiterer Beweis zur Verfügung stehen."

Daraus ergibt sich, dass die Richtlinien in Nummer 6 und 7 ihrer Anlage den Behörden lediglich Handlungsanweisungen für den Einsatz von Geschwindigkeitsmessgeräten zum Zwecke des Nachweises der Person des Fahrers für die sich an einen Verkehrsverstoß anschließende Ahndung der Ordnungswidrigkeit im Bußgeldverfahren geben. Um eine solche Ahndung geht es hier jedoch nicht (vgl. hierzu auch: NdsOVG, Beschl. v. 17.01.2013 - 12 LA 3112/11 - ).

Der Einwand des Klägers, für die Geschwindigkeitsmessung an der H. in G. fehle es an der notwendigen gesetzlichen Grundlage, greift ebenfalls nicht durch. Auch eine unter diesem Gesichtspunkt verfahrensfehlerhafte Messung führte nämlich nicht zu einem Verwertungsverbot im Rahmen des Verfahrens nach § 31a StVZO (vgl. hierzu: NdsOVG, Beschl. v. 7.6.2010 - 12 ME 44/10 -, [...]).

Die Übrigen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten auf der Grundlage des § 31a StVZO sind hier ebenfalls erfüllt. Die Feststellung des Fahrzeugführers, der den Verkehrsverstoß begangen hat, war nicht möglich. Von der Unmöglichkeit, den Fahrer festzustellen, ist dann auszugehen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Fahrzeugführer zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Angemessen sind die Maßnahmen, die die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung bei der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab oder ist er aus anderen Gründen nicht in der Lage, zur Aufklärung beizutragen, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 4.9.2003 - 12 LA 442/03 -).

Hieran gemessen war die Ermittlungstätigkeit der Bußgeldstelle des Landkreises I. ausreichend. Sie hat ausweislich der Verwaltungsvorgänge den Kläger, auf den das bei dem Verkehrsverstoß beteiligte Fahrzeug zugelassen ist, sowohl als Beschuldigten als auch als Zeugen angehört, wobei der Kläger zu keinem Zeitpunkt Angaben zur Sache gemacht hat, die der Bußgeldstelle Anhaltspunkte für weitere erfolgversprechende Ermittlungshandlungen gegeben hätten. Dabei ist die erste Anhörung des Klägers im Rahmen des Bußgeldverfahrens innerhalb von 14 Tagen und damit rechtzeitig erfolgt (hierzu z.B.: BVerwG, Beschl. v. 25.6.1987 - 7 B 139.87 -, [...]; NdsOVG, Beschl. v. 6.1.2012 - 12 LA 302/10 -; Beschl. v. 8.11.2004 - 12 LA 72/04 - ). Auf den Zeitpunkt der Anhörung zu dem Erlass der sog. Fahrtenbuchauflage, auf den sich der Kläger bezieht, kommt es in diesem Zusammenhang hingegen nicht an.

Weiter sind keine Ermessensfehler des Beklagten ersichtlich. Insbesondere ist am 7. Juni 2009 mit dem Fahrzeug des Klägers ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht begangen worden. Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, ist regelmäßig bereits dann verhältnismäßig, wenn die Entscheidung über die fragliche Ordnungswidrigkeit in das Verkehrszentralregister einzutragen und daher mit wenigstens einem Punkt nach dem Punktesystem zu bewerten wäre (BVerwG, Beschl. v. 9.9.1999 - 3 B 94.99 -; Nds. OVG, Beschl. v. 15.10.2003 - 12 LA 1416/03 - ). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der begangene Verkehrsverstoß zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat; entscheidend ist allein die abstrakte Gefährdung, die bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung in diesem Umfange regelmäßig anzunehmen ist. Im vorliegenden Fall wäre die Geschwindigkeitsüberschreitung mit drei Punkten einzutragen gewesen (vgl. Ziffer 5.4. der Anlage 13 zur Fahrerlaubnisverordnung).

Auch die Dauer der Auflage ist angesichts der Schwere des Verkehrsverstoßes nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Durch die Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.5.1995 -11 C 12/94 - ). Dazu ist eine gewisse Dauer der Fahrtenbuchauflage erforderlich. Fünfzehn Monate übersteigen das Maß der gebotenen effektiven Kontrolle bei einem Verkehrsverstoß der hier gegebenen Art nicht und stellen deshalb keine übermäßige Belastung dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.