Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 27.08.2013, Az.: 7 A 4249/12
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 27.08.2013
- Aktenzeichen
- 7 A 4249/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64398
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 26 Abs 1 AsylVfG
- § 26 Abs 4 AsylVfG
- § 60 Abs 1 AufenthG
- Art 16a Abs 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Gleichgeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaften nach kolumbianischem Recht unterfallen nicht dem Schutzbereich des § 26 Abs. 1 und 4 AsylVfG, zumal wenn diese ein nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wieder aufgelöst sind und der Asylbewerber anderweitig verheiratet ist.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand:
Der am E. in F. geborene Kläger ist männlichen Geschlechts und kolumbianischer Staatsangehöriger. Nach 11jährigem Schulbesuch und einer nicht abgeschlossenen Ausbildung hat er nach eigenen Angaben zuletzt als Verkaufsleiter gearbeitet. Der Kläger reiste am G. 2011 aus Kolumbien aus und am H. 2011 über den Flughafen Frankfurt (Main) in das Bundesgebiet ein. Bei der Einreise stellte er einen Asylantrag. Er befand sich in Begleitung des am I. in J. geborenen transsexuellen kolumbianischen Staatsangehörigen L., der ebenfalls einen Asylantrag stellte und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - als Frau L. bezeichnet wird (s. hierzu BVerfG, Beschluss vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - NJW 2011, S. 909 und Beschluss vom 27.10.2011 - 1 BvR 2027/11 - NJW 2012, 600; im Folgenden nimmt das Urteil die Bezeichnung durch das Bundesamt auf).
Der Kläger legte die Übersetzung einer von ihm und Frau L. am M. 2011 vor einer Notarin in N. abgegebenen außergerichtlichen Erklärung nach der kolumbianischen Gesetzesverordnung 1557/89 vor, aus der sich ergibt, dass sie beide seit einem Jahr in fester Beziehung in derselben Wohnung lebten. Der Kläger hatte in diesem Zusammenhang verschiedentlich ausgeführt, mit Frau L. verheiratet zu sein.
Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 7. Juni 2011 führte der Kläger aus, dass Frau L. eine Aktivistin für Homo- und Transsexuelle sei. Seit 2007 habe es in Kolumbien deshalb Probleme mit einer Gruppe gegeben, die gegen Homosexuelle sei. Als Frau L. am 24. Juni 2007 aus einer Diskothek gekommen sei, sei sie mit einer Waffe beschossen und am Auge verletzt worden. Hierdurch habe sie 70% der Sehkraft auf einem Auge eingebüßt. 2010 sei Frau L. aufgefordert worden, bei den Parlamentswahlen für die O. Partei zu kandidieren. Bei der Wahlkampagne habe Frau L. Polizeischutz erhalten, im privaten Leben hingegen nicht. Im März 2010 sei versucht worden, ihn - den Kläger - und Frau L. zu entführen. Dabei sei ihr angemietetes Auto nebst Gepäck gestohlen worden. Danach habe sich der Kläger nicht mehr aus dem Haus getraut. Strafanzeigen bei der Polizei und Hilfegesuche an Nicht-Regierungsorganisationen seien eingereicht worden. Schließlich seien er und Frau L. auf der Straße im Februar 2011 aus einem Auto heraus mit einer Waffe bedroht worden. Auf ihre Anzeige bei der Polizei sei ihnen mitgeteilt worden, man könne nichts machen, eine Körperverletzung liege nicht vor. 2010/2011 seien in Kolumbien zahlreiche Homo- und Transsexuelle getötet worden. Bei Rückkehr nach Kolumbien fürchte er, dass Frau L. und er getötet würden.
Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 27. Mai 2011 führte Frau L. aus, dass der Kläger nicht transsexuell sei (P.). Sie selbst sei seit 2007 Mitglied der Organisation „Q.“, die sich für die Rechte und die Anerkennung der Homosexuellen einsetze, die sich als Frauen fühlten. Sie sei mehrmals auf der Straße angesprochen und geschlagen worden. Außerdem habe sie Drohanrufe erhalten. Im März 2010 hätten Unbekannte sie entführen wollen. Ihr Privatwagen sei gestohlen worden, sie habe sich jedoch nicht im Auto befunden. Sie habe Strafanzeige gestellt und die Polizei ermittle bis heute. Im Februar 2011 habe die Polizei eine Anzeige nicht annehmen wollen, nachdem sie und der Kläger auf der Straße von Unbekannten mit einer Waffe anvisiert worden seien.
Mit einem Bescheid des Bundesamtes vom 11. Juli 2011 - R. - wurde der Asylantrag von Frau L. abgelehnt, jedoch festgestellt, dass in ihrer Person die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorlägen.
Hingegen lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers mit dem streitbefangenen Bescheid vom 27. Juni 2012 ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ebenso wenig vorlägen wie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG -. Zugleich drohte das Bundesamt dem Kläger die Abschiebung nach Kolumbien oder einen anderen Staat an, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, sofern er nicht innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens ausgereist sei. Zur Begründung wird ausgeführt, dass eine staatliche Verfolgung nicht vorliege. Vielmehr habe der kolumbianische Staat dem Kläger und seiner Lebenspartnerin Schutz gewährt. Einen lückenlosen Schutz könne auch der kolumbianische Staat nicht leisten. Auch Flüchtlingsschutz scheide aus, weil es keine systematische Verfolgung von Homosexuellen in Kolumbien gebe. Zudem gebe es in Kolumbien seit 2007 ein Gesetz zur Einführung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. In Kolumbien gebe es in den Großstädten eine große und lebhafte schwul-lesbische Szene. Der Kläger und seine Partnerin hätten deshalb die Möglichkeit, sich in einer kolumbianischen Großstadt ohne asylrechtlich relevante Schwierigkeiten niederzulassen. Gründe für Abschiebungsverbote seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Am S. erklärte Frau L. vor dem kolumbianischen Konsularbeauftragten in T. an Eides statt gemäß der kolumbianischen Gesetzesverordnung 1557, dass sie seit September 2011 nicht mehr als dauerhafter Lebenspartner mit dem Kläger zusammenlebe.
Mit seiner zuvor am 6. Juli 2012 beim Verwaltungsgericht Hannover erhobenen Klage verfolgt der Kläger seinen Asylantrag weiter. Zur Begründung trägt er vor: Er sei gezwungen gewesen, Kolumbien zu verlassen, weil er dort gemeinsam mit seiner transsexuellen Lebenspartnerin Verfolgung im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigten, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.4.2004 (ABl. Nr. L 304 S. 12, ber. ABl. 2005 Nr. L 204 S 24) - QualfRL - wegen seiner sexuellen Orientierung im Sinne von Art. 10 lit. d) QualfRL ausgesetzt gewesen sei. Dies habe im Fall seiner Lebensgefährtin auch zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt. Er selbst sei zahlreichen Angriffen wegen seiner sexuellen Orientierung (U..) und der Aktivitäten seiner Lebenspartnerin ausgesetzt gewesen. Es gelte die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 QualfRL.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, er sei weder trans- noch homosexuell. Vielmehr sei er heterosexuell und habe am V. im Spanischen Generalkonsulat in W. die ehemals kolumbianische, nunmehr spanische Staatsangehörige X. geheiratet, die als EU-Staatsange-hörige in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis besitze. Er selbst habe eine aus der Eheschließung folgende Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde bislang weder beantragt, noch sei ihm bislang eine solche erteilt worden. Bei einer Rückkehr nach Kolumbien befürchte er wegen seiner früheren Lebensgemeinschaft mit Frau L. nach wie vor politische Verfolgung.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Juni 2012 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sowie die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass in seiner Person die Voraussetzungen subsidiären Schutzes nach der QualfRL vorliegen,
hilfsweise
Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet eine Gefahr für den Kläger bei Rückkehr nach Kolumbien.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorbezeichneten Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der Ausländerakte des Klägers Bezug genommen, die dem Gericht zur Einsichtnahme vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Der zulässigen Klage muss der Erfolg versagt bleiben.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Familienasyl nach § 26 Abs. 1 AsylVfG, weil seine frühere transsexuelle Lebenspartnerin L. bestandskräftig nicht als Asylberechtigte anerkannt ist. Zudem unterfallen gleichgeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaften nach kolumbianischen Recht nicht dem Schutzbereich des § 26 Abs. 1 AsylVfG, zumal wenn diese im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wieder aufgelöst sind und der Asylbewerber anderweitig verheiratet ist.
Der Kläger hat auch keinen eigenen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Gemäß Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politische Verfolgung ist grundsätzlich unmittelbare staatliche Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502.86 u.a. - BVerfGE 80, S. 315 = NVwZ 1990, S. 151).
Zur Überzeugung des Gerichts ist der Kläger unverfolgt aus Kolumbien ausgereist. Er ist nicht selbst Opfer einer gezielten staatlichen Verfolgung geworden. Soweit er auf eine 2007 erfolgte Schussverletzung seiner früheren transsexuellen Lebenspartnerin L. durch Unbekannte verweist, war diese zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die gleichgeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaft mit ihr noch nicht bestand. Soweit er auf eine 2010 erfolgte angeblich versuchte Entführung durch Unbekannte verweist, stellt sich diese letztlich lediglich als Kfz-Diebstahl dar und die Polizei ermittelte. Soweit er schließlich auf eine Bedrohung mit einer Schusswaffe 2011 aus einem Kfz heraus durch Unbekannte abstellt, ist dies Ausdruck allgemein hoher Kriminalität in Südamerika und die behauptete Nichtannahme einer Strafanzeige durch die Polizei kann sich in Ermangelung weiterer Tatsachenangaben auch aus der von vornherein bestehenden Aussichtslosigkeit der Aufnahme von Ermittlungen verstehen. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 19.8.2002 an das VG Potsdam - 508-516.80/39990 - gibt es Schätzungen, wonach 90% aller begangenen schweren Straftaten von den kolumbianischen Behörden nicht verfolgt werden. Erklären mag dies u.a. die schiere Masse der jedes Jahr begangenen Straftaten. Der Kläger selbst hat vorgetragen, dass seine Lebenspartnerin jedenfalls im Zusammenhang mit ihrer Kandidatur für das Parlament unter Polizeischutz gestellt worden war.
Dem Kläger droht bei Rückkehr nach Kolumbien auch zur Überzeugung des Gerichts keine politische Verfolgung wegen einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. seiner sexuellen Orientierung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er selbst weder trans- noch homosexuell sei. Vielmehr sei er heterosexuell und habe am 21. August 2013 die spanische Staatsangehörige X. geheiratet. Damit liegt - anders noch als in der schriftlichen Klagebegründung (Y. ausgeführt - keinerlei Anhaltspunkt dafür vor, dass der Kläger wegen seiner eigenen sexuellen Orientierung in Kolumbien Verfolgung zu befürchten hat. Denn es ist offensichtlich, dass der kolumbianische Staat die Gruppe der heterosexuellen verheirateten Männer nicht verfolgt.
Sofern der kolumbianische Staat seine frühere Lebenspartnerschaft mit L. als Ausdruck einer homosexuellen Orientierung ansieht, ist festzustellen, dass in Kolumbien Homosexualität nicht verfolgt wird. Strafgesetze gegen homosexuelle Handlungen bestehen in Kolumbien nicht. Das Schutzalter für homosexuelle sowie heterosexuelle Handlungen liegt einheitlich bei 14 Jahren. Kolumbien erlaubt homosexuellen Menschen den Militärdienst. Das Verfassungsgericht Kolumbiens erklärte am 19. Februar 2007 eine diskriminierende Regelung des Erbrechts für verfassungswidrig und hat 2012 Homosexuellen das Recht zur Adoption von Kindern zugesprochen (www.bergmann-aktuell.de/news/homosexualitaet-kein-hindernis-adoption; www.kind-adoptieren.de/kolumbien-komosexueller-darf-erstmals-kind-adoptieren). Ein Gesetz zur Einführung einer eingetragenen Partnerschaft hat 2007 den Kongress passiert. Im Juli 2011 entschied das Verfassungsgericht Kolumbiens, dass gleichgeschlechtliche Paare darüber hinaus das Recht auf eine gleichgeschlechtliche Ehe hätten. Das Parlament Kolumbiens wurde durch das Urteil verpflichtet, bis 20. Juni 2013 ein Gesetz zur Eheöffnung zu verabschieden. Damit erhielten gleichgeschlechtliche Paare automatisch das Recht auf Ehe, indem sie vor einem Notar oder einem Richter erscheinen (wikipedia: Homosexualität in Kolumbien). Diese Frist hat das Parlament verstreichen lassen. Die Rechte sind deshalb automatisch in Kraft getreten. Die erste gleichgeschlechtliche Trauung vor einem Richter sollte am 24. Juli 2013 vollzogen werden (www.queernews.at/archives/3510). Zumindest besteht die Möglichkeit, mit einem öffentlich beurkundeten Vertrag formalisierte Partnerschaften - uniones civiles - einzugehen (www.bergmann-aktuell.de/news/gleichgeschlechtliche-partnerschaften-in-kolumbien). Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27.7.2011 an die Ausländerbehörde Nürnberg vom 27.6.2011 - 508-92 - gibt es in keine systematische staatliche Verfolgung von Homosexuellen in Kolumbien. Allerdings können, vor allem auf dem Land und in kleinen Städten, vereinzelte Diskriminierungen durch staatliche Stellen, z.B. der Polizei, auch nicht ausgeschlossen werden. Daneben ist in dem sehr katholisch und „machistisch“ geprägten Land noch immer eine gesellschaftliche Diskriminierung von Homosexuellen auszumachen (vgl. auch die früheren Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 19.8.2002 an das VG Potsdam, aaO, und vom 5.5.1997 an das BAFl - 514-516.80/28905 -). Allerdings gibt es in den Großstädten Bogotá, Medellin, Cali - Z. -, Cartagena und Barranquilla eine große und lebhaft schwul-lesbische Szene (wikipedia: Homosexualität in Kolumbien). Es finden jährliche Gay Pride Paraden, jeden Juni in Bogotá, sowie in Medellin und Cali statt (www.spartacusworld.com/de/hotels/southamerica/columbia). Nach alledem kann von einer staatlichen Verfolgung Homosexueller in Kolumbien keine Rede sein (ebenso VG Braunschweig, Urteil vom 11.5.2012 - 3 A 195/11 -).
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, in seinem Fall die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Seiner früheren transsexuellen Lebenspartnerin L wurde durch das Bundesamt mit Bescheid vom 11. Juli 2011 bestandskräftig die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Gleichwohl hat der Kläger keinen Anspruch auf Familienflüchtlingsschutz nach § 26 Abs. 1 und 4 AsylVfG, weil gleichgeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaften nach kolumbianischen Recht nicht dem Schutzbereich des § 26 Abs. 1 und 4 AsylVfG unterfallen. Außerdem besteht diese im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr, sondern ist vielmehr gemäß der Erklärung der Frau L. vor dem kolumbianischen Konsularbeamten in Frankfurt/Main AB. seit September 2011 aufgelöst. Schließlich ist der Kläger selbst mittlerweile anderweitig verheiratet.
Der Kläger hat auch keinen eigenen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf in Anwendung dieses Abkommens ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegt, sind gemäß § 50 Abs. 1 Satz 5 AufenthG die Art. 4 Abs. 4 sowie Art. 7 bis 10 QualfRL ergänzend anzuwenden (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 19.1.2009 - 10 C 52/07 - NVwZ 2009, S. 982, vom 5.5.2009 - 10 C 21/08 - NVwZ 2009, S. 1308 und vom 24.11.2009 - 10 C 24/08 - NVwZ 2010, S. 979).
Der Kläger gehört als verheirateter heterosexueller Mann keiner bestimmten „sozialen Gruppe“ im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und Art. 10 Abs. 1 lit. d) QualfRL an, die in Kolumbien bedroht ist. Der Kläger hat eine Verfolgung in Kolumbien durch Gruppen, die gegen Trans- und Homosexuelle seien, behauptet. Selbst wenn er danach in Kolumbien wegen seiner früheren Lebenspartnerschaft mit der transsexuellen L. als zur Gruppe der Homosexuellen zugehörig angesehen würde, begründet dies nicht den Schutz der vorbezeichneten Vorschriften. Dabei unterstellt das Gericht, dass Homosexuelle in Kolumbien eine „soziale Gruppe“ im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und Art. 10 Abs. 1 lit. d) QualfRL bilden, wobei auch öffentlich bemerkbare homosexuelle Verhaltensweisen grundsätzlich nicht vom Schutz der letztbezeichneten Norm ausgenommen sind (vgl. VGH Mannheim, Urteile vom 7.3.2013 - A 9 S 1872/12 -: Kamerun und - A 9 1873/12 -: Nigeria). Allerdings unterliegen Homosexuelle in Kolumbien nach der oben unter 1) dargestellten Erkenntnislage keiner Gruppenverfolgung. Hiergegen spricht bereits die Rechtsprechung des kolumbianischen Verfassungsgerichts und der selbst vom Kläger eingeräumte Umstand, dass seine frühere transsexuelle Lebenspartnerin, solange diese für das kolumbianische Parlament kandidierte, unter Polizeischutz stand. Deshalb bedarf es in jedem Einzelfall, in dem ein Antragsteller geltend macht, er werde wegen seiner sexuellen Ausrichtung verfolgt, einer Gesamtwürdigung seiner Person und seines gesellschaftlichen Lebens und darauf aufbauend einer individuellen Gefahrenprognose. Zu prüfen ist dabei, wie sich der einzelne Schutzsuchende bei seiner Rückkehr im Hinblick auf seine sexuelle Ausrichtung verhalten wird und wie wichtig diese Verhaltensweise für seine Identität ist. Nicht beachtlich ist, ob er mit Rücksicht auf drohende Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 QualfRL auf das behauptete Verhalten verzichten würde (vgl. VGH Mannheim, aaO).
Diese individuelle Gefahrenprognose kann vorliegend nur zum Ergebnis haben, dass der Kläger als heterosexueller und inzwischen mit der spanischen Staatsangehörigen X. verheirateter Ehemann bei Rückkehr nach Kolumbien nicht als Homosexueller wahrgenommen wird. Seine frühere Lebenspartnerschaft mit Frau L. wird sich bei einer Bevölkerung von 46 Millionen Einwohnern in Kolumbien seit der Ausreise aus dem Heimatland 2011 als unbedeutend und nicht (mehr) wahrgenommen herausstellen, zumal der Kläger vor seiner Ausreise in einer der größten Städte Kolumbiens gelebt hat.
3. Der Hilfsantrag des Klägers, die Beklagte zu verpflichten, in seinem Fall Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen, ist ebenfalls unbegründet.
Nach der durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl. I S. 1970) geänderten Rechtslage bilden hinsichtlich der vom Ausländer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat oder das Land seines gewöhnlichen Aufenthalts geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig von den sonstigen herkunftsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil. Der (Hilfs-)Antrag des Klägers ist deshalb dahingehend auszulegen, dass er vorrangig die Feststellung eines unionsrechtlich abgesicherten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG begehrt und nur hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG beansprucht (BVerwG, Urteile vom 24.6.2008 - 10 C 43/07 - BVerwGE 131, S. 198 = NVwZ 2008, S. 1241, vom 14.7.2009 - 10 C 9/08 - BVerwGE 134, S. 188 = NVwZ 2010, S. 196 und vom 29.6.2010 - 10 C 10/09 - NVwZ 2011, S. 48; Renner-Bergmann, AuslR, 9. Aufl., § 60 AufenthG Rdnr. 51).
Solche Abschiebungsverbote sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.
4. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit § 59 AufenthG. Die kurz vor der mündlichen Verhandlung erfolgte Eheschließung mit der spanischen Staatsangehörigen X., die nach dem Vortrag des Klägers in Deutschland eine EU-Aufenthaltserlaubnis besitzt, macht die Abschiebungsandrohung nicht rechtswidrig, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach eigenem Bekunden noch keine - von dem Aufenthaltsstatus seiner Ehefrau abgeleitete - Aufenthaltserlaubnis besitzt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG; vgl. Renner-Bergmann, aaO, § 34 AsylVfG Rdnr. 8).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 ZPO.
Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylVfG.