Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.07.2016, Az.: 4 UF 77/16
Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich beiderseitiger Anrechte in der Deutschen Rentenversicherung bei einer Differenz zwischen beiden Anrechten unterhalb es Grenzwerts gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 SGB IV
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 14.07.2016
- Aktenzeichen
- 4 UF 77/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 26682
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2016:0714.4UF77.16.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Cloppenburg - 26.04.2016 - AZ: 11 F 1226/15
Rechtsgrundlage
- VersAusglG § 18 Abs. 3
Amtlicher Leitsatz
Ein Ausgleich geringfügiger Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung ist auch dann aufgrund des verfassungsrechtlich gebotenen Halbteilungsgrundsatzes angezeigt, wenn nicht ohnehin Umbuchungen auf dem Versicherungskonto vorzunehmen sind, sondern auch dann, wenn ansonsten ein Versorgungsausgleich vollständig unterbleiben könne. Auch in dieser Fallkonstellation sei der Verwaltungsaufwand nicht unverhältnismäßig hoch.
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung K.......... B ...-S .. ohne mündliche Verhandlung gemäß § 68 Abs. 3 FamFG zurückzuweisen.
Auf Antrag der Deutschen Rentenversicherung O ...........-B ...... ist beabsichtigt, den Tenor zu Ziffer II dahingehend zu berichtigen, dass es richtig heißen muss:
Zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung K ............B ...-S .. (Versicherungsnummer .......................) wird im Wege der internen Teilung zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 1,1035 Entgeltpunkten auf deren Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung O .........-B ..........(Versicherungsnummer...................), bezogen auf den 31.12.2015, übertragen.
Zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung O ........-B .... (Versicherungsnummer .....................) wird im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 1,5929 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung K ......... B ....-S ....(Versicherungsnummer .......................), bezogen auf den 31.12.2015, übertragen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Beschwerde unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.
Gründe
Der Senat lässt sich bei seiner Absicht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:
Eine mündliche Verhandlung hat bereits in erster Instanz stattgefunden. Weitere Erkenntnisse sind nicht zu erwarten.
Das Amtsgericht hat mit angefochtenem Beschluss vom 26.04.2016 u.a. den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es, obwohl die Differenz der beiden Anrechte der Ehegatten gering i.S.d. § 18 Abs.3 VersAusglG ist, die Anrechte dennoch ausgeglichen. Durch die Übertragung der Anrechte entstehe für die Versorgungsträger kein so unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand, dass dies die Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes rechtfertige.
Hiergegen wendet sich die Deutsche Rentenversicherung K ........... B ...-S .. mit ihrer Beschwerde. Mit dieser wendet sie ein, dass der Bundesgerichtshof allein für den Fall, dass der Versorgungsträger ohnehin Umbuchungen auf den beteiligten Rentenversicherungskonten vornehmen müsse, entschieden habe, dass der (zusätzliche) Verwaltungsaufwand nicht unverhältnismäßig hoch sei. Die vorliegende Konstellation, in der ein Versorgungsausgleich vollständig unterbleiben könne, sei eine andere. Die programmtechnische Umsetzung des Versorgungsausgleichs stelle gegenüber der Prüfung des Beschlusses einen weiteren Arbeitsschritt unter Einbindung anderer Instanzenwege im Hause dar, und somit durchaus einen wesentlichen Mehraufwand. Hinzu komme, dass die Rechtsauffassung des Amtsgerichts dazu führen würde, dass (zumindest in der gesetzlichen Rentenversicherung) § 18 I VersAusglG keinerlei Anwendungsbereich hätte und damit quasi leerlaufen würde. Für eine vom Regelfall abweichende Entscheidung müssten besondere Gründe vorliegen, die Dennoch einen Ausgleich der Anrechte erforderlich machen würden. Der allgemeine Halbteilungsgrundsatz könne hierzu nicht dienen.
Die zulässige Beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
Der Ehemann hat nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung K .... B ...-S... ein Anrecht und einen Ehezeitanteil von 2,2069 Entgeltpunkten erlangt. Das Anrecht hat einen korrespondierenden Kapitalwert von 7.222,20 EUR. Die Ehefrau hat nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung O ......-B ..... ein Anrecht und einen Ehezeitanteil von 3,1857 Entgeltpunkten erlangt. Das Anrecht hat einen korrespondierenden Kapitalwert von 10.425,23 €.
Obwohl die Differenz der Kapitalwerte der erworbenen Anrechte, die als gleichartig im Sinne des § 18 Abs.1 VersAusglG anzusehen sind, mit 3.203,03 EUR den Grenzwert nach § 18 Abs. 3 VersAusglG i. V. m. § 18 Abs. 1 SGB IV (zum Ehezeitende: 3.402,00 EUR) nicht übersteigt, hält der Senat den Ausgleich der Anrechte in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht für geboten.
Nach § 18 VersAusglG soll das Familiengericht gleichartige Anrechte mit einer geringen Wertdifferenz (Abs. 1) und einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert (Abs. 2) nicht ausgleichen. Die Ausübung des durch diese Sollvorschrift eingeräumten Ermessens muss unter besonderer Beachtung des Halbteilungsgebots erfolgen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, dass der Ausgleich eines einzelnen Anrechts mit geringem Ausgleichswert geboten sein kann, wenn mit dem Ausgleich kein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand für die Versorgungsträger verbunden ist (Beschluss vom 30. November 2011, Az. XII ZB 344/10, FamRZ 2012, 192; Beschluss vom 1. Februar 2012, Az. XII ZB 172/11). Zwar sind Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht generell vom Bagatellausschluss nach § 18 VersAusglG ausgenommen (so BGH, Beschluss vom 30. November 2011, Az. XII ZB 344/10, Tz. 39). Die Beachtung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Bagatellausschluss entwickelten Grundsätze hat jedoch zur Folge, dass diese Anrechte jedenfalls dann trotz geringen Ausgleichswerts oder geringer Wertdifferenz auszugleichen sind, wenn für beide Ehegatten bereits ein Versicherungskonto vorhanden ist und beide früheren Ehegatten noch keine Rente beziehen. In diesen Fällen beschränkt sich nämlich der Teilungsaufwand des Versorgungsträgers auf die Prüfung der gerichtlichen Entscheidung und die Umbuchung der Ausgleichswerte auf das Versicherungskonto des jeweils Berechtigten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Mai 2013 - II-8 UF 89/12, 8 UF 89/12 -, Rn. 11, juris). Nach Auffassung des Senats beschränkt sich der Anwendungsbereich damit nicht nur auf den Fall, wenn durch den Rentenversicherungsträger ohnehin Umbuchungen vorzunehmen sind, auch wenn in diesem Fall der Verwaltungsaufwand nochmals geringer ausfallen dürfte.
Solange die früheren Ehegatten zudem noch keine Rente beziehen, sind auch Rentenbescheide, die nach der Durchführung des Versorgungsausgleichs zu ändern wären, noch nicht erlassen worden (OlG Düsseldorf a.a.O.).
So liegt der Fall auch hier. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass die neben der Prüfung die programmtechnische Umsetzung des Versorgungsausgleichs einen weiteren Arbeitsschritt unter Einbindung anderer Instanzenwege im Hause darstelle und dies einen durchaus wesentlichen Mehraufwand darstelle, ist dem Beschwerdeführer zwar darin zuzustimmen, dass die Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs ein weniger an Arbeitsaufwand gegenüber der Durchführung darstellt, der Vortrag, dass es sich dabei aber um einen durchaus wesentlichen Mehraufwand handelt, überzeugt nicht. Die Deutsche Rentenversicherung hat in einem Rundschreiben vom 10.01.2012 an alle Familiengerichte selbst darauf hingewiesen, dass für die Rentenversicherungsträger nach der von ihnen bevorzugten Verfahrensweise ein lediglich geringfügiger und damit zu vernachlässigender zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehe. Die familiengerichtliche Entscheidung sei ohnehin von den Rentenversicherungsträgern zu prüfen und der Aufwand für die zusätzliche Speicherung der Daten halte sich in überschaubaren Grenzen. Da aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur eine einheitliche Leistung erbracht werde und die Daten aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich im maschinellen Verfahren verarbeitet werden, sei auch bei einer Leistungsgewährung kein spürbarer zusätzlicher Verwaltungsaufwand zu verzeichnen. Dies spreche dafür, in diesen Fallgestaltungen den grundsätzlichen Vorrang des Halbteilungsgrundsatzes zu beachten und im Rahmen der Ermessensentscheidung im Regelfall von der Anwendung sowohl des Abs.1 als auch Abs.2 des § 18 VersAusglG abzusehen. Diese von der Deutschen Rentenversicherung Bund dargestellten Grundsätze, insbesondere zum erforderlichen Arbeitsaufwand, gelten in gleichem Maße auch für den Beschwerdeführer. Ein "durchaus wesentlicher" Mehraufwand besteht daher erkennbar nicht.
Stellt man mithin auf das Kriterium des Verwaltungsmehraufwandes ab, dann käme es vorliegend maßgeblich darauf an, ob man den Unterschied zwischen "gar keinem Verwaltungsaufwand" (siehe OLG Celle, Beschluss vom 25.02.2016, 21 UF 325/15) und dem von der Deutschen Rentenversicherung Bund im Rundbrief vom 10.01.2012 dargestellten lediglich geringfügigen und damit zu vernachlässigenden Verwaltungsaufwand als entscheidungserheblich ansieht. Auf diese feingliedrige Unterscheidung kann es indes nicht ankommen, den der BGH hat es für einen durchzuführenden Ausgleich grundsätzlich für ausreichend gehalten, wenn es zu keinem unverhältnismäßig hohem Verwaltungsaufwand für den Versorgungsträger kommt (BGH FamRZ 2012, 192). Dies ist vorliegend, wie aufgezeigt, der Fall.
Denkbar ist weiterhin eine Unterscheidung zwischen einem durchzuführenden Ausgleich nach § 18 Abs.1 VersAusglG (gleichartige Anrechte) und § 18 Abs.2 VersAusglG (andere einzelne geringfügige Anrechte). Das OLG Hamm (Beschluss vom 01.02.2016, MDR 2016, 278 [BGH 09.12.2015 - XII ZB 586/13]) sieht in der unterschiedlichen Konzeption der Reglungen in den Absätzen 1 und 2 des § 18 VersAusglG einen maßgeblichen Grund dafür, bei gleichartigen Anrechten allein die geringe Differenz für einen Nichtausgleich als gerechtfertigt erscheinen zu lassen, weil nur dann jeglicher Verwaltungsaufwand entfalle (so BGH, a.a.O, Rz.35). Zwar ist insoweit zuzugestehen, dass nach Abs.1 auf die Wertdifferenz abgestellt wird, während nach Abs.2 auf das jeweilige einzelne Anrecht abgestellt wird, so dass ein Benachteiligung dadurch eintreten kann, dass ein Ehegatten an einem einzelnen Anrecht wegen Nichterreichen der Bagatellgrenze nicht partizipiert, während an anderen die Bagatellgrenze überschreitenden Anrechten der andere Ehegatte partizipiert. Dieses Argument übersieht indes, dass auf diese Konstellation im Rahmen des eingeräumten Ermessens sachgerecht durch das Gericht reagiert werden kann, in dem es in diesem Fall auch das geringfügige Anrecht ausgleicht. Zudem wird der grundsätzlich vom BGH eingeräumte Vorrang des Halbteilungsgrundsatzes übersehen. So hat das OLG Hamm im Weiteren auch (ergänzend) darauf abgestellt, dass die Differenz der Rentenwerte lediglich 2,89 € betrage und daher auch keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes vorliege. Ungeachtet dessen, dass dieses Argument vorliegend nicht zur Geltung kommen würde, da aufgrund der Wertdifferenz von 3.203,03 € die Bagatellgrenze nahezu erreicht ist, so dass allein aus diesem Grund dem Halbteilungsgrundsatz der Vorrang gebührt, erscheint eine weitere Differenzierung innerhalb des Wertebereichs der Bagatellgrenze als nunmehr maßgebliches Kriterium für einen möglichen Nichtausgleich nicht gerechtfertigt. Der Senat erachtet es diesbezüglich für sachgerecht in Übereinstimmung mit dem OLG Düsseldorf (a.a.O) auch im Rahmen der Prüfung des § 18 Abs.1 VersAusglG maßgeblich auf den gerade nicht vorhandenen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand für die Durchführung des Ausgleichs abzustellen und in dieser Fallkonstellation dem verfassungsrechtlich gebotenen Halbteilungsgrundsatz den Vorrang einzuräumen.
Soweit eine Berichtigung des Tenors zu Ziffer II beabsichtigt ist, liegt ein erkennbarer Schreibfehler des Amtsgerichts vor, so dass der Tenor gemäß § 42 FamFG entsprechend zu berichtigen sein wird.