Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.07.2016, Az.: 3 U 11/16

Hinweispflicht; Verspätung; Öffentlichkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
14.07.2016
Aktenzeichen
3 U 11/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43140
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 20.01.2016 - AZ: 9 O 1195/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein unmissverständlich erteilter rechtlicher Hinweis muss nicht wiederholt werden, wenn der Adressat die damit verbundene Auflage nicht innerhalb der ihm dazu gesetzten Frist nicht erfüllt.

Der Hinweis, dass der Adressat die Auflage innerhalb der Frist nicht hinreichend erfüllt habe, ist kein neuer rechtlicher Hinweis, auf den versäumter Sachvortrag noch nachgeholt werden darf.

Werden in erster Instanz die Vorschriften über die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung unbeabsichtigt verletzt, schließt das in der Berufungsinstanz eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO jedenfalls dann nicht aus, wenn das Berufungsgericht keine Abschnitte des Verfahrens, auf die sich die Verletzung auswirken könnte, verwertet.

Tenor:

1.  Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 20.01.2016 wird zurückgewiesen.

2.  Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3.  Der Wert der Sache in der Berufungsinstanz wird auf bis zu 320.000 € festgesetzt.

4.  Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von (Rest-)Kaufpreisen aufgrund behaupteter Bestellungen und Lieferungen aus der Zeit von März 2011 bis Februar 2013.

Die Klägerin mit Sitz in Istanbul, Türkei, stellt Textilien her. Die Beklagte betreibt einen Großhandel mit Textilien.

Die Klägerin und die Beklagte standen ab etwa Januar 2011 in geschäftlicher Verbindung, in deren Rahmen die Klägerin auf Bestellung der Beklagten Textilien herstellte und lieferte.

Die Klägerin beauftragte im Oktober 2014 ein Inkassobüro mit der Einziehung einer nach seinerzeitiger Ansicht der Klägerin noch offenen Restforderung von 324.609,91 €. Nach Zugang der Zahlungsaufforderung vom 22.10.2014 widersprach die Beklagte mit Schreiben vom 28.10.2014 dieser Forderung.

Die Klägerin hat am 02.01.2015 beim Amtsgericht Wedding gegen die Beklagte einen Mahnbescheid über eine Hauptforderung von 238.782,85 € erwirkt (Geschäftsnr. …), gegen den die Beklagte Widerspruch eingelegt hat.

Mit ihrer Anspruchsbegründung vom 01.07.2015 hat die Klägerin behauptet:

„Aufgrund jeweiliger Bestellung bei der Klägerin fertigte diese Damen- und Herrenoberbekleidung nach den Angaben der Beklagten. Entsprechend der Bestellung lieferte die Klägerin die Waren an die Beklagte aus. Über die einzelnen Lieferungen erstellte die Klägerin Rechnungen, die der Beklagten zusammen mit der Lieferung zugestellt wurden.“

Unter Verweis auf das Anlagenkonvolut K 1 zur Anspruchsbegründung (Bl. 18 - 40 d. A.) errechnete die Klägerin die Summe der Rechnungsbeträge mit 875.352,73 €. Hierauf rechnete sie unstreitige Zahlungen der Beklagten in Höhe von 637.777,19 € an und errechnete einen Saldo aus Rechnungen und Zahlungen in Höhe von 237.575,34 €.

Sie behauptete ferner, dass sie die Waren mangelfrei an die Beklagte ausgeliefert habe.

Die Beklagte erhob den Einwand, dass es aufgrund der Anlage K 1 zur Anspruchsbegründung nicht möglich sei, den eingeklagten Betrag nachzuvollziehen; aus den darin enthaltenen Angaben sei nicht zu entnehmen, um welche Artikel es sich gehandelt habe; es würden die Artikelnummern fehlen, die es der Beklagten erst möglich machen würden, festzustellen und zu überprüfen, ob die jeweiligen Artikel überhaupt geliefert worden seien; auch sei nicht ersichtlich, welcher Auftrag diesen Belegen zugrunde liege. Die Beklagte habe diese Rechnungen nie erhalten und es sei nicht möglich, diesen Rechnungen einzelne Lieferungen und eigene Zahlungen zuzuordnen. Es werde bestritten, dass die damit abgerechneten Lieferungen tatsächlich erfolgt seien.

Hilfsweise hat sich die Beklagte darauf berufen, dass die Waren mangelhaft seien.

Die Mängel seien dem Geschäftsführer der Klägerin in einem Gesprächstermin „vor Ort“ am 07.03.2013 vorgeführt worden; dieser habe die Fehler in der Verarbeitung eingeräumt.

Mit Verfügung vom 07.10.2015 hat das Landgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 10.12.2015 bestimmt und der Klägerin folgenden Hinweis erteilt:

„Die Klägerin hat eine ordnungsgemäße Auslieferung der in Rechnung gestellten Ware bislang weder ausreichend dargelegt noch entsprechend unter Beweis gestellt. Hierzu bedarf es dezidierten Vortrages und Vorlage entsprechender Lieferscheine.“

Mit Schriftsatz vom 09.11.2015 teilte die Klägerin zunächst mit, dass es sich bei der Anlage K 1 zur Anspruchsbegründung nicht um Rechnungskopien gehandelt habe; versehentlich seien Kopien von Abrechnungen vorgelegt worden, die lediglich dem Abrechnungssystem der Klägerin mit der türkischen Finanzbehörde zuzuordnen seien.

Tatsächlich habe die Klägerin die auf die jeweilige Warenlieferung bezogene Rechnung zusammen mit der Ware der Beklagten zugesandt. Während der Geschäftsbeziehung der Parteien seien die Bestellungen der Beklagten jeweils in schriftlicher Form erfolgt; diese habe in ihrer Bestellung die einzelnen Artikelnummern der Klägerin aufgelistet. Zum Beweis berief sich die Klägerin auf das Zeugnis der Zeugin Y… K….

„Beispielhaft“ erläuterte die Klägerin den Ablauf von der Bestellung bis zum Eingang der Ware bei der Beklagten und legte hierzu die Anlage K 3 (Bestellung der Beklagten vom 25.01.2013 mit dem Vermerk „Frei-Haus-Lieferung“), K 4 (Protokoll der Warenkontrolle vom 23.01.2013), K 5 (Ablieferbeleg der Spedition R… GmbH & Co. KG vom 21.07.2011 mit dem Vermerk „Frankatur: Frei Haus“ und der Quittierung durch die Geschäftsführerin L…der Beklagten), K 6 (internationaler Frachtbrief mit der Bestätigung des Empfangs der Ware am 14.02.2013 durch die Beklagte) vor.

Mit dem Anlagenkonvolut K 7 legte die Klägerin Rechnungen aus der Zeit vom 12.03.2011 bis zum 21.12.2013 über insgesamt 945.085,45 € vor. Dabei hat die Klägerin die Rechnungsnummer 57 zweimal, nämlich am 07.07.2011 und 22.10.2011 vergeben. In der Rechnung Nummer 71 ist die Beklagte nicht als Empfänger aufgeführt; einzelne Rechnungen tragen handschriftliche Eintragungen.

Die Klägerin hat weiter behauptet, dass die zu den einzelnen Sendungen von ihr gefertigten Rechnungen ordnungsgemäß erstellt worden seien und der Beklagten die Möglichkeit gäben, anhand der einzelnen Artikelnummern die Sendung selbst auf Vollständigkeit zu überprüfen. Bestritten werde ein Gesprächstermin am 07.03.2013 mit dem Geschäftsführer der Klägerin, bei dem in Einzelheiten irgendwelche Reklamationen nachvollziehbar erörtert worden seien.

In rechtlicher Hinsicht wies die Klägerin darauf hin, dass auf die Geschäftsbeziehung das UN-Kaufrecht anzuwenden sei. Nach Artikel 31 CISG habe die Klägerin ihre Pflicht, die Ware zu liefern, dadurch erfüllt, dass sie die Ware dem ersten Frachtführer zur Übermittlung an die Beklagte übergeben habe.

Die Beklagte habe die Rügeobliegenheit aus Artikel 39 CISG nicht erfüllt.

Die Klägerin hat ferner vorgetragen, dass zwischen den Parteien kein Kontokorrentverhältnis vereinbart gewesen sei.

Zugleich hat die Klägerin Zahlungen der Beklagten in Höhe von 637.905,79 € eingeräumt. Sie hat die Rechnungsbeträge und die  Zahlungen der Beklagten nach Zeitpunkt und Höhe im Einzelnen wie folgt dargelegt:

Rechnungen

Zahlungen

Datum 

€       

Datum 

€       

12.03.2011

   25.929,60 €

19.03.2011

   20.400,35 €

25.03.2011

   24.460,62 €

30.03.2011

        140,60 €

01.04.2011

   20.227,85 €

07.04.2011

       128,60 €

07.07.2011

   30.360,80 €

09.07.2011

     6.343,23 €

15.07.2011

   11.011,80 €

28.07.2011

   12.488,00 €

28.07.2011

   12.488,00 €

28.07.2011

   11.692,03 €

15.08.2011

     2.488,00 €

15.08.2011

   12.488,00 €

15.08.2011

   12.488,00 €

15.08.2011

   12.488,00 €

22.10.2011

   51.454,19 €

03.11.2011

   49.975,00 €

26.11.2011

   65.181,58 €

03.12.2011

   13.109,49 €

08.12.2011

   62.312,92 €

12.12.2011

     2.752,36 €

20.12.2011

     9.988,00 €

20.12.2011

     3.097,49 €

27.12.2011

     4.958,95 €

02.01.2012

     3.774,72 €

17.01.2012

        315,00 €

25.01.2012

     9.800,41 €

30.01.2012

   12.269,01 €

30.01.2012

     9.298,39 €

03.02.2012

   91.025,51 €

30.06.2012

   29.025,63 €

06.07.2012

     9.475,15 €

06.07.2012

   12.488,00 €

19.10.2012

   12.488,00 €

19.10.2012

   12.488,00 €

19.10.2012

   12.488,00 €

19.10.2012

   12.488,00 €

06.11.2012

   12.488,00 €

08.12.2012

   14.276,65 €

03.01.2013

     7.181,78 €

11.01.2013

 122.487,94 €

19.01.2013

     3.879,20 €

21.01.2013

   12.164,90 €

22.01.2013

     4.816,23 €

24.01.2013

   70.717,50 €

26.01.2013

   77.521,71 €

28.01.2013

   12.500,00 €

28.01.2013

   12.500,00 €

31.01.2013

   57.823,41 €

05.02.2013

   49.388,00 €

09.02.2013

 143.509,67 €

19.02.2013

 135.932,19 €

21.02.2013

 139.926,78 €

 945.085,45 €

 637.905,79 €

Die Klägerin erklärte weiter:

„Sollte das Gericht weitere Darlegungen und Beweisantritte für notwendig erachten, wird um einen gerichtlichen Hinweis gemäß § 139 ZPO gebeten.“

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.12.2015 erwidert: Es sei für sie nicht nachvollziehbar, welcher konkrete Auftrag jeweils mit den im Anlagenkonvolut K 7 übergebenen Rechnungen abgerechnet worden sei und auf welche Lieferung sich diese Rechnungen beziehen würden. Auch die Anlagen K 3 bis K 6 seien keiner konkreten Lieferung zuzuordnen und würden für die substantiierte Darstellung des von der Klägerin behaupteten Anspruchs nicht ausreichen. Das Anlagenkonvolut K 7 sei in großen Teilen nicht lesbar; teilweise seien die Adressaten, die Rechnungs- und Artikelnummer, das Datum, die Artikelbezeichnung und der Rechnungsbetrag nicht zu erkennen. Auch könnten die einzelnen Rechnungen konkreten Aufträgen und Lieferungen nicht zugeordnet werden.

Die Geschäftsführer der Beklagten hätten der Klägerin in einem Gesprächstermin vor Ort am 07.03.2013 anhand mitgebrachter mangelhafter Kleidungsstücke die Mängel vorgeführt und die Klägerin aufgefordert, die Ware vor Ort bei der Beklagten zu begutachten, zu kontrollieren und sich vom Zustand der Ware zu überzeugen. Hierauf habe die Klägerin monatelang nicht reagiert.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Einzelrichter protokolliert, dass es bei dem Hinweis vom 07.10.2015 verbleibe und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 20.01.2016 anberaumt.

Mit Schriftsatz vom 14.12.2015 hat die Klägerin unter Vorlage der Anlagen K 8 bis K 21 weiter zu den mit den Rechnungen aus dem Anlagenkonvolut K 7 in Rechnung gestellten Lieferungen vorgetragen. Überwiegend seien die Lieferungen an die Spedition G… in Istanbul übergeben worden. Das sei zur Erfüllung ausreichend gewesen, weil in der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien das I… F… Grundlage der Transportabwicklung gewesen sei (Zeugnis K…); dabei habe die Klägerin die Ware lediglich an einen Spediteur mit dem Ziel der Übersendung an die Beklagte übergeben müssen. In einzelnen Fällen sei die Lieferung auch per Luftfracht erfolgt.

Vor der Erteilung des Auftrages hätten die Klägerin und die Beklagte in enger Abstimmung die zu produzierende Ware im Einzelnen festgelegt; dabei sei auch vorab der Preis für die einzelnen Artikel abgestimmt worden; erst nachdem sämtliche Konditionen zwischen den Parteien einvernehmlich festgelegt worden seien, sei der Auftrag jeweils erteilt worden (Zeugnis K…).

Die Klägerin hat hierzu die Auffassung vertreten, dass das Landgericht das neue Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 14.12.2015 noch berücksichtigen müsse. Der Hinweis vom 07.10.2015 sei missverständlich gewesen und, wie der Vortrag der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 09.11.2015 zeige, von der Klägerin auch erkennbar missverstanden worden; sie habe den Hinweis so verstanden, dass sie zur Ablieferung der Waren bei der Beklagten vorzutragen habe. Das sei aber zur Begründung des Kaufpreisanspruchs nicht erforderlich gewesen; für die fraglichen Lieferungen reiche es aus, wenn die Waren dem ersten Frachtführer übergeben worden seien.

Bei der Erklärung des Einzelrichters, dass es bei dem Hinweis vom 07.10.2015 verbleibe, habe es sich deshalb in der Sache um einen neuen Hinweis gehandelt. Hierzu habe die Beklagte auch ohne Schriftsatzfrist aus § 139 Abs. 5 ZPO nachträglich vortragen dürfen.

Zudem habe der Geschäftsführer der Klägerin im Termin am 10.12.2015 sämtliche Packlisten mitgebracht gehabt, deren Übergabe dem Gericht angeboten worden sei; dieses habe das Gericht unter Hinweis darauf abgelehnt, dass zu den einzelnen Packlisten noch dezidiert vorgetragen werden müsste.

Schon aufgrund des Schriftsatzes vom 09.11.2015 habe ein erneuter Hinweis erteilt werden müssen. Eine Vorlage der Packlisten vor dem Termin sei nicht möglich gewesen, denn

„eine vorherige Übertragung durch Fernkopie oder andere Medien mit dokumentenechtem Status sei tatsächlich nicht möglich“

gewesen. Soweit die Beklagte rüge, dass Rechnungskopien handschriftlich ergänzt worden seien, liege das daran, dass die Originalrechnungen der Beklagten zugegangen seien; die Kopien, über die die Klägerin derzeit verfüge, seien

„durch Anfertigung weiterer Kopien von diesen Kopien technisch nicht durchweg vollständige Abbildungen der Originalkopien.“

Daher seien die auf der neuen Kopie nicht gut leserlichen Zahlen handschriftlich entsprechend der Vorlage ergänzt worden.

Mit Schriftsatz vom 11.01.2016 hat die Klägerin beantragt, die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anzuordnen.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 307.179,66 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 238.782,85 € seit dem 08.01.2015 und aus weiteren 68.396,81 € seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Inkassokosten in Höhe von 4.119,50 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.01.2015 zu zahlen.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung den Antrag zu 2. auf eine Forderung von 3.219,50 € gekürzt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe den behaupteten Kaufpreisanspruch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 nicht schlüssig dargelegt. Die beispielhaft vorgelegten Anlagen K 3 bis K 6 stünden nicht im Zusammenhang und könnten deshalb den Kaufpreisanspruch nicht begründen. Die Rechnungen aus dem Anlagenkonvolut K 7 würden zur Darlegung des Anspruchs der Klägerin ebenfalls nicht ausreichen; es lasse sich keine Verbindung zu bestimmten Aufträgen der Beklagten, die nach dem Vorbringen der Klägerin jeweils schriftlich erteilt worden sein sollen, herzustellen; zudem sei damit die von der Beklagten bestrittene Auslieferung nicht annäherungsweise belegt.

Das Vorbringen der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung sei nicht mehr zuzulassen und rechtfertige auch nicht die Anordnung der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Das Gericht habe weder in der mündlichen Verhandlung einen neuen Hinweis erteilt noch sei es hierzu verpflichtet gewesen.

Die von der Klägerin angebotene Übergabe der Packlisten im Termin habe einen substantiierten Sachvortrag zu den Lieferungen nicht ersetzen können.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung rügt die Klägerin zunächst die Verletzung des Gebots der Öffentlichkeit der Verhandlung vor dem Landgericht.

Die mündliche Verhandlung sei von Saal III in Saal VI verlegt worden, ohne dass beim Saal III hierauf hingewiesen worden sei.

Die Klägerin vertritt weiter die Auffassung, dass der Berufungsentscheidung auch ihr Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht zugrunde zu legen sei; auch das Landgericht habe diesen Sachvortrag noch berücksichtigen und die mündliche Verhandlung wiedereröffnen müssen.

Die Klägerin habe den Anspruch schon durch ihr Vorbringen schlüssig dargelegt, dass sie auf Bestellung der Beklagten Ware produziert und geliefert habe und hierfür die näher bezeichneten Rechnungen mit den darin enthaltenen Endsummen zusammen mit der Auslieferung der Waren an die Beklagte gesandt habe.

Der Hinweis vom 07.10.2015 sei fehlerhaft gewesen; dabei sei das Gericht offenbar davon ausgegangen, dass der Gefahrübergang erst eintrete, wenn der Empfänger die Ware erhalten habe. Es sei jedoch das I… F… als Grundlage der Transportabwicklung in die vertragliche Beziehung der Parteien einbezogen gewesen.

Die Klägerin habe deshalb ihre Lieferverpflichtung jeweils schon dann, wenn die Ware nicht per Luftfracht transportiert worden sei, durch Übergabe an die Spedition G… erfüllt gehabt.

Das Vorbringen der Klägerin aus den Schriftsätzen vom 14.12.2015 und 11.01.2016 sei auch deshalb in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen, weil damit nur ein bereits schlüssiges Vorbringen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das am 20.01.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Oldenburg mitsamt dem zugrunde liegenden Verfahren aufzuheben und die Sache an das Landgericht Oldenburg zurückzuverweisen;

hilfsweise,

1. unter Abänderung des am 20.01.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Oldenburg die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 307.179,66 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 238.782,85 € seit dem 08.01.2015 und aus weiteren 68.396,81 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 09.11.2015, den 17.11.2015, zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Inkassokosten in Höhe von 3.219,50 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.01.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Zu dem ihr erteilten Hinweis vom 07.06.2016 vertritt die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.06.2016 die Auffassung, dass es zur Heilung des Verfahrensfehlers geboten sei, in der Berufungsinstanz mündlich zu verhandeln, weil von der Kausalität der Verletzung der Öffentlichkeit für das erstinstanzliche Ergebnis zwingend auszugehen sei.

Der Senat habe sich auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob bei einem vermuteten Missverständnis hinsichtlich des Inhalts des Hinweises dieser nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hätte präzisiert werden müssen. Der dort tätige Richter habe den Hinweis vom 07.10.2015 in der mündlichen Verhandlung dahin präzisieren müssen, wie er richtig zu verstehen sei.

Bei dem Vorbringen der Klägerin aus den Schriftsätzen vom 14.12.2015, 11.01.2016 und in der Berufungsinstanz handele es sich nicht um ein neues Vorbringen; sie habe damit lediglich ihren vorherigen Sachvortrag ergänzt und konkretisiert.

II.

Der Senat weist die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurück, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

1. Die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO für die von der Klägerin vorrangig beantragte Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht sind nicht erfüllt, denn die Sache ist auch ohne umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme sowie ohne die Verwertung von Verfahrensabschnitten, die von dem behaupteten Ausschluss der Öffentlichkeit beeinflusst worden sein könnten, entscheidungsreif.

Darauf, ob die Öffentlichkeit mit Wissen und Wollen des Vorsitzenden oder des Gerichts ausgeschlossen worden ist (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl., Rn. 13 zu § 169 GVG) und ob der Verfahrensverstoß trotz rügeloser Verhandlung in der Vorinstanz noch gerügt werden kann (verneinend: BFH vom 30.11.2009, 1 B 111/09; vom 24.08.1990, X R 45–46/90), kommt es deshalb nicht an. Das Vorbringen der Klägerin ergibt jedenfalls nicht, dass sich das Landgericht bewusst für einen Ausschluss der Öffentlichkeit entschieden und die Klägerin einen Verstoß gegen das Gebot der öffentlichen Verhandlung gerügt hätte, bevor sie zur Sache verhandelt hat.

2. Die Berufungsbegründung ergibt weder eine Rechtsverletzung noch Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil.

a) Nach dem Sachvortrag der Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 10.12.2015 hat das Landgericht die Klage mit Recht abgewiesen.

Bis dahin hatte die Klägerin in der Anspruchsbegründung sowie im Schriftsatz vom 09.11.2015 vorgetragen, die Anlagen K 1 bis K 7 eingereicht und im Termin zur mündlichen Verhandlung angeboten, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegten Packlisten zu übergeben.

Es kann offen bleiben, ob die Klägerin bis dahin den Abschluss von Kaufverträgen, die die von der Klägerin errechnete Forderungssumme ergeben, und damit einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines (Rest-)Kaufpreises in Höhe von 307.179,66 € schlüssig dargelegt hatte.

Der Vortrag einer Partei ist schlüssig, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden bzw. das von der anderen Seite geltend gemachte Recht als nicht bestehend erscheinen zu lassen (BGH NJW-RR 2013, Seite 296, Tz. 10; NJW-RR 2010, Seite 1217 [BGH 11.05.2010 - VIII ZR 212/07], Tz. 11).

Der Vortrag von Einzelheiten des Sachverhalts gehört allerdings nicht zur Schlüssigkeit der Klage (Zöller, a. a. O., Rn. 23 vor § 253 ZPO); er kann aber durch die Substantiierungslast geboten sein. Die darlegungspflichtige Partei ist nicht verpflichtet, den streitigen Lebensvorgang in allen Einzelheiten darzustellen, etwa wann, wo und mit wem eine bestimmte Vereinbarung getroffen wurde. Es verletzt den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör, wenn ein Sachverhalt zu Unrecht als „unsubstantiiert“ unberücksichtigt bleibt (Zöller, a.a.O., Rn. 6 b vor § 128 ZPO). Die Obliegenheit zur Substantiierung des Vorbringens kann sich allerdings aus der Erklärung des Prozessgegners zum bisherigen Vorbringen ergeben.

Die Klage wäre nur schlüssig gewesen, wenn die Klägerin auch die Erfüllung ihrer Hauptpflicht aus den behaupteten Verträgen dargelegt hätte. Die Beklagte hatte sich gegenüber der Anspruchsbegründung zunächst darauf beschränkt, Bestellungen und Lieferungen zu den von der Klägerin behaupteten Preisen zu bestreiten und sich dabei - zu Recht - darauf berufen, dass die als Anlage K 1 zur Anspruchsbegründung vorgelegten Schriftstücke nicht prüffähig seien; diesbezüglich hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.11.2015 klargestellt, dass sie ihre Forderung nicht mehr aus dem Anlagenkonvolut K 1 zur Anspruchsbegründung herleite.

Vor diesem Hintergrund oblag es der Klägerin auch, die behaupteten Lieferungen nachzuweisen.

Der Hinweis vom 07.10.2015, dass die Klägerin eine ordnungsgemäße Auslieferung der in Rechnung gestellten Ware bislang weder ausreichend dargelegt noch entsprechend unter Beweis gestellt habe und es hierzu dezidierten Vortrages und Vorlage entsprechender Lieferscheine bedürfe, entsprach also der Rechtslage. In der Anspruchsbegründung hatte die Klägerin nichts zur Auslieferung und damit zur Erfüllung der Lieferverpflichtung aus den behaupteten Kaufverträgen vorgetragen. Ein entsprechender Vortrag der Klägerin wäre durch das Bestreiten der Beklagten, die sich zu Recht darauf berief, dass die mit der Anspruchsbegründung vorgelegten Urkunden nicht prüffähig seien, beweisbedürftig geworden; zum Beweis der Lieferung wären dann die „entsprechenden Lieferscheine“ notwendig gewesen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war dieser Hinweis eindeutig und unmissverständlich. Die Klägerin sollte die Auslieferung der Ware darlegen und „entsprechende Lieferscheine“ vorlegen. Der Hinweis enthielt insbesondere keine - und deshalb auch keine unzutreffenden - Vorgaben dazu, welche Art der Lieferung die Klägerin vortragen sollte und welche Papiere zum Beweis der Auslieferung vorgelegt werden sollten. Die Klägerin war also durch den Hinweis nicht daran gehindert, die Lieferung nach Maßgabe ihrer Rechtsauffassung, wonach hierfür schon die Übergabe an den ersten Frachtführer ausreichte, darzulegen und durch die entsprechenden Frachtpapiere zu belegen.

Das hat die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 09.11.2015 sowie den dazu vorgelegten Anlagen K 3 bis K 7 nicht erfüllt, weder für die behaupteten Bestellungen in ihrer Gesamtheit noch für einzelne Bestellungen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 09.11.2015 zunächst klargestellt, dass sie ihre Forderung nicht mehr aus dem Anlagenkonvolut K 1 zur Anspruchsbegründung herleite, sondern aus den Rechnungen im Anlagenkonvolut K 7. Sie hat hierzu behauptet, während der Geschäftsbeziehung der Parteien seien regelmäßig schriftliche Bestellungen seitens der Beklagten erfolgt; diese habe in ihren Bestellungen die einzelnen Artikelnummern der Klägerin aufgelistet; „beispielhaft“ hat die Klägerin hierzu als Anlage K 3 die Kopie einer Bestellung der Beklagten vom 05.10.2012 über eine Nettosumme von 11.991 € mit einem vorgesehenen Liefertermin am 25.01.2013 vorgelegt. Die Bestellung, die die Nummer 12346 trägt, lässt sich aber betragsmäßig keiner der mit dem Anlagenkonvolut K 7 vorgelegten Rechnungen zuordnen. Erst recht war nicht nachzuvollziehen, ob es sich dabei um eine der unbezahlten Bestellungen handelte; denn die Beklagte hatte nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin noch nach dem 25.01.2013 Zahlungen in Höhe von 268.143,60 € geleistet. Darauf, dass sich die Klagforderung schon aus dem Saldo der Rechnungsbeträge und der Zahlungen ergebe, konnte sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen, weil nach ihrem Vorbringen ein Kontokorrent nicht vereinbart war.

Der Ablieferbeleg K 5 betrifft eine Lieferung am 21.07.2011 an die Beklagte, die den Klaganspruch nicht stützen kann.

Denn die Gegenüberstellung der von der Klägerin dargelegten Rechnungsbeträge und der Zahlungen der Beklagten ergibt, dass alle bis zum 25.01.2012 erteilten Rechnungen der Klägerin aufgrund der Zahlungen der Beklagten bis einschließlich 30.01.2012 voll bezahlt waren, so dass sich der Anspruch nicht aus den Rechnungen aus der Zeit vor dem 03.02.2012 ergeben kann.

Der als Anlage K 6 vorgelegte „Internationale Frachtbrief“ vom 14.02.2013 ergibt nichts darüber, was Gegenstand der Lieferung war und mit welcher der Rechnungen die Klägerin der Beklagten diese Lieferung in Rechnung gestellt hat. Auch hier war nicht nachzuvollziehen, ob es sich dabei um eine unbezahlte Lieferung handelte.

Darüber hinaus fehlte jegliches Vorbringen zu sämtlichen Rechnungen und Lieferungen aus der Zeit nach dem 30.01.2012, die den Anspruch der Klägerin eventuell begründen könnten.

Zwar hatte die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 09.11.2015 erneut um einen Hinweis nach § 139 ZPO für den Fall gebeten, dass das Gericht weitere Darlegungen und Beweisantritte für notwendig erachte.

Ein wiederholter Hinweis kann geboten sein, wenn die Partei auf den Hinweis hin eine wiederum nicht ausreichende Erklärung abgibt, insbesondere, wenn das Gericht den Eindruck erweckt, der Vortrag reiche nunmehr aus oder wenn der Hinweis erkennbar von der Partei falsch aufgenommen worden ist oder das Gericht von der im Hinweis geäußerten Ansicht wieder abrückt.

Bei anwaltlich vertretenen Parteien kann aber grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass bei einer unzureichenden Reaktion auf einen unmissverständlichen Hinweis weiterer Vortrag nicht möglich oder nicht beabsichtigt ist (BGH NJW 2008, Seite 2036 [BGH 16.04.2008 - XII ZB 192/06]; Zöller, a. a. O., Rn. 14 d zu § 139 ZPO). Die Kammer hatte deshalb keine Veranlassung zu der Annahme, dass ihr Hinweis falsch verstanden worden sei; sie durfte vielmehr davon ausgehen, dass sich die Klägerin nicht in der Lage sah oder nicht willens war, eine ordnungsgemäße Auslieferung der in Rechnung gestellten Waren im Einzelnen darzulegen und dazu entsprechende Lieferscheine vorzulegen.

Dass sich die Klägerin hierzu tatsächlich nicht in der Lage sah, findet seine Bestätigung in ihrem Vorbringen, wonach sie Packlisten und Lieferbelege erst im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 übergeben konnte, weil nach ihrer Ansicht „eine vorherige Übertragung durch Fernkopie oder andere Medien mit dokumentenechtem Status technisch nicht möglich gewesen“ sei.

Es wirkt sich im Ergebnis auch nicht aus, dass die Kammer es im Termin vom 10.12.2015 abgelehnt hat, die Packlisten und Lieferbelege entgegenzunehmen. Denn das konnte den mit dem Hinweis vom 07.10.2015 geforderten dezidierten Sachvortrag zur ordnungsgemäßen Auslieferung der in Rechnung gestellten Ware nicht ersetzen.

Dass dieser Vortrag nach wie vor erforderlich war, ergab sich bereits aus dem Hinweis vom 07.10.2015. Der Vermerk im Protokoll vom 10.12.2015, wonach es bei dem Hinweis des Kammervorsitzenden vom 07.10.2015 verbleibe, war deshalb kein neuer Hinweis nach § 139 ZPO, sondern lediglich die Bezugnahme auf den schon mit Verfügung vom 07.10.2015 erteilten Hinweis.

b) Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, den Sachvortrag der Klägerin aus den Schriftsätzen vom 14.12.2015 und 11.01.2016 noch zu berücksichtigen.

Dabei handelte es sich insbesondere nicht um die bloße Ergänzung oder Vertiefung eines rechtzeitig angebrachten Sachvortrages. Das hätte vorausgesetzt, dass die Klägerin ihren behaupteten Anspruch aus einem von ihrer Seite erfüllten Kaufvertrag zumindest zu einem Teil rechtzeitig schlüssig dargelegt hätte. Würde es einer Prozesspartei uneingeschränkt gestattet, ihren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unschlüssigen Sachvortrag noch so zu ergänzen, dass er den geltend gemachten Anspruch trägt, würden rechtzeitig und richtig erteilte Hinweise, der Schluss der mündlichen Verhandlung sowie die Prozessförderungspflicht bedeutungslos werden.

Nach § 296a Satz 1 ZPO können Angriffs- und Verteidigungsmittel nach Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mehr vorgebracht werden, wenn nicht die Ausnahmen nach § 296 Satz 2 ZPO vorliegen.

aa) Eine solche Ausnahme wäre eine nach § 139 Abs. 5 ZPO fristgebundene nachgelassene Erklärung. Das würde voraussetzen, dass einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich und ihr deshalb eine Frist zu gewähren war, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann. Das hätte vorausgesetzt, dass das Landgericht der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 einen Hinweis erteilt hätte, zu dem sich die Klägerin nicht sofort erklären konnte.

Das ist jedoch nicht der Fall, weil das Landgericht lediglich erklärt hat, dass es bei dem Hinweis vom 07.10.2015 verbliebe; der Klägerin ist also im Termin kein neuer Hinweis erteilt worden. Zudem hat sie auch nicht beantragt, ihr eine Nachfrist zur Erklärung zu bewilligen.

bb) Der Klägerin ist auch keine Schriftsatzfrist nach § 283 ZPO bewilligt worden noch hat sie diese beantragt.

cc) Über die in § 296a Satz 2 ZPO genannten Fälle hinaus ist Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung allerdings zuzulassen, wenn es sich dabei um eine Reaktion auf nicht ordnungsgemäßes, Artikel 103 GG verletzendes, Vorgehen handelt (BGH NJW-RR 2014, Seite 177 [BGH 04.07.2013 - V ZR 151/12]).

(1) Das ist zum einen dann der Fall, wenn ein Hinweis nicht so rechtzeitig erteilt worden ist, dass sich die Partei bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung dazu erklären konnte. Das ist hier - durch die bloße Erklärung, dass es bei dem Hinweis vom 07.10.2015 verbleibe - nicht erfüllt. Die Klägerin hatte dazu in der Zeit nach dem Zugang des Hinweises vom 07.10.2015 bis zur mündlichen Verhandlung mehr als 2 Monate Gelegenheit.

Der Verweis auf den Hinweis vom 07.10.2015 ist auch nicht deshalb als neuer rechtlicher Hinweis gemäß § 139 ZPO zu werten, weil der Hinweis in der Terminsladung vom 07.10.2015 missverständlich gewesen und von der Adressatin deshalb missverstanden worden wäre.

(2) Das Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung war auch nicht deshalb zuzulassen, weil die Kammer die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO anzuordnen hatte.

(a) Ein Fall des § 156 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO war nicht gegeben. Insbesondere hatte das Gericht weder einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler begangen noch Hinweis- und Aufklärungspflichten verletzt, sondern diese durch den Hinweis vom 07.10.2015 erfüllt und deshalb auch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör erfüllt.

(b) Andere als die in § 156 Abs. 2 ZPO genannten Gründe für die Wiedereröffnung der Verhandlung sind ebenfalls nicht erfüllt; bei der Ausübung des der Kammer hierzu eingeräumten Ermessens war zu berücksichtigen, dass die Wiedereröffnung der Verhandlung nicht dazu dient, eine Partei vor den Folgen des Fehlens oder der Verspätung von Parteivorbringen zu schützen.

c) Auch das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung nicht das Vorbringen der Klägerin aus der Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 zugrunde zu legen. Nach § 529 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten sowie neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

aa) Es bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts, da diese den Sachvortrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vollständig erfassen und das Vorbringen aus der Zeit danach zu Recht unberücksichtigt lassen.

bb) Ob darüber hinaus die Berücksichtigung neuer Tatsachen zulässig ist, bestimmt § 531 ZPO.

(1) Nach § 531 Abs. 1 ZPO sind Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, ausgeschlossen. Das umfasst allerdings nicht Vorbringen, das nach § 296a ZPO unberücksichtigt geblieben ist; insoweit gilt § 531 Abs. 2 ZPO (Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl., Rn. 3 zu § 531 ZPO).

(2) Nach § 531 Abs. 2 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 3 ZPO ausnahmsweise zuzulassen.

(a) Das neue Vorbringen aus den Schriftsätzen vom 15.12.2015 und 11.01.2016 sowie der Berufungsbegründung wäre zuzulassen, wenn es einen Gesichtspunkt beträfe, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Das trifft nicht zu, weil es die von der Beklagten bestrittene Lieferung der Ware betrifft, die das Gericht ausweislich des Hinweises vom 07.10.2015 für erheblich gehalten hat.

(b) Das neue Vorbringen wäre nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch zuzulassen, wenn es infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde; das betrifft wiederum den Fall des unterbliebenen Hinweises. Hätte das Landgericht den Hinweis vom 07.10.2015 wiederholen müssen, hätte es neue Hinweise erteilen müssen oder hätte es Hinweise erst im Termin zur mündlichen Verhandlung erteilt, dann wäre das Vorbringen hierzu noch zuzulassen. Das Landgericht war jedoch nicht verpflichtet, den Hinweis vom 07.10.2015 zu wiederholen, neue Hinweise zu erteilen und hat auch im Termin zur mündlichen Verhandlung keine Hinweise erteilt. Dass sich eine Partei – mehr als 2 Monate nach der Erteilung des Hinweises im Termin zur mündlichen Verhandlung - darauf beruft, einen unmissverständlichen Hinweis missverstanden zu haben, gebietet es nicht, den Hinweis nochmals zu erteilen.

Das Gericht der Vorinstanz war aus den o. g. Gründen auch nicht verpflichtet, die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO anzuordnen, die die Berücksichtigung des nachträglichen Vorbringens mit sich gebracht hätte.

(c) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind auch dann zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Bei Angriffs- und Verteidigungsmitteln, die vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Vorinstanz entstanden sind, kommt es darauf an, ob die Partei das Angriffs- oder Verteidigungsmittel ohne Nachlässigkeit bis zum Schluss der erstinstanzlichen Verhandlung nicht geltend gemacht hat. Nachlässigkeit stellt die schuldhafte Verletzung der prozessualen Sorgfaltspflicht dar. Die Partei verletzt ihre Sorgfaltspflicht, wenn sie im ersten Rechtszug Material nicht vorbringt, dessen Existenz und Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt war und zu dessen Vorbringen sie auch imstande war (Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, a. a. O., Rn. 27). Die Existenz des Tatsachenstoffs musste der Klägerin aufgrund des Lebenssachverhalts, also insbesondere der behaupteten Lieferungen an die Beklagte, bekannt sein. Die Relevanz der Lieferungen war ihr aufgrund des Hinweises der Kammer bekannt. Das erforderliche Material, nämlich die Nachweise für die Lieferung - vom Rechtsstandpunkt der Klägerin aus für die Übergabe an den ersten Frachtführer - stand ihr zur Verfügung.

Das Vorbingen der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 14.12.2015, wonach ihr eine Übertragung durch Fernkopie oder andere Medien mit dokumentenechtem Status vor der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 nicht möglich gewesen sei, räumt die Nachlässigkeit nicht aus. Denn nach dem Umfang der von der Klägerin behaupteten Geschäftstätigkeit und dem Erscheinungsbild der von ihr vorgelegten Unterlagen muss davon ausgegangen werden, dass sämtliche Bestellungen schriftlich erfolgt, die Bestellungen bei der Klägerin in Dateiform erfasst und verarbeitet worden sind und bei ihr zumindest Kopien der Papiere vorhanden waren, die die Übergabe an den ersten Frachtführer bestätigen. Die Klägerin hat deshalb einen Sachverhalt, der die grobe Nachlässigkeit ausräumt, weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Die nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO erforderliche Feststellung, dass es nicht auf grober Fahrlässigkeit der Klägerin beruhe, dass sie die Lieferungen im ersten Rechtszug nicht rechtzeitig im Einzelnen vorgetragen und belegt hat, ist deshalb aufgrund des Vorbringens der Klägerin nicht zu treffen.

3. Die Berufung der Klägerin ist mithin unbegründet und damit zurückzuweisen.

Das Beschlussverfahren setzt zwar insbesondere nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO voraus, dass eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist; sie ist im vorliegenden Fall insbesondere nicht deshalb geboten, um den von der Klägerin beanstandeten Verstoß gegen § 169 GVG zu beheben. § 522 Abs. 2 ZPO stellt für die Berufungsinstanz ein Verfahren ohne jegliche Öffentlichkeit i. S. d. § 169 GVG bereit; dass es allein wegen des Verstoßes gegen § 169 GVG in erster Instanz der Herstellung der Öffentlichkeit im Berufungsverfahren bedürfte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Mit der Zurückweisung der Berufung im schriftlichen Verfahren verwertet der Senat auch keinen Abschnitt des Verfahrens erster Instanz, insbesondere keine Beweisaufnahme und keine sich daran anschließende Verhandlung (vgl. hierzu BGH vom 29.03.2000, VIII ZR 297/98), der von einem etwaigen Verstoß gegen § 169 GVG beeinflusst worden sein kann. Das bloße Verhandeln im Sinne des § 137 ZPO während einer Verletzung der gebotenen Öffentlichkeit zwingt nicht zur Wiederholung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz; damit wären jedenfalls die vom BGH (a. a. O., Textziffern 18 und 20) angestellten Erwägungen dazu, ob das Berufungsurteil auf einer Verwertung der vom Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit betroffenen Verfahrensabschnitte sowie dazu, dass auch zu prüfen sei, ob die Entscheidung ohne Verwertung des von dem Verfahrensmangel betroffenen Verfahrensabschnitts aus anderen Gründen richtig sei, nicht zu vereinbaren. Gegenteiliges ergibt auch nicht der von der Klägerin zitierte Beschluss des BGH vom 17.03.2016 IX ZR 211/14.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.