Arbeitsgericht Hannover
Urt. v. 22.01.2003, Az.: 5 Ca 443/02

Anspruch einer Lagerhelferin auf Zustimmung des Arbeitgebers zur Arbeitszeitverkürzung; Entgegenstehen erheblicher betrieblicher Belange nach einer unternehmerischen Entscheidung

Bibliographie

Gericht
ArbG Hannover
Datum
22.01.2003
Aktenzeichen
5 Ca 443/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 28173
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGHAN:2003:0122.5CA443.02.0A

Fundstellen

  • NZA-RR 2003, 300 (Volltext mit red. LS)
  • schnellbrief 2003, 7

Verfahrensgegenstand

Forderung

In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 22.01.2003
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1)

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2)

    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. 3)

    Der Streitwert wird auf 4.740,- EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zustimmung zur Arbeitszeitverkürzung in Anspruch.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin seit 1982 als Lagerhelferin bei einer derzeit 32,5-Stunden-Woche und einem Arbeitsentgelt von 1.580,- EUR beschäftigt. Die Beklagte betreibt einen Großhandel mit Arzneimitteln und beliefert insbesondere Apotheken. Die jeweilige Apotheke gibt ihre kurzfristigen Bestellungen in der Kundendienstzentrale der Beklagten ab, wo der Vorgang weiter bearbeitet wird. Die Klägerin ist im Wareneingang in der Früh- und Spätschicht (06:00 h bis 13:00 h bzw. 13:00 h bis 20:00 h) beschäftigt. Ihre Aufgaben bestehen im Auspacken der angelieferten Ware, der Kontrolle auf Beschädigung und Verfall, dem Abscannen der Ware, der Etikettierung und dem Einlegen in Wannen sowie der Zuführung zur Stationssteuerung.

3

In einem zwischen den Parteien streitigen und im Einzelnen nicht näher aufgeschlüsselten Umfang kommt es vor, dass die Arbeitnehmerinnen der Spätschicht mangels Beschäftigungsmöglichkeit die Arbeit auch schon vor 20:00 Uhr verlassen dürfen. Nachdem die Klägerin die Beklagte am 30.10.2001 handschriftlich ohne Nennung einer Frist zur Verringerung der Arbeitszeit aufgefordert hatte, lehnte dies die Beklagte mit Schreiben vom 23.11.2001, zugegangen am selben Tage, ab. Mit Schreiben vom 29.11.2001 beantragte die Klägerin erneut mit Wirkung vom 01.03.2002 eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit für den Frühdienst auf 06:00 h bis 12:00 h und für den Spätdienst auf 13:00 h bis 19:00 h, was die Beklagte mit Schreiben vom 14.12.2001 ebenfalls ablehnte. Dieses Schreiben hat die Klägerin spätestens am 24.12.2001 erhalten. Mit Schreiben ihres damaligen Rechtsanwalts vom 30.05.2002 wiederholte die Klägerin ihre Bitte um Arbeitszeitverkürzung ein weiteres Mal, was die Beklagte mit Schreiben vom 12.06.2002 ein drittes Mal ablehnte. Sie unterbreitete der Klägerin jedoch einen Vergleichsvorschlag (06:00 h bis 12:00 h und 14:00 h bis 20:00 h), mit dem die Klägerin auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht einverstanden war.

4

Die Klägerin behauptet, es sei nicht notwendig, dass bis 20:00 Uhr gearbeitet werden müsste, zumindest müsse die Spätschicht nicht mit fünf Arbeitnehmern besetzt sein, weil das Arbeitsaufkommen häufig nur mit drei Arbeitnehmerinnen bewältigt werde, wenn andere Arbeitnehmerinnen ausfielen. Soweit auch noch nach 17:30 Uhr Waren verbucht würden, handele es sich um Buchungen, die jederzeit vorgenommen werden könnten und nicht eilig seien. Nur äußerst selten werde Ware nach 17:30 Uhr verbucht.

5

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte zu verurteilen, der von der Klägerin mit Schreiben vom 29.11.2001 beantragten Arbeitszeitverkürzung um eine Stunde täglich auf

Frühdienst: 6:00-12:00 Uhr

Spätdienst: 13:00-19:00 Uhr

30 Minuten Pause

zuzustimmen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie behauptet, es sei notwendig, dass bis 20:00 Uhr gearbeitet werden müsse, nur dann sei sichergestellt, dass ein möglichst großes Warenvolumen an dem Arbeitstag verbucht und somit zum Verkauf zur Verfügung gestellt werde, an dem die Ware geliefert worden sei.

8

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

9

Die Klage ist unbegründet.

10

Die Klägerin hat gem. § 8 TzBfG keinen Anspruch auf Verringerung ihrer Arbeitszeit mit dem von ihr begehrten Schichtende.

11

Die Beklagte hat die schriftlichen Begehren der Klägerin form- und fristgerecht abgelehnt, sodass die Fiktion des § 8 Abs. 5 TzBfG nicht eingetreten ist. Die Beklagte hat der von der Klägerin gewünschten Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit nicht zuzustimmen, weil betriebliche Gründe gem. § 8 Abs. 4 S. 1,2 TzBfG entgegenstehen. Wie sich sowohl aus dem schriftsätzlich vorbereiteten Sachvortrag als auch aus den ausführlichen Erörterungen in der Kammerverhandlung ergibt, hat die Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen, nicht zuletzt auch zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sämtliche an einem Tag hereinkommenden Aufträge bis 20:00 Uhr abzuarbeiten. Damit liegen erhebliche betriebliche Belange vor, die dem Begehren der Klägerin entgegenstehen. Das Gericht hat insbesondere deshalb keinen Zweifel an dem tatsächlichen Vorliegen dieser unternehmerischen Entscheidung, weil die Arbeitnehmerinnen unstreitig bei unzureichender Auftragslage die Arbeit früher verlassen dürfen, was jedoch keinesfalls täglich der Fall ist. Es fällt nicht in die Entscheidungsbefugnis der Klägerin, die nachvollziehbare Organisationsentscheidung der Beklagten in Frage zu stellen. Insbesondere kann sie nicht darauf verweisen, dass in betrieblichen Notfällen die Arbeit auch von weniger Kolleginnen am Abend erledigt werden kann, weil sie hieraus keinen Anspruch herleiten kann, dass die Beklagte dies auf ihren Wunsch zum Dauerzustand macht.

12

Der Klage war auch nicht teilweise stattzugeben, weil die Klägerin gerade die Verkürzung der Spätschicht zum wesentlichen Inhalt ihres Klagebegehrens gemacht hat. Soweit die Klägervertreterin Schriftsatznachlass für den ihr sechs Tage vor der mündlichen Verhandlung zugegangenen Schriftsatz der Beklagten begehrt hat, war diesem Begehren schon deshalb nicht nachzukommen, weil das Gericht sein Urteil nicht auf Sachvortrag gestützt hat, auf den die Klägerin bislang noch nicht Stellung genommen hat, sodass es dahinstehen kann, ob es ihr nicht zumutbar gewesen wäre, im Kammertermin wenigstens anzugeben, zu welchem Inhalt dieses Schriftsatzes sie denn in welcher Weise noch Stellung nehmen wollte, und warum ihr das bis zum Kammertermin nicht möglich war.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 4.740,- EUR festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ZPO. Dabei hielt das Gericht in entsprechender Anwendung des § 12 Abs. 7 ArbGG den 36fachen Unterschiedsbetrag als Folge der Arbeitszeitverkürzung begrenzt durch das 3fache Bruttoarbeitsentgelt der Klägerin für angemessen.