Arbeitsgericht Hannover
Beschl. v. 17.09.2003, Az.: 12 Ca 472/03
Verpflichtung eines Unternehmers zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in Folge Beauftragung durch einen anderen Unternehmer zur Erbringung von Bauleistungen; Vereinbarung eines an sich unzuständigen Arbeitsgerichts durch Tarifvertrag
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Hannover
- Datum
- 17.09.2003
- Aktenzeichen
- 12 Ca 472/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 28139
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGHAN:2003:0917.12CA472.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 a AEntG
- § 211 Abs. 1 SGB III
- § 48 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG
In dem Rechtsstreit
erklärt sich das Arbeitsgericht Hannover für örtlich unzuständig und
verweist den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Wiesbaden.
Gründe
Zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites ist das Arbeitsgericht Wiesbaden im Wege ausschließlicher Zuständigkeit berufen.
Ansprüche der ..., die auf die Vorschrift des § 1 a AEntG gestützt werden, unterfallen der Regelung des § 27 des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20.12.1999 in der Fassung vom 10.12.2002. Dies ergibt sich aus einer regelgerechten Auslegung der Vorschrift des § 1 a AEntG, die in untrennbaren sachlichem Zusammenhang mit der Vorschrift des § 1 AEntG steht.
Nach der Vorschrift des § 1 a AEntG haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 SGB III beauftragt, u.a. für die Verpflichtungen dieses Unternehmers zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 a, Abs. 3 Satz 2 und 3 oder Abs. 3 a Satz 4 und 5 AEntG wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Die Vorschrift stellt den beauftragenden Unternehmer im Wege gesetzlich angeordneter Unternehmerhaftung dem Hauptschuldner, d.h., dem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland im Sinne des § 1 AEntG, gleich. Aus der Zielrichtung der Vorschrift und insbesondere aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 1 AEntG wird deutlich, dass der beauftragende Unternehmer auch hinsichtlich der Art und Weise seiner Inanspruchnahme durch die ... Haupt Schuldner gleichgestellt werden soll.
Gemäß § 1 AEntG finden auf das Arbeitsverhältnis des Hauptschuldners, d. b., des Arbeitgebers mit Sitz im Ausland, und seinem im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer die Rechtsnormen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages des Bauhauptgewerbes oder des Baunebengewerbes im Sinne der §§ 1 und 2 der Baubetriebe - Verordnung vom 28. Oktober 1980, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordung vom 13. Dezember 1996 -, die u.a. die Dauer des Erholungsurlaubs, das Urlaubsentgelt oder ein zusätzliches Urlaubsgeld zum Gegenstand haben, zwingend Anwendung, wenn der Betrieb überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 SGB III erbringt. Somit gelangt insbesondere die Vorschrift des § 27 des Tarifvertrages für das Sozialkassenverfahren zur Anwendung. Diese konstituiert einen Erfüllungsort und ausschließlichen Gerichtsstand für Ansprüche u.a. der ... gegen Arbeitgeber in Wiesbaden (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1). § 27 Abs. 2, 3 TV Sozialkassenverfahren sind vorliegend nicht einschlägig.
Das gefundene Ergebnis wird durch die mit § 48 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG erkennbar verfolgte gesetzgeberische Intention gedeckt. § 48 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ermöglicht entgegen dem grundsätzlichen Prorogationsverbot die Vereinbarung der Zuständigkeit eines an sich örtlich unzuständigen Arbeitsgerichts durch Tarifvertrag. Mit der Vorschrift beabsichtigte der Gesetzgeber eine Konzentration von Rechtsstreitigkeiten dort zu erreichen, wo dies von den Tarifvertragsparteien für erforderlich gehalten wird. Die Tarifvertragsparteien haben ein Interesse an einer einheitlichen Rechtsprechung schon in der I. Instanz bei Klagen der ... wegen Beitragszahlungen. Dieses Interesse wird auch als schützenswert angesehen, wie die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für das Sozialkassenverfahren einschließlich dessen § 27 Abs. 1 Satz 1 sowie die Vorschrift des § 1 AEntG zeigen. Nach dem unverkennbaren Willen des Gesetzgebers sollen die gemeinsammen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien - hier: die ...- auch das Privileg besitzen, ihre Ansprüche zentralisiert in Wiesbaden verfolgen zu können. Eine Verpflichtung der ..., ihre Ansprüche jeweils bei den am Sitz des Bürgen bestehenden Arbeitsgerichten verfolgen zu müssen, würde die Durchsetzung dieser Ansprüche in nicht erwünschter Weise erschweren. Somit besteht eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden auch für Klagen der Urlaubskassen nach § 1 a AEntG, § 27 Abs. 1 Satz 1 TV Sozialkassenverfahren (vgl. auch Koberski/Asshoff/Holt, Kommentar zum AEntG, 2. Auflage, § 1 a Rz. 31).
Diese Entscheidung konnte durch den Vorsitzenden allein ergehen. Sie ist unanfechtbar. Die Parteien hatten im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs die Gelegenheit zur Stellungnahme.