Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 26.06.1992, Az.: 6 U 68/92
Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen multipler Prellungen und eines HWS-Schleudertrauma auf Grund eines Verkehrsunfalls; Geltendmachung eines Verdienstausfallschadens durch den Geschäftsführer einer GmbH auf Grund einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 26.06.1992
- Aktenzeichen
- 6 U 68/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 22114
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1992:0626.6U68.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 02.03.1992 - AZ: 7 O 3613/91
Rechtsgrundlage
- § 528 Abs. 2 ZPO
In dem Rechtsstreit
...
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 26.06.1992
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das an 02.03.1992 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.700 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000 DM.
Tatbestand
Der Kläger macht restliche Schadensersatzansprüche einschließlich Schmerzensgeld geltend wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 14.10.1989 gegen 13.45 Uhr in W. im Bereich der Einmündung der B. Straße in die bevorrechtigte F. ereignet hat.
Der Beklagte zu 1) bog zur Unfallzeit mit dem Pkw der Beklagten zu 2) aus der B. Straße nach links in die F. ein. Dabei beachtete er nicht die Vorfahrt des Fahrzeugs des Klägers, das die F. in nördlicher Richtung befuhr, so daß die Fahrzeug auf der F. zusammenstießen.
Die Beklagte zu 3) als Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 2) hat an den Klägern u.a. 2.000 DM Schmerzensgeld und 6.500 DM Verdienstausfallschaden gezahlt.
Der Kläger hat behauptet:
Er habe bei dem Unfall erhebliche Prellungen sowie ein Wirbelsäulen-Schleudertrauma erlitten. Vom Unfallzeitpunkt bis Ende Oktober 1989 sei er überhaupt nicht arbeitsfähig gewesen. Bis zum 19.01.1990 sei er krankgeschrieben gewesen. Erst danach habe wieder vollständige Arbeitsfähigkeit bestanden. Die lange Zeit der Krankschreibung sei auf die lang andauernden Beschwerden zurückzuführen. Teilweise habe er sich linksseitig nicht bewegen können. Verspannungen der Hand- und Fußextremitäten hätten vorgelegen. Noch ein Jahr nach dem Unfall habe er sich nicht mehr bücken können. Für den Zeitraum bis etwa Dezember 1990 habe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 % vorgelegen.
Er habe ferner unfallbedingt seinen Arbeitsplatz als angestellter Geschäftsführer und Bauleiter der Firma Bauunternehmen W. GmbH verloren. Sein Bruttolohn habe 10.000 DM betragen. Die Firma W. GmbH habe in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1989 ausgezeichnete Umsätze gehabt und sei aufgrund von Aufträgen, insbesondere im B. Raum tätig gewesen. Sie habe infolge seiner Krankheit ihre Tätigkeit nicht mehr fortsetzen können, ihre Aufträge verloren und Anfang Dezember 1989 Konkursantrag stellen müssen. Er habe erst zum 01.08.1990 eine neue Tätigkeit aufnehmen können.
Der Kläger hält angesichts der Unfallverletzungen ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000 DM für angemessen.
Ausgehend von einem monatlichen Schaden von 7.000 DM netto hat der Kläger für die Zeit vom 14.10.1989 bis 31.07.1990 (9 1/2 Monate) seinen Verdienstausfallschaden unter Berücksichtigung des bereits erhaltenen Betrages mit 60.000 DM beziffert. Ferner begehrt er die Zahlung einer Unkostenpauschale in Höhe von 50 DM. Den gestellten Feststellungsantrag hat der Kläger damit begründet, daß nicht zu erwarten sei, daß sein zukünftiger Arbeitsverdienst die Höhe des Geschäftsführergehalts erreichen werde.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
- 1.
an den Kläger ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Schmerzensgeld, mindestens jedoch noch 3.000 DM zuzüglich 4 % Zinsen ab dem 01.09.1991 zu zahlen,
- 2.
an den Kläger 60.050 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 01.09.1991 zu zahlen,
- 3.
festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jedweden Schaden aus dem am 14.10.1989 in W., Kreuzung F./B. Straße, erlittenen Vekehrsunfalls zu ersetzen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten tragen vor:
Das vom Beklagten erlittene leichte HWS-Syndrom rechtfertige kein höheres Schmerzensgeld. Der Beklagte sei nur 14 Tage unfallbedingt arbeitsunfähig gewesen. Die weitere Erkrankung des Klägers sei nicht auf den Unfall zurückzuführen. Es habe eine Bewegungseinschränkung der linken Hand bestanden, die auf einem 25 Jahre zurückliegenden Vorfall sowie einer fehlverheilten Radiusfraktur beruhe. Hinzu komme, daß der Kläger den Unfall mitverschuldet habe, da er mit weit überhöhter Geschwindigkeit auf das Fahrzeug der Beklagten zu 2) aufgefahren sei. Ein den gezahlten Betrag übersteigender Verdienstausfall sei, wie sich aus dem Gutachten des Wirtschaftssachverständigen P. ergebe, nicht entstanden. Der Kläger sei als alleiniger Gesellschafter der W. GmbH nicht in der Lage gewesen, dem Sachverständigen einen gültigen Gesellschaftsvertrag, einen gültigen Geschäftsführervertrag sowie Jahresabschlüsse und Abrechnungen von Bauvorhaben vorzulegen. Daß der Konkurs der W. GmbH unfallbedingt verursacht worden sei, werde bestritten.
Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg hat mit dem am 02. März 1992 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 40 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.11.1991 zu zahlen und die Klage im übrigen abgewiesen. Das Landgericht hat ausgeführt, der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, daß die bei ihm ab November 1989 aufgetretenen Beschwerden noch auf den Unfall vom 14.10.1989 zurückzuführen seien. Auch das Vorbringen zum Verdienstausfallschaden sei unschlüssig, denn der Kläger habe nicht dargelegt, weshalb die Aufträge der W. GmbH entzogen worden seien und weshalb das Unternehmen in Konkurs gegangen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerechte Berufung des Klägers.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
- 1.
an den Kläger einen der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Schmerzensgeld, mindestens jedoch noch weitere 3.000 DM zuzüglich 4 % Zinsen ab dem 01.09.1991 sowie
- 2.
an den Kläger 60.000 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 01.09.1991 zu zahlen und
- 3.
festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jedweden Schaden aus dem am 14.10.1989 in W. auf der Kreuzung F./B. Straße stattgefundenen Verkehrsunfall zu ersetzen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Parteien wiederholen ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und ergänzen es in sachlicher und rechtlicher Hinsicht.
Der Kläger macht geltend, bei den von den Beklagten vorgelegten Arztberichten handle es sich um Gefälligkeitsgutachten, die für die Beklagte zu 3) erstellt worden seien. Entgegen der Annahme des Landgerichts seien sämtliche in der Klageschrift geschilderten Beschwerden erst nach dem Unfall aufgetreten und auf diesen zurückzuführen. Zum Beweis für die lang anhaltenden Unfallfolgen beruft sich der Kläger auf Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens.
Hinsichtlich des Verdienstausfalls stellt der Kläger unter Sachverständigenbeweis, daß die W. GmbH ohne den Unfall aufgrund der hohen Umsätze in der Lage gewesen wäre, ihm ein angemessenes Geschäftsführergehalt von monatlich 10.000 DM brutto zu zahlen.
Er, der Kläger, habe nicht nur auf den Baustellen selbst mitgearbeitet, sondern auch die gesamte geschäftliche Leitung der Firma innegehabt. Die Einstellung von Hilfskräften sei nicht in Betracht gekommen, da derartige Hilfskräfte, die auch die kaufmännische Leitung übernehmen konnten, nicht vorhanden gewesen seien. Wegen der erlittenen Verletzungen habe er am 08.12.1989 Konkursantrag stellen müssen.
Der Kläger behauptet, sämtliche Buchungsunterlagen befänden sich beim Steuerberater. Jahresabschlüsse könnten nicht vorgelegt werden, da diese noch nicht erstellt seien. Er sei bereit, die vollständigen Buchungsunterlagen einem gerichtlichen Sachverständigen zur Auswertung zu überlassen.
Die Beklagten treten dem Vorbringen des Klägers entgegen und verteidigen die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Auf den vorgetragenen Inhalt der zur Gerichtsakte gelangten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Dem Kläger steht kein über den vorprozessual gezahlten Betrag von 2.000 DM hinausgehender Schmerzensgeldanspruch zu.
Angesichts der vorliegenden Arztberichte des R. Krankenhauses, des Hausarztes Dr. H. des Orthopäden Dr. W. sowie der Medizinischen Hochschule H. reicht das Vorbringen des Klägers nicht aus, um ein höheres Schmerzensgeld zu rechtfertigen. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger bei dem Unfall multiple Prellungen und ein HWS-Schleudertrauma davongetragen hat und deshalb bis Ende Oktober 1989 arbeitsunfähig war. Insoweit deckt sich das Klägervorbringen mit den Ausführungen des Hausarztes Dr. H. (vgl. Arztbericht vom 02.01.1990), der den Kläger vom 16.10. bis 31.10.1989 behandelt und das Heilverfahren als beendet bezeichnet hat. Wann welche Beschwerden in der Zeit nach Abschluß der Behandlung durch Dr. H. aufgetreten sind, die dann am 28.11.1989 zur Einschaltung des Orthopäden Dr. W. führten, ist nicht dargelegt worden. Wie sich aus dem Arztbericht des Dr. W. vom 12.01.1990 ergibt, sind dem Orthopäden weder die vorausgegangene Behandlung durch den Hausarzt noch die Vorerkrankungen des Klägers bekannt gewesen. Wie oft der Kläger in der Zeit zwischen Ende November 1989 und Mitte Januar 1990 bei Dr. W. vorstellig geworden ist und welche Beschwerden in dieser Zeit unfallbedingt noch vorhanden war, ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Ohne ausreichenden substantiierten Vortrag seitens des Klägers über den genauen Verlauf der Unfallfolgen bestand, insbesondere angesichts der vom Beklagten vorgelegten Arztberichte, die der Kläger als "nicht ordnungsgemäße" und "ausreichend gründliche" Gefälligkeitsgutachten abqualifiziert hat, kommt eine Beweiserhebung nicht in Betracht.
Da auch die Berufungsbegründung den erforderlichen substantiierten Sachvortrag des Klägers vermissen läßt, kommt die erstmals in der Berufungsinstanz beantragte Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu den Unfallfolgen ebenfalls nicht in Betracht. In erster Instanz bezog sich der Beweisantritt "Sachverständigengutachten" nur auf die Behauptung des Klägers, sein "langer Leidensweg" begründe ein weit über dem üblichen Maß für ein Schleudertrauma anzusetzendes Schmerzensgeld. Einer Beweisaufnahme durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu den Unfallfolgen durch den Senat steht im übrigen entgegen, daß es sich um neues Vorbringen im Sinne des §528 Abs. 2 ZPO handelt. Daß das Verhalten des Klägers nicht als grob nach lässig zu werten wäre, ist nicht ersichtlich.
Auch soweit der Kläger seinen Verdienstausfallschaden sowie den Feststellungsantrag weiterverfolgt, hat die Berufung keinen Erfolg.
Dem Kläger als mitarbeitendem Geschäftsführer der W. GmbH sind grundsätzliche die Einkünfte zu ersetzen, die er ohne die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit erzielt hätte.
Der Kläger hat aber schon nicht substantiiert dargetan und unter Beweis gestellt, daß er ohne den Unfall von der GmbH ein monatliches Gehalt von 10.000 DM brutto, das er seiner Schadensberechnung zugrundelegt, bezogen hat. Konkrete Angaben zum Gesellschaftsvertrag und zum Geschäftsführervertrag fehlen völlig. Hinzu kommt, daß dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen ist, wie sich die nur für einen geringen Zeitraum substantiiert dargelegten Unfallfolgen auf seine Tätigkeit für die W. GmbH die nicht nur aus handwerklichen Arbeiten bestand, ausgewirkt haben. Es fehlt jeder Tatsachenstoff, aus dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auf die Gewinnerwartung der GmbH geschlossen werden könnte. Welche Umsätze und welchen Gewinn die GmbH vor dem Unfall gemacht hat, hat der Kläger nicht angegeben. Gerade im Hinblick auf den bereits am 08.12.1989 gestellten Konkursantrag hätte der Kläger im einzelnen ausführen müssen, weshalb es trotz vorhandener Aufträge zum Konkurs gekommen ist. Der Hinweis auf die Konkursakten sowie auf die angeblich beim Steuerberater befindlichen Buchungsunterlagen ersetzt keinen ausreichenden Sachvortrag. Die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens kommt unter den vorliegenden Umständen nicht in Betracht. Daß die vom Kläger selbst ausgestellte Verdienstbescheinigung vom 17.10.1989 nicht geeignet ist, den geltend gemachten Verdienstausfallschaden zu belegen, hat das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt. Die Berufung war demgemäß als unbegründet zurückzuweisen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§97, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.