Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 08.09.2015, Az.: 2 A 282/14

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
08.09.2015
Aktenzeichen
2 A 282/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 44862
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Kläger sind zu je 1/2 Eigentümer des Grundstücks „L. weg 8“, M. der N. der Gemarkung O.. Die Beigeladenen sind Eigentümer des westlich gelegenen Grundstücks „L. weg 10“, P. der N..

Die Beigeladenen errichteten zunächst als genehmigungsfreie Baumaßnahme auf ihrem Grundstück ein Carport mit Abstellraum. Nachdem die Kläger an die Beklagte mit der Auffassung herangetreten waren, das Carport übersteige die gesetzlich zulässige Höhe, forderte die Beklagte die Beigeladenen auf, für die Errichtung des Carports einen Bauantrag zu stellen. Dies taten die Beigeladenen am 26. April 2013. Nach den Bauantragsunterlagen sollte die Höhe des Carports maximal 3,0 m über der gewachsenen Geländeoberfläche betragen.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2013 erteilt die Beklagte den Beigeladenen die begehrte Baugenehmigung. Hiergegen legten die Kläger rechtzeitig Widerspruch mit der Begründung ein, die Beklagte habe die Höhe des Carports falsch berechnet. Sie betrage vom natürlich gewachsenen Boden aus gemessen 3,4 m.

Im Zuge des Verfahrens führte die Beklagte ein Nivellement durch. In Ermangelung von Höhenlinien in etwaigen Bebauungsplänen ging die Beklagte dabei nach den von ihrem Mitarbeiter Q. in der mündlichen Verhandlung gemachten Aussagen wie folgt vor:

Für die Bestimmung der gewachsenen Geländeoberfläche nahm die Beklagte Rückgriff auf die Bauantragsunterlagen der Kläger vom 17. Juli 1997. Als Referenzwert entnahm die Beklagte sodann aus dem Entwässerungsplan (Blatt 1 der Beiakten B) eine Sollhöhe von 214,41 m. Diese Sollhöhe der Fußbodenoberkante des klägerischen Gebäudes stellte die Beklagte sodann ins Verhältnis zur Oberkante des Kanalschachtdeckels, die sie aus den Entwässerungsunterlagen für das Baugebiet „R.“ in O. aus dem Juli 1995 entnahm (Blatt 7 der Beiakten B). Hieraus ergab sich eine Kanaldeckelhöhe von 214,39 m. Folglich erschien der Beklagten die sich aus den Planunterlagen der Kläger ergebende Höhe von 214,41 m als plausibel. Unter Zugrundelegung der Planskizzen für das Bauvorhaben der Kläger aus dem Juli 1997 errechnete die Beklagte sodann für verschiedene Messpunkte anhand der in den Planunterlagen vorhandenen Höhendifferenzangaben für verschiedene Messpunkte Sollwerte (Blatt 12 und 13 der Beiakten B). Diese Sollwerte stellte die Beklagte sodann den von ihrem Mitarbeiter Q. tatsächlich gemessenen Höhenangaben im Istzustand gegenüber (Blatt 10 der Beiakten B). Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich, dass an der am “ L. weg“ gelegenen Grundstücksgrenze zwischen dem Grundstück der Kläger und demjenigen der Beigeladenen so gut wie kein Unterschied zwischen Ist- und Sollhöhe besteht; indes Richtung Norden in das Grundstück hinein ein deutlicher Höhenunterschied zwischen Ist- und Sollwerten besteht. Diese Differenz schwankt zwischen 0,47 m und 0,67 m im Bereich der streitbefangenen Garage.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2014 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Kläger zurück.

Zur Begründung gab sie an, das Nivellement habe ergeben, dass das Wohnhaus der Kläger tatsächlich um circa 58 cm tiefer als geplant errichtet worden sei. Daraus ergebe sich, dass die Garage der Nachbarn die bauordnungsrechtliche Höhenbegrenzung von 3,0 m innerhalb des Bauwichs an keiner Stelle überschreite. An der Süd-Ost-Ecke werde dieses Maß um 0,41 cm unterschritten. Mit der Rechtsbehelfsbelehrung eröffnete die Beklagte gegen diesen Widerspruchsbescheid die Klagemöglichkeit.

Am 18. August 2014 (Montag) haben die Kläger gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben. Auf gerichtlichen Hinweis hin haben die Kläger ihre Klage auf den Ausgangsbescheid vom 22. Juli 2013 erweitert und begehren die Aufhebung dieser Bescheide.

Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger im Wesentlichen vor, die Garage der Beigeladenen stehe auf einem Betonsockel von circa 60 cm Höhe. Die Garage selbst habe eine Höhe von 2,73 m, sodass eine Gesamthöhe von 3,33 m gegeben sei. Sie bestreiten Abgrabungen auf ihrem Grundstück vorgenommen zu haben und tragen vielmehr vor auf die vorhandene Geländeoberfläche gebaut zu haben. Die Beigeladenen ihrerseits hätten ihr Grundstück um circa 50 bis 80 cm aufgeschüttet.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, dem Vorbringen der Kläger in der Sache entgegentretend,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Zwar haben die Kläger entsprechend der missverständlichen Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten zunächst ausdrücklich nur die Aufhebung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 15. Juli 2014 beantragt. Dieses Begehren ist jedoch so auszulegen (und später auch so beantragt), dass damit auch die Aufhebung des Ausgangsbescheides begehrt wird (Vgl. zur Sachgerechtigkeit einer derartigen Antragsauslegung im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Rechtsbehelfsbelehrung, die sich nur auf den Widerspruchsbescheid bezieht, unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO ist BVerwG, Urteil vom 01.09.1988 - 6 C 56/87 -; OVG Lüneburg, Urteil vom 17.09.1991 - 2 L 103/91 -, jeweils zitiert nach Juris).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Entgegen der Auffassung der Kläger sind diese Bescheide nicht deshalb rechtswidrig, weil sie den Beigeladenen die Errichtung eines Carports mit einer Höhe von mehr als 3,0 m erlauben.

Mit der Baugenehmigung vom 22. Juli 2013 genehmigt die Beklagte den Beigeladenen den Neubau einer Garage mit Abstellraum gemäß deren Antrag. Ausweislich der Antragsunterlagen (insbesondere Blatt 36 f. der Beiakten B) sollte die Garage eine Höhe von 3,0 m haben. Diese planzeichnerische Festlegung entspricht § 5 Abs. 8 Satz 2 Nr. 1 NBauO in der hier anzuwendenden Fassung vom 3. April 2012 (Nds. GVBl. S. 46). Danach sind ohne Abstand oder mit einem bis auf 1 m verringerten Abstand von der Grenze zulässig Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten mit einer Höhe bis zu 3 m. Genau dies ist den Beigeladenen von der Beklagten genehmigt worden.

Das Gericht hat deshalb erwogen, ob die Klage nicht allein schon deshalb unbegründet ist, weil sich die Kläger der Sache nach nicht gegen die Baugenehmigung, sondern gegen eine aus ihrer Sicht zu hohe Bauausführung wenden. Möglicherweise wären sie mit diesem Vorbringen auf ein bauordnungsrechtliches Verfahren zu verweisen. Das Gericht unterwirft die Baugenehmigung jedoch deshalb seiner gerichtlichen Überprüfung, weil sich die Höhe der Garage auf die natürliche Geländeoberfläche bezieht. Sollte diese von den Beigeladenen falsch angegeben worden sein, wäre es möglich, dass die Höhenangabe von 3,0 m, die sich hierauf bezieht, ebenfalls unrichtig wäre (vgl. ähnlich Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Auflage, § 5 RdNr. 278). Dies berücksichtigt darüber hinaus das Interesse an der Vermeidung einer weiteren, denselben Problemkreis betreffenden Rechtstreitigkeit zwischen den Beteiligten im Hinblick auf ein bauaufsichtliches Einschreiten.

Das Gericht ist nach der mündlichen Verhandlung und den Erläuterungen des Mitarbeiters Q. der Beklagten indes der Überzeugung, dass die Beigeladenen ihre Garage mit Nebenraum weder zu hoch geplant noch zu hoch ausgeführt haben.

Gemäß § 5 Abs. 9 Satz 1 NBauO ist die nach den Absätzen 1 bis 8 maßgebliche Höhe der Geländeoberfläche die der gewachsenen Geländeoberfläche. Die gewachsene Geländeoberfläche ist regelmäßig die natürlich entstandene Geländeoberfläche, wobei in langvergangener Zeit entstandene Aufschüttungen durch Menschenhand berücksichtigt werden können. Eine Veränderung dieser Geländeoberfläche durch Abgrabung ist zu berücksichtigen, eine Veränderung durch Aufschüttung dagegen nur, wenn die Geländeoberfläche dadurch an die vorhandene oder genehmigte Geländeoberfläche des Nachbargrundstücks angeglichen wird

Da es somit auf die ursprünglich gewachsene Geländeoberfläche ankommt, muss die Bauaufsichtsbehörde durch Heranziehung bestimmter Hilfskriterien versuchen, die gewachsene Geländeoberfläche zu bestimmen. Ein probates Hilfsmittel sind Festsetzungen der Höhenlage im einschlägigen Bebauungsplan. Auf ein solches kann hier in Ermangelung von Höhenlinien im zugrunde liegenden Bebauungsplan nicht zurückgegriffen werden. In Ermangelung solcher Höhenlinien hält das Gericht das methodische Vorgehen der Beklagten für zulässig. Sie ist zutreffend davon ausgegangen, dass Ausgangspunkt der Überlegungen die Planunterlagen der Kläger aus deren eigenem Bauvorhaben aus dem Jahre 1997 die Basis der Betrachtung darstellt. Durch einen Vergleich dieses Wertes von 214,41 m mit dem Wert der Entwässerungsschachtoberkante von 214,39 m ist sie zu der Überzeugung gelangt, dass die Planwerte den tatsächlichen Vorgaben der Umgebung im Hinblick auf die Entwässerungssituation entsprochen haben. Durch Vergleich mit den tatsächlichen Höhenangaben ist die Beklagte sodann zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kläger nicht entsprechend ihren Planungen gebaut haben, sondern ihr Haus etwa 0,5 m tiefer gegründet haben als es ihren Planungen entsprach. Dieses Ergebnis ergibt sich aus den vom Mitarbeiter Q. der Beklagten in mündlicher Verhandlung plausibel dargelegten Höhenmessungen und Höhenfestlegungen im Rahmen des Nivellements. Hätten die Kläger ihren Planungen entsprechend das Gelände aufgeschüttet, hätte ihnen der § 5 Abs. 9 Satz 2 NBauO nicht entgegen gehalten werden können, da sie die Geländeoberfläche durch die Aufschüttung an die vorhandene Geländeoberfläche des Nachbargrundstücks angeglichen hätten (vergleiche Große-Suchsdorf, a.a.O. RdNr. 266). Die Beigeladenen haben zur Überzeugung des Gerichts entgegen der Auffassung der Kläger ihr Gelände nicht angeschüttet. Vielmehr ist es zur Überzeugung des Einzelrichters so, dass die Kläger ihr Grundstück entgegen ihren ursprünglichen Bauplanungen nicht an die vorhandene Geländeoberfläche angeglichen haben. Eben diese Geländeoberfläche auf dem Grundstück der Beigeladenen ist jedoch die maßgebliche gewachsene Geländeoberfläche.

Hiernach ist nur ein Schluss zulässig und zwar derjenige, dass die Kläger ihr Gebäude in einer Senke errichtet haben, deren Auffüllung sie ursprünglich beabsichtigt hatten. Tatsächlich kommt ihnen nachvollziehbar die Garage der Beigeladenen höher als 3 m vor, da sie quasi “von unten“ auf sie schauen. Sie ist jedoch wie das Nivellement der Beklagten ergeben hat gegenüber der gewachsenen Geländeoberfläche nicht höher als 3 m.

Da die Klage erfolglos bleibt, haben die Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da dies nicht der Billigkeit entspricht (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Beigeladenen haben sich einem eigenen Kostenrisiko nicht ausgesetzt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO in Verbindung mit 708 Nr. 11, 711 ZPO.