Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 29.09.2015, Az.: 2 A 131/15
Anfechtung; Asylverzicht; Belehrung; Empfehlung; arglistige Täuschung; Verzicht; Widerruf; Wirksamkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 29.09.2015
- Aktenzeichen
- 2 A 131/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 44860
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 14a Abs 3 AsylVfG
- § 119 BGB
- § 123 BGB
- Art 10 EGRL 85/2005
- Art 12 EURL 32/2013
Tatbestand:
Die am xx.xx.xxxx in H. geborene Klägerin, syrische Staatsangehörige, wendet sich gegen einen Einstellungsbescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) und begehrt ihre Anerkennung als Asylberechtigte sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Sie ist die Tochter der syrischen Staatsangehörigen E. B. (Vater) und C. D. (Mutter), denen das Bundesamt mit Bescheid vom 5. März 2015 (Az.: 5733699-475; zugestellt am 11. März 2015) die Flüchtlingseigenschaft zuerkannte.
Zuvor war die Geburt der Klägerin dem Bundesamt mit Schreiben der (damals zuständigen) Ausländerbehörde des Landkreises H. vom 7. Oktober 2014 gemäß § 14a AsylVfG angezeigt worden. Aufgrund dieser Anzeige erachtete das Bundesamt seit dem 27. Oktober 2014 (korrigiert später auf den 10. Oktober 2014) einen Asylantrag für die Klägerin als gestellt.
Mit einem (nur) deutschsprachigen, an die Eltern der Klägerin gerichteten Schreiben vom selben Tage (zugestellt am 29. Oktober 2014) informierte das Bundesamt diese über die Antragsfiktion und wies auf die Regelung des § 14a Abs. 3 AsylVfG hin, derzufolge der gesetzliche Vertreter des Kindes bis zur Zustellung der Entscheidung des Bundesamts auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind verzichten könne, indem er erkläre, dass für das Kind keine Gründe geltend gemacht würden, die das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG rechtfertigten, bzw. dass dem Kind im Heimatland kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 AsylVfG drohe (Bl. 15 f. der Beiakte B). Beigefügt waren eine gesonderte deutschsprachige Belehrung zum Procedere und zu den jeweiligen Rechtsfolgen im Verzichtsfalle sowie im Falle der Durchführung des Asylverfahrens (Bl. 17 f. der Beiakte B); ferner ein deutschsprachiger Erklärungsvordruck, auf dem entweder der Verzicht erklärt (1. Kästchen) oder eine schriftliche Stellungnahme zu den Asylgründen des Kindes avisiert (2. Kästchen) werden konnte (Bl. 19 der Beiakte B).
Am 13. November 2014 ging dieser Erklärungsvordruck ausgefüllt beim Bundesamt - Referat Außenstelle Friedland - ein. Darin war das 1. Kästchen (Verzicht) angekreuzt worden, und eine Person (wie sich später herausstellte: der Vater der Klägerin) hatte unterschrieben (Bl. 25 der Beiakte B). Mit Schreiben vom 28. April 2015 wies das Bundesamt die Eltern der Klägerin darauf hin, dass die Erklärung nur von einem Elternteil unterschrieben worden sei, zur weiteren Bearbeitung des Verfahrens jedoch die Unterschrift beider Elternteile notwendig sei; deshalb würden die Eltern gebeten, die anliegende Erklärung von beiden Elternteilen unterschrieben an das Bundesamt zurückzusenden (Bl. 30 der Beiakte B). Unter dem 5. Mai 2015 reichten die Eltern der Klägerin die Erklärung - nunmehr ergänzt um die Unterschrift der Mutter - an das Bundesamt zurück und teilten zugleich in einem handschriftlichen deutschsprachigen Schreiben die neue Anschrift der Klägerin mit. Dieses Schreiben ging am 12. Mai 2015 dort ein (Bl. 31 f. der Beiakte B).
Mit Bescheid vom 15. Mai 2015 stellte das Bundesamt das Asylverfahren ein (Ziffer 1. des Bescheides) und stellte ferner im Falle der Klägerin hinsichtlich Syriens das Bestehen des zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG fest (Ziffer 2. des Bescheides). Der Bescheid wurde am 20. Mai 2015 als Einschreiben zur Post gegeben (Bl. 50 der Beiakte B).
Am 2. Juni 2015 hat die Klägerin Klage erhoben, die zunächst nur auf Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2015 gerichtet gewesen ist, am 10. Juni 2015 jedoch um ein auf die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung bezogenes Verpflichtungsbegehren erweitert worden ist. Nachdem die Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Einzelrichter in einem Telefonat vom 8. Juli 2015 zunächst moniert hat, den Eltern der Klägerin sei die Verzichtserklärung nur in deutscher Sprache zur Unterschrift vorgelegt worden, hat sie in einem Telefonat mit dem Einzelrichter vom 7. August 2015 eingeräumt, die Eltern seien im Migrationszentrum für die Stadt und den Landkreis H. (einer Beratungseinrichtung der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers für Flüchtlinge, im Folgenden: Migrationszentrum) dahin beraten worden, sie müssten die Verzichtserklärung unterschreiben, um das Asylverfahren der Klägerin ordnungsgemäß abschließen zu können. Seit dem 17. August 2015 wird für die Klägerin zur Klagebegründung nunmehr wie folgt vorgetragen: Ein wirksamer Verzicht liege nicht vor. Das ergebe sich aus dem Gebaren des Bundesamts im Vorfeld der Verzichtserklärung. Das Schreiben vom 27. Oktober 2014 sei nur in deutscher, nicht jedoch auch in arabischer Sprache verfasst, was jedoch erforderlich gewesen wäre. Im Zeitpunkt der Verzichtserklärung habe ihre aktuelle Prozessbevollmächtigte sie, die Klägerin, noch nicht vertreten; vielmehr sei sie anwaltlich unvertreten gewesen. Selbst wenn die Amtssprache Deutsch sei, so sei doch vor Gericht die Einschaltung eines Dolmetschers obligatorisch. Ferner stelle das genannte Schreiben inhaltlich den Verzicht als Regelfall und die Durchführung des Asylverfahrens als Ausnahmefall dar und gebe daher - in irreführender Weise - die Gesetzeslage „auf den Kopf gestellt“ wieder. Der versteckte Hinweis auf die „Möglichkeit“ eines Verzichts genüge nicht. Der derivative Status (Familienasyl, Familienflüchtlingsschutz) werde gar nicht erwähnt. Dabei wollten die Eltern für ihr Kind - so auch hier - denselben Schutz wie für sich selbst; davon gehe das Gesetz auch aus. Der erst am Schluss des Schreibens gegebene entscheidende Hinweis auf das zwingende Absehen von einer Anhörung bei unter 6-jährigen Kindern werde durch die Gestaltung des Schreibens marginalisiert, indem er mit der Bitte verbunden werde, die in der Belehrung für Erstantragsteller gemachten Ausführungen zum Anhörungstermin und zur Anhörung selbst als gegenstandslos zu betrachten. Insgesamt erwecke das Schreiben den Eindruck, das Bundesamt wolle Asylanträge im Bundesgebiet nachgeborener Kinder möglichst nicht bearbeiten. Die korrekte Darstellung der Gesetzeslage sei auch nicht während des Besuchs des Vaters der Klägerin beim Bundesamt nachgeholt worden. Dieser Besuch sei am 13. November 2014 erfolgt, nachdem der Vater zuvor beim Migrationszentrum den Inhalt des Schreibens vom 27. Oktober 2014 samt Anlagen erklärt bekommen und von dort den Rat erhalten habe, das 1. Kästchen in der Erklärung anzukreuzen und zu unterschreiben, danach jedoch unsicher geblieben sei. Er habe deshalb das Bundesamt in Friedland aufgesucht, das Schreiben vorgezeigt und dort durch einen Mitarbeiter über einen Dolmetscher - ohne inhaltliche Erklärung des Schreibens - gesagt bekommen, er solle hier unterschreiben, es ginge um das Asylverfahren seiner Tochter. Daraufhin habe er die Verzichtserklärung unterschrieben. Wegen der bis zuletzt fortbestanden habenden Unsicherheit des Vaters sei also nicht die falsche Information des Migrationszentrums, sondern erst die falsche Auskunft des Bundesamts selbst bei seiner dortigen Vorsprache kausal für den Verzicht gewesen. Unrichtig sei ferner der Hinweis des Bundesamts in dessen Schreiben vom 28. April 2015 gewesen, zur „weiteren Bearbeitung des Verfahrens“ sei die Unterschrift beider Elternteile notwendig. Zutreffend sei vielmehr, dass die beiderseitige Unterschrift nicht für die weitere Bearbeitung des Asylverfahrens, sondern lediglich für dessen vorzeitige Beendigung unter Nichtzuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich gewesen sei. Dieser asylrechtliche Status stehe ihr, der Klägerin, in der Sache aber unzweifelhaft zu. Nach alledem werde die Rücknahme der Erklärung über die Verfolgungsfreiheit entsprechend §§ 119 ff. BGB erklärt. Diese Vorschriften seien bei arglistiger Täuschung, Drohung, unzulässigem Druck sowie Wiederaufgreifensgründen anwendbar.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid der Beklagten (5835612-475) vom 15. Mai 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass sie asylberechtigt ist und in ihrer Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt sind.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angegriffenen Bescheid und führt ergänzend aus, die Amtssprache sei Deutsch. Sowohl das Bundesamt als auch das Gericht und die Prozessbevollmächtigte korrespondierten mit Asylbewerbern in deutscher Sprache. Die Eltern der Klägerin hätten offenbar auch Zugang zu Personen gehabt, die ihnen den Inhalt der Schreiben übersetzen bzw. erklären konnten, nicht zuletzt auch zu einem Anwalt. Ob und durch wen es dabei zu einer möglicherweise falschen Erklärung/Übersetzung gekommen sein könnte, sei rein spekulativ, lasse sich nicht mehr überprüfen und könne auch eine Schutzbehauptung sein. Jedenfalls könne bei sorgfältiger Beachtung ihres Schreibens vom 27. Oktober 2014 nicht der Eindruck entstehen, der „Normalfall“ sei der Asylverzicht, da dort ausdrücklich vermerkt sei, dass diese Variante eine „Möglichkeit“ sei.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
Mit unanfechtbarem Beschluss vom 28. September 2015 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Ausländerbehörde der Stadt H. Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der richterlichen Urteilsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die der zuständige Einzelrichter gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben, hat keinen Erfolg.
I. Gemäß § 88 VwGO deutet der Einzelrichter den gestellten Klageantrag sachdienlich dahin, dass sich der Anfechtungsanteil lediglich gegen die in Ziffer 1. des Bescheides vom 15. Mai 2015 getroffene Einstellungsentscheidung des Bundesamts richtet, denn Ziffer 2. enthält eine die Klägerin allein begünstigende Regelung (Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG), deren Aufhebung nicht zulässigerweise begehrt werden könnte (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO).
II. Soweit die Klage als Verpflichtungsklage mit inzidentem Anfechtungsantrag bezogen auf Ziffer 1. erhoben ist, ist sie unzulässig, weil das auf die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung gerichtete Verpflichtungsbegehren verfristet rechtshängig gemacht wurde. Die zu wahrende Klagefrist betrug nach § 74 Abs. 1, 1. HS. AsylVfG zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung. Der Bescheid vom 15. Mai 2015 wurde ausweislich Bl. 50 der Beiakte B am 20. Mai 2015 als Einschreiben zur Post gegeben, so dass er gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG am dritten Tag danach, d.h. am 23. Mai 2015, als zugestellt gilt. Die zweiwöchige Klagefrist begann demnach am Sonntag, dem 24. Mai 2015, 0.00 Uhr, und endete unter Berücksichtigung einer Ablaufhemmung am Montag, dem 8. Juni 2015, 24.00 Uhr (§§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 1. Alt. BGB). Erst danach - am 10. Juni 2015 - ist bei Gericht ein Schriftsatz vom 9. Juni 2015 eingegangen, mit dem auch die Verpflichtung der Beklagten zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung begehrt wurde.
III. Als isolierte Anfechtungsklage gegen die Einstellungsentscheidung aus Ziffer 1. des Bescheides vom 15. Mai 2015 ist die Klage hingegen zulässig (vgl. hierzu Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 89. EL März 2015, AsylVfG § 32 Rn. 36), insbesondere am 2. Juni 2015 und damit fristgerecht erhoben worden. Indessen ist sie unbegründet. Die Einstellung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Sie lässt sich auf § 32 Satz 1, 2. Alt. AsylVfG stützen. Nach dieser Vorschrift stellt das Bundesamt im Falle des Verzichts gemäß § 14a Abs. 3 AsylVfG in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist; ferner stellt es - was hier in Ziffer 2. des Bescheides geschehen und nach den obigen Ausführungen (I.) nicht streitgegenständlich ist - fest, ob ein (nationalrechtliches) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt.
2. Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind erfüllt. Denn die Eltern der Klägerin haben für die Klägerin wirksam i.S.d. § 14a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet, welches gemäß § 14a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG durch Geburtsanzeige der Ausländerbehörde gegenüber dem Bundesamt eingeleitet worden war.
a) Ein Verzicht ist wirksam erklärt worden. Am 12. Mai 2015 lag dem Bundesamt ein ausgefüllter Erklärungsvordruck vor, auf dem das 1. Kästchen (Verzicht) angekreuzt und der von beiden Elternteilen unterschrieben war. Dabei handelt es sich nach ihrem objektiven Gehalt um eine Erklärung i.S.d. § 14a Abs. 3 AsylVfG, nach welchem die (gesetzlichen) Vertreter des Kindes (nach § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB regelmäßig - wie hier - beide Elternteile, zu den Ausnahmen vgl. u.a. § 12 Abs. 3 AsylVfG) bis zur Zustellung der Entscheidung des Bundesamts auf die Durchführung des Asylverfahrens verzichten können, indem sie erklären, dass dem Kind keine Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylVfG und kein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylVfG drohen. Diese ist auch wirksam geworden. Der Verzicht stellt eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung dar, auf die § 130 BGB entsprechend anwendbar ist (vgl. VG München, Urteil vom 6. Mai 2014 - M 12 K 14.30097 -, juris Rn. 21). Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Norm wird eine Willenserklärung, die einem anderen (Abwesenden) gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie diesem zugeht. Dies ist hier am 12. Mai 2015 mit dem Eingang der vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Erklärung bei der Außenstelle Friedland des Bundesamts geschehen.
b) Die Eltern der Klägerin haben den Verzicht nicht wirksam widerrufen. Ein Widerruf ist nur in den engen zeitlichen Grenzen des § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB (vorher oder gleichzeitig mit dem Zugang des Verzichts) möglich (vgl. Hailbronner, a.a.O, Rn. 24; Bergmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, AsylVfG § 14a Rn. 8). Soweit sich die Klägerin nunmehr seit dem 17. August 2015 (Bl. 32 der GA) - d.h. nach dem 12. Mai 2015 - im Wege der „Rücknahme“ vom Inhalt der abgegebenen Erklärung zu distanzieren versucht, vermag dies mithin nicht als Widerruf zu einer Unwirksamkeit des Verzichts zu führen.
c) Der Verzicht ist auch nicht im Wege der Anfechtung analog § 142 Abs. 1 BGB ex tunc unwirksam geworden. Zwar mag die im Schriftsatz vom 17. August 2015 erklärte „Rücknahme“ analog § 133 BGB als Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB analog) ausgelegt werden. Indessen fehlt es an einem Anfechtungsgrund.
aa) Als Verfahrenshandlung ist der Asylverzicht i.S.d. § 14a Abs. 3 AsylVfG grundsätzlich bedingungsfeindlich und nicht anfechtbar (vgl. VG München, Urteil vom 6. Mai 2014, a.a.O.; Hailbronner, a.a.O., Rn. 24). Für den Verzicht gelten insoweit dieselben Grundsätze wie für die Rücknahme des Asylantrages. Eine entsprechende Anwendung der §§ 119 ff. BGB für die Rücknahme eines Asylantrages nach § 32 AsylVfG ist wie bei Prozesshandlungen aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich ausgeschlossen. Dafür spricht vor allem die Nähe zu den Regelungen über die Klagerücknahme (§ 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wäre kaum nachvollziehbar, die Rücknahme der Asylklage als grundsätzlich nicht anfechtbar, die Rücknahme des Asylantrages dagegen als anfechtbar anzusehen. Der Rechtssicherheit kommt gerade im asylrechtlichen Verwaltungsverfahren kein geringeres Gewicht als im Prozess zu (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 20. September 2004 - 4 A 4121/02 -, juris Rn. 58). Ausnahmen vom Grundsatz der Unanfechtbarkeit wären allenfalls bei arglistiger Täuschung, Drohung, unzulässigem Druck, unzutreffender Empfehlung oder Belehrung durch das Bundesamt oder die Ausländerbehörde, beim Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen oder im Falle des offensichtlichen Versehens denkbar (vgl. VG Göttingen, a.a.O.; Hailbronner, a.a.O., AsylVfG § 32 Rn. 19 f., 24). Entgegen der klägerischen Auffassung ist keiner dieser Fälle hier einschlägig.
(1) Drohung und unzulässiger Druck werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht sonst ersichtlich. Ein Wiederaufgreifensgrund i.S.d. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG (in Gestalt einer Änderung der Sachlage, § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) ist für die Klägerin in der vorliegenden Konstellation nicht entstanden. Denn ihre Eltern waren bereits mit Bundesamtsbescheid vom 5. März 2015 als Flüchtlinge anerkannt worden. Erst danach, nämlich im Mai 2015, ist der Verzicht erklärt worden und ist die Einstellung des Asylverfahrens der Klägerin erfolgt. Seitdem hat sich die Sachlage nicht mehr zugunsten der Klägerin geändert.
(2) Eine unzutreffende Empfehlung oder Belehrung und eine arglistige Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB analog) seitens der Behörden sind ebenfalls zu verneinen. Sie haben die Entscheidung der Eltern der Klägerin, im vorliegenden Fall den Verzicht zu erklären, anstatt das Asylverfahren ihrer Tochter zu betreiben, weder durch positives Tun noch durch eine pflichtwidrige Unterlassung determiniert.
(a) Ausweislich der Ausländerakten (Beiakten C bis E) sind Äußerungen der Ausländerbehörden des Landkreises bzw. der Stadt H. mit Bezug auf einen Verzicht gegenüber den Eltern der Klägerin nicht getätigt worden.
(b) Das Schreiben des Bundesamts vom 27. Oktober 2014 war entgegen der klägerischen Auffassung inhaltlich zutreffend und insbesondere nicht geeignet, die Eltern der Klägerin tendenziell dazu zu bewegen, im Erklärungsvordruck eher das 1. Kästchen (Verzicht) als das 2. Kästchen (Avis einer Darstellung von Asylgründen) anzukreuzen. Nicht nachvollziehbar erscheint der Vorwurf, der Verzicht werde in der Belehrung als „Regel- oder Normalfall“ und die Durchführung des Asylverfahrens als „Ausnahmefall“ dargestellt. Vielmehr wird darin allenfalls eine Bearbeitungsreihenfolge angedeutet, die jedoch schon aus verwaltungsorganisatorischen und -ökonomischen Erwägungen heraus unmittelbar einleuchtet: nur, wenn der Verzicht nicht erklärt wird, muss das Asylverfahren bezogen auf die Stufen Asyl i.e.S. (Art. 16a GG), internationaler Schutz (§§ 3, 4 AsylVfG bzw. § 60 Abs. 1, 2 AufenthG) sowie ggf. zugehörige derivative Rechte (§ 26 AsylVfG) inhaltlich bearbeitet werden. Deshalb steht die Klärung, ob ein Verzicht erklärt wird, zeitlich an erster Stelle. Das bedeutet allerdings nicht, dass nach dem Schreiben Verzicht und Durchführung des Asylverfahrens nicht als gleichwertig dargestellt würden oder ein Verzicht für naheliegender oder empfehlenswerter gehalten werde als die Durchführung des Asylverfahrens. Vielmehr wird die Entscheidung, welche der beiden Alternativen gewählt werden soll, gemäß § 14a Abs. 3 AsylVfG vollständig den gesetzlichen Vertretern der Klägerin überlassen, was sich nicht zuletzt in den zwei separat ankreuzbaren Kästchen des Erklärungsvordrucks manifestiert. Mit Recht betont die Beklagte, der Verzicht sei nur als eine von mehreren (gleichwertigen) „Möglichkeiten“ dargestellt worden. Die jeweiligen Rechts- und Verfahrensfolgen der beiden Alternativen werden zutreffend zusammengefasst. Insbesondere wird für den Fall des Verzichts auf den dann folgenden „Einstellungsbescheid hinsichtlich Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, der nur noch eine Entscheidung zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG beinhaltet“, hingewiesen. Soweit klägerseits moniert wird, der Hinweis auf das zwingende Absehen von einer persönlichen Anhörung bei unter 6-jährigen Kindern werde durch die Bitte, die Ausführungen zum Anhörungstermin und zur Anhörung selbst in der „Belehrung für Erstantragsteller“ als gegenstandslos zu betrachten, marginalisiert, kann dem nicht gefolgt werden. Dass bei derart kleinen Kindern wie der Klägerin keine Anhörung durchgeführt wird, folgt aus § 24 Abs. 1 Satz 6 AsylVfG und wird in dem Schreiben vom 27. Oktober 2014 auch im zutreffenden Kontext (Folge einer gewählten Durchführung des Asylverfahrens) erwähnt. Naturgemäß sind dann die Standardformulierungen zum Komplex „Anhörung“ (einschließlich Versäumnis geladener Termine pp.) aus den Textbausteinen der allgemeinen Erstantragstellerbelehrung, hier ebenfalls am 27. Oktober 2014 erstellt (Bl. 3 ff. der Beiakte B), im Falle der Klägerin entsprechend zu modifizieren. Nur für den Fall eines Nicht-Verzichts, d.h. einer gewollten Durchführung des Asylverfahrens, wird demgemäß den Eltern eine schriftliche Darstellung der eigenen Asylgründe der Tochter abverlangt. Dass zu diesem Zeitpunkt (27. Oktober 2014) die erst später entstandene (seit dem 11. März 2015, mit der unanfechtbaren Anerkennung der Eltern gegebene) Möglichkeit eines Familienasyls bzw. Familienflüchtlingsschutzes (§ 26 AsylVfG) nicht erwähnt wurde, ist ebenfalls unschädlich, weil sich diese Alternative damals noch nicht konkret abzeichnete.
(c) Dass das nach alledem inhaltlich zutreffende Schreiben vom 27. Oktober 2014 lediglich in deutscher, nicht jedoch auch in arabischer Sprache gehalten war, begründet ebenfalls keinen Anfechtungsgrund im eingangs genannten Sinne. Damit hat das Bundesamt nicht etwas pflichtwidrig unterlassen und die Eltern der Klägerin dadurch kausal zur Wahl der 1. Alternative (Verzicht) veranlasst.
(aa) Das Bundesamt war nicht verpflichtet, die Eltern der Klägerin über die anstehende Entscheidung (Verzicht oder Durchführung des Asylverfahrens) und ihre Rechtsfolgen im Einzelnen in arabischer Sprache zu belehren. Auch aus § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG folgt dies nicht. Nach dieser Norm ist der Asylantragsteller nach der Antragstellung in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens und über seine Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere auch über Fristen und die Folgen einer Fristversäumung, zu unterrichten; ein Anspruch auf Unterrichtung in der Muttersprache besteht nicht (vgl. Hailbronner, a.a.O., AsylVfG § 24 Rn. 10). Mit dieser Norm werden die Garantien aus Art. 10 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen über Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (Verfahrensrichtlinie a.F. - VerfRL a.F. -) umgesetzt (vgl. Bergmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, a.a.O., AsylVfG § 24 Rn. 1), die nach Art. 53 Satz 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie n.F. - VerfRL n.F. -) erst mit Wirkung vom 21. Juli 2015 aufgehoben und durch die entsprechenden Vorschriften (hier: Art. 12 Abs. 1 lit. a) VerfRL n.F.) ersetzt worden ist. Hier ist noch Art. 10 Abs. 1 lit. a) VerfRL a.F. heranzuziehen. Über die in dieser Norm und in § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG genannten Umstände sind die Eltern der Klägerin im Rahmen der Erstantragstellerbelehrung ausführlich in arabischer Sprache belehrt worden (Bl. 3 ff. der Beiakte B); weiterreichende Garantien enthalten diese Vorschriften nicht (so auch VG München, Urteil vom 6. Mai 2014, a.a.O., Rn. 19). Eine allgemein wiederkehrende Aktualisierung der Pflicht zur Belehrung in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, in einer konkreten asylverfahrensrechtlichen Situation, hier etwa im Vorfeld der Entscheidung, ob im Sinne des § 14a Abs. 3 AsylVfG verzichtet werden, soll, findet nach Auffassung des Einzelrichters nicht statt. Dies folgt im Umkehrschluss aus einzelnen Vorschriften des AsylVfG, die in bestimmten Situationen gerade eine gesonderte oder nochmalige Belehrung oder Unterrichtung in der genannten Sprache fordern, so etwa bei der Anhörung (§ 17 Abs. 1 AsylVfG) oder bei der Bekanntgabe des Tenors und der Rechtsbehelfsbelehrung des Bundesamtsbescheides (§ 31 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG), oder die sonstwie eine gesonderte Belehrung vorsehen (z.B. § 14 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Eine derartige Verpflichtung ist in § 14a AsylVfG gerade nicht vorgesehen.
(bb) Selbst wenn jedoch zu fordern gewesen wäre, dass die Belehrung zum Verzicht zumindest auch in arabischer Sprache erfolgt, so hätte sich die entsprechende Unterlassung des Bundesamts im konkreten Einzelfall der Eltern der Klägerin nicht kausal auf deren Entscheidung ausgewirkt, statt einer Durchführung des Asylverfahrens (2. Kästchen) den Verzicht (1. Kästchen) zu wählen. Der Einzelrichter ist nach Würdigung des gesamten klägerseitigen Vorbringens davon überzeugt, dass die Wahl des Verzichts im vorliegenden Fall nicht auf einem sprachlichen Verständnisproblem, sondern vielmehr kausal darauf beruhte, dass den Eltern nach „Erklärung“ - und demzufolge auch Übersetzung - des Schreibens vom 27. Oktober 2014 im Migrationszentrum geraten worden war, sie müssten die Verzichtserklärung unterschreiben, um das Asylverfahren der Klägerin ordnungsgemäß abschließen zu können. Diese Beratung war insofern falsch, als der Verzicht nicht per se vorzugswürdig war, sondern daneben auch die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin (parallel zu dem damals noch offenen Asylverfahren der Eltern) einen ordnungsgemäßen Abschluss gezeitigt hätte und damit gleichermaßen als zulässige Alternative zu einem Verzicht in Betracht gekommen war. Die Beratung durch das Migrationszentrum hat mithin den ausschlaggebenden Impuls für die Verzichtserklärung gesetzt. Diese Umstände hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in dem Telefonat mit dem Einzelrichter vom 7. August 2015 auch anfänglich eingeräumt. Soweit sie danach (erstmalig mit Schriftsatz vom 17. August 2015) plötzlich behauptet, der Vater sei ungeachtet der Beratung im Migrationszentrum unsicher geblieben und habe die Außenstelle Friedland des Bundesamts aufgesucht, wo ihn ein Mitarbeiter zur Unterschrift unter die Verzichtserklärung veranlasst habe, erscheint dies als gesteigerter Vortrag und somit als unglaubhaft. Damit soll nach Überzeugung des Einzelrichters nachträglich versucht werden, dem Bundesamt eine Verantwortlichkeit für die Abgabe der Verzichtserklärung am 13. November 2014 zuzuweisen, die so nicht besteht. Die näheren Umstände der angeblichen Vorsprache (genauer Ort, Zeit, Name des Mitarbeiters) werden schon nicht substantiiert dargestellt. Der Verwaltungsvorgang des Bundesamts (Beiakte B) enthält keinerlei Hinweis darauf, dass eine Vorsprache am 13. November 2014 überhaupt stattgefunden hat. Nach den Erfahrungen des Einzelrichters mit asylrechtlichen Parallelverfahren werden üblicherweise Aktenvermerke über (selten vorkommende) persönliche Vorsprachen gefertigt. Hier ist am 13. November 2014 nur ein Eingangsstempel auf der vom Vater unterschriebenen Verzichtserklärung angebracht worden. Nach alledem besteht kein Raum für eine Beweiserhebung von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO).
(d) Nichts spricht im Übrigen dafür, dass ein Mitarbeiter oder Dolmetscher des Bundesamts bei einer (unterstellten) Vorsprache des Vaters am 13. November 2014 diesen unzulässig und einseitig gegen dessen Willen dazu gebracht hätte, das 1. Kästchen (Verzicht) anstelle des 2. Kästchens (Durchführung) anzukreuzen. Derartiges wird klägerseits nicht einmal konkret vorgetragen. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 17. August 2015 beschränken sich vielmehr darauf, der Vater habe ohne nähere Erklärung gesagt bekommen, es gehe um das Asylverfahren seiner Tochter (was zutreffend war), und er solle „hier unterschreiben“; daraufhin habe er die Verzichtserklärung unterschrieben. Daraus lässt sich in der Zusammenschau mit der gleichzeitig gegebenen Vorinformation, im Migrationszentrum habe man dem Vater vor der Vorsprache beim Bundesamt geraten, das 1. Kästchen anzukreuzen und zu unterschreiben, nur der Schluss ziehen, der Vater sei mit dem schon nach vorheriger Beratung des Migrationszentrums angekreuzten Schreiben beim Bundesamt vorstellig geworden. Musste der dortige Mitarbeiter angesichts der Vorlage der schon angekreuzten Alternative annehmen, für die Klägerin solle der Verzicht erklärt werden, leuchtet es ein, dem Vater anzuempfehlen, diese Erklärung auch zu unterschreiben, um Wirksamkeit herzustellen. Jedenfalls wird nicht substantiiert behauptet, der Mitarbeiter des Bundesamts habe ihm quasi die 1. Alternative (Verzicht) als allein sinnvolle oder in Betracht kommende Entscheidung suggeriert.
(e) Schließlich kann entgegen der klägerischen Auffassung dem Schreiben des Bundesamts vom 28. April 2015 keine unzulässige Belehrung oder Beeinflussung zugunsten eines Verzichts und zu Lasten der Durchführung des Asylverfahrens entnommen werden.
Da schon am 13. November 2014 ein mit der Unterschrift eines Elternteils (des Vaters) versehenes Exemplar bei der Außenstelle Friedland des Bundesamts eingegangen war, musste das Bundesamt davon ausgehen, dass die Eltern für die Klägerin den Verzicht erklären wollten, jedoch - aus welchem Grund auch immer - die zweite, ebenfalls erforderliche Unterschrift lediglich vergessen worden war. In der gegebenen Situation erschien das Nachfrageschreiben vom 28. April 2015, mit dem gebeten wurde, die Unterschrift des fehlenden Elternteils nachzuholen, daher ohne Weiteres nachvollziehbar. Die Formulierung „zur weiteren Bearbeitung des Verfahrens“ sei diese fehlende Unterschrift „notwendig“, ist nicht zu beanstanden. Damit wurde nicht suggeriert, sie sei zu einer anerkennenden Entscheidung über den nach § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG als gestellt fingierten Asylantrag der Klägerin notwendig, wie dies deren Prozessbevollmächtigte aber offenbar verstehen will. Vielmehr wurde damit lediglich ausgedrückt, dass ein geordneter Abschluss des klägerischen Asylverfahrens für den Verzichtsfall durch weitere Bearbeitung (Einstellung, Prüfung und ggf. Feststellung nationalrechtlicher Abschiebungsverbote) diese zweite Unterschrift erforderte. Dagegen ist nichts zu erinnern. Es wäre Sache der Eltern gewesen, bei aufkommenden Zweifeln anlässlich der Nachfrage des Bundesamts die Existenz nur einer bisher geleisteten Unterschrift unter der angekreuzten 1. Alternative des Vordrucks (Verzicht), die aus ihrer Sphäre und damit aus der Sphäre der Klägerin stammte, zum Anlass zu nehmen, sich nochmals zu fragen, ob diese Verfahrensvariante (ggf. noch) ihrer Intention entsprach. Dies ist offenbar nicht geschehen. Durch Hinzufügung der Unterschrift der Mutter unter die Erklärung und Rückreichung des vollständig ausgefüllten Formulars unter dem 5. Mai 2015 - zumal mit einem deutschsprachigen Anschreiben - haben die Eltern den beim Bundesamt nach objektiven Maßstäben bereiteten Weg hin zu einem Verzicht beibehalten und ihre Entscheidung nach außen bekräftigt. Nichts musste angesichts dieser Gesamtumstände für das Bundesamt darauf hindeuten, die Eltern könnten den Inhalt der Erklärung nicht verstanden haben oder gar geglaubt haben, zur Erklärung des Verzichts verpflichtet oder sonstwie gehalten zu sein.
(f) Geht nach der Einschätzung des Einzelrichters die Verzichtserklärung von der Motivation her allenfalls auf eine falsche Beratung zur sinnvollen Alternativenwahl durch das Migrationszentrum zurück, liegt dies in der Risikosphäre der Eltern der Klägerin und damit auch in der der Klägerin selbst (vgl. § 166 Abs. 1 BGB). Selbst wenn man daraus eine arglistige Täuschung zugunsten der Wahl der 1. Alternative (Verzicht) durch einen Dritten (Mitarbeiter des Migrationszentrums) konstruierte, wäre dies analog § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB mangels Kenntnis und Kennenmüssens nicht dem Bundesamt und damit nicht der Beklagten zuzurechnen, d.h. würde nicht zur Anfechtung gegenüber dem Bundesamt berechtigten.
bb) Selbst wenn man einen anderen Ausgangspunkt wählte und über die oben genannten (hier nicht verwirklichten) Ausnahmetatbestände hinaus auch die allgemeine Irrtumsanfechtung (§ 119 BGB analog) zuließe, folgte daraus im vorliegenden Fall kein anderes Ergebnis.
(1) Auch daraus lässt sich kein Anfechtungsgrund gewinnen. Ein allenfalls in Frage kommender Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB) liegt nämlich nach dem klägerischen Sachvortrag nicht vor. Denn danach irrten die Eltern der Klägerin weder über den unmittelbaren Inhalt der am 12. Mai 2015 endgültig vollständig eingereichten Erklärung (kein Asylverfahren für ihre Tochter zu beanspruchen) noch über die Einstellung des Verfahrens als Folge dieser Erklärung. Vorgetragen wurde, der Vater der Klägerin habe sich im Migrationszentrum den Inhalt des Schreibens vom 27. Oktober 2014 samt Anlagen - d.h. einschließlich des Erklärungsvordrucks - „erklären“ und sich dahin beraten lassen, das 1. Kästchen anzukreuzen und zu unterschreiben. Das setzte zumindest eine Übersetzung voraus. Demnach hat der Vater - und von diesem abgeleitet später auch die Mutter - der Klägerin verstanden, welche Erklärung sie abgegeben haben, und nicht etwa über deren Inhalt geirrt. Sie haben der Verzichtserklärung auch keine andere Bedeutung beigemessen, als sie objektiv hatte. Deshalb ist auch die Frage, ab wann die Eltern der Klägerin anwaltlich vertreten waren und in diesem Rahmen (ggf. nochmals) eine Übersetzung des Schreibens vom 27. Oktober 2014 erhalten haben, ohne Belang. Dass die Eltern, wie nun vorgetragen, (eigentlich) denselben Schutz für ihr Kind wie für sich selbst erstrebten, gleichwohl aufgrund der Beratung im Migrationszentrum die 1. Alternative des Erklärungsvordrucks (Verzicht) wählten, weil sie offenbar das Verfahren nicht verstanden hatten und diese Alternative für sinnvoller hielten, stellt sich als im Rahmen des § 119 BGB unbeachtlicher Motivirrtum dar.
(2) Im Übrigen wäre, selbst wenn man dennoch einen Inhaltsirrtum bejahte, eine weitere Voraussetzung der Irrtumsanfechtung, nämlich die Einhaltung der Anfechtungsfrist aus § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB analog, nicht erfüllt. Danach muss diese Art der Anfechtung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, erklärt werden, nachdem der Anfechtende von diesem Anfechtungsgrund, d.h. von seinem Irrtum, Kenntnis erlangt. Die Länge der Frist, die auch eine gewisse Zeit zur Prüfung und Überlegung zugesteht, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; in der Regel beträgt die Obergrenze jedoch zwei Wochen (vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 121 Rn. 3). Vorliegend hatten die Eltern der Klägerin mit dem Erhalt der Begründung des am 23. Mai 2015 zugestellten Einstellungsbescheides vom 15. Mai 2015 sichere Kenntnis davon, dass das Bundesamt ihre am 12. Mai 2015 eingereichte Erklärung als Verzicht i.S.d. § 14a Abs. 3 AsylVfG aufgefasst und der entsprechenden Bearbeitung unterworfen hatte. Die erst mit Schriftsatz vom 17. August 2015 erklärte Anfechtung wahrt die Obergrenze von zwei Wochen ersichtlich nicht.
Da die Klägerin unterliegt, hat sie gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit einschließlich der Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.