Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 25.05.2021, Az.: 2 B 81/21

Befangenheit; Besorgnis der Befangenheit; Kostenfestsetzungsbeschluss; Rechtsschutzinteresse, Rechtsschutzbedürfnis; Reichsbürger; Urkundsbeamte der Geschäftsstelle; Urkundsbeamter der Geschäftsstelle; Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
25.05.2021
Aktenzeichen
2 B 81/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71026
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Entscheidung über ein gegen einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle im Zusammenhang mit einem Kostenfestsetzungsbeschluss gerichtetes Befangenheitsgesuch ist keine Entscheidung über die Kosten im Sinne von § 87a Abs. 1 Nr. 5 VwGO.
2. Es bleibt dahingestellt, ob für ein nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses angebrachtes Befangenheitsgesuch ein Rechtsschutzinteresse besteht.

Gründe

Die Antragstellerin lehnt die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, die mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. Juni 2021 die von ihr zu erstattenden Kosten auf 20,00 EUR festsetzte, wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Beschluss vom 25. Mai 2021 hatte der Berichterstatter der Antragstellerin nach Rücknahme ihres Antrags die Kosten des Verfahrens auferlegt.

II.

Nach § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 49 und 42 ZPO kann auch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Entscheidung ergeht durch das Gericht, bei dem er angestellt ist (§ 49 Hs. 2 ZPO). Die Entscheidung trifft der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Spruchkörper des Gerichts, dem der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle angehört (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.6.2007 - 1 BvR 1073/07 -, NJW 2007, 3200 = juris Rn. 4; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 49 Rn. 1). Das ist vorliegend die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts als Kollegialorgan.

Eine Zuständigkeit der Berichterstatterin nach § 87a Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 VwGO ist nicht gegeben, da Entscheidungen über die Ablehnung von Gerichtspersonen keine Kostenentscheidung in diesem Sinne darstellen. Zwar ist § 87a Abs. 1 Nr. 5 VwGO weit auszulegen und umfasst auch Erinnerungen gegen die Kostenfestsetzung (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 13.3.1995 - 4 A 1.92 -, NVwZ 1995, 991 = juris Rn. 6; Peters, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 87a Rn. 21). Die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch kann jedoch auf Grund des dafür geltenden besonderen Prüfungsmaßstabs nicht als Nebenentscheidung in diesem Sinne eingestuft werden.

Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann als unzulässig verworfen werden, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt. Davon ist auszugehen, wenn geeignete Befangenheitsgründe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 12.3.2013 - 5 B 9.13 -, juris Rn. 3 m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin hat keine objektiven und individuellen Gründe dargelegt, die geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Gerichtsperson zu rechtfertigen. Sie trägt vor, sie habe zeitgleich zu dem Befangenheitsgesuch gegen die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Strafanzeige gestellt, weil diese staatenlos sei, da die Bundesrepublik Deutschland über kein gültiges Staatsangehörigkeitsrecht verfüge. Die Auffassung der Antragstellerin zum Staatangehörigkeitsrecht, die von einem Kontext zur Reichsbürger-Bewegung zeugt, geht offenkundig fehl (vgl. nur OVG NRW, Beschl. v. 22.11.2016 - 19 A 1457/16 -, juris Rn. 8 m.w.N.). Allein durch das Anbringen einer Strafanzeige kann die Antragstellerin ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Gerichtsperson nicht selbst herbeiführen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin auch deshalb unzulässig ist, weil die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ihre Tätigkeit im Kostenfestsetzungsverfahren bereits mit dem zuvor zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. Juni 2021 beendet hatte (so SG Bremen, Beschl. v. 3.8.2009 - S 4 E 623/09 -, juris Rn. 2) oder ob ein Rechtsschutzinteresse angesichts der im Rechtsmittelverfahren vorzunehmenden Abhilfeprüfung (§§ 165 Satz 2, 151 Satz 3, 148 Abs. 1 VwGO) fortbesteht (s. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 54 Rn. 17).