Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 06.11.2007, Az.: 2 Ws 143/07
Erstreckung der Pflichtverteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren; Verwirkung des Rechts auf Erinnerungseinlegung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 06.11.2007
- Aktenzeichen
- 2 Ws 143/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 44808
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:1106.2WS143.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 140 StPO
- § 141 StPO
- § 404 Abs. 5 StPO
- Nr. 4143 VV RVG
Fundstellen
- AGS 2008, 229-233 (Volltext mit red. LS)
- NStZ 2008, 190-192 (Volltext mit amtl. LS)
- NStZ-RR 2008, VI Heft 4 (Kurzinformation)
- NStZ-RR 2008, 190-192 (Volltext mit amtl. LS)
- RVGreport 2008, 102-103 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- StRR 2008, 83 (Kurzinformation)
- StV 2008, 370-372 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Gefährliche Körperverletzung
hier: Kostenfestsetzung
Amtlicher Leitsatz
Die Bestellung eines Verteidigers zum Pflichtverteidiger umfasst nicht die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren.
In der Strafsache ...
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde des Verteidigers
gegen den Beschluss der 4. Strafkammer des Landgerichts L. vom 7. Juni 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .......,
den Richter am Oberlandesgericht ....... und
den Richter am Landgericht .......
am 6. November 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde dem Angeklagten P. am 20.04.2004 als Pflichtverteidiger beigeordnet. Im Hauptverfahren beantragte der Vertreter des Nebenklägers mit Schriftsatz vom 17.06.2005 die Durchführung eines Adhäsionsverfahrens, mit dem der Nebenkläger die Zuerkennung von Schmerzensgeld und Schadensersatz begehrte. Nach Zustellung des Adhäsionsantrages wurde seitens des Angeklagten weder ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die erhobene Klage gestellt noch beantragt, die Beiordnung auch auf das Adhäsionsverfahren zu erstrecken. Auch von Amts wegen erfolgte eine Erweiterung der bereits am 20.04.2004 erfolgten Beiordnung nicht. Mit Urteil vom 15.07.2005 entschied die 4. große Strafkammer über den im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Anspruch des Nebenklägers dem Grunde nach.
Mit Schriftsatz vom 15.07.2005 beantragte der Verteidiger die Festsetzung von Verteidigergebühren, darunter auch von Gebühren für seine Teilnahme am Adhäsionsverfahren. Die geltend gemachten Gebühren wurden am 18.10.2005 von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle antragsgemäß festgesetzt. Auf die gegen diese Festsetzung gerichtete Erinnerung des Bezirksrevisors bei dem Landgericht L. vom 17.01.2006, mit der dieser die Reduzierung der Gebühr für das Adhäsionsverfahren, nicht aber die Absetzung der Gebühren für die Teilnahme am Adhäsionsverfahren insgesamt begehrte, setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Abhilfeentscheidung vom 24.01.2006 die beanstandeten Gebühren ab. Am 02.02.2006 legte der Bezirksrevisor bei dem Landgericht L. gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 24.01.2006 Erinnerung ein und begehrte die Absetzung der Gebühren für die Tätigkeit des Verteidigers im Adhäsionsverfahren insgesamt. Dieser Erinnerung half der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Entscheidung vom 13.03.2006 ab und brachte die beanstandeten Gebühren insgesamt in Abzug. Gegen diese, ihm formlos übersandte Entscheidung legte der Verteidiger mit einem am 16.03.2006 eingegangenen Schreiben "Beschwerde" ein, mit der er die Festsetzung der Gebühren für das Adhäsionsverfahren im vollen Umfange begehrte. Durch Beschluss vom 07.06.2006 übertrug die Einzelrichterin das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache auf die Kammer. Durch Beschluss der Strafkammer vom selben Tage wurde die als Erinnerung gegen die Abhilfeentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auszulegende Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 11.06.2007 zugestellten Beschluss legte der Verteidiger Beschwerde ein, die am 18.06.2007 einging.
Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, die Erinnerung des Bezirksrevisors gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 24.01.2006 sei unzulässig gewesen, weil sie nicht innerhalb der hierfür bestimmten Frist eingelegt worden sei. Jedenfalls aber sei das Rechtsmittel verwirkt, nachdem der Bezirksrevisor mit seiner Erinnerung gegen die ursprüngliche Festsetzungsentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht die Absetzung der gesamten Gebühren für das Adhäsionsverfahren verlangt habe. Der Beschwerdeführer ist weiter der Auffassung, die Erinnerung sei unbegründet, weil die Beiordnung als Pflichtverteidiger auch die Tätigkeit des Verteidigers im Rahmen des Adhäsionsverfahrens umfasse, sodass ein entsprechender Gebührenanspruch gegen die Landeskasse entstanden sei.
Die Strafkammer hat der Beschwerde des Verteidigers mit Beschluss vom 19.06.2007 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die Beschwerde ist zulässig.
a)
Das Rechtsmittel ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt worden (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) und der Beschwerdewert (§ 33 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz RVG) ist erreicht. Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers ist unbeschadet des Umstandes, dass dieser bereits am 20.04.2004 und damit vor dem Stichtag aus § 61 RVG (01.07.2004) dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist, nach den Verfahrensregeln des RVG zu behandeln, weil die von dem Beschwerdeführer behauptete Beiordnung auch für das Adhäsionsverfahren erst nach Anhängigmachung des entsprechenden Anspruches durch Schriftsatz des Vertreters des Nebenklägers vom 17.06.2005 und damit nach Inkrafttreten des RVG erfolgen konnte.
b)
Nachdem die Einzelrichterin des Landgerichts das Verfahren gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf die Kammer übertragen hatte und diese entschieden hat, ist zur Entscheidung über das Rechtsmittel des Beschwerdeführers der Senat in voller Besetzung berufen.
2.
Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
a)
Die Erinnerung des Bezirksrevisors bei dem Landgericht L. gegen die Festsetzungsentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 24.01.2006 war zulässig. Das Rechtsmittel der Erinnerung aus § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG ist nicht befristet. Durch Art. 14 Abs. 6 Nr. 4 a des Justizkommunikationsgesetzes (BGBl. I 2005, 837) wurde § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG mit Wirkung zum 01.04.2005 - und damit vor diesem Festsetzungsverfahren - neu gefasst. Für das Erinnerungsverfahren ist infolge der Gesetzesänderung durch § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG nur noch § 33 Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 und 8 RVG in Bezug genommen, demgegenüber aber für das Verfahren für die Beschwerde gegen die Entscheidung auf die Erinnerung auch § 33 Abs. 3 RVG, welcher in Satz 3 die Zweiwochenfrist für die Einlegung der Beschwerde enthält. Aufgrund dieser Entscheidung des Gesetzgebers ist § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG im Erinnerungsverfahren nicht anwendbar, sodass die Erinnerung nicht fristgebunden ist (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 56 RVG Rdnr. 6; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG, 2. Aufl., S. 708 unter Ziff. 12.3; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 56 Rdnr. 12). Soweit unter Hinweis auf § 573 Abs. 1 ZPO von einer Fristbindung der Erinnerung ausgegangen wird (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller- Rabe, RVG, 17. Aufl., § 56 Rdnr. 5), verkennt diese Auffassung die zwischen dem Erinnerungsverfahren einerseits und dem Beschwerdeverfahren andererseits differenzierende gesetzgeberische Entscheidung; zudem handelt es sich bei der Erinnerung nach § 56 Abs. 1 RVG um eine Entscheidung, die den Verfahrensregeln des RVG und nicht um eine solche, die der Verfahrensordnung der ZPO unterliegt (vgl. Thüringer OLG, Rechtspfleger 2006, 434 ff.).
b)
Die Erinnerung des Bezirksrevisors ist auch nicht verwirkt. Es ist bereits umstritten, ob das Recht, Erinnerung einzulegen, überhaupt der Verwirkung unterliegt und nach Ablauf welcher Frist eine Verwirkung frühestens in Betracht kommen kann (vgl. hierzu Hartung/Römermann/Schons a.a.O. Rdnr. 12 m.w.N.). Dieser Streit kann hier jedoch dahinstehen, denn für die Annahme des Eintritts einer Verwirkung der Erinnerung ist der Zeitablauf seit der Festsetzung vom 18.10.2005 in Ansehung des Umstandes, dass von einer Kenntniserlangung des Bezirksrevisors von der erfolgten Festsetzung erst am 17.01.2006 ausgegangen werden kann, bis zur Abhilfeentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle am 24.01.2006 und der zweiten Erinnerung des Bezirksrevisors vom 02.02.2006 jedenfalls zu gering.
Der Bezirksrevisor als Vertreter der Landeskasse war durch die auf seine erste Erinnerung hin ergangene Entscheidung vom 24.01.2006 auch beschwert, denn die Beschwer der Landeskasse ist so lange vorhanden, wie die Festsetzung von derjenigen abweicht, die nach der Rechtsauffassung des Bezirksrevisors objektiv richtig wäre.
c)
Der Beschwerdeführer hat gegen die Landeskasse keinen Gebührenanspruch für seine Tätigkeit im Adhäsionsverfahren.
aa)
Zwar ist durch die Tätigkeit des Beschwerdeführers im Adhäsionsverfahren zur Abwehr der vermögensrechtlichen Ansprüche des Nebenklägers im Strafverfahren die Gebühr aus Nr. 4143 VV RVG angefallen. Aus der Tatsache, dass die Gebühr durch die Tätigkeit des Rechtsanwaltes entstanden ist, ergibt sich jedoch noch nicht, wer Schuldner des Gebührenanspruches ist.
bb)
Der Vergütungsanspruch des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwaltes gegen die Landeskasse ist nach Grund und Höhe von dem Umfang seiner Beiordnung als Pflichtverteidiger oder von dem Rahmen seiner Bestellung im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig (vgl. Hartmann, § 48 RVG Rdnr. 5). Prozesskostenhilfe gemäß § 404 Abs. 5 StPO, § 114 ff. ZPO ist dem Angeklagten bereits mangels entsprechender Antragstellung nicht bewilligt worden, sodass insoweit ein Gebührenanspruch des Verteidigers gegen die Landeskasse ausscheidet.
Es kommt hiernach allein ein Erstattungsanspruch aufgrund einer Beiordnung nach §§ 140, 141 StPO in Betracht.
Die Frage, ob die Beiordnung als Pflichtverteidiger auch die Befugnis zur Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren umfasst, ohne dass es insoweit einer zusätzlichen Bestellung bedarf, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen (vgl. BGH StraFo 2001, 306 ff.).
aaa)
Ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur vertritt die Auffassung, dass die Beiordnung des Pflichtverteidigers für das gesamte Strafverfahren und damit auch für das Adhäsionsverfahren gilt (vgl. KK-Laufhütte, StPO, 5. Aufl., § 140 Rdnr. 4; Wohlers in SK-StPO, § 141 Rdnr. 20; Julius in Heidelberger Kommentar zur StPO, § 141 Rdnr. 11; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 140 Rdnr. 5; OLG Hamburg NStZ-RR 2006, 347 [OLG Hamburg 29.07.2005 - 1 Ws 92/05]; OLG Köln StraFo 2005, 394 f. [OLG Köln 29.06.2005 - 2 Ws 254/05][OLG Köln 29.06.2005 - 2 Ws 254/05]; OLG Hamm StraFo 2001, 361 f.; OLG Schleswig, NStZ 1998, 101 f. [OLG Stuttgart 22.08.1997 - 4 Ws 153/97] [OLG Schleswig 30.07.1997 - 1 StR 114/97]; LG Görlitz AGS 2006, 502 f. [LG Görlitz 28.07.2006 - 2 Qs 79/06]; LG Berlin StraFo 2004, 400 [LG Berlin 29.07.2004 - 528 Qs 50/04]). Das Adhäsionsverfahren sei Teil des Strafverfahrens, in dem sich der Angeklagte insgesamt zu verteidigen habe (vgl. OLG Hamm a.a.O.; LG Görlitz a.a.O.), sodass eine Trennung der Tätigkeit des Verteidigers hinsichtlich der Verteidigung gegen den Strafvorwurf und hinsichtlich der Verteidigung gegen den Adhäsionsanspruch praktisch kaum möglich sei (OLG Köln a.a.O.). Sofern der Gesetzgeber für das Adhäsionsverfahren eine zusätzliche Beiordnung für erforderlich erachtet hätte, hätte er dies ausdrücklich bestimmt (vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG Schleswig a.a.O.). Zudem entspreche die Erstreckung der Beiordnung auch auf das Adhäsionsverfahren dem Willen des Gesetzgebers, wie er bei der Einführung des RVG in der Gesetzesbegründung zum Entwurf des RVG Ausdruck gefunden habe. Aus der in der Entwurfsbegründung zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drucks. 15/1971 Seite 228) enthaltenen Formulierung "Der Pflichtverteidiger soll die Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG ebenfalls erhalten. Dies entspricht dem geltenden Recht." ergebe sich, dass die Beiordnung auch die Vertretung im Adhäsionsverfahren umfasse. Hiergegen spreche auch nicht, dass dies für den Nebenklagevertreter, bei dem stets eine gesonderte Beiordnung nach § 404 Abs. 5 StPO für die Vertretung im Adhäsionsverfahren erfolgen muss (vgl. BGH a.a.O.), abweichend geregelt ist. Dies sei jedoch dadurch gerechtfertigt, dass es der Angeklagte - anders als der Nebenkläger - nicht in der Hand habe, ob ein Adhäsionsantrag gestellt werde. Die Stellung des Angeklagten dürfe nicht dadurch geschwächt werden, dass für seine Verteidigung im Adhäsionsverfahren weiterreichende Anforderungen an die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gestellt werden (vgl. OLG Hamm a.a.O.).
bbb)
Nach der gegenteiligen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung umfasst die Pflichtverteidigerbestellung nicht ohne Weiteres auch die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren (vgl. OLG Zweibrücken, JurBüro 2006, 643 f.; OLG München, StV 2004, 38[OLG München 29.11.2001 - 2 Ws 1340/01 K]; OLG Saarbrücken, StV 2000, 433 f.; OLG Celle, 1. Strafsenat, Beschluss vom 06.10.2005 - 1 Ws 357/05 -; LG Bückeburg, NStZ-RR 2002, 31 f. [LG Bückeburg 04.01.2001 - Qs 142/00][LG Bückeburg 04.01.2001 - Qs 142/00]; LG Bonn, Beschluss vom 07.04.2005 - 37 Qs 9/05 - zitiert nach www.burhoff-online.de; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, S. 699). Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach §§ 140, 141 StPO erstrecke sich nicht automatisch auch auf die Befugnis zur Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren, zumal der Gesetzgeber gerade in § 404 Abs. 5 StPO ausdrücklich normiert habe, unter welchen Voraussetzungen die Beiordnung eines Pflichtverteidigers auch für das Adhäsionsverfahren erfolgen kann, nämlich nach zusätzlicher Prüfung der Erfolgsaussichten und dem Nachweis der Bedürftigkeit und fehlender Mutwilligkeit i. S. von § 114 ff. ZPO (vgl. OLG München a.a.O.; LG Bückeburg a.a.O.). Bei einer Erstreckung der Beiordnung nach §§ 140, 141 StPO auch auf das Adhäsionsverfahren würde die Regelung des § 404 Abs. 5 StPO immer dann leerlaufen, wenn dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist (vgl. LG Bonn a.a.O.). Für die Vorschrift des § 404 Abs. 5 StPO bliebe in Ansehung des § 140 Abs. 2 Satz 1 a.E. StPO, wonach dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger insbesondere dann beizuordnen ist, wenn dem Verletzten ein Anwalt beigeordnet worden ist oder er sich auf seine eigenen Kosten eines solchen bedient (vgl. Meyer-Goßner, § 140 Rdnr. 31), nur noch Raum in Strafverfahren, in denen weder dem Verletzten noch dem Angeklagten ein Anwalt beigeordnet worden ist. Mit einem solch eingeschränkten Anwendungsbereich sei die Formulierung des § 404 Abs. 5 Satz 2 StPO, wonach dem Angeschuldigten, der bereits einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll, nicht in Einklang zu bringen (vgl. LG Bonn a.a.O.). Auch die Formulierung der Entwurfsbegründung zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz lasse letztlich offen, welche gerichtliche Entscheidung - die Beiordnung nach §§ 140, 141 StPO oder die Entscheidung nach § 404 Abs. 5 StPO - den Gebührenanspruch gegenüber der Landeskasse begründet (vgl. OLG Zweibrücken a.a.O.). Zudem zähle das Adhäsionsverfahren nicht zu den Prozessabschnitten, die den staatlichen Strafanspruch realisieren, sondern sei ein Annex, der das zivilrechtliche Anspruchsinteresse in das Strafverfahren allein aus rechtsökonomischen Gründen integriere, was dagegen spreche, das Adhäsionsverfahren für die Frage der Reichweite der Beiordnung des Pflichtverteidigers den übrigen Verfahrensteilen gleichzustellen (vgl. OLG Zweibrücken a.a.O.).
ccc)
Diese letztere Auffassung trifft zu. Die Beiordnung als Pflichtverteidiger gemäß §§ 140, 141 StPO umfasst die Befugnis des Verteidigers zur Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren nicht.
Nach Nr. 4143 VV RVG - systematisch angesiedelt im Unterabschnitt "Zusätzliche Gebühren" - fällt die Gebühr immer dann an, wenn der Rechtsanwalt zur Geltendmachung oder Abwehr vermögensrechtlicher Ansprüche des Verletzten im Strafverfahren tätig wird. Diese Gebühren entstehen unabhängig davon, ob der Rechtsanwalt als Wahl- oder Pflichtverteidiger tätig wird (vgl. Gerold/Schmidt/ von Eicken/Madert/Müller-Rabe Nr. 4143 VV RVG Rdnr. 3). Nr. 4143 VV RVG regelt hiernach nur, durch welche Tätigkeit die Gebühr ausgelöst wird, nicht jedoch, wer sie dem Rechtsanwalt schuldet. Schuldner der Rechtsanwaltsvergütung ist zunächst einmal der Auftraggeber (§ 10 RVG). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Formulierung des Gesetzgebers in der Entwurfsbegründung zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zu Nr. 4143 VV RVG. Die Formulierung "Der Pflichtverteidiger soll die Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG-E ebenfalls erhalten. Das entspricht dem geltenden Recht." gibt für die Annahme, die Beiordnung nach §§ 140, 141 StPO erstrecke sich automatisch auch auf das Adhäsionsverfahren, keine Stütze. Zunächst ist festzustellen, dass auch unter Geltung der BRAGO die Frage, ob der beigeordnete Rechtsanwalt infolge der Beiordnung auch für seine Tätigkeit im Adhäsionsverfahren aus der Landeskasse zu vergüten ist, nicht nur umstritten war, sondern sogar überwiegend die Auffassung vertreten wurde, für den Pflichtverteidiger gelte § 89 BRAGO hinsichtlich seines Anspruchs gegen die Landeskasse nicht (vgl. Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 89 Rdnr. 1; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 89 Rdnr. 16; OLG München StV 2004, 38[OLG München 29.11.2001 - 2 Ws 1340/01 K]; OLG Saarbrücken JurBüro 1999, 592 f.). Der Gesetzgeber fand also im Zeitpunkt der Verabschiedung des RVG keine gefestigte Rechtsprechung und Literaturmeinung vor, die er mit der Regelung der Nr. 4143 VV RVG hätte festschreiben können. Zudem lässt der Gesetzgeber von der gewählten Formulierung her offen, wer Schuldner der entstandenen Gebühr aus Nr. 4143 VV RVG sein soll. Die systematische Stellung der Vergütungsvorschrift der Nr. 4143 VV RVG im Gefüge des RVG (Unterabschnitt "Zusätzliche Gebühren") und die in der Entwurfsbegründung gebrauchte Formulierung lassen vielmehr die Auslegung zu, der Gesetzgeber habe damit lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass eine Tätigkeit des Pflichtverteidigers im Adhäsionsverfahren jedenfalls nicht durch die (allgemeine) Pflichtverteidigervergütung für seine Tätigkeit im Strafverfahren abgegolten sein soll.
Auch der Umstand, dass dem Angeklagten für das Strafverfahren als solches ein Verteidiger beigeordnet worden ist, indiziert nicht das Erfordernis, dass der Angeklagte sich auch gegen den zivilrechtlichen Anspruch des Verletzten mit Hilfe eines Rechtsanwaltes zur Wehr setzen muss, der von der Landeskasse zu vergüten ist. Es sind nämlich durchaus Konstellationen denkbar, in denen zwar ein Fall notwendiger Verteidigung nach § 140 Abs. 1 StPO vorliegt, es dem (geständigen) Täter im Strafverfahren jedoch nur um eine möglichst milde Strafe geht. In einem solchen Fall wäre die Verteidigung gegen den vermögensrechtlichen Anspruch des Nebenklägers jedenfalls hinsichtlich der Entscheidung zum Grunde von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg i. S. des § 114 ff. ZPO.
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, der Angeklagte könne es sich - anders als der Nebenkläger - nicht aussuchen, ob er Partei im Adhäsionsverfahren wird. Dies ist zwar im Ansatzpunkt zutreffend, jedoch hat auch der Beklagte im Zivilprozess, welcher sich einer Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderung ausgesetzt sieht, keinen Einfluss darauf, ob er mit einer Klage überzogen wird. Gleichwohl sind auch hier die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwaltes und der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Kläger und Beklagten gleich.
Auch das Argument, die Verteidigungstätigkeit des Rechtsanwaltes zur Abwehr des staatlichen Strafanspruches und zur Abwehr des zivilrechtlichen Anspruches des Verletzten seien größtenteils deckungsgleich, weshalb eine Differenzierung hier kaum möglich sei, greift demgegenüber nicht durch. Der Umstand, dass sich die von dem Verteidiger in der Hauptverhandlung entfalteten Tätigkeiten gegen beide Ansprüche richten können, gebietet noch nicht diese - teilidentischen - Tätigkeiten im Rahmen des Adhäsionsverfahrens von der Landeskasse vergüten zu lassen, wenn die Voraussetzungen des § 404 Abs. 5 StPO nicht vorliegen.
Schließlich vermag der Senat in der hier vertretenen Auffassung auch keine signifikante Schwächung der Position des Angeklagten im Strafverfahren gegenüber dem Nebenkläger zu erkennen.
III.
Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gebührenfrei.
Kosten werden gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG nicht erstattet.
Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG).