Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.07.2022, Az.: 4 EK 1/21
Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer; Verfahrensaussetzung als Ermessensentscheidung; Herstellung des Rechtsfriedens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 05.07.2022
- Aktenzeichen
- 4 EK 1/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 25051
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2022:0705.4EK1.21.00
Rechtsgrundlagen
- § 198 GVG
- § 201 GVG
- § 148 ZPO
- (analog) § 148 Abs. 1 ZPO
- §§ 198 ff. GVG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Erhebliche über die bloße Prozesswirtschaftlichkeit hinausreichende Wertungsgesichtspunkte können im Einzelfall in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO die Aussetzung eines beim Oberlandesgericht anhängigen erstinstanzlichen Entschädigungsverfahrens i.S.d. § 198 GVG rechtfertigen.
- 2.
Eine im pflichtgemäßen Ermessen zu treffende Aussetzungsentscheidung kann geboten sein, wenn das Gericht andernfalls dazu angehalten wäre, "sehenden Auges" das Verfahren eines Klägers zu einem identischen Verfahrenskomplex mit identischen Rechtsfragen zeitlich vor einer erwartungsgemäß absehbaren höchstrichterlichen Klärung jener Rechtsfragen, die sich entscheidungserheblich gleichermaßen im auszusetzenden Verfahren wie auch in dem in Bezug genommenen Revisionsverfahren des identischen Klägers stellen, kurzsichtig in der Vorinstanz zu zementieren. Auf diese Weise beraubte sich das Gericht selbst der Möglichkeit - im redlichen Bemühen um die ihm anvertraute Herstellung des Rechtsfriedens und im Respekt vor einer höchstrichterlichen Klärung - die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten. Die Aussetzungsentscheidung dient deshalb auch aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes letztlich dem wohlverstandenen eigenen Interesse der Parteien.
Tenor:
Das Verfahren wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Rechtsstreite in den Entschädigungsverfahren zu den Aktenzeichen 4 EK 23/20 und 4 EK 1/20 ausgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Mit der vorliegenden Entschädigungsklage macht der Kläger Entschädigungsansprüche nach §§ 198 ff. GVG betreffend zehn beendete Rechtsstreite geltend, die beim Landgericht Göttingen anhängig waren.
Mit Beschluss vom 14. Dezember 2020 hat der Senat zu dem Aktenzeichen 4 EK 18/20 das Verfahren betreffend die im Wege der Klagehäufung (§ 260 ZPO) geltend gemachten Ansprüche hinsichtlich zehn Ausgangsverfahren des Landgerichts Göttingen zu den Aktenzeichen 2 O 780/10, 2 O 430/10, 2 O 482/10, 2 O 556/10, 2 O 650/10, 2 O 686/10, 2 O 764/10, 2 O 586/10, 14 (2) O 787/10 und 14 (2) O 873/10 abgetrennt. Dieser abgetrennte Verfahrensteil ist Gegenstand der vorliegenden Entschädigungsklage. Nach Auswertung der vom Senat entsprechend beigezogenen Akten sind diese Ausgangsverfahren sämtlich - übereinstimmend zum Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2020 zum Aktenzeichen 4 EK 18/20 (vgl. dort unter IV.) - beendet.
Einschließlich des gegenständlichen Entschädigungsverfahrens waren zum Jahresbeginn 2021 insgesamt 18 Entschädigungsklagen im Senat anhängig, in denen der Kläger jeweils Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer nach § 198 GVG verlangt. In sämtlichen - den jeweiligen Entschädigungsklagen zugrundeliegenden - Ausgangsverfahren beim Landgericht Göttingen wurde bzw. wird der Kläger - teilweise (gesamtschuldnerisch) neben anderen Verantwortlichen - in seiner Eigenschaft als Verantwortlicher ("Konzeptant") von Beteiligungsmodellen der G. Gruppe in Anspruch genommen.
Beim Landgericht Göttingen sind hierzu seit 2006 bis 2008 bzw. seit 2010/2011 insgesamt mehr als 4.000 Kapitalanlage-Verfahren im Zusammenhang mit dem Unternehmensverbund "G. Gruppe" anhängig gemacht worden, die anfangs zunächst allein von der 2. Zivilkammer bearbeitet wurden. Ab dem Jahr 2011 übertrug das Präsidium des Landgerichts Göttingen die Hälfte der anhängigen Verfahren aus diesem Komplex auf die 14. Zivilkammer. Beide Kammern bestimmten aus zwei "Serien" - der sogenannten "Hauptserie" mit insgesamt über 4.000 Verfahren einerseits und der sogenannten kleinen "L.-Serie" mit insgesamt ca. 280 Verfahren andererseits - jeweils ein Muster- bzw. Pilot-Verfahren, die vorrangig - unter Durchführung von Beweisaufnahmen - gefördert werden sollten. Die hiervon abhängigen weiteren Verfahren wurden ausschließlich zum Zwecke der gemeinsamen Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu den jeweiligen Kammer-Pilotverfahren der 2. und 14. Zivilkammer kammerintern miteinander verbunden. Die 2. und die 14. Zivilkammer gingen hierbei abgestimmt einheitlich in der Weise vor, dass für die jeweiligen Pilotverfahren der Hauptserie einerseits und der Langenbahn-Serie andererseits nur ein - für alle Verfahren der jeweiligen Kammer einheitliches - schriftliches Gutachten desselben Sachverständigen eingeholt wurde. Die 14. Zivilkammer bestimmte als Pilotverfahren der Hauptserie das Verfahren zum Aktenzeichen 14 (2) O 2179/07 und als Pilotverfahren der L.-Serie das Verfahren zum Aktenzeichen 14 (2) O 1135/11. Die 2. Zivilkammer bestimmte als Pilotverfahren der Hauptserie das Verfahren zum Aktenzeichen 2 O 1802/07 und als Pilotverfahren der L.-Serie das Ausgangsverfahren zum Aktenzeichen 2 O 1136/11.
In sämtlichen zum Jahresbeginn 2021 im Senat anhängigen 18 Entschädigungsverfahren macht der Kläger jeweils Entschädigungsansprüche - teilweise im Wege der objektiven Klagehäufung für mehrere Ausgangsverfahren in zweistelliger Höhe - sowohl hinsichtlich der Pilotverfahren als auch hinsichtlich der von den jeweiligen Pilotverfahren abhängigen Parallelverfahren geltend. In einer Vielzahl dieser Entschädigungsklagen hat der Kläger zwischenzeitlich sukzessive die Entschädigungsforderungen mit Blick auf die nicht beendeten Ausgangsverfahren beim Landgericht Göttingen erweitert. Zudem hat er in nahezu allen beim Oberlandesgericht anhängigen Entschädigungsverfahren selbst Verzögerungsrügen erhoben.
Seit Übernahme der Verfahren ab Jahresbeginn 2021 ist der Senat wie folgt vorgegangen:
Nach umfassender Sichtung und Auswertung aller vorgenannten anhängigen Entschädigungsklagen des Klägers hat der Senat vorrangig das Verfahren 4 EK 23/20 gefördert und Termin zu Güteverhandlung für den 11. Juni 2021 bestimmt. Im Rahmen dieser Güterhandlung hat der Senat den Parteien nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der die Abgeltung sämtlicher Entschädigungsansprüche des Klägers für alle beim Landgericht Göttingen anhängig gewesenen bzw. weiterhin anhängigen Ausgangsverfahren bis zum Stichtag der Güteverhandlung beinhaltete. Der Vergleichsvorschlag wurde von den Parteien schließlich nicht angenommen, woraufhin der Senat nach mündlicher Verhandlung vom 24.September 2021 sein Urteil am 5. November 2021 verkündet hat.
Mit Verfügung vom 22. Dezember 2021 bestimmte der Senat sodann in dem Verfahren 4 EK 1/20 Termin zur Güteverhandlung und anschließenden mündlichen Verhandlung. Das Urteil in diesem Verfahren wurde am 12. April 2022 verkündet.
Dem Entschädigungsverfahren 4 EK 23/20 lag ein erledigtes Pilot-Ausgangsverfahren (2 O 1136/11) der vorgenannten Langenbahn-Serie zugrunde. Das Entschädigungsverfahren 4 EK 1/20 hatte demgegenüber insgesamt neun erledigte Ausgangsverfahren zum Gegenstand, die jeweils von den vom Landgericht Göttingen bestimmten vorgenannten Pilotverfahren der Hauptserie (14 (2) O 2179/07 bzw. 2 O 1802/07)) abhingen.
Beide Entscheidungen des Senats beinhalten grundlegend richtungsweisende Würdigungen und Rechtsansichten des Senats. In beiden Urteilen wurde jeweils wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen.
Zum Entschädigungsverfahren 4 EK 23/20 hat der Senat dies damit begründet, dass bislang keine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage vorliege, ob im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG bei der Beurteilung der Bearbeitungsdauer eines designierten Muster- bzw. Pilotverfahrens, das auf die Herausforderungen bei der Bewältigung von "Massenverfahren" antwortet, besondere Grundsätze zu beachten seien. Selbiges gelte hinsichtlich der Frage, ob, und wenn ja wie, sich auf der Grundlage von § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG die Anzahl abhängiger Verfahren bei der Bemessung der Entschädigungshöhe in dem das verzögerte Pilotverfahren betreffenden Entschädigungsprozess konkret auswirke.
Zum Entschädigungsverfahren 4 EK 1/20 hat der Senat die Revisionszulassung damit begründet, dass bislang keine höchstrichterliche Grundsatzentscheidung zu der Frage vorliege, ob im Entschädigungsverfahren betreffend ein vom Pilotverfahren abhängiges Ausgangsverfahren, das während des Pilotverfahrens faktisch ruhe, eine Entschädigung des personenidentischen Entschädigungsklägers, welcher zugleich Partei im Pilotverfahren ist, ausscheiden könne, wenn - wie vom Senat angenommen - allenfalls Verzögerungen im Pilotverfahren mit ausschließlich passiven Auswirkungen auf das vom Pilotverfahren abhängige Ausgangsverfahren in Betracht kämen.
Gegen beide Urteile des Senats wurde Revision eingelegt.
II.
Die der Entschädigungsklage zugrundeliegenden Ausgangsverfahren, von deren Dauer ein Anspruch des Klägers nach §§ 198 ff. GVG abhängt, sind beendet, weshalb eine Aussetzung des Verfahrens gem. § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG ausscheidet.
Der Senat hat das Verfahren dennoch in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens über § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG in analoger Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO ausgesetzt.
Zwar rechtfertigt allein die Tatsache, dass in einem anderen Verfahren über einen gleich oder ähnlich gelagerten Fall nach Art eines Musterverfahrens entschieden werden soll, für sich genommen grundsätzlich keine Aussetzung nach § 148 Abs. 1 ZPO.
Die Norm stellt nach ihrem Regelungsgehalt auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines konkreten Rechtsverhältnisses ab. So vermag grundsätzlich selbst der Umstand, dass beim Bundesgerichtshof ein Revisionsverfahren anhängig ist, in dem über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, von deren Beantwortung auch die Entscheidung eines anderen Rechtsstreits abhängt, eine Aussetzung dieses Rechtsstreits nicht zu rechtfertigen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04 -, BGHZ 162, 373-378, Rn. 13, juris; Fritsche, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 148 Rn. 9).
So hat der Bundesgerichtshof hierzu bereits im Jahr 2005 ausgeführt: "Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit oder dem Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 148 Rdn. 4; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 148 Rdn. 5; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 148 Rdn. 3; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 148 Rdn. 5; vgl. auch BGH, Urt. v. 10.7.2003 - VII ZB 32/02, NJW 2003, 3057)" (BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04 -, BGHZ 162, 373-378, Rn. 8, juris).
Im Weiteren führt der Bundesgerichtshof in besagter Entscheidung aus, dass diese Voraussetzungen in dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Streitfall nicht erfüllt seien, da den "beim Senat anhängigen anderen Verfahren, an denen die Beklagten nicht beteiligt" (Hervorhebung durch den Senat) waren, im Hinblick auf das Streitverfahren allenfalls die Bedeutung eines Musterprozesses zukomme. § 148 ZPO stelle nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren ab, sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. Allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genüge dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht und wäre im Übrigen auch ein konturenloses Kriterium, welches das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Prozessparteien auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigte (BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04 -, BGHZ 162, 373-378, Rn. 9, juris).
Die Aussetzung der Verhandlung sei auch nicht durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 148 ZPO, wie sie das Berufungsgericht im Ausgangsfall für möglich gehalten habe, gerechtfertigt. Dass in einem anderen Verfahren über einen gleich oder ähnlich gelagerten Fall nach Art eines Musterprozesses entschieden werden solle, rechtfertige für sich genommen noch keine Analogie zu der in § 148 ZPO geregelten Fallkonstellation. Denn die Vorschrift diene zwar auch der Prozessökonomie, indem sie die Gerichte vor der doppelten Befassung mit zumindest teilweise identischem Streitstoff bewahre. Darin erschöpfe sich der Zweck der Norm jedoch nicht. § 148 ZPO enthalte keine allgemeine Ermächtigung, die Verhandlung eines Rechtsstreits zur Abwendung einer vermeidbaren Mehrbelastung des Gerichts auszusetzen. Vielmehr sei die Aussetzung grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen könne (BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04 -, BGHZ 162, 373-378, Rn. 11, juris).
Abweichend zu dem der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fall ist vorliegend bereits besonders in den Blick zu nehmen, dass der Kläger des hier ausgesetzten Verfahrens personenidentisch ist mit den Klägern in jenen vom Senat bereits entschiedenen beiden Verfahren, die nunmehr dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die eingelegten Revisionen vorliegen.
Für eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die eingelegten Revisionen sprechen denn auch erhebliche, über die bloße Prozesswirtschaftlichkeit hinausreichende Wertungsgesichtspunkte.
Gleichlautend hat der Bundesgerichtshof in vorgenannter Entscheidung insoweit ebenso ausdrücklich ausgeführt: "Ob darüber hinaus Fälle denkbar sind, in denen der rechtlich erhebliche Einfluß des Verfahrens, bis zu dessen Entscheidung ausgesetzt wird, durch einen anderen, über bloße Prozeßwirtschaftlichkeit hinausreichenden Wertungsgesichtspunkt ersetzt werden kann, muß im Streitfall nicht abschließend entschieden werden. Es kann auch dahinstehen, ob bei "Massenverfahren" die Unmöglichkeit einer angemessenen Bewältigung der Gesamtheit der Verfahren das Gewicht verfahrenswirtschaftlicher Erwägungen gegebenenfalls so zu erhöhen vermag, daß hierin ein nicht nur quantitativ, sondern qualitativ anderer Wertungsgesichtspunkt als die "normale" Prozeßökonomie hervortritt (s. dazu Stürner, JZ 1978, 499, 501; Musielak/Stadler aaO, § 148 Rdn. 5; Peters aaO, § 148 Rdn. 9; LG Freiburg, NJW 2003, 3424; ablehnend Kähler, NJW 2004, 1132, 1136; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 148 Rdn. 16)" (BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04 -, BGHZ 162, 373-378, Rn. 13, juris).
Ausgehend hiervon sprechen im vorliegenden Fall ob der besonderen Umstände im Kontext der vom Kläger im Einzelnen anhängig gemachten übrigen Entschädigungsklagen, insbesondere ob der parallelen Vorgehensweise des Ausgangsgerichts in allen den Entschädigungsklagen zugrundeliegenden Ausgangsverfahren, für eben jene qualitativen Wertungsgesichtspunkte, die eine entsprechende Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO rechtfertigen:
Neben dem bereits erwähnten Aspekt der Personenidentität des Entschädigungsklägers im gegenständlichen Verfahren mit jenen in jeweils beiden Verfahren, derentwegen das Verfahren ausgesetzt wird, tritt in verstärkender Weise hinzu, dass auch die diesem Verfahren zugrundeliegenden zehn beendeten Ausgangsverfahren den Gesamtkomplex der "G. Gruppe" betreffen. Auch die betreffenden Ausgangsverfahren der vorliegenden Entschädigungsklage zählen zu den insgesamt mehr als 4.000 anhängig gemachten Klagen beim Landgericht Göttingen. Sie wurden ebenso von den Kammern des Landgerichts zeitlich und inhaltlich parallel nach demselben Muster - wie beschrieben - geführt. Betreffend die hier gegenständlichen Ausgangsverfahren zu den Aktenzeichen 2 O 430/10, 2 O 482/10, 2 O 556/10, 2 O 586/10, 2 O 650/10, 2 O 686/10, 2 O 764/10 und 2 O 780/10 bestimmten die 2. Zivilkammer des Landgerichts das noch laufende Verfahren 2 O 1802/07 und betreffend die Ausgangsverfahren zu den Aktenzeichen 14 (2) O 787/10 und 14 (2) O 873/10 die 14. Zivilkammer das noch laufende Verfahren zu dem Aktenzeichen 14 (2) O 2179/07 jeweils zu Pilotverfahren der Hauptserie.
Der Senat hatte aus der Gesamtanzahl der insgesamt beim Oberlandesgericht anhängigen 18 Entschädigungsklagen des personenidentischen Klägers konkret vorgenannte zwei Entschädigungsklagen zur prioritären Bearbeitung ausgewählt, verhandelt und entschieden, nämlich erstens: eine Entschädigungsklage, die ein beendetes Ausgangs-Pilotverfahren zum Gegenstand hatte (4 EK 23/20) und zweitens: eine solche, welche insgesamt neun vom Pilotverfahren der Hauptserie abhängige Ausgangsverfahren (4 EK 1/20) behandelte. Die zu beiden Entschädigungsklagen ergangenen Entscheidungen des Senats sind für sämtliche vom Kläger beim Oberlandesgericht anhängig gemachten Entschädigungsklagen richtungsweisend. Die Würdigungen des Senats betreffend die tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu den Verfahren der vorgenannten Aktenzeichen 4 EK 23/20 und 4 EK 1/20 haben ebenso entscheidungserhebliche Bedeutung für sämtliche im Senat weiterhin anhängigen Entschädigungsklagen. Neben der besagten Personenidentität des Entschädigungsklägers und der tatsächlichen Vergleichbarkeit der zur Beurteilung anstehenden Verfahrensabläufe der gegenständlichen Ausgangsverfahren mit jenen der vom Senat bereits entschiedenen Entschädigungsklagen wären somit insbesondere dieselben entscheidungserheblichen Rechtsfragen zu klären, wie sie vom Senat in den Entscheidungen zu den Verfahren der Aktenzeichen 4 EK 23/20 und 4 EK 1/20 bereits beantwortet wurden und die nunmehr zur höchstrichterlichen Klärung dem Bundesgerichtshof vorliegen.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Besonderheiten dieses Verfahrenskomplexes liegen zur Überzeugung des Senats mit den Worten des Bundesgerichtshofs mithin "über die bloße Prozesswirtschaftlichkeit hinausreichende Wertungsgesichtspunkte" vor, die eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO nicht nur quantitativ rechtfertigen, sondern diese geradezu qualitativ gebieten. Insoweit dient das gewählte Vorgehen des Senats keineswegs nur der Prozessökonomie in der Bewältigung aller beim Oberlandesgericht anhängigen Klagen des Entschädigungsklägers. Der Senat verkennt hierbei ausdrücklich nicht, dass nach dem zuvor Gesagten dieser Umstand grundsätzlich kein tragfähiger Grund für die Aussetzungsentscheidung sein kann. Vielmehr wäre der Senat sogar durchaus willens und sähe sich ausdrücklich dazu in der Lage, auch dieses Verfahren zügig zu verhandeln.
Vorliegend wäre jedoch eine zügige Verhandlung und Entscheidung des Senats ob der beim Bundesgerichtshof gegenwärtig anhängigen Revisionen gegen die vom Senat bereits gefällten Urteile, denen - wie dargelegt - selbst Pilotcharakter für sämtliche vom Kläger anhängig gemachten Entschädigungsklagen betreffend die beim Landgericht Göttingen anhängigen bzw. anhängig gewesenen Ausgangsverfahren zukommt, nicht nur prozessökonomisch höchst ineffizient, indem hierdurch nicht nur redundante Ressourcen des Oberlandesgerichts, sondern voraussichtlich auch des Bundesgerichtshofs beansprucht werden dürften. Vielmehr - und dies ist im vorliegenden Fall entscheidend - liegt nahe, dass ein solches Vorgehen nicht nur eine schnellstmögliche abschließende höchstrichterliche Klärung der den gesamten Verfahrenskomplex beherrschenden grundsätzlichen Rechtsfragen eher lähmen dürfte.
Vor allem beraubte sich der aussetzende Senat letztlich selbst der Möglichkeit - im redlichen Bemühen um die ihm anvertraute Herstellung des Rechtsfriedens und im Respekt vor einer höchstrichterlichen Klärung - die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten. Bei zügiger Verhandlung wäre der Senat - wenn auch angesichts unterschiedlicher Streitgegenstände - dazu angehalten, "sehenden Auges" das Verfahren eines Klägers zu einem identischen Verfahrenskomplex mit identischen Rechtsfragen zeitlich vor einer erwartungsgemäß absehbaren höchstrichterlichen Klärung jener Rechtsfragen, die sich entscheidungserheblich gleichermaßen im auszusetzenden Verfahren wie auch in den in Bezug genommenen Revisionsverfahren des identischen Klägers stellen, in dieser Instanz kurzsichtig zu zementieren. Angesichts dieser besonderen Gesamtumstände im Einzelfall drängt sich eine Aussetzung des Verfahrens nach dem Normzweck in analoger Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO geradezu auf.
Weil der Grund für die Aussetzung nicht in der Unmöglichkeit einer angemessenen Bewältigung der Gesamtheit aller beim Oberlandesgericht Braunschweig anhängigen Entschädigungsklagen des Klägers zu sehen ist, der Senat vielmehr ausdrücklich grundsätzlich willens ist und sich dazu in der Lage sähe, auch dieses Verfahren zügig zu verhandeln, steht der Aussetzungsentscheidung auch nicht die Rechtsprechung des 8. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11 -, Rn. 8 ff., juris) entgegen. Insoweit verkennt der Kläger in seiner Stellungnahme im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens grundlegend, dass die Aussetzung gerade nicht auf die Annahme eines "Massenverfahrens" gestützt wird.
Die Aussetzungsentscheidung ermöglicht es erst - letztlich im wohlverstandenen eigenen Interesse der Parteien - bei der eigenen Rechtsanwendung die erwartungsgemäß zeitlich absehbar höchstrichterliche Klärung zu jenen entscheidungserheblichen Rechtsfragen berücksichtigen zu können, derentwegen der Senat jeweils selbst die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen hat.
Andernfalls müsste sich der Senat gezwungen sehen, dieses Verfahren wie auch womöglich weitere anhängige Verfahren des Entschädigungsklägers - seinen Rechtsauffassungen folgend - ohne erwartungsgemäß absehbar höchstrichterliche Klärung ebendieser Rechtsfragen, die auch im gegenständlichen Verfahren von entscheidungserheblicher Bedeutung sind, zügig zu verhandeln und einer alsbaldigen Entscheidung zuzuführen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.