Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.05.2008, Az.: 16 K 468/05
Leistungserbringung durch den Betrieb von Wohnungen zum Zweck der Ausübung der Prostitution seitens eines Unternehmers; Erbringung eines vollständigen Leistungspaketes als Inhaber von Bordellwohnungen; Schätzung der Umsätze aus dem Betrieb von Bordellwohnungen wegen eines Verstoßes gegen die Mitwirkungspflichten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 30.05.2008
- Aktenzeichen
- 16 K 468/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 27819
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2008:0530.16K468.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 UStG
- § 22 UStG
- § 162 Abs. 1 AO
Fundstelle
- Jurion-Abstract 2008, 228790 (Zusammenfassung)
Verfahrensgegenstand
Umsatzsteuer 1998 - 2000
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Schätzung von Umsätzen aus der Tätigkeit von Prostituierten
Tatbestand
Der Kläger war in den Streitjahren mit der Erzielung von Einnahmen aus der Tätigkeit von Prostituierten unternehmerisch tätig. Die Tätigkeit übte er teilweise gemeinschaftlich mit seinem Bekannten S aus.
Zur Erzielung der Einnahmen hatte S Anfang 1996 für eine Kaltmiete von monatlich 1.650 DM eine Wohnung in U gemietet. Bei dem Mietobjekt handelt es sich um ein kleines einstöckiges Gebäude mit einer Küche, einem Wohnraum und zwei Schlafzimmern. Die Wohnung diente in der Zeit vom 01.07.1996 bis 26.08.2000 der Ausübung der Prostitution.
S hatte ferner zumindest seit dem 01.01.1997 das Einfamilienhaus in B' gemietet. Im Erdgeschoss befanden sich ein Raum mit Sitzecke und Bartresen sowie zwei weitere Räume, ein Badezimmer und eine Küche. Das Obergeschoss bestand aus drei Zimmern, einem kleinen Badezimmer und einem Wohnzimmer. Ab 01.05.1998 war der Kläger Mieter des Grundstücks. Seit dieser Zeit diente das Obergeschoss ihm und seiner Lebensgefährtin als Wohnung. Im Übrigen wurde das Grundstück in der Zeit vom 01.01.1997 bis 26.08.2000 zur Ausübung der Prostitution genutzt.
Alle in den Wohnungen tätigen Prostituierten waren von dem Kläger und S allein oder gemeinschaftlich eingesetzt worden. Für die Wohnungen in B und V hatte S mit einzelnen Prostituierten formal Mietverträge abgeschlossen.
Am 25.02.1999 erteilte die Stadt U dem Kläger eine Konzession für den Betrieb des Nachtlokals in U als Schankwirtschaft und Nachtlokal. In dem zweigeschossigen Gebäudekomplex befand sich im Erdgeschoss ein größerer Barraum mit Sitzmöglichkeiten. Im Obergeschoss befanden sich neben einer abgetrennten Wohnung sieben Räume, von denen fünf mit Betten ausgestattet waren, sowie ein Badezimmer mit Whirlpool. Die Räume waren von der Rückfront des Gebäudes über einen umschlossenen Innenhof des Gebäudekomplexes zu erreichen. Pächter des Erdgeschosses war S; Mieter der darüber gelegenen Räume war der Kläger.
Die O wurde als Nachtlokal betrieben. Gleichzeitig bestand die Möglichkeit, Kontakt zu Prostituierten aufzunehmen. Die Prostitution wurde in den über dem Nachtlokal gelegenen Zimmern ausgeübt. Die in der O tätigen Prostituierten wurden überwiegend von dem Kläger und S angeworben. Gelegentlich waren in dem Nachtlokal von Dritten gestellte Prostituierte tätig. Die Bezahlung der Prostituierten erfolgte überwiegend im Nachtlokal, teilweise unter Verwendung eines Geldabrechnungsgerätes. In Zeiten, in denen mehr Prostituierte nachgefragt als anwesend waren, wurden weitere Prostituierte aus den Wohnungen in V und/oder B in die "O" gebracht.
Die Prostitution wurde in den vom Kläger im Obergeschoß der "O" angemieteten Räumen in der Zeit vom 01.03.1999 bis 26.08.2000 ausgeübt. Zwischen dem Kläger und S bestand Einigkeit, den Betrieb der Prostitution in B und V in der Zeit vom 01.01.1997 bis 30.04.1998 und in der "O" vom 01.03.1999 bis 26.08.2000 gemeinschaftlich im Rahmen einer GbR auszuüben. Entsprechend traten sie in dieser Zeit auch Dritten gegenüber nach außen hin als Betreiber auf.
Der Kläger hatte für 1998 keine Umsatzsteuererklärung abgegeben und in den Umsatzsteuererklärungen 1999 und 2000 nur die Umsätze aus dem Barbetrieb in der "O" angegeben. Die Umsätze aus dem Betrieb der Prostitution erklärte er nicht.
Nach den Feststellungen einer Fahndungsprüfung und den ihnen zugrunde liegenden polizeilichen Feststellungen waren in den Wohnungen bei Polizeikontrollen mehrfach regelmäßig teilweise mehrere Prostituierte angetroffen worden. Nach den Feststellungen waren in den Wohnungen neben im Einzelnen nicht näher identifizierten Prostituierten zumindest folgende Prostituierte in folgendem Umfang tätig:
- MF vom 27.08.1997 bis 30.11.1997 an 93 Tagen in V und B,
- GM an 21 Tagen im August bis September 1997 in B,
- MG an 60 Tagen in der Zeit von September bis Dezember 1997 in B,
- AJ an 231 Tagen in der Zeit von Oktober 1997 bis Juni 1998 in B,
- AS an 47 Tagen in der Zeit vom 06.03. bis 23.04.1998 in B,
- LP an 14 Tagen in der Zeit vom 10.04.1998 bis 23.04.1998 in B,
- AR an 84 Tagen in der Zeit vom 05.03. bis 29.05.1999 in V,
- LC an 165 Tagen in der Zeit vom 09.03. bis 24.08.1999 in V und B und an 111 Tagen vom 05.05. bis 26.08.2000 in Bg,
- LB an 222 Tagen vom 10.05. bis 21.12.1999 in V,
- MK an 63 Tagen vom 27.05. bis 30.07.1999 in V und in der "O",
- OM an 85 Tagen vom 28.05. bis 23.08.1999 in V,
- BK an 23 Tagen vom 07.07. bis 30.07.1999 in V und in der "O",
- EZ an 51 Tagen vom 01.11. bis 21.12.1999 in V und in der "O" und an 101 Tagen vom 15.05. bis 26.08.2000 in der "O",
- VC an 20 Tagen vom 03.08. bis 23.08.1999 in V,
- NH an 20 Tagen vom 03.08. bis 23.08.1999 in V,
- NB an 81 Tagen vom 01.10. bis 21.12.1999 in der "O",
- IV an 19 Tagen vom 29.11. bis 18.12.1999 in der "O",an 45 Tagen vom 19.01. bis 04.03.2000 in V, an 30 Tagen vom 10.03. bis 09.04.2000 in Bg, an 26 Tagen vom 10.04.2000 bis 06.05.2000 in der "O" und an 22 Tagen vom 15.05. bis 07.06.2000 in V und in der "O",
- i.F. an 113 Tagen vom 21.01. bis 14.05.2000 in V und an 31 Tagen vom 25.07. bis 26.08.2000 in V und in der "O",
- HN an 26 Tagen vom 16.02. bis 12.04.2000 in der O und an 4 Tagen vom 15.06. bis 19.06.2000 in der "O",
- JD an 101 Tagen vom 21.03. bis 02.07.2000 und an 12 Tagen vom 25.07. bis 07.08.2000 in der "O",
- EOo an 2 Tagen vom 25. - 26.03. in der "O", an 6 Tagen vom 27.03. bis 02.04.2000 in Bg und an 50 Tagen vom 17.04. bis 07.06.2000 in V,
- VV an 41 Tagen vom 15.07.2000 bis 26.08.2000 in Bg,
- SM an 84 Tagen vom 01.03. bis 24.05.2000 in V und in der "O" und an 66 Tagen vom 16.06. bis 22.08.2000 in Bg,
- TB an 32 Tagen vom 05.05. bis 07.06.2000 in V,
- NP an 10 Tagen vom 27.05. bis 07.06.2000 in V,
- AS an 68 Tagen vom 18.06. bis 26.08. in V und in der "O",
- IP jeweils an 7 Tagen in der Zeit von Mitte Juli bis 08.08.2000 in der "O",
- OD an 46 Tagen vom 10.07. bis 26.08.2000 in V und in der "O" und
- MT an 7 Tagen vom 20.08. bis 26.08.2000 in der "O".
Daneben waren eine Vielzahl weiterer Prostituierte in den Wohnungen tätig, die im Einzelnen nicht identifiziert werden konnten. In ihren Vernehmungen hatten identifizierte Prostituierte angegeben, dass in den Wohnungen teilweise mehrere Prostituierte gleichzeitig tätig waren. Ferner sei die Anzahl der Freier wie auch die Höhe des von ihnen gezahlten Entgelts sehr unterschiedlich gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft vom 22.03.2001 () verwiesen.
Mit Urteil des Landgerichts vom 31. Mai 2005 () wurden der Kläger und S wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz durch gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern jeweils zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Im Hinblick auf diese Verurteilung war ein gegen den Kläger vom Finanzamt für Fahndung und Strafsachen eingeleitetes Steuerstrafverfahren () gem. § 154 StPO eingestellt worden.
Der Beklagte ging davon aus, dass der Kläger in erheblichem Umfang Einkünfte aus dem Betrieb der Prostitution erzielt hatte.
Da über die Umsätze und Einkünfte keine Aufzeichnungen geführt worden waren, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen. Grundlage der Schätzung waren die im Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft ... enthaltenen Aussagen der in den einzelnen Wohnungen tätig gewesenen Prostituierten. Darüber hinaus ging der Beklagte davon aus, dass der Kläger gemeinsam mit S Einkünfte aus der Einschleusung von Prostituierten aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland erzielt hatte.
Der Beklagte setzte die vom Kläger erzielten Umsätze mit Umsatzsteuerbescheiden für vom 17.12.2001 entsprechend fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.
Gegenstand des Klageverfahrens sind die unter dem Datum vom 25.05.2008 erteilten geänderten Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2000, die dem Kläger zum Zeitpunkt des Termins zur mündlichen Verhandlung bekannt gegeben waren.
Der Kläger ist der Auffassung, die Schätzung des Beklagten beruhe auf weitgehend willkürlich angenommenen Besteuerungsgrundlagen. Monatlich seien höchstens 25 Tage der Einnahmeerzielung zugrunde zu legen. Auch der durchschnittlich ermittelte Lohn von 150 DM pro Freier sei überhöht und mit maximal 75 DM zu berücksichtigen. In der Wohnung in B seien durchschnittlich höchstens zwei und in der O höchstens 3 Prostituierte bei 1 Freier pro Prostituierter tätig gewesen. In der Wohnung in V seien durchschnittlich höchstens 1,5 Prostituierte bei durchschnittlich 1,5 Freier pro Tag tätig gewesen.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer 1998 auf 8.606 DM, die Umsatzsteuer 1999 auf 13.039 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 8.606 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die von der Steuerfahndung ermittelten Grundlagen der Schätzung hätten sich weitgehend an den tatsächlichen Verhältnissen orientiert. Die Anzahl der Prostituierten, der Freier und der gezahlte Prostituiertenlohn seien durch verschiedene Aussagen von Prostituierten belegt. Daraus seien Durchschnittswerte ermittelt worden, die die tatsächlichen Verhältnisse im Wesentlichen realitätsgerecht wiedergäben. Da die Durchschnittswerte in einem inneren Zusammenhang stünden, seien sie nicht isoliert beliebig veränderbar. Die Bildung von Durchschnittswerten sei erforderlich gewesen, da sowohl die Anzahl der Prostituierten wie der Freier wie auch die Höhe des gezahlten Lohnes erheblichen Schwankungen unterlägen hätten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger gem. § 2 UStG Unternehmer war und mit dem Betrieb der Wohnungen zum Zweck der Ausübung der Prostitution sonstige Leistungen erbrachte. Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ist grundsätzlich derjenige, der als Unternehmer nach außen auftritt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Februar 2001 V B 191/00, BFH/NV 2001, 1152; vom 9. Oktober 2003 V B 12/02, BFH/NV 2004, 97; zu Bordellumsätzen vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 1991 V R 11/91, BFH/NV 1991, 844, und die Senatsbeschlüsse vom 31. März 2006 V B 181/05, BFH/NV 2006, 2138; vom 20. Oktober 2003 V B 21/03, BFH/NV 2004, 380; vom 27. Januar 1997 V B 83/96, BFH/NV 1997, 766, und vom 30. Juni 1994 V B 15/94, BFH/NV 1995, 457). Nach außen hin ist der Kläger als Inhaber der Bordellwohnungen als Erbringer eines vollständigen Leistungspaketes aufgetreten, der den Freiern im Rahmen seines Unternehmens mit Hilfe der dort tätigen Prostituierten die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr verschaffte. Das ergibt sich auch daraus, dass die Prostituierten häufig wechselten und in der Regel austauschbar waren. Dem steht die Entrichtung des Gesamtlohnes an die einzelne Prostituierte nicht entgegen. Die gesamten Umsätze sind demjenigen zuzurechnen, der nach außen als Erbringer sämtlicher in einer derartigen Wohnung erwarteten Dienstleistungen auftritt (vgl. BFH, Beschluss vom 29.01.2008 V B 201/06 BFH/NV 2008, 827). Dies war der Kläger.
Gemäß § 162 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) kann die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen schätzen, sofern sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige an der Sachaufklärung nicht mitwirkt, zum Beispiel indem er keine Steuererklärung abgibt.
Der Kläger hat keine Umsätze aus dem Betrieb der Bordellwohnungen in Umsatzsteuererklärungen erklärt. Aufzeichnungen gem. § 22 UStG über die aus dem Unternehmen erzielten Umsätze wurden insofern nicht geführt. Dem Beklagten war es daher nicht möglich, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen, so dass sie geschätzt werden mussten. Die Schätzung ist daher dem Grunde nach nicht zu beanstanden.
Die Schätzung ist ein Verfahren, Besteuerungsgrundlagen mithilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Feststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für ein solches Verfahren von Bedeutung sein können. Aus dem festgestellten Sachverhalt ist zu folgern, dass Besteuerungsgrundlagen in einer wahrscheinlichen Höhe verwirklicht worden sind. Dabei enthalten die durch Schätzung ermittelten Besteuerungsgrundlagen einen Unsicherheitsbereich, da eine genaue Bestimmung der Besteuerungsgrundlagen im Wege der Schätzung trotz Bemühens um Zuverlässigkeit allenfalls zufällig erreicht werden kann. Die Unschärfe, die jeder Schätzung anhaftet, kann im Allgemeinen vernachlässigt werden. Soweit sie sich zu Ungunsten des Steuerpflichtigen auswirkt, muss er sie hinnehmen, wenn er den Anlass für die Schätzung gegeben hat. Schätzungen müssen insgesamt in sich schlüssig sein; ihre Ergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein und von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen bestimmt werden, damit die Schätzung der Wirklichkeit möglichst nahe kommt (vgl. BFH, Urteil vom 18.12.1984 VIII R 195/82, BStBl II 1986, 227 n.w.N.).
Gesicherte oder repräsentative Erkenntnisse über die Anzahl der jeweils in den Wohnungen tätigen Prostituierten, die Anzahl ihrer täglichen Freier und über das von diesen gezahlte Entgelt liegen nicht vor. Bei der Prostituierten W ging die Polizei nach deren Aussage davon aus, dass sie ihre Kosten der Einschleusung i.H.v. 2.000 DM in zwei Wochen abgearbeitet gehabt habe. Daraus ergäbe sich ein täglicher Verdienst von 141,- DM pro Tag. Die Prostituierte F gab an, den Schleuserlohn von 2.000 DM innerhalb von 1 ½ Monaten abgearbeitet zu haben. Daraus ergäbe sich ein Tagesverdienst von 45 DM pro Tag. Die Prostituierte J gab an, ein Festgehalt von 2.000 DM im Monat erhalten zu haben. Hieraus ergäbe sich ein Tagesverdienst von 66 DM. Da die Prostituierten jeweils die Hälfte des Entgelts für sich behalten durften, beträgt die Tageseinnahme mindestens das Doppelte der berechneten Beträge. Daraus ergäbe sich ein Entgelt von ca. 90 bis 282 DM pro Tag. Wegen der geringen Anzahl der Aussagen über den Verdienst, sind die daraus berechneten Tageseinnahmen jedoch nicht repräsentativ. Sie decken sich z.B. nicht mit den Angaben eines Kunden, wonach in der "O" ein Preis von 300 DM pro Stunde und 1.000 DM pro Nacht verlangt und dies Angebot auch mehrfach in Anspruch genommen wurde. Ferner haben Prostituierte nach eigenen Angaben für Sonderleistungen wesentlich höhere Entgelte erhalten. Entsprechende Feststellungen wurden anlässlich einer Durchsuchung in der O anhand der aktuellen Einnahme einer Prostituierten und einschlägiger Aufzeichnungen getroffen. Nach eigenen Aufzeichnungen für die Zeit vom 01.06. bis 21.06.2000 haben die Prostituierten in der Wohnung Bg 100 DM bis 200 DM pro Feier eingenommen. Dies entspricht auch den Angaben des Klägers und Ss, die in der mündlichen Verhandlung mehrfach erklärten, dass das vom Finanzamt zugrunde gelegte Entgelt schon deshalb nicht zutreffen könne, weil die Höhe sehr unterschiedlich gewesen sei und je nach dem, was die Kunden verlangt hätten, darüber oder darunter gelegen hätte. Wenn das Finanzamt bei der Vielzahl der Unsicherheiten einen durchschnittlichen Prostituiertenlohn von 150 DM/Freier zugrunde legt, dürfte diese Schätzung eher am unteren Rand des Realistischen liegen. Jedenfalls konnte das Gericht nicht feststellen, dass die Schätzung des Beklagten außerhalb eines an der Wirklichkeit orientierten Schätzungsrahmens liegt, sodass gegen die Höhe des vom Beklagten in Ansatz gebrachten Durchschnittlohnes für die Prostituierten/Freier keine Bedenken bestehen. Insofern war zu berücksichtigen, dass sich die Finanzbehörde ohne Rechtsfehler an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren kann, wenn, wie hier, der Kläger keine Aufzeichnungen geführt und keine Besteuerungsgrundlagen erklärt hat (vgl. Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl. § 162 Rz. 136 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Letzte verbleibende Unschärfen gehen zu Lasten des Klägers und sind von diesem hinzunehmen, da er die Schätzung veranlasst hat.
Die vom Beklagten zugrunde gelegte Anzahl von zwei Freiern pro Tag und Prostituierter ist als Durchschnittswert schon angesichts der in B, V und der O in U zur Verfügung stehenden Zimmer nicht zu beanstanden. Zur Überzeugung des Gerichts ist es auch nicht sehr wahrscheinlich, dass täglich nur ein Freier pro Prostituierter vorhanden war. Die Schätzung von zwei Freiern pro Tag und Prostituierter ist vielmehr eher am unteren Rand des Wahrscheinlichen angesiedelt.
Angesichts der polizeilichen Feststellungen hinsichtlich der bei Kontrollen in den Wohnungen angetroffenen Prostituierten und eines Teils der Aussagen der Prostituierten, wonach mehrere Prostituierte in den Wohnungen tätig waren, erscheint die von der Steuerfahndung zugrunde gelegte Anzahl von vier Prostituierten in B und vier in der O nicht unrealistisch und zumindest für die O eher als zu gering. Gerade für die O ist zu berücksichtigen, dass hier selbst nach den Angaben des Klägers eine so hohe Nachfrage nach Prostituierten war, dass mehrfach aus den Wohnungen in B und V Prostituierte dorthin gebracht werden mussten und dies durch Feststellungen anlässlich verschiedener Polizeikontrollen bestätigt ist. Auch angesichts der in den jeweiligen Wohnungen zur Verfügung stehenden Räume erscheint die vom Finanzamt zugrunde gelegte Anzahl der Prostituierten pro Einheit nicht unrealistisch. Der Hinweis, dass bei zwei Zimmern nicht vier Prostituierte tätig werden können, wird schon dadurch entkräftet, dass sowohl vormittags wie nachmittags jeweils zwei Prostituierte tätig sein konnten. Um jedoch alle für die mit der Schätzung der Einnahmen aus Wohnung in B verbundenen Unsicherheiten auszuschließen, geht das Gericht von nur drei Prostituierten pro Tag aus. Für die Wohnungen in der O verbleibt es bei vier Prostituierten pro Tag. Letztlich war im Rahmen der Schätzung auch zu berücksichtigen, dass der Kläger und S die Erwerbsquelle aus Tätigkeiten der Prostitution nicht bei Gelegenheit oder nebenbei betrieben, sondern professionell, in großem Umfang und mit eigener Rekrutierung einer Vielzahl von Prostituierten aus Osteuropa, was durch das Urteil des Landgerichts ... vom 31. Mai 2005 () bestätigt ist, in dem sowohl der Kläger wie auch S wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz durch gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern jeweils zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt wurden.
Es bestehen keine Bedenken dagegen, die Tätigkeit der Prostituierten über den gesamten Zeitraum durchgängig an 30 Tagen im Monat anzunehmen. Es mag zwar sein, dass auch die Prostituierten Freizeit, Urlaub, Krankheit, Heimreise oder sonstige Ausfalltage hatten. Dagegen steht jedoch, dass sie nicht den ganzen Tag über ihrer Tätigkeit nachgingen, Prostituierte häufig nur kurzfristig tätig waren und ihnen daher ausreichend Freizeit zur Verfügung stand. Die insofern letztlich verbleibenden Unsicherheiten sind im Rahmen der vom Gericht zugrunde gelegten Anzahl der tätig gewordenen Prostituierten berücksichtigt; restliche Unsicherheiten sind vom Kläger hinzunehmen.
Die vom Kläger und S zuletzt in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben, wonach in B 2 und in der O höchstens 3 Prostituierte bei jeweils einem Freier pro Tag 75 DM pro Freier an höchstens 25 Tagen im Monat eingenommen haben und den Einnahmen neben der Miete weitere durchschnittliche Kosten in B von monatlich mindestens 1.500 DM gegenüber gestanden hätten, konnten schon deshalb auch nicht teilweise als realitätsgerecht berücksichtigt werden, weil sich danach in erheblichem Umfang ausschließlich Verluste ergeben, was der Kläger und S im Moment ihres Vortrags nicht überblickten und in anderen Zusammenhängen im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst nicht ernsthaft geltend gemacht hatten.
Umsätze aus der Schleusertätigkeit konnten bei der Schätzung nicht berücksichtigt werden, da keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger daraus Einnahmen erzielte.
Soweit der Kläger wie zuletzt in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt in der Zeit vom 01.01.1997 bis 30.04.1998 in B und in V, sowie in der Zeit vom 01.03.1999 bis 26.08.2000 zusammen mit S im Rahmen einer gemeinsam vereinbarten und auch nach außen hin aufgetretenen GbR zur Erzielung von Einkünften aus der Tätigkeit von Prostituierten tätig geworden ist, war Unternehmer die GbR, die umsatzsteuerlich selbständiges Steuersubjekt ist. Die von der GbR erzielten Umsätze sind daher dem Kläger nicht zuzurechnen.
Die Umsätze errechnen sich für die verschiedenen Wohnungen und Zeiträume danach wie folgt (T = Tage, P = Anzahl der Prostituierten pro Tag, F = Anzahl der Freier pro Prostituierter und Tag, L = vom Freier pro Prostituierter gezahlter Lohn):
Danach ergibt sich folgende Umsatzsteuer:
T | P | F | L | Brutto-umSatz 1t. Urteil | Netto-umSatz 1t. Urteil | Steuer | Vorsteuer lt. Bescheid vom 17.12.2001 | Umsatzsteuerlt. Urteil | Umsatzsteuer lt. Bescheid vom 26.05.2008 | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
B | |||||||||||
1998 | 01.05.98 - 31.12.98 | 240 | 3 | 2 | 150 | 216.000 | 186.207 | 29.793 | 0 | 29.793 | 9.930 |
1999 | 01.01.99 - 31.12.99 | 360 | 3 | 2 | 150 | 324.000 | 279.310 | 44.690 | |||
Barbetrieb O | |||||||||||
1999 | lt. Erklärung | 153.108 | 24.497 | ||||||||
Gesamtumsatz/Umsatzsteuer 1999 | 432.418 | 69.187 | 16.931 | 52.256 | 26.954 | ||||||
B | |||||||||||
2000 | 01.01.00 - 26.08.00 | 236 | 4 | 2 | 150 | 212.400 | 183.103 | 29.269 | |||
Barbetrieb O | |||||||||||
2000 | lt. Erklärung | 159.405 | 25.504 | ||||||||
Gesamtumsatz/Umsatzsteuer 2000 | 342.508 | 54.800 | 18.636 | 36.164 | 17.568 |
Da die festzusetzende Umsatzsteuer höher als die bisher mit Umsatzsteuerbescheiden 1998 bis 2000 vom 26.05.2008 festgesetzte Umsatzsteuer ist, war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.