Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.05.2008, Az.: 6 K 433/07
Voraussetzungen des Widerrufs der Bestellung als Steuerberater; Vereinbarung zur Abwicklung des Insolvenzverfahrens zwischen einem insolventen Steuerberater und seinen Gläubigern als angenommener und bestätigter Insolvenzplan; Begriff des Vermögensverfalls
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 29.05.2008
- Aktenzeichen
- 6 K 433/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 26657
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2008:0529.6K433.07.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 30.04.2009 - AZ: VII R 32/08
Rechtsgrundlagen
- § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG
- § 26 Abs. 2 InsO
- § 915 ZPO
Fundstellen
- DStR 2008, 2288 (Kurzinformation)
- DStRE 2009, 829-831
- Jurion-Abstract 2008, 228788 (Zusammenfassung)
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Widerruf der Bestellung als Steuerberater
Eine Vereinbarung zur Abwicklung des Insolvenzverfahrens zwischen dem insolventen Steuerberater und seinen Gläubigern steht einem angenommenen und bestätigten Insolvenzplan nicht gleich.
Tatbestand
Streitig ist der Widerruf der Bestellung der Klägerin als Steuerberaterin.
Die ... geborene Klägerin wurde ... zur Steuerberaterin bestellt. Am 8. März 2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet. Nach dem Insolvenzgutachten bestanden Verbindlichkeiten bei sechs Gläubigern in Höhe von 462.564,67 EUR, darunter fällige Verbindlichkeiten in Höhe von 376.309,67 EUR, bei einer freien Masse in Höhe von 18.567,38 EUR. Die Verbindlichkeiten beim Finanzamt betrugen über 25.000 EUR. Die Klägerin hatte bei Insolvenzeröffnung Umsatzsteuerverbindlichkeiten in Höhe von über 11.000 EUR, die im Zeitraum November 2005 bis Februar 2007 fällig geworden waren, nicht entrichtet.
Außer dem Finanzamt hatte auch die Klägerin einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und ihn mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung verbunden. Dem Antrag war die nach § 287 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) erforderliche Erklärung, die pfändbaren Forderungen auf Bezüge abzutreten, nicht beigefügt. Über den Antrag auf Restschuldbefreiung ist noch nicht entschieden. Die Restschuldbefreiung ist der Klägerin bislang auch nicht angekündigt worden.
Die Gläubiger und die Klägerin trafen eine Vereinbarung zur Abwicklung des Insolvenzverfahrens. Dem diesbezüglichen Vorschlag des Insolvenzverwalters vom 12. Juni 2007 stimmten die Gläubiger mit Änderungswünschen, die die Klägerin akzeptierte, zu. Danach gab der Insolvenzverwalter die Einzelpraxis der Klägerin mit Schreiben vom 26. Juni 2007 aus der Insolvenzmasse frei. Die Klägerin verpflichtete sich im Gegenzug u.a., in einer Wohlverhaltensphase von 68 Monaten 66.000 EUR vom 1. Juli 2007 an in monatlichen Raten aus den abgetretenen Einkünften für eine Geschäftsführertätigkeit bei der X-Steuerberatungsgesellschaft mbH an den Insolvenzverwalter als Treuhänder zur Verteilung an die Gläubiger zu zahlen. Die Gläubiger erhalten nach dieser Vereinbarung eine höhere Quote (ca. 19 v. H.) als der Insolvenzverwalter in seinem Gutachten prognostiziert hatte (ca. 7 v. H.). Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung wird auf das an die Gläubiger gerichtete Schreiben von 12. Juni 2007 und die Niederschrift über die nichtöffentliche Verhandlung im vertagten Berichtstermin vom 13. Juni 2007 (Amtsgericht ...) verwiesen.
Nach der Vereinbarung sollte das Insolvenzverfahren "kurzfristig abgeschlossen" werden. Der Schlussbericht des Insolvenzverwalters datiert vom 26. Mai 2008. Mit einem Schreiben vom gleichen Tag teilt er dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, ihm seien keine Gründe im Sinne des § 290 InsO bekannt, die bei der Klägerin für eine Versagung der Restschuldbefreiung sprächen.
Die Beklagte (die Steuerberaterkammer) widerrief mit Bescheid vom 28. August 2007 die Bestellung der Klägerin als Steuerberaterin wegen Vermögensverfalls gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG), nachdem der Klägerin zuvor rechtliches Gehör gewährt worden war. Die Klägerin hatte dabei nach einem Aktenvermerk telefonisch mitgeteilt, das Insolvenzplanverfahren habe begonnen, und das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 26. Juni 2007 vorgelegt.
Die Steuerberaterkammer begründete ihre Entscheidung damit, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin werde ein Vermögensverfall gesetzlich vermutet. Die Klägerin befinde sich auch tatsächlich in Vermögensverfall. Ausweislich des Insolvenzgutachtens könnten fällige Verbindlichkeiten in Höhe von 376.309,67 EUR nicht durch die freie Masse in Höhe von 18.567,38 EUR gedeckt werden. Die gesetzliche Vermutung sei zwar widerlegbar, von der Klägerin aber nicht widerlegt worden. Die Klägerin habe keinen Insolvenzplan vorgelegt. Der Abschluss eines "Freigabevergleichs" sei kein dem Insolvenzplan gleichbedeutender Umstand.
Die Darlegungs- und Feststellungslast für den Ausnahmetatbestand ("es sei denn"), dass Auftraggeberinteressen nicht gefährdet seien, habe die Klägerin zu tragen. Der Steuerberaterkammer seien keine entlastenden Momente bekannt. Vielmehr sei im Fall der Klägerin sogar von einer konkreten Gefährdung der Auftraggeberinteressen auszugehen. Sie habe im Zeitraum November 2005 bis Februar 2007 fällige Umsatzsteuer in Höhe von ca. 11.000 EUR nicht an das Finanzamt abgeführt. Aus dem Umstand, dass die Klägerin ihren gesetzlichen Pflichten nicht nachgekommen sei, sei zu folgern, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie auch vertragliche Verpflichtungen gegenüber ihren Mandanten unbeachtet lassen könnte. Die in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Vermögensverfall aufgetretene Nichtzahlung der Umsatzsteuer lasse erkennen, dass die Klägerin bereit sei, sich wegen ihrer finanziellen Schwierigkeiten über gesetzliche Grenzen hinwegzusetzen und ihr nicht zustehende fremde Gelder für eigene Zwecke zu nutzen. Hieraus dürfe eine konkrete Gefährdung der Interessen der Auftraggeber gefolgert werden, da nicht ausgeschlossen werden könne, sie werde sich auch gegenüber ihren Mandanten pflichtwidrig verhalten. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin meint, der Widerruf sei unverhältnismäßig, sofern keine hinreichenden Feststellungen zu einem tatsächlichen Vermögensverfall getroffen würden. Aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung sei die gesetzliche Regelvermutung nicht mehr im erheblichen Sinne gemäß § 46 Abs. 2 StBerG gegeben. Aufgrund der Freigabe der Steuerberaterkanzlei aus der Insolvenzmasse könne die Klägerin wieder über die Kanzlei verfügen und sei in der Lage, ihren standesrechtlichen Verpflichtungen zu genügen. Die Freigabe der Kanzlei sei Teil eines Sanierungsvergleichs, der die Erstellung eines Insolvenzplans überflüssig gemacht habe. Nach Abschluss des Vergleichs sei die Vermutung des Vermögensverfalls nicht mehr gegeben. Der Vergleich ordne die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin und strukturiere den Verbindlichkeitendienst nachhaltig. Die Klägerin habe dem Insolvenzverwalter die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen zur Verfügung zu stellen und die monatliche Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt nachzuweisen.
Eine Gefährdung von Auftraggeberinteressen sei nicht mehr zu besorgen. Die massezugehörigen Abtretungsbeträge und die Einnahmen aus der Einzelpraxis seien strikt getrennt. Es bestehe nicht die Gefahr, dass letztere der Masse zugeschlagen würden. Die Nichtberücksichtigung des Sonderstatus der Klägerin stelle eine unzulässige Ungleichbehandlung gegenüber anderen Steuerberatern dar, "die, obgleich gleichen standesrechtlichen Maßgaben unterworfen, im gleichen Maße selbstverantwortlich und ohne entsprechende Verpflichtung gegenüber Dritten handeln" könnten. Seit Freigabe der Praxis werde die Umsatzsteuer fortlaufend bedient. Würde sich die Klägerin anders verhalten, würde der Vergleich scheitern.
Es seien nur sechs Gläubiger vorhanden, die alle dem Sanierungsvergleich zugestimmt hätten. Wegen der Umsatzsteuerrückstände sei im Februar 2006 eine Forderung in Höhe von 5.600 EUR an das Finanzamt abgetreten worden. Der Schuldner habe allerdings nur 1.900 EUR gezahlt. Als er von dem Insolvenzverfahren erfahren habe, habe er die Zahlungen eingestellt. Im Sommer 2006 sei eine Forderung von 25.000 EUR ausgefallen. Von da an habe die Klägerin ihre fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 28. August 2007 aufzuheben.
Die Beklagte hält an ihrer Rechtsauffassung fest und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplans (§§ 235 ff Insolvenzordnung - InsO) oder der Ersetzung der Gläubigerzustimmung zu demselben sei von einem Vermögensverfall auszugehen. Einen solchen Insolvenzplan gebe es im Streitfall aber nicht, sondern - möglicherweise - einen Sanierungsvergleich. Ein Freigabevergleich sei damit nicht vergleichbar. Das Niedersächsische Finanzgericht habe mit Urteil vom 11. Januar 2007 (6 K 425/06) entschieden, trotz Freigabe einer Steuerberaterpraxis durch den Insolvenzverwalter sei von einem Vermögensverfall auszugehen. Insbesondere würden bei dem Vergleich nicht alle Gläubiger einbezogen. Die Regelungen und Wirkungen des Insolvenzplans gälten auch für die Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet hätten, und auch für Beteiligte, die dem Plan widersprochen hätten. Ein Sanierungsvergleich entfalte hingegen keinerlei Bindungswirkung für Gläubiger, die sich daran nicht beteiligt hätten, weil es keine Gesetzesbestimmung gäbe, die die Übertragung der Wirkungen des Vergleichs anordne. Jene Gläubiger seien daher nicht gehindert, ihre eigenen Ansprüche gegen den Schuldner in vollem Umfang geltend zu machen. Das Insolvenzverfahren sei auch noch nicht aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
Der Beklagte hat die Bestellung der Klägerin als Steuerberaterin wegen Vermögensverfalls zu Recht widerrufen (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG). Die Klägerin hat zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Wiederbestellung.
1.
Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung lagen im Falle der Klägerin bei Ergehen des Widerrufsbescheids vor.
Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung eines Steuerberaters zu widerrufen, wenn dieser in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind; dabei wird nach dem zweiten Halbsatz der eben bezeichneten Bestimmung ein Vermögensverfall vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder dieser in das vom Insolvenz- oder das vom Vollstreckungsgericht nach § 26 Abs. 2 InsO bzw. nach § 915 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu führende Verzeichnis eingetragen ist.
Es liegt daher auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerberaters nach der Insolvenzordnung eintretenden Rechtsfolgen nicht geeignet sein können, die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass das Inkrafttreten der Insolvenzordnung nichts an der gesetzlichen Grundentscheidung geändert hat, dass den Beruf des Steuerberaters nur ausüben dürfen soll, wer in geordneten Vermögensverhältnissen lebt (BFH-Beschlüsse vom 28. August 2003 VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90; vom 28. August 2003 VII B 159/02, BFH/NV 2004, 91; vom 4. März 2004 VII R 21/02, BStBl II 2004, 1016; BFH-Urteil vom 30. März 2004 VII R 56/03, BFH/NV 2004, 1426). Allein die Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu bereinigen, hat noch nicht zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse nunmehr als geordnet zu betrachten wären (BFH in BFH/NV 2004, 90). Vielmehr muss die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch tatsächlich eingetreten sein. Ob dies in einer Weise geschehen ist, dass die Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht mehr zu besorgen ist, ist eine Frage des Einzelfalls.
Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse des insolvent gewordenen Steuerberaters sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der der Senat folgt, noch nicht wieder hergestellt, solange dem Steuerberater nicht die Restschuldbefreiung erteilt und ein Insolvenzplan aufgestellt ist (BFH-Beschluss vom 14. Februar 2008 VII B 227/07, nicht veröffentlicht, [...]). Zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplanes (§§ 235 ff. InsO) - bzw. im Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304 ff. InsO bis zur Annahme eines vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplanes oder der Ersetzung der Zustimmung (§§ 308, 309 InsO) - ist es völlig ungewiss, ob sich der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten befreien kann (BFH-Beschlüsse vom 12. September 2005 VII B 240/04, BFH/NV BFH/NV 2006, 135; vom 18. August 2005 VII B 20/05, BFH/NV BFH/NV 2005, 2254). Es ist nicht rechtsfehlerhaft, die Wiederherstellung geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse zu verneinen, wenn die Ankündigung der Restschuldbefreiung noch aussteht (BFH-Beschluss vom 23. März 2007 VII B 290/06, BFH/NV 2007, 1360).
Danach befand sich die Klägerin in Vermögensverfall. Dies wird aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzlich vermutet. Auf die Gründe, die zur Verfahrenseröffnung geführt haben, und ob der Klägerin insoweit ein Schuldvorwurf zu machen ist, kommt es nicht an. Die Vermutung ist zwar widerlegbar (BFH-Urteile vom 22. August 1995 VII R 63/94, BStBl II 1995, 909; vom 4. Juli 2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69), z.B. bei Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplans während des Insolvenzverfahrens (BFH-Beschluss vom 14. März 2007 BII B 175/06, BFH/NV 2007, 1716). Die Widerlegung war der Klägerin jedoch nicht gelungen.
Einen Insolvenzplan hatte die Klägerin nicht vorgelegt. Aktenkundig ist lediglich ein Vermerk ohne Datum über ein Telefongespräch, in dem die Klägerin der Steuerberaterkammer mitgeteilt haben soll, das Insolvenzplanverfahren habe begonnen, was - wie sich später herausstellte - nicht zutraf oder jedenfalls nicht zu einer gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans geführt hat. Ferner hatte die Klägerin das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 26. Juni 2007 gefaxt, mit dem er die Einzelpraxis aus der Insolvenzmasse freigegeben hatte. Dies reicht indes nicht aus, um die Vermutung zu widerlegen. Weder war der Klägerin Restschuldbefreiung erteilt noch ein Insolvenzplan aufgestellt. Die von den Gläubigern und der Klägerin geschlossene Vereinbarung war der Steuerberaterkammer zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht bekannt.
Die Klägerin hatte auch den Beweis nicht geführt, dass Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Bei einem Vermögensverfall des Steuerberaters sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind und gestattet nur in Ausnahmefällen ("es sei denn") ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung; aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt (BFH-Urteil vom 22. September 1992 VII R 43/92, BStBl II 1993, 203; BFH-Beschluss vom 8. Februar 2000 VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Erforderlich ist ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird (BFH-Urteil vom 6. Juni 2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2000, 741; BFH-Beschluss vom 4. März 2004 VII R 21/02, BStBl II 2004, 1016).
Die Klägerin hatte sich hierzu gegenüber der Steuerberaterkammer nicht geäußert, obwohl dieser Gesichtspunkt in dem Anhörungsschreiben ausdrücklich angesprochen worden war.
2.
Die Aufhebung des Widerrufsbescheids kommt auch nicht aufgrund einer bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am ... eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage in Betracht. Zwar kann der Widerruf der Bestellung als Steuerberater nicht aufrecht erhalten werden, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung besteht (BFH-Urteile vom 1. Juli 1981 VII R 84/80, BStBl II 1981, 740; in BStBl II 1995, 909; BFH-Beschluss vom 12. September 2005 VII B 240/04, BFH/NV 2006, 135). Das ist jedoch nicht der Fall.
Wesentliche Voraussetzung für eine Bestellung zum Steuerberater ist nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StBerG, dass der Betreffende in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Ist über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet, fehlt es an solchen geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen (vgl. BFH in BStBl II 2004, 1016 [BFH 04.03.2004 - VII R 21/02]). Die Klägerin befindet sich auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in Vermögensverfall. Dies wird aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Insolvenzverfahrens weiterhin widerlegbar vermutet.
Die Vermutung ist auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht widerlegt. Die Klägerin hat weiterhin nicht nachgewiesen, dass sie in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Das Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung kann zwar das Ziel haben, die Gläubiger unter Erhaltung des Unternehmens des Schuldners zu befriedigen und dem Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen Verbindlichkeiten zu befreien (vgl. § 1 InsO). Abgesehen davon, dass § 1 InsO dieses Ziel alternativ neben die Möglichkeit einer Verwertung und Verteilung des Vermögens des Schuldners stellt, die in der Regel die Zerschlagung seines Unternehmens zur Folge haben, ist zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplanes (§§ 235 ff. InsO), welcher die Fortführung des Unternehmens des Steuerberaters vorsieht (vgl. § 230 InsO), bzw. - im Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304 ff. InsO - bis zur Annahme eines vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplans oder der Ersetzung der Zustimmung zu demselben (§§ 308, 309 InsO) ungewiss, ob jenes Ziel im konkreten Fall erreicht werden kann. Solange dies indes nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, kann von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen im Sinne des Steuerberatungsgesetzes und mithin von einer Widerlegung der vorgenannten, durch den Vermögensverfall der Klägerin begründeten Vermutung ihrer fehlenden persönlichen Eignung für die Ausübung des Berufs der Steuerberaterin (vgl. § 40 Abs. 2 Satz 1 StBerG) nicht ausgegangen werden (BFH in BStBl II 2004, 1016 [BFH 04.03.2004 - VII R 21/02]).
Einen angenommenen und bestätigten Insolvenzplan gibt es aber weiterhin nicht. Eine Aussicht auf künftige Besserung der Vermögensverhältnisse, wie sie aufgrund der Vereinbarung mit den Gläubigern möglicherweise besteht, reicht nicht aus. Es muss vielmehr zweifelsfrei feststehen, dass sich die Vermögensverhältnisse des Steuerberaters nachhaltig gebessert haben (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 1995 VII R 63/94, BStBl II 1995, 909). Das ist hier nicht der Fall. Die Klägerin hat über fast sechs Jahre hinweg aufgrund der Vereinbarung Zahlungen zu leisten, die sie nur aufbringen kann, wenn die prognostizierten Einnahmen und Ausgaben auch eintreffen. Auch wenn die Prognosen auf den Ergebnissen der letzten Jahre aufbauen und realistisch erscheinen, bleibt es ungewiss, ob der Klägerin die Bereinigung ihrer wirtschaftlichen Situation gelingen wird.
Die getroffene Vereinbarung ist mit einem angenommenen und gerichtlich bestätigten Insolvenzplan nicht vergleichbar. Der Senat hat zwar keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vortrag der Klägerin, alle ihre Gläubiger hätten der Vereinbarung zugestimmt, weitere unbekannte Gläubiger seien nicht vorhanden, nicht zutrifft. Gleichwohl unterscheidet sich die Vereinbarung in ihrer Wirkung entscheidungserheblich von der eines bestätigten Insolvenzplans. Letzterer gilt kraft Gesetzes auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 254 Abs. 1 Satz 3 InsO) und bietet damit eine verlässliche Grundlage für die Entscheidung, ob zweifelsfrei feststeht, dass sich die Vermögensverhältnisse des Insolvenzschuldners nachhaltig gebessert haben. Vor allem ist aber bei einem bestätigten Insolvenzplan anders als bei der Vereinbarung im Streitfall zu erwarten, dass das Insolvenzverfahren in absehbarer Zeit aufgehoben werden wird. Sobald die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Verfahrens (§ 258 Abs. 1 InsO) mit der Folge, dass die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG nicht mehr gegeben ist. Im Streitfall ist zwar vereinbart, das Insolvenzverfahren kurzfristig abzuschließen. Konkrete Termine werden hingegen nicht genannt. Tatsächlich ist das Insolvenzverfahren knapp ein Jahr nach Abschluss der Vereinbarung weiterhin nicht abgeschlossen.
Allerdings vertritt der BFH (in BFH/NV 2004, 824 und BFH/NV 2004, 1426) die Auffassung, geordnete wirtschaftliche Verhältnisse seien im Fall der Insolvenz (erst) wieder hergestellt, wenn der Steuerberater mit seinen Gläubigern Vereinbarungen getroffen habe, die erwarten ließen, dass es zu keinen Vollstreckungsmaßnahmen mehr kommen werde. Der Senat geht aber davon aus, dass sich diese Aussage nicht auf Vereinbarungen im eröffneten Insolvenzverfahren bezieht, die - wie die hier zu beurteilende - das Insolvenzverfahren nicht wie ein bestätigter Insolvenzplan in absehbarer Zeit beenden. Eine andere Auslegung stünde im Widerspruch zu der Aussage des BFH (ebenfalls in BFH/NV 2004, 1426), von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen könne im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht ausgegangen werden, denn zu geordneten Vermögensverhältnissen gehöre auch, dass die Gläubiger jedenfalls in absehbarer Zeit befriedigt würden und dass der Steuerberater selbst und frei über sein Vermögen verfügen könne. Sollte entgegen der hier vertretenen Ansicht die Vereinbarung grundsätzlich geeignet sein, einen Insolvenzplan zu ersetzen, fehlt es angesichts der bis Februar 2013 vereinbarten monatlichen Zahlungen jedenfalls daran, dass die Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigt werden.
Die Wiederherstellung geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse lässt sich auch nicht mit einer Restschuldbefreiung begründen. Sie ist weder erteilt noch auch nur angekündigt. Dass dem Insolvenzverwalter keine Gründe bekannt sind, die für eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO sprechen, ist erst recht nicht ausreichend.
Die Klägerin hat auch nicht nachgewiesen, dass durch den Vermögensverfall die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Die Beantwortung der Frage, ob dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH in BStBl II 1993, 203; in HFR 2000, 741; in BFH/NV 2004, 90; in BStBl II 2004, 1016 [BFH 04.03.2004 - VII R 21/02]).
Es fehlt weiterhin der erforderliche substantiierte und glaubhafte Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass die Klägerin ihre Berufspflichten unter dem Druck ihrer desolaten Vermögenslage verletzen wird. Dass die massezugehörigen Abtretungsbeträge und die Einnahmen aus der Einzelpraxis strikt getrennt werden, reicht dafür nicht aus. Die Klägerin hat über ein Jahr lang die ihren Mandanten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht abgeführt und damit Gelder, die ihr wirtschaftlich nicht zustehen, für eigene Zwecke verbraucht. An dieser Tatsache hat sich auch nichts dadurch geändert, dass sich die Klägerin mit einer Forderungsabtretung an das Finanzamt um eine Schadensminderung bemüht haben will. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass sie aufgrund der fortbestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch die finanziellen Interessen ihrer Mandanten verletzen wird. Die Klägerin könnte beispielsweise versucht sein, die Zahlungen aufgrund der Vereinbarung zu Lasten ihrer Mandanten zu finanzieren, um die Restschuldbefreiung nicht zu gefährden.
Im Übrigen ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass der eingetretene Vermögensverfall Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Klägerin bei Ausübung ihres Berufs haben kann, zu der sie nach § 57 Abs. 1 StBerG auch im Interesse ihrer Mandanten verpflichtet ist. Eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit kommt im Streitfall nicht nur potentiell in Betracht, sondern sie besteht konkret im Hinblick auf die erheblichen eigenen Steuerschulden der Klägerin von über 25.000 EUR. Dadurch wird der Handlungsrahmen, den die Klägerin als Steuerberaterin und Bevollmächtigte ihrer Mandanten gegenüber der Finanzverwaltung braucht, entscheidend eingeschränkt. Es ist nicht auszuschließen, dass sie im eigenen Interesse gegenüber der Finanzverwaltung zurückhaltender auftritt und nicht alle Möglichkeiten wahrnimmt, die sonst im Interesse ihrer Mandanten geboten wären. Schon deshalb bedeutet der Vermögensverfall der Klägerin eine konkrete Gefahr für die Interessen der Auftraggeber, deren Bestehen sie bisher nicht widerlegt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 2000 VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992 zu Steuerschulden von 70.000 DM).
Der Widerruf der Bestellung ist weder unverhältnismäßig noch stellt er eine Ungleichbehandlung der Klägerin dar. Er ist die gesetzlich vorgesehene Konsequenz des fortbestehenden Vermögensverfalls und des Umstands, dass die Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht ausgeschlossen werden kann.
Ob der Klägerin die persönliche Eignung für die Bestellung auch deshalb fehlt, weil die Nichtabführung der Umsatzsteuer vor der Insolvenz die Gefährdung von Mandanteninteressen besorgen lässt, bedarf keiner Entscheidung.
3.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO). Es erscheint klärungsbedürftig, ob bei einer Vereinbarung der Gläubiger mit dem Insolvenzschuldner über die Abwicklung des Insolvenzverfahrens wie bei einem angenommenen und bestätigten Insolvenzplan von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen des Insolvenzschuldners auszugehen sein kann und ob dies gegebenenfalls bereits vom Abschluss der Vereinbarung an gilt.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.