Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 27.01.1986, Az.: 19 U 5/85

Anwendbarkeit des modifizierten Sachwertverfahrens zur Bestimmung einer Schadensersatzforderung; Anforderungen an Anspruch auf Naturalrestitution; Berechnung des Wertes von Gehölzen nach der "Methode Koch"; Voraussetzungen zum Aufschlag der Mehrwertsteuer bei Schadensberechnungen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.01.1986
Aktenzeichen
19 U 5/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 16606
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1986:0127.19U5.85.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Bückeburg - 01.03.1985 - AZ: 2 O 58/84

Fundstelle

  • VersR 1986, 973 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz

In dem Rechtsstreit
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht Dr. ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 1. März 1985 teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 13.361, 85 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Dezember 1983 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Beklagte zu 3/4 und die Kläger zu je 1/12.

Die Kosten der zweiten Instanz fallen der Beklagten zu 9/10 und den Klägern zu je 1/30 zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer für die Beklagte: 13.361,85 DM.

Beschwer für die Kläger: 1.405,45 DM.

Entscheidungsgründe

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPC abgesehen.

2

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur in geringem Umfange sachlich gerechtfertigt. Sie hat nur Erfolg, soweit sie das Urteil des Landgerichts hinsichtlich der ausgeworfenen Mehrwertsteuer und des zuerkannten Ernteausfallschadens der Pflaumenbäume angreift.

3

1.

Die von dem Landgericht zur Berechnung der zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitigen Schadensersatzforderung angewandte Methode nach Koch ist nicht zu beanstanden. Dieses modifizierte Sachwertverfahren geht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH NJW 1975, 2061 ff. [BGH 13.05.1975 - VI ZR 85/74]) davon aus, daß bei der Zerstörung eines Baumes oder anderer Gehölze in der Regel kein Anspruch auf Naturalrestitution gemäß § 249 BGB besteht. Vielmehr beschränkt sich der Schadensersatzanspruch darauf, daß ein junger Baum oder das entsprechende Gehölz nachgepflanzt wird und im übrigen für die Werteinbuße des Grundstücks - das Gehölz ist nach § 94 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks - eine nach § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzende Entschädigung geleistet wird.

4

Soweit die Beklagte meint, die in Ansatz gebrachte "Methode Koch" sei auf Grundstücksflächen ohne Verkehrswert beschränkt und käme daher nur bei Gehölzen auf öffentlichen Grundstücken in Betracht, verkennt sie das angewandte Sachwertverfahren als Hilfsmethode gerade bei Grundstücken, denen ein Verkehrswert zukommt. Das Sachwertverfahren berücksichtigt nämlich neben den gewöhnlichen Herstellungskosten für die Bepflanzung und Erhaltung der jungen Gehölze auch die von Jahr zu Jahr abnehmende Wertdifferenz zwischen dem wiederbepflanzten und dem beschädigten Grundstück und läßt daher dessen Wert keinesfalls unberücksichtigt (vgl. Koch, NJW 1979, 2601 ff. [VG Karlsruhe 13.03.1978 - V - 135/77]).

5

Im übrigen übersieht die Beklagte, daß der Sachverständige in dem vom Landgericht eingeholten Gutachten auf den Grundstückszusammenhang abgestellt und seine nach Koch gewonnene Schadensermittlung in Relation zum Wert der Grundfläche gebracht und damit am Grundstückswert überprüft hat. Insoweit ist nicht zu beanstanden, daß er der das Grundstück zur Straße hin abgrenzenden Scheinzypressenhecke im Verhältnis zu dem übrigen Bewuchs des Grundstücks einen erheblichen Wert deswegen beigemessen hat, weil ihr für das unmittelbar dahinterstehende Wohnhaus eine besondere Wind-, Wärme- und Lärmschutzfunktion zukommt und sie damit einen wesentlichen Wertbestandteil des Grundstücks ausmacht.

6

2.

Die Beklagte hat daher die Kosten für die Beschaffung der nachzupflanzenden Gehölze, die Transport- und Pflanzkosten sowie die Aufwendungen für die Anwachspflege einschließlich des Anwachsrisikos zu tragen. Die von dem Landgericht im Anschluß an das eingeholte Gutachten insoweit ermittelten Kosten für die Scheinzypressenhecke, die Hainbuchenhecke, die Weißdornpflanzen, die Kletterrosen, die Heckenrose und die Pflaumenbäume von insgesamt 20.367,61 DM, sind hinsichtlich der Grundpreiseinordnung, bedürfen jedoch bezüglich des Mehrwertsteuersatzes der Korrektur. Der Gesamtpreis beinhaltet den früheren Mehrwertsteuersatz von 13 %, der heute nicht mehr gültig ist. Das hat auch das Landgericht erkannt. Der Steuersatz kann jedoch nicht, - worauf die Berufung zu recht abhebt - dadurch berichtigt werden, daß - wie von dem Landgericht vorgenommen - dem vom Sachverständigen einschließlich Mehrwertsteuer festgestellten Gesamtpreis 1 % von dieser Summe hinzugerechnet wird. Vielmehr ist zunächst von dem um die Mehrwertsteuer bereinigten Nettobetrag von 18.024,43 DM auszugehen, dem der berichtigte Steuersatz von 14 % zuzuschlagen ist. Danach ergibt sich ein Schadensbetrag von 20.547,85 DM.

7

Soweit die Beklagte einwendet, die in Ansatz gebrachten Solitärgehölze seien für die Anpflanzung einer Hecke, für die billigere Jungpflanzen genügten, nicht erforderlich, stehen dem die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... gegenüber, denen sich der erkennende Senat anschließt. Danach sind gerade im vorliegenden Fall Solitärgewächse, die einen kompakten Wuchs und breites Astwerk aufweisen, deswegen erforderlich, um einerseits die ursprüngliche Höhe der Hecke von ca. 4,50 m zu erreichen und andererseits die Schutzfunktion hinsichtlich des Straßenlärms und des Windes wiederherzustellen. Im übrigen ist nicht zu verkennen, daß bei der Verwendung der Solitärgehölze weniger Pflanzen benötigt und dadurch die höheren Kosten wieder vermindert werden.

8

Schließlich kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, das von dem Landgericht übernommene Gutachten berücksichtige lediglich hinsichtlich der Scheinzypressen, nicht jedoch bezüglich der Hainbuchen einen Mengenrabatt. Wie der Sachverständige vor dem Senat unangegriffen erläutert hat, liegt auch den Kosten für die Hainbuchenpflanzen ein Rabatt zugrunde.

9

3.

Der Beklagten ist jedoch darin zu folgen, daß das Landgericht zu Unrecht dem nach dem Gutachten festgestellten Wert des Klettergerüstes von 100 DM die Mehrwertsteuer von 14 DM zugeschlagen und für die vier Pflaumenbäume einen Ernteausfall in Höhe von insgesamt 1368 DM in Ansatz gebracht hat. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat insoweit ausgeführt, daß die Wertangabe für das Klettergerüst die Mehrwertsteuer bereits beinhalte und von einem Ernteverlust in Anbetracht des Alters der Pflaumenbäume nicht ausgegangen werden könne, weil der Ernteausfall während der Anwachsphase der jungen Bäume durch ihre längere Lebensdauer wettgemacht werde.

10

4.

Der den Klägern nach §§ 823, 249, 251 Abs. 2 BGB zustehende Schadensersatzanspruch beläuft sich somit auf insgesamt 20.647,85 DM (20.547,85 DM + 100 DM). Nachdem die Beklagte den Klägern hierauf außergerichtlich bereits 7.286 DM gezahlt hat, verbleibt eine offene Schadensersatzforderung von 13.361,85 DM, die unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens mit 4 % zu verzinsen ist.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.

12

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Entscheidung über die Beschwer war nach § 546 Abs. 2 ZPO zu treffen.

Beschwer für die Beklagte: 13.361,85 DM.

Beschwer für die Kläger: 1.405,45 DM.