Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 10.01.1986, Az.: 8 U 79/85
Nachträgliche Genehmigung einer vollmachtlosen Vertretung; Handeln eines Ehemannes als offener Stellvertreter für seine Ehefrau; Rückwirkender Wegfall eines vorläufigen Deckungsschutzes; Versagung des Versicherungsschutzes bei nicht unverzüglicher Zahlung einer Erstprämie
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.01.1986
- Aktenzeichen
- 8 U 79/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 19865
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1986:0110.8U79.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 28.02.1985 - AZ: 4 O 277/84
Rechtsgrundlage
- § 1 Abs. 2 S. 4 AKB
Fundstelle
- NJW-RR 1986, 1359-1360 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 1985
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. Februar 1985 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsbeschwer für die Klägerin 5.946,18 DM.
Tatbestand
Die Klägerin fordert Ersatz von Leistungen, die sie als Haftpflichtversicherer aus Anlaß eines Verkehrsunfalls an einen Dritten hat erbringen lassen, welcher am 19. Juli 1983 beim Zusammenstoß mit einem auf den Namen der Beklagten zugelassenen Kraftwagen zu Schaden gekommen war.
Die Klägerin hat vorgetragen: Die Beklagte habe am 20. Juni 1983 durch ihren Ehemann bei ihr den Abschluß einer Haftpflichtversicherung für ihren Kraftwagen BMW 320 (Kennzeichen: ...) beantragt und eine vorläufige Deckungszusage erhalten, mit deren Hilfe das Fahrzeug am 21. Juni 1983 zum Straßenverkehr zugelassen worden sei. Sie haben den Versicherungsschein nach Maßgabe des Antrags ausgefertigt und am 15. Juli 1983 der Beklagten mit der Aufforderung übersandt, die Erstprämie binnen zwei Wochen zu entrichten. Ihr Versuch, sich mit Hilfe einer ihr erteilten Einzugsermächtigung, welche sich auf ein Postscheckkonto des Ehemannes der Beklagten bezogen habe, bezahlt zu machen, sei mangels Deckung gescheitert. Davon habe sie am 8. August 1983 Kenntnis erlangt. Sie habe sodann die Beklagte mit Schreiben vom 12. August 1983 entsprechend unterrichtet und zugleich das Lastschriftverfahren "aufgehoben". Zu einem weiteren Versuch, die Prämie durch Lastschrift einzuziehen, sei sie nicht verpflichtet gewesen. Die der Beklagten erteilte vorläufige Deckung sei daher rückwirkend außer Kraft getreten. Für den Zeitpunkt des von ihr regulierten Haftpflichtschadens habe demgemäß kein Versicherungsschutz bestanden. Die Beklagte müsse deshalb ihre Leistungen von insgesamt 5.946,18 DM erstatten. Mit Einwendungen gegen ihre Erstattungspflicht sei die Beklagte ausgeschlossen. Sie habe dieser nämlich mit Schreiben vom 3. November 1983 mitgeteilt, daß sie die Gewährung von Deckungsschutz ablehne, und auf den Lauf der Klagfrist nach § 12 Abs. 3 VVG und die Rechtsfolge ihres ungenutzten Ablaufes hingewiesen. Gleichwohl habe die Beklagte Deckungsklage nicht erhoben.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 5.946,18 DM nebst 6 % Zinsen seit dem 19. Mai 1984 sowie von vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 7 DM zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert: Sie sei lediglich mitversicherte Fahrzeughalterin, nicht aber Versicherungsnehmerin und deshalb auch zur Prämienzahlung nicht verpflichtet gewesen. Ihr Ehemann habe bei der Anbahnung des Versicherungsvertrages nicht als ihr Vertreter gehandelt, sondern im eigenen Namen. Dem entspreche es, daß er der Klägerin eine Einziehungsermächtigung für sein Konto erteilt habe. - Daß die Klägerin im übrigen nicht früher zu der Erstprämie gekommen sei, welche sie erst lange nach dem Versicherungsfall am 23. September 1983 habe abbuchen lassen, beruhe auf ihrem verzögerlichen Verhalten. Daß bei rechtzeitigem. Abbuchungsversuch hinlängliche Deckung vorhanden gewesen sei, ergebe sich aus von ihr vorggelegten Kontoauszügen. Daß im übrigen die Klagfrist nicht gewahrt sei, sei rechtlich unerheblich. Die Klägerin habe nämlich die Ansprüche des geschädigten Dritten noch vor Ablauf der Klagfrist über das für die Niederlande zuständige Regulierungsbüro befriedigt, so daß es einer Deckungsklage nicht bedurft habe.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Beklagte im wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Gegen die ihr am 26. März 1985 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 25. April 1985 Berufung eingelegt, welche sie am 28. Mai 1985 (Dienstag nach Pfingsten) begründet hat.
Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, daß ihr Ehemann als Versicherungsnehmer zu betrachten sei, nicht jedoch sie, so daß sie als lediglich mitversicherte Person aufgrund Regreßverzichtsabkommens der Kraftfahrthaftpflichtversicherer einem Rückgriff nicht ausgesetzt sei. Entgegen der Auffassung des Landgerichts komme es auch aus Rechtsgründen nicht darauf an, daß sie die etwa durch das Schreiben der Klägerin vom 3. November 1983 in Lauf gesetzte Klagfrist nicht gewahrt habe; denn die Klägerin habe vor deren Ablauf den Geschädigten befriedigt. Einer Leistungsfreiheit der Klägerin stehe im übrigen entgegen, daß ihr Versicherungspolice und Zahlungsaufforderung nicht am 15. Juli 1983 zugegangen seien. Dies gelte weiter deshalb, weil die Klägerin nach fehlgeschlagenem Einziehungsversuch mit ihrem Schreiben vom 12. August 1983 erneut die Vereinbarung des Lastschriftverfahrens angeboten, dieses auch später durchgeführt und auf telefonische Anfrage erklärt habe, ihr, der Beklagten, würden Nachteile durch die verspätete Zahlung nicht erwachsen (Beweis: Ehemann der Beklagten als Zeuge).
Die Beklagte beantragt,
unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils die Klage vollen Umfangs abzuweisen.
Die Klägerin stellt den Antrag,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie räumt ein, den Geschädigten vor Ablauf der Klagfrist, nämlich am 17. Januar 1984 und am 20. Februar 1984 befriedigt zu haben. Sie hält jedoch das angefochtene Urteil im Ergebnis für richtig und wiederholt und ergänzt ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug. Insbesondere weist sie darauf hin, daß im ersten Rechtszug der alsbaldige Zugang von Vesicherungsschein und Zahlungsaufforderung unstreitig gewesen ist.
Zur Ergänzung der Sachdarstellung wird im übrigen auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Da die Klägerin den Unfallgeschädigten vor Ablauf der durch ihr Schreiben vom 3. November 1983 in Lauf gesetzten Klagfrist befriedigt hat, bedurfte es keiner Deckungsklage, um der Beklagten den Anspruch auf die - bereits erbrachte - Versicherungsleistung zu erhalten, so daß der Ablauf jener Klagfrist ihrer Sache nicht schadet. Zur Regulierung der Haftpflichtansprüche ist die Klägerin als Haftpflichtversicherer verpflichtet gewesen. Der auf der Deckungszusage der Klägerin beruhende vorläufige Versicherungsschutz, welcher mangels Einlösung des Versicherungsscheins bei Eintritt des Versicherungsfalls fortbestand, ist nämlich nicht rückwirkend deshalb weggefallen, weil die Beklagte die Erstprämie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins entrichtet hat.
1.
Allerdings besteht kein Zweifel daran, daß die Beklagte - und nicht etwa ihr Ehemann - die Haftpflichtversicherung genommen hat. - Der Erklärungswert des Antrags vom 20. Juni 1983, in welchem die Beklagte unter Angabe ihrer persönlichen Daten als Antragstellerin genannt ist, ist eindeutig. Ihr Ehemann hat als offener Stellvertreter für sie gehandelt. Sollte er seinerzeit keine Vollmacht der Beklagten gehabt haben, so schadet das nichts. Spätestens mit dem Zugang des Versicherungsscheins nämlich, dessen Empfang als solchen die Beklagte nicht bestreitet (nur der Zeitpunkt des Zugangs wird in Frage gestellt), hat sie erkannt, daß sie selbst als Versicherungsnehmerin in Erscheinung getreten war. Indem sie dies weder gegenüber ihrem Ehemann noch gegenüber der Klägerin beanstandet hat, hat sie eine etwa vollmachtlose Vertretung jedenfalls nachträglich genehmigt. Dafür spricht auch, daß sie selbst unter ihrem eigenen Namen als Versicherungsnehmerin die Schadensmeldung erstattet hat. Die Beklagte beruft sich daher zu Unrecht auf das Regreßverzichtsabkommen der Kraftfahrthaftpflichtversicherer, denn sie ist nicht lediglich mitversicherte Person gewesen.
2.
Die tatsächlichen Voraussetzungen für einen rückwirkenden Wegfall des vorläufigen Deckungsschutzes sind jedoch nicht erfüllt, so daß die Klägerin zur Entschädigung des Dritten und damit zur Freistellung der Beklagten von der Haftpflichtforderung verpflichtet gewesen ist, obwohl der Versicherungsschein erst mit erheblicher Verspätung eingelöst worden ist.
a)
Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 AKB tritt die vorläufige Deckung rückwirkend außer Kraft, wenn der Antrag auf Versicherung unverändert angenommen, der Versicherungsschein aber nicht spätestens innerhalb von 14 Tagen eingelöst wird und der Versicherungsnehmer die Verspätung zu vertreten hat. Die Rechtsprechung (vgl. grundlegend BGHZ 47, 352 ff.) hat als zusätzliche den Schuldvorwurf erst rechtfertigende Tatbestandsvoraussetzung gefordert, daß der Versicherer den Versicherungsnehmer in der Zahlungsaufforderung auf die Rechtsfolge des rückwirkenden Verlustes des vorläufigen Deckungsschutzes hinzuweisen habe. Dies entspricht seither ständiger Rechtsprechung und herrschender Auffassung in der Literatur (vgl. nur Stiefel-Hofmann, 12. Aufl., Rdn 78 zu § 1 AKB; Prölss-Martin, 23. Aful., Anm. 2 zu § 1 AKB; jeweils mit weiteren Nachweisen). Auch die Kraftfahrthaftpflichtversicherer haben diese rechtliche Würdigung als zutreffend anerkannt, indem sie sich durch geschäftsplanmäßige Erklärung (vgl. VerBAV 1969, S. 79) verpflichtet haben, den Versicherungsschutz nur zu versagen, wenn zuvor der Versicherungsnehmer schriftlich auf die Folgen nicht unverzüglicher Zahlung der Erstprämie hingewiesen worden war. Dem ist zuzustimmen; denn solange dem Versicherungsnehmer nicht ausdrücklich gesagt worden ist, welche einschneidende Folge in Gestalt des rückwirkenden Wegfalls des vorläufigen Versicherungsschutzes ihm bei nicht rechtzeitiger Prämienzahlung droht, träfe ihn solche Folge bei weitem zu hart, weil überraschend.
b)
Nun hat zwar die Beklagte ersichtlich nicht dafür gesagt, daß auf dem Postscheckkonto ihres Ehemannes, aus welchem die Klägerin sich wegen der Prämien bedienen sollte und wollte, zu dem Zeitpunkt Deckung vorhanden gewesen ist, als mit der Einforderung durch die Klägerin zu rechnen war. Dies hat jedoch zu einem rückwirkenden Verlust des vorläufigen Deckungsschutzes jedenfalls deshalb nicht führen können, weil es die Klägerin an der nach dem oben Gesagten notwendigen Belehrung über die Rechtsfolgen nicht rechtzeitiger Einlösung hat fehlen lassen. - Die Verpflichtung der Beklagten zu rechtzeitiger Zahlung der Erstprämie war durch die Vereinbarung, die Klägerin solle diese von dem Postscheckkonto des Ehemannes der Beklagten abbuchen, von einer Bringschuld in eine Holschuld umgewandelt worden. Für solche Fälle ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. VersR 1985, S. 447 f., insbesondere S. 448 unter Nr. II 1) die Erstprämie durch Einreichung des Lastschriftbelegs über die Erstprämiensumme bei der vom Versicherungsnehmer als Zahlstelle benannten Beank anzufordern, und dies ist dem Versicherungsnehmer in geeigneter Weise vorab anzukündigen, damit er für Deckung sorgen kann. Dies mag nun zwar in dem "Begleitschreiben zum Versicherungsschein" der Klägerin geschehen sein. Die im Falle der Kraftfahrthaftpflichtversicherung notwendige Belehrung über die Rechtsfolgen vespäteter Einlösung ist darin jedoch nicht zu finden. Die Klägerin hat nämlich auf das rückwirkende Außerkrafttreten einer vorläufigen Deckungszusage ausdrücklich nur für den Fall hingewiesen, daß eine Einzugsermächtigung nicht erteilt sei. Für den hier gegebenen Fall, daß eine solche Einzugsermächtigung vorlag, hat sie im Gegenteil ausdrücklich erklärt, die "folgenden Hinweise", in welchen sich die erforderliche Belehrung findet, seien für die Beklagte "ohne Bedeutung". Dies aber konnte der Beklagten ebensowenig wie einem gedachten durchschnittlichen Versicherungsnehmer die notwendige Erkenntnis verschaffen, im Falle mangelnder Deckung bei einem Abbuchungsversuch der Klägerin laufe sie Gefahr, den Schutz aus der vorläufigen Deckungszusage rückwirkend zu verlieren. Vielmehr nötigte der Inhalt des Begleitschreibens geradezu die Fehlvorstellung auf, im Falle einer Einzugsermächtigung brauche der Versicherungsnehmer nichts zu tun, um sich vorläufigen Versicherungsschutz zu erhalten, vielmehr werde die Klägerin selbst die erforderlichen Handlungen vornehmen. Nur ergänzend sei bemerkt, daß auch in der späteren Mitteilung der Klägerin vom 12. August 1983 der rechtliche Sachverhalt keineswegs deutlich und verständlich dargestellt, sondern vielmehr durch irreführende Mitteilungen verschleiert wird. Dort ist nämlich - für den Fall der Beklagten unzutreffend - bemerkt, es bestehe "noch kein" Versicherungsschutz, obwohl in Wahrheit vorläufiger Deckungsschutz bestand; dagegen wird mit keinem Wort deutlich gemacht, daß nunmehr nach "Aufhebung" des Einzugsverfahrens die Beklagte Zahlung zu leisten habe; vielmehr wird diese lediglich vor die Wahl gestellt, entweder selbst zu überweisen oder eine neue Lastschriftermächtigung auszustellen, so daß jenem Schreiben nicht einmal mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden konnte, ob die Klägerin nunmehr eigene Bemühungen der Beklagten zur Begleichung der Prämienschuld erwarte oder ob sie mit einer neuen Einzugsermächtigung jedenfalls vorerst zufrieden sei.
Bei dieser Sachlage bleibt zum Nachteil der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin jedenfalls die Frage offen, ob die Beklagte den nicht fristgerechten Eingang der Erstprämie zu vertreten habe. Davon aber hängt nach § 1 Abs. 2 Satz 4 AKB die rückwirkende Freistellung der Klägerin von der Gefahrtragung aufgrund ihrer vorläufigen Deckungszusage ab.
Da sich die Klage schon aus diesem Grunde als ungerechtfertigt erweist, kommt es auf die weiteren zwischen den Parteien umstrittenen Punkte nicht an.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil findet unzweifelhaft nicht statt. Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Zwar hat - soweit feststellbar - bisher der Bundesgerichtshof keinen Streitfall entschieden, in welchem der rückwirkende Wegfall einer vorläufigen Deckungszusage bei fehlgeschlagenem Bankeinzugsverfahren in Rede stand. Die vorstehende Entscheidung des Senats verbindet jedoch lediglich Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowohl zum Bankeinzugsverfahren als auch zur Notwendigkeit einer Rechtsfolgenbelehrung bei der Erstprämienanforderung, enthält also keine grundlegend neuen Gedanken, deren höchstrichterliche Überprüfung geboten wäre.
Streitwertbeschluss:
Entscheidungsbeschwer für die Klägerin 5.946,18 DM.