Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 07.03.2008, Az.: 2 B 45/08
Ausweisungsgrund; berufsbegleitendes Studium; Fernstudium; Selbststudium; Studium; Wochenendstudium
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 07.03.2008
- Aktenzeichen
- 2 B 45/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 55081
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs 1 AufenthG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Keine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG für ein berufsbegleitendes Studium.
Gründe
I.
Der am … in E., F., geborene Antragsteller ist israelischer Staatsangehöriger und reiste am 01.05.2001 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein.
Vom 08.09.2003 bis zum 07.09.2006 besuchte er die G. -H. -Schulen in I. J. -K., um sich zum Physiotherapeuten ausbilden zu lassen. Hierfür erteilte ihm die Antragsgegnerin fortlaufend, zuletzt gültig bis zum 20.10.2006, Aufenthaltserlaubnisse. Am 07.09.2006 bestand er die staatliche Prüfung für Physiotherapeuten.
Am 29.01. und 28.06.2007 stellte er erneute Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Dahinter stand der Wunsch des Antragstellers, an der privaten “DIPLOMA- Fachhochschule Nordhessen“ Physiotherapie zu studieren. Nachdem der Antragsteller an der Fachhochschule zunächst als Gasthörer eingeschrieben war, wurde er zum 31.12.2007 exmatrikuliert, weil er die Studiengebühren schuldig blieb.
Der Antragsteller ist mit Strafbefehlen des Amtsgerichts L..- M. von Mai und September 2007 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 900,00 Euro verurteilt worden. Dass Strafverfahren gegen ihn anhängig waren, gab er bei seinen Anträgen auf Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis nicht an.
Mit Bescheid vom 21.08.2007 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab, forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, und drohte für den Fall der Nichtbefolgung seine Abschiebung nach F. oder in einen anderen Staat an, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, an.
Zur Begründung führte sie an, bei dem Studium an der “DIPLOMA Fachhochschule“ handele es sich um ein Fern- bzw. Wochenendstudium. Für ein solches könne eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG nicht erteilt werden. Zudem habe der Antragsteller in seinen Anträgen vom 29.01. und 28.06.2007 falsche Angaben gemacht, indem er den Erlass zweier Strafbefehle wegen Führen eines Kraftfahrzeuges ohne erforderliche Fahrerlaubnis verschwiegen habe, obwohl er nach § 55 AufenthG zu vollständigen Angaben verpflichtet gewesen sei.
Nachdem der Antragsteller von der “DIPLOMA Fachhochschule“ exmatrikuliert worden war, schloss er unter dem 11.02.2008 mit der privaten “ N. -Akademie“ einen Studienvertrag. Danach will der Antragsteller, beginnend mit dem 05.04.2008, ein dreijähriges Studienprogramm absolvieren, um einen Bachelor-Abschluss im Studiengang Physiotherapie zu erlangen. Das zwei Jahre dauernde Grundstudium ist in O. zu absolvieren. Während des Grundstudiums finden berufsbegleitend einmal monatlich an einem Samstag Theorieveranstaltungen statt. Zusätzlich wird einmal jährlich eine Woche Blockunterricht erteilt. Nach telefonischer Auskunft einer Mitarbeiterin der “ N. -Akademie“ wird der Studienkurs wie beabsichtigt durchgeführt werden. Nach Ablauf der zwei Jahre findet das Hauptstudium an einer Universität in den Niederlanden statt.
Gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.08.2007 hat der Antragsteller am 27.09.2007 Klage erhoben. Am 14.01.2008 hat er zudem einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
Zur Begründung seines Begehrens trägt er vor, er habe die Möglichkeit ab, April die “ N. -Schulen“ in O. und daran anschließend eine Hochschule in P. zu besuchen. Für das Grundstudium in O. müsse die Antragsgegnerin ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen und dementsprechend von weiteren aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen, sowie ihm für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe ab Antragstellung zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Sie trägt vor, auch bei dem Studium an der “ N. -Akademie“ in O. handele es sich nicht um ein Hochschulstudium, für das eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG in Betracht komme. Das vom Antragsteller angestrebte Studium stelle nicht den Hauptzweck seines Aufenthalts dar, da es lediglich berufsbegleitend absolviert werde und mithin der Schwerpunkt seines Aufenthaltes die Tätigkeit als Physiotherapeut sei. Zudem erfülle der Antragsteller nach wie vor nicht die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beschlussfassung gewesen.
II.
Die Kammer lässt offen, ob der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist. Denn er ist jedenfalls nicht begründet. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin aller Voraussicht nach einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.08.2007 ist auch unter Berücksichtigung der nunmehr geänderten Studienplanungen des Antragstellers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtlich nicht zu beanstanden.
Auf § 16 Abs. 1 AufenthG kann sich der Antragsteller für sein Begehren nicht berufen. Danach kann einem Ausländer u.a. zum Zweck des Studiums an einer staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung einschließlich der studienvorbereitenden Maßnahmen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.
Da der Antragsteller an der “DIPLOMA Fachhochschule Nordhessen“ exmatrikuliert worden ist, kann dieses Studium ihm schon aus diesem Grund ein Aufenthaltsrecht nicht vermitteln. Gleiches gilt auch für das nunmehr beabsichtigte Grundstudium an der “ N. -Akademie“ in O..
Denn nach dem Sinn und Zweck des § 16 AufenthG findet die Vorschrift nur Anwendung, wenn es sich bei dem Studium des Ausländers um den Hauptzweck seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik handelt. Stehen andere Aspekte wie z.B. die Erwerbstätigkeit im Vordergrund, sind aufenthaltsrechtlich andere, hier nicht einschlägige Vorschriften anzuwenden. Ein Abend-, Wochenend- oder Fernstudium, bei dem das Studium schon von der rein zeitlichen Inanspruchnahme des Ausländers nicht im Vordergrund steht, genügt den Anforderungen des § 16 AufenthG damit nicht (Renner, AuslR, 8. Aufl. § 16 Rn. 5; GK-AufenthG, § 16 Rn. 10). Ein solches Wochenend- oder Fernstudium beabsichtigt der Antragsteller indes. Ausweislich der Internetpräsenz der “ N. -Schulen“ (www.doepfer-schulen.de) und des vorgelegten Studienvertrags wird das Grundstudium überwiegend im Selbststudium erarbeitet. Eine Anwesenheitspflicht besteht durchschnittlich nur für einen Tag im Monat und eine einzige Woche Blockunterricht im gesamten Jahr. Für die Zeit des Grundstudiums ist der Antragsteller auch nicht immatrikuliert. Der Immatrikulationsstatus wird erst im Hauptstudium erreicht, wenn sich die Studierenden an der niederländischen Hochschule “Thim van der Laan“ einschreiben. Erklärtermaßen soll das Studium berufsbegleitend sein. Der Schwerpunkt seines Aufenthalts liegt somit für den Antragsteller nicht auf dem Studium, sondern der Ausübung seines erlernten Berufs als Physiotherapeut. Auch wenn der Antragsteller beabsichtigen sollte, sich während des Grundstudiums eigenständig fortzubilden, vermittelt dies einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG nicht. Ein solches Selbststudium stellt kein Studium im Sinne von § 16 AufenthG dar (vgl. Beschluss der 4. Kammer des Gerichts vom 16.02.2006 -4 B 208/05-).
Zudem scheitert die Erteilung des vom Antragsteller begehrten Aufenthaltstitels an § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, der festlegt, dass eine Aufenthaltserlaubnis in der Regel nur erteilt werden kann, wenn kein Ausweisungsgrund vorliegt. Ein solcher Grund ist jedoch nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG gegeben. Denn der Antragsteller hat bei seinen Anträgen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verschwiegen, dass Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis anhängig waren, die schließlich zu zwei Strafbefehlen geführt haben. Anhängig waren diese Verfahren seit dem 20.10.2006 (Cs 85 Js 15505/07) und dem 13.03.2007 (Cs 93 Js 11383/07), sodass der Antragsteller bei Antragstellung um die Anhängigkeit der Verfahren gewusst hat. Der Einwand des Antragstellers, er habe sowohl von der Polizei als auch von der Führerscheinbehörde falsche Informationen erhalten, überzeugt dagegen nicht. Nach dem Antragsformular auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wird ausdrücklich danach gefragt, ob zur Zeit ein Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller läuft. Diese Frage hat er bewusst wahrheitswidrig beantwortet.
Ob der Antragsteller die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt, kann in Anbetracht obiger Ausführungen offen bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. In Anbetracht der Vorläufigkeit der begehrten Regelung ist der nach dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgesehene Streitwert von 5.000,00 Euro zu halbieren (vgl. Nrn. 1.5, 8.1. des Streitwertkatalogs, NVwZ 2004, S. 1327).
Der Antrag des Antragsstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorläufige Rechtsschutzverfahren ist gemäß §§ 166 VwGO i.V.m. 114 Abs. 1, 121 ZPO wegen fehlender Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs aus den obigen Gründen zu versagen.