Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 12.11.1997, Az.: 3 B 3339/97
Anforderungen an das Verfahren bezüglich einer Entlassungsverfügung ; Recht des Beamten, den Vorbereitungsdienst beenden und die Laufbahnprüfung ablegen zu dürfen ; Entlassung aus Beamtenverhältnis auf Widerruf
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 12.11.1997
- Aktenzeichen
- 3 B 3339/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 15153
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:1997:1112.3B3339.97.0A
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- ZBR 1998, 148
Verfahrensgegenstand
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf
Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Prozessführer
Polizeimeister-Anwärter ...
Rechtsanwälte ... und andere, ...
Prozessgegner
...
In der Verwaltungsrechtssache
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen
am 12. November 1997
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.711,00 DM festgesetzt.
Gründe
Der zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Entlassungsverfügung des Antragsgegners vom 29.07.1997 wiederherzustellen, hat keinen Erfolg.
Der Antragsteller kann die begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht verlangen, weil das öffentliche Interesse an der (gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend begründeten, vgl. hierzu OVG Münster, Beschluß vom 05.07.1994 - 18 B 1171/94 -, NWVBl. 1994, 424/425) sofortigen Vollziehung der Entlassung des Antragstellers aus dem Polizeidienst des Landes Niedersachsen mit Ablauf des 30.09.1997 das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs überwiegt. Soweit bei summarischer Prüfung festgestellt werden kann, ist die verfügte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Entlassungsverfügung ist im Blick auf das bei ihrem Zustandekommen eingeschlagene Verfahren rechtlich nicht zu beanstanden. Die Entlassungsbefugnis des Antragsgegners ergibt sich aus § 41 Abs. 1 Satz 2 NBG i.V.m. Nr. 1.2.3 des Beschlusses der Landesregierung vom 07.06.1994 (Bek. vom 08.06.1994, Nds. MBl. S. 995), geändert durch Beschluß vom 30.08.1994 (Bek. vom 14.09.1994, Nds. MBl. S. 1299), und Nr. 1.2.5 des Runderlasses des MI vom 29.04.1997 (Nds. MBl. S. 896). Die Entlassungsfrist des § 41 Abs. 5 NBG (6 Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres) ist gewahrt. Vor der Entlassung wurde der Antragsteller durch die frühere Landespolizeischule Niedersachsen, deren Rechtsnachfolger der auch dessen fachliche Leistung mit in die Abwägung einzubeziehen hat. Die Garantie der Ausbildungsfreiheit wird dadurch nicht verletzt. Die Ausbildung des Antragstellers zielt lediglich auf den Polizeiberuf (mittlerer Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen), hat also nicht den Charakter einer allgemeinen Ausbildung i.S.v. Art. 12 Abs. 1 GG. Dem entspricht es, daß der Antragsgegner auch bei Geltung der Schutzvorschrift des § 40 Abs. 2 Satz 1 NBG Fragen der persönlichen und fachlichen Eignung des Antragstellers für den mittleren Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen berücksichtigt.
Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze ist die angefochtene Entlassungsverfügung vom 29.07.1997 rechtlich nicht zu beanstanden, weil der Antragsgegner aller Voraussicht nach zu Recht davon ausgegangen ist, daß sich der Antragsteller für den Beruf eines Polizeibeamten als ungeeignet erwiesen hat und er demzufolge mit Ablauf des 30.09.1997, dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens seiner sofort vollziehbaren Entlassung, einem anderen geeigneten Polizeimeister-Anwärter Platz machen muß. Die zum gleichen Zeitpunkt erfolgte Einstellung der Anwärterbezüge ist gerechtfertigt, weil der Vorbereitungsdienst nicht der Unterhaltssicherung eines nicht geeigneten Anwärters dient.
Bei zusammenfassender Sichtung und Würdigung der ihr vorliegenden Unterlagen hält die Kammer die von dem Antragsgegner vorgenommene Einschätzung, der am 05.08.1965 geborene und am 04.10.1994 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Polizeimeister-Anwärter ernannte Antragsteller habe sich insbesondere im Praktikum Einzeldienst als für den Polizeiberuf ungeeignet erwiesen, für rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner stützt sich hierbei auf die Stellungnahme der Polizeiinspektion ... (Praktikumszeit 01.04.1996 bis 15.09.1996; Beiakte B), auf die Stellungnahme der Polizeiinspektion Antragsgegner ist, ordnungsgemäß i.S.v. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 28 VwVfG angehört. Ferner wurde das Mitbestimmungsrecht des Personalrats aus § 65 Abs. 1 Nr. 13 Nds. PersVG beachtet.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Entlassungsverfügung vom 29.07.1997 ist § 40 NBG. Der für das Beamtenverhältnis auf Widerruf geltende Grundsatz der jederzeitigen, wenn auch einen sachlichen Grund voraussetzenden Widerrufbarkeit gemäß § 40 Abs. 1 NBG wird für die Fälle des Vorbereitungsdienstes dahingehend eingeschränkt, daß dem Beamten Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die für seine Laufbahn vorgeschriebene Prüfung abzulegen (§ 40 Abs. 2 Satz 1 NBG). Daraus ergibt sich indes kein Recht des Beamten, in jedem Fall den Vorbereitungsdienst beenden und die Laufbahnprüfung ablegen zu dürfen. § 40 Abs. 2 Satz 1 NBG bedeutet lediglich eine Einschränkung des dem Dienstherrn in § 40 Abs. 1 NBG eingeräumten Ermessens dahingehend, daß die Entlassung nur aus Gründen statthaft ist, die mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf im Einklang stehen. Bestehen ernsthafte Zweifel, daß der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes, nämlich den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Beamtenlaufbahn, erreichen kann - insbesondere weil er unzulängliche Leistungen erbringt -, so kann er aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.1981 - 2 C 48.78 -, BVerwGE 62, 267/269 f.; BVerwG, Beschluß vom 17.02.1995 - 1 DB 35.94 -, Buchholz 235 § 126 BDO Nr. 1 S. 1/2 f.; Bay. VGH, Beschluß vom 03.03.1994 - 3 CS 93.3817 -, in: Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: Oktober 1995, ES/A II 5.1 Nr. 55 S. 207/208). Auch § 40 Abs. 2 Satz 1 NBG setzt einen persönlich und fachlich geeigneten Beamten (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 NBG) voraus. Dies bedeutet, daß der Antragsgegner bei seiner das Ausbildungsverhältnis des Antragstellers betreffenden Entscheidung nicht nur dessen persönliche Eignung, sondern ordnungsgemäß ausgebildet worden. Der Antragsteller hat im Rahmen des Vorbereitungsdienstes die Fähigkeit und Bereitschaft vermissen lassen, mit Kolleginnen und Kollegen vertrauensvoll zusammenzuarbeiten und dabei die berechtigte Kritik anderer offen aufzunehmen und angemessen zu berücksichtigen. Er ist - wie die diversen der Kammer vorliegenden Unterlagen zeigen - ein im Kollegenkreis ersichtlich nicht akzeptierter Einzelgänger, der auf eigene Fehler in keiner Weise selbstkritisch reagiert und der die Gründe für eigene fachliche bzw. persönliche Unzulänglichkeiten in erster Linie bei anderen sucht. Exemplarisch deutlich wird dies unter anderem an seinem Verhalten im August 1996, als seine Ex-Freundin an ihrem Arbeitsplatz in ... Beamte der Polizeistation ... Polizeidirektion ... um polizeiliche Hilfe bat, weil sie sich vom Antragsteller seit mehreren Wochen nachhaltig belästigt fühlte. Hierauf kurze Zeit später im Rahmen seiner Ausbildung im Praktikum Einzeldienst bei der Polizeiinspektion ... angesprochen, behauptete der Antragsteller diesbezüglich unter anderem, die Beamten der Polizeidirektion Hannover hätten ihm seinerzeit "aufgelauert" (vgl. den in der Ausbildungsakte enthaltenen Gesprächsvermerk vom 06.09.1996; Beiakte C zu 3 B 3230/97). Bei zusammenfassender Gesamtschau kann im vorliegenden Fall nach Ansicht der Kammer nicht festgestellt werden, daß die Einschätzung des Antragsgegners, der Antragsteller habe sich im Vorbereitungsdienst wegen mangelnder Leistung und wegen mangelnder Eignung nicht bewährt, in der Sache unzutreffend sein könnte. Demzufolge durfte der Antragsteller rechtsfehlerfrei unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Ablauf des 30.09.1997 aus dem Widerrufsbeamtenverhältnis entlassen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
... (Praktikumszeit 16.09.1996 bis 31.03.1997; Beiakte A) und auf die Stellungnahme der Polizeiinspektion ... (Praktikumszeit 01.04.1997 bis 15.05.1997), die jeweils übereinstimmend - und für die Kammer hinreichend nachvollziehbar - zu dem Schluß gekommen sind, der Antragsteller erfülle aufgrund erheblicher fachlicher, persönlicher und sozialer Defizite (gerügt wurden u.a. nachhaltig unzureichende fachliche Leistungen und deutliche Mängel im Einsatzverhalten, eine durchgängig fehlende Grundmotivation und eine mangelnde Leistungsbereitschaft) nicht die an einen Beamten des mittleren Polizeivollzugsdienstes zu stellenden Mindestanforderungen. Konkrete Anhaltspunkte für die Behauptung des Antragstellers, beim Antragsgegner bzw. der früheren Landespolizeischule ... bzw. bei den drei Polizeiinspektionen ... und ... habe man "gezielt" Entlassungstatbestände "gesammelt", sind für die Kammer schlechterdings nicht ersichtlich. Bereits während des Grundausbildungslehrgangs, also noch vor Beginn des Praktikums Einzeldienst, wurde der Antragsteller mehrfach von seinen Lehrern und Ausbildern auf sein Verhalten und seine Einstellung angesprochen (vgl. die Stellungnahmen vom 16.04., 19.04., 28.04. und 09.05.1997; Beiakte. D). Auch im Praktikum Einzeldienst fanden - wie sich mit Eindeutigkeit aus den vorliegenden Stellungnahmen der Polizeiinspektionen ... und ... ergibt - wiederholt Gespräche über seine Defizite statt, ohne daß der Antragsteller eine konkrete und nachhaltige Einstellungs- und Verhaltensänderung zeigte. Da deutlich negative Eindrücke vom Antragsteller nahezu ausnahmslos alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte hatten, die mit der theoretischen und/oder praktischen Ausbildung des Antragstellers befaßt waren, erscheint die Mutmaßung des Antragsteilers, bestimmte Personen (gruppen) hätten sich gleichsam "gegen ihn verschworen", um ihn aus dem Polizeidienst zu drängen, offensichtlich fernliegend und rein spekulativ. Unzutreffend ist auch die Behauptung des Antragstellers, er sei nicht. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1b-2, Alternative - GKG. Danach ist von der Hälfte des 13-fachen Anwärtergrundbetrages zuzüglich eines Anwärtersonderzuschlages auszugehen, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluß vom 22.03.1996 - 2 M 1271/96 - S. 5). Daraus ergibt sich ein Streitwert von (1.676,00 DM × 6,5 = 10.894,00 DM + 528,00 DM = 11.422,00 DM: 2 =) 5.711,00 DM.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.711,00 DM festgesetzt.
Dr. Rudolph,
Dr. Möller