Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 27.02.1996, Az.: 2 W 166/95
Voraussetzungen der Bestellung eines Sonderprüfers für die Prüfung der geschäftlichen Beziehungen einer abhängigen Gesellschaft zu einem herrschenden Unternehmen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 27.02.1996
- Aktenzeichen
- 2 W 166/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 15510
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1996:0227.2W166.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 02.08.1995 - AZ: 22 T 2/95
Rechtsgrundlage
- § 315 S. 1 AktG
Fundstellen
- AG 1996, 271-273 (Volltext mit amtl. LS)
- BB 1996, 1321-1323 (Volltext)
- DB 1996, 1508-1509 (amtl. Leitsatz)
- EWiR 1996, 583 (Volltext mit red. LS u. Anm.) "VW AG"
- NJW 1996, 2888 (amtl. Leitsatz) "VW-AG"
- ZIP 1996, A46 (Kurzinformation)
- ZIP 1996, 875-878 (Volltext mit red. LS)
In der Handelsregistersache
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch ...
am 27. Februar 1996 beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluß des Landgerichts Braunschweig vom 02.08.1995 wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin ist Aktionärin der Volkswagen Aktiengesellschaft. Von den 27.000.000 Stammaktien der Volkswagen AG halten das Land Niedersachsen 20.000 und die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft mbH 5.380.000, zusammen 20% der stimmberechtigten Aktien. Das Land Niedersachsen ist Alleingesellschafter der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft. Gegenstand dieses Unternehmens ist das Halten und Verwalten von Beteiligungen an Unternehmen im Interesse des Landes Niedersachsen. Die Gesellschaft ist außerdem maßgeblich beteiligt an der Messe AG, Flughafen GmbH und den Niedersächsischen Spielbanken. Das Land Niedersachsen ist außerdem über einen - so die Beschwerdeführerin - "Niedersachsen Pool" mit 18 % am Grundkapital der Continental AG sowie über eine Niedersachsen Holding GmbH an der Preussag AG beteiligt
Auf den Hauptversammlungen der Volkswagen AG war in den Jahren 1990 bis 1994 das stimmberechtigte Grundkapital jeweils mit weniger als 39 % vertreten (nach Angaben der Beschwerdeführerin zwischen 35,80 und 38,87%, Schriftsatz vom 21. Juli 1994, S. 4; nach Angabe der Beschwerdegegner in den Jahren 1989 bis 1994 zwischen 36,07 % und 38,29 %, Schriftsatz vom 23.01.1995, S. 7).
Das Land Niedersachsen ist berechtigt, zwei Mitglieder des Aufsichtsrats der Volkswagen AG zu benennen (§ 4 Abs. 1 VW-Gesetz und § 12 der Satzung der Volkswagen AG). Diese Mandate werden zur Zeit vom Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen und dem Sozialminister wahrgenommen.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, das Land Niedersachsen übe als "herrschendes Unternehmen" unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß auf die Volkswagen AG als abhängiges Unternehmen aus (§ 17 AktG). Sie hat deshalb in der Hauptversammlung vom 01.06.1994, deren Gegenstand das Geschäftsjahr 1993 war, die Auffassung vertreten, der Vorstand der Volkswagen AG habe einen Abhängigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 1993 zu erstatten. Der Vorstand Dr. N. antwortete darauf, daß man diese Frage für das laufende Geschäftsjahr prüfen werde. Die Hauptversammlung erteilte Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung.
Mit ihrem beim Amtsgericht Wolfsburg am 22. Juli 1994 eingegangenen Schriftsatz regte die Beschwerdeführerin an, als Vorstandsmitglieder der Volkswagen AG aufzufordern, innerhalb einer angemessenen Frist einen Abhängigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 1993 zu erstellen und ihnen ein Zwangsgeld anzudrohen, falls sie dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachkommen sollten. Mit Beschluß vom 13.03.1995 lehnte das Amtsgericht Wolfsburg ab, ein entsprechendes Verfahren einzuleiten mit der Begründung, daß weder das Land Niedersachsen als Unternehmen i.S.v. § 17 AktG anzusehen sei noch die Volkswagen AG ein vom Land Niedersachsen abhängiges Unternehmen sei. Die gegen diesen Beschluß gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin wies das Landgericht Braunschweig durch Beschluß vom 2. August 1995 zurück. Dagegen wendet sich die weitere Beschwerde.
II.
1.
Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdeführerin ist berechtigt, weitere Beschwerde einzulegen (§§ 29 Abs. 4, 20 Abs. 1 FGG) weil sie in ihren Rechten dadurch beeinträchtigt ist, daß ihre Erstbeschwerde vom Landgericht zurückgewiesen wurde.
2.
Der Senat hält die Weitere Beschwerde für begründet.
a.
Die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Wolfsburg vom 13.03.1995 war zulässig. Insbesondere war die Beschwerdeführerin zur Einlegung ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluß berechtigt. Beschwerdebefugt ist nur derjenige, dessen Recht durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird (§ 20 Abs. 1 FGG), falls die angefochtene Entscheidung unrichtig ist Durch die Ablehnung des Amtsgerichts Wolfsburg, die Antragsgegner zum Aufstellen eines Abhängigkeitsberichtes aufzufordern, ist das Recht der Beschwerdeführerin auf Sonderprüfung (§ 315 AktG) beeinträchtigt.
Ein Aktionär kann beanspruchen, daß das Registergericht unter den in § 315 Satz 1 AktG genannten Voraussetzungen Sonderprüfer bestellt, um die geschäftlichen Beziehungen einer abhängigen Gesellschaft, deren Aktionär er ist, zu einem herrschenden Unternehmen zu prüfen. Dieser Anspruch des Aktionärs dient der Vorbereitung, ggfs. Ansprüche auf Ersatz eigenen Schadens (§ 317 Abs. 1 Satz 2 AktG) oder Schadens der Gesellschaft (§ 317 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 mit § 309 Abs. 4 Satz 1 und 2 AktG) gegen das herrschende Unternehmen und gesetzliche Vertreter (§ 317 Abs. 3 AktG) geltend zu machen, wenn ein herrschendes Unternehmen eine abhängige Gesellschaft veranlaßt, ein für diese nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen, ohne den Nachteil tatsächlich auszugleichen (§ 317 Abs. 1 Satz 1 AktG). Der Anspruch auf Sonderprüfung kann im Rechtsweg mit sofortiger Beschwerde verfolgt werden (§ 315 Satz 2 AktG), ist also auch insofern als eigenes subjektives Recht des Aktionärs ausgestaltet
Der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Sonderprüfung wird dadurch beeinträchtigt, daß das Gericht es abgelehnt hat, die Antragsgegner zur Aufstellung eines Abhängigkeitsberichts aufzufordern. Die Beschwerdeführerin kann einen Antrag auf Sonderprüfung nur verfolgen, wenn zuvor der Vorstand der Volkswagen AG einen Abhängigkeitsbericht aufgestellt hat. Der Antrag auf Sonderprüfung setzt einen Abhängigkeitsbericht des Vorstands voraus mit eingeschränktem oder versagtem Bestätigungsvermerk des Abschlußprüfers zum Bericht (§ 315 Satz 1 Nr. 1 mit § 313 Abs. 4 AktG), Einwendungen des Aufsichtsrats gegen die Erklärung des Vorstands am Schluß des Berichts (§ 315 Satz 1, Nr. 2 mit § 314 Abs. 3 AktG) oder der Erklärung des Vorstands des abhängigen Unternehmens über benachteiligende Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte in seinem Bericht (§ 315 Satz 1 Nr. 3 mit § 312 Abs. 3 AktG).
b.
Nach Auffassung des Senates hindert der Abschluß der Rechnungslegung für 1993 das Registergericht nicht, die Antragsgegner anzuhalten, einen Abhängigkeitsbericht zu erstellen.
Die Regelung der §§ 312 ff. AktG soll Aktionären - neben Gesellschaftsgläubigern - ermöglichen, die Rechte der abhängigen Gesellschaft und eigene Rechte gegenüber einem herrschenden Unternehmen wahrzunehmen. Die Pflicht des Vorstands zur Aufstellung eines Abhängigkeitsberichts und die daran anknüpfenden weiteren Prüfungen des Abschlußprüfers, des Aufsichtsrats und ggfs. eines Sonderprüfers sind - so Koppensteiner (Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1987, § 312 Rz. 2) - "mit Abstand die wichtigste Sanktion der Regeln über den Schutz der abhängigen Gesellschaft". Aufgrund des Berichts und seiner Prüfung soll unter weitgehender Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der beteiligten Gesellschaften den Aktionären die Möglichkeit eröffnet werden, über eine anschließende Sonderprüfung die notwendigen Tatsachen zu erfahren, um Schadensersatzansprüche gem. § 317 AktG ggfs. verfolgen zu können.
Diese Sanktion würde bedeutungslos, wenn sie nicht auch effektiv auf dem dafür gesetzlich vorgesehen Weg durchgesetzt werden könnte. Das wäre nicht gewährleistet, wenn mit Abschluß der Rechnungslegung ein fehlender Abhängigkeitsbericht nicht mehr nachzuholen wäre. Durch Zeitablauf läge es letztlich in der Hand des Vorstandes, ob er bereit ist, einen Abhängigkeitsbericht zu erstellen oder nicht.
Das Registergericht hat erst Anlaß, den Vorstand zu einem solchen Bericht aufzufordern (§§ 407 AktG, 132 FGG), wenn bekannt ist, daß der in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres aufzustellende (§ 312 Abs. 1 Satz 1 AktG) Bericht als Teil des Lageberichts (§ 264 Abs. 1 HGB) fehlt oder fehlen wird. Jedenfalls für das Geschäftsjahr, in dem die Abhängigkeit begründet wird, gibt es für das Registergericht nicht ohne weiteres Grund zum Einschreiten, bevor der Lagebericht vorliegt. Da der Lagebericht mit dem Jahresabschluß unverzüglich nach Aufstellung und Prüfung durch den Abschlußprüfer dem Aufsichtsrat vorzulegen ist (§ 170 AktG) und der Aufsichtsrat innerhalb eines Monats, längstens innerhalb zwei Monaten, die Vorlage zu prüfen und dem Vorstand seinen Bericht an die Hauptversammlung über das Ergebnis der Prüfung vorzulegen hat (§ 171 Abs. 3 AktG), bleibt zwischen Vorlage des Lageberichts und der Feststellung des Jahresabschlusses nicht die Zeit, die allein das Registergericht in der Regel benötigen wird für die im Streitfall häufig schwierige und aufwendige Klärung, ob ein Abhängigkeitsverhältnis besteht oder nicht Selbst wenn das Amtsgericht seine Verfügung vor Feststellung des Jahresabschlusses trifft, kann der Vorstand Einspruch dagegen einlegen (§ 132 Abs. 1 FGG) und ggfs. mit Beschwerde und weiterer Beschwerde verfolgen, so daß stets erreicht werden kann, daß der Jahresabschluß vor Ablauf des gerichtlichen Verfahrens festgestellt ist.
Der Gesetzeszweck, dem Aktionär einer abhängigen Gesellschaft über den Abhängigkeitsbericht und das folgende Prüfungsverfahren "ausreichende Grundlagen für die Geltendmachung etwaiger Ersatzansprüche nach den §§ 317, 318 des Entwurfs" (Begründung RegE zu § 315, zitiert nach Koppensteiner, a.a.O. Rdnr. 3) zu verschaffen, wird nur erreicht, wenn der Vorstand auch nach abgeschlossener Rechnungslegung noch zur Aufstellung des Berichts gezwungen werden kann (Koppensteiner, a.a.O. Rdziff. 23, Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 312 Rdziff. 10, LG Traunstein, ZIP 1993, S. 1551 f.).
Aus diesen Gründen vermag der Senat nicht der Entscheidung des OLG Köln AG 1978, S. 171 f. zu b) zu folgen. Der Senat versteht diese Entscheidung so, daß das OLG Köln aus der Anweisung an den Vorstand, den Abhängigkeitsbericht "gleichzeitig mit dem Jahresabschluß und dem Lagebericht" dem Abschlußprüfer vorzulegen (§ 313 Abs. 1 Satz 1 AktG), entnimmt, daß ein Abhängigkeitsbericht nicht mehr zu erstellen ist, wenn der Vorstand dem nicht nachkommt. Diese Auslegung des Gesetzes wird den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen nicht gerecht.
Auch die Begründung des Amtsgerichts Bremen (DB 1976, S. 1760 [AG Bremen 08.07.1976 - 38 HRB 4953]) für seine Entscheidung, das Registergericht könne nach abgeschlossener Rechnungslegung nicht mehr die Aufstellung eines Abhängigkeitsberichts verlangen, überzeugt nicht. Die Auffassung des Amtsgerichts Bremen, die nachträgliche Vorlage eines Abhängigkeitsberichtes für ein schon abgerechnetes Geschäftsjahr würde die Wiederholung der Rechnungslegung erfordern, beruht auf der Annahme, der Abhängigkeitsbericht sei Teil des Jahresabschlusses. Das ist nicht richtig. Die vom Vorstand geforderte Schlußerklärung ist in den Lagebericht aufzunehmen (§ 312 Abs. 3 AktG). Der Lagebericht (§ 289 HGB) ist nicht Teil des Jahresabschlusses (§§ 242 Abs. 3, 264 HGB), ist deshalb nicht festzustellen (§ 172 AktG) und unterliegt nicht der Nichtigkeit oder Anfechtung (§ 256 f AktG).
Die Auffassung von Mertens in seinem von den Antragsgegnern vorgelegten Gutachten, ein nachträglich aufgestellter Abhängigkeitsbericht helfe dem Aktionär wenig, da er mangels Prüfung durch Abschlußprüfer und Aufsichtsrat nicht zur Bestellung von Sonderprüfern gem. § 315 Satz 1 Nr. 1 und 2 führen könne, wird dem Gesetzeszweck nicht gerecht. Hat der Vorstand den unterlassenen Abhängigkeitsbericht nachzuholen, so dürfte auch eine nachträglich Vorlage an Abschlußprüfer und Aufsichtsrat zur Prüfung geboten sein, ohne daß Anlaß zu Überlegungen besteht, welche Sanktion bestehen sollte, falls, wie Mertens unterstellt, Abschlußprüfer und/oder Aufsichtsrat sich dieser Prüfung nicht unterziehen sollten.
Ob das Fehlen des Abhängigkeitsberichtes aus den von Mertens genannten Gründen entsprechend § 256 Abs. 6 AktG nur innerhalb sechs Monaten geltend gemacht werden kann oder - so Koppensteiner - bis zur Verjährung von Ersatzansprüchen der Aktionäre kann hier dahingestellt bleiben, da die Beschwerdeführerin ihre Anregung beim Amtsgericht Wolfsburg vier Monate nach Ablauf der Frist des § 312 Abs. 1 AktG eingereicht hat.
c.
Aufgrund des feststehenden Sachverhalts haben die Antragsgegner nach Auffassung des Senats für 1993 einen Abhängigkeitsbericht aufzustellen, da das Land Niedersachsen jedenfalls mittelbar einen beherrschenden Einfluß auf die Volkswagen AG ausüben kann (§§ 312 Abs. 1, 17 Abs. 1 AktG).
aa.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung der Antragsgegner richtig ist, die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft m.b.H., die im wesentlichen für das Land Niedersachsen dessen Aktien hält, sei als bloße Verwaltungsgesellschaft kein Unternehmen i.s.d. Konzernrechts. Jedenfalls gebietet der durch §§ 312 ff. AktG beabsichtigte Schutz des Aktionärs aus den vom Bundesgerichtshof (BGHZ 69, S. 334 ff.[BGH 13.10.1977 - II ZR 123/76]) im einzelnen genannten Gründen, das Land Niedersachsen wegen seiner Beteiligung an mehreren bedeutenden Gesellschaften im industriellen Bereich neben der Volkswagen AG insbesondere an der Continental-AG und der Preussag AG - in den Unternehmensbegriff dieser Vorschriften einzubeziehen. Ebenso wie bei der vom BGH zu beurteilenden Frage einer Barabfindung zugunsten der ausgeschiedenen Aktionäre einer Aktiengesellschaft, die in eine abhängige Gesellschaft eingegliedert wurde, bedürfen die Aktionäre einer Aktiengesellschaft des Schutzes des Aktienrechts, wenn diese von einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft abhängig ist, die wie das Land Niedersachsen an Industrieunternehmen beteiligt ist (BGH, a.a.O., insbesondere zu II. 3. S. 338 ff.). Bei der Aufstellung des Abhängigkeitsberichts etwa auftretenden Interessenkonflikten kann - so der BGH zu II. 5., S. 343 f. - Rechnung getragen werden, indem der Bericht je nach der Eigenart der beteiligten Gebietskörperschaft ggfs. auf die Bereiche zu beschränken sein kann, die zum Schutz der Aktionäre von Bedeutung sind, die neben der Gebietskörperschaft als herrschendem Unternehmen beteiligt sind (Lutter-Timm, BB 1978, 836, 839).
bb.
Die Volkswagen AG ist auch vom Land Niedersachsen als Gesellschafter "abhängig" i. S.v. § 312 m. § 17 AktG.
Nach jetzt herrschender Ansicht ist eine Gesellschaft abhängig, wenn das herrschende Unternehmen die beständige - verläßliche -, umfassende - nicht nur punktuell-gesellschaftsrechtlich abgesicherte Möglichkeit hat, auf die Gesellschaft so Einfluß zu nehmen, wie es eine Mehrheitsbeteiligung (vgl. § 17 Abs. 2 AktG) ermöglicht (BGHZ 62, 193, 195 ff., 201, [BGH 04.03.1974 - II ZR 89/72]BGHZ 90, 381, 395 f., 397 [BGH 26.03.1984 - II ZR 171/83]; Geßler in Geßler-Hefennehl, AktG 1973, § 17 Rdnr. 18 ff.; Koppensteiner, a.a.O., § 17 Rdnr. 17 ff.; Hüffer, a.a.O., § 17 Rdnr. 4 ff). Da der Vorstand die Aktiengesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat (§§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 Satz 1 AktG), auch die Hauptversammlung nicht von sich aus über Fragen der Geschäftsführung entscheiden kann, ist es einer Mehrheitsbeteiligung insbesondere dadurch mittelbar möglich, auf die Geschäftspolitik Einfluß zu nehmen, daß die Mehrheit in der Hauptversammlung die Mitglieder des Aufsichtsrates (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG) und der Aufsichtsrat den Vorstand bestellt, so daß der Vorstand im Hinblick auf die erwünschte Wiederbestellung geneigt sein wird, auf Wünsche des Mehrheitsgesellschafters einzugehen. Einen derart beherrschenden Einfluß kann auch eine Minderheitsbeteiligung in Verbindung mit weiteren verläßlichen Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art, eine "Hauptversammlungsmehrheit", begründen (BGHZ 69, 334, 347[BGH 13.10.1977 - II ZR 123/76]; allgemeine Meinung).
Die Beteiligung des Landes Niedersachsen an der Volkswagen AG von 20 % der stimmberechtigten Aktien im Zusammenhang mit der Erschwerung der Vertretung anderer Aktionäre in der Hauptversammlung durch das Volkswagengesetz haben dazu geführt, daß das Land Niedersachsen jedenfalls 1993/94 eine verläßliche Hauptversammlungsmehrheit bei der Volkswagen AG hatte. Der dadurch begründete Einfluß des Landes Niedersachsen wird verstärkt durch die dem Land zustehenden zwei Entsendemandate im Aufsichtsrat. In den Hauptversammlungen der Jahre 1990 bis 1994 - nach Angabe der Antragsgegner auch schon 1989 - hatte das Land Niedersachsen jeweils die Mehrheit der in der Hauptversammlung vertretenen Stimmrechte, 1988 - und auch 1995 - lag die Präsenz wenig über 40 %. Diese geringe Präsenz der Aktionäre in den Hauptversammlungen der Volkswagen AG ist nicht zufällig. Die Volkswagen AG hat nach Angabe der Antragsgegner wenige Aktionäre, die Inhaber von größeren Aktienpaketen von 1 % oder mehr des Stammkapitals sind. Schon wegen der Höhe des benötigten Kapitals ist insofern auch nicht mit kurzfristigen Veränderungen zu rechnen. Aktionäre mit geringer Beteiligung pflegen in der Regel Hauptversammlungen nicht in großer Zahl selbst wahrzunehmen. Ihre Vertretung durch Dritte - Banken oder andere - ist gesetzlich so erschwert, daß viele Aktionäre - wie die geringe Präsenz in den Hauptversammlungen der VW AG zeigt - davon abgehalten werden, Vertreter zu bevollmächtigen. Nach § 3 des VW-Gesetzes in der Fassung von § 38 des EinfG zum AktG (BGBl. 1965 I, S. 1185 ff., 1195) gilt die schriftliche Vollmacht des Aktionärs nur für die jeweils nächste Hauptversammlung und darf von geschäftsmäßigen Vertretern zur Ausübung des Stimmrechts nur benutzt werden, wenn der Aktionär gleichzeitig mit der Vollmacht schriftliche Weisungen zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung erteilt hat. Die Vollmacht und die Weisungen dürfen demgemäß erst eingeholt werden mit Übersendung der Mitteilungen des Vorstands über Hauptversammlung, Tagesordnung, Anträge und Wahlvorschläge (§§ 128 Abs. 1, 125 Abs. 1 AktG).
Die Möglichkeit der Einflußnahme des Landes Niedersachsen auf den Vorstand der Volkswagen AG und dessen Geschäftspolitik ist nicht dadurch nennenswert beschränkt, daß gelegentlich - so 1988 und 1995 - etwas mehr als 40% der stimmberechtigten Aktien in der Hauptversammlung vertreten waren. Wenn das Land seinen Einfluß mittelbar über die Wiederbestellung des Vorstands durch den unter maßgeblicher Beteiligung des Landes bestellten Aufsichtsrat geltend machen kann, wird dieses Motiv für den Vorstand schon dadurch wirksam, daß er mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Hauptversammlungs-Mehrheit des Landes rechnen muß.
Verstärkt wird der Einfluß des Landes durch die unmittelbare Vertretung des Landes durch zwei von der Hauptversammlung unabhängige Aufsichtsrats-Mandate (§ 4 Abs. 1 VW-G) und die Herabsetzung der Sperrminorität auf 20 % (§ 4 Abs. 3 VW-G). (Vgl. auch M. Lutter, NJW 1995, S. 2766, der VW als Beispiel für die Herrschaft eines mittleren Aktionärs über ein großes Unternehmen durch niedrige Präsenzen anführt).
3.
Der Senat versteht die oben zu II. a. zitierte Entscheidung des OLG Köln so, daß dieses Gericht aus § 313 Abs. 1 Satz 1 AktG herleitet, ein Abhängigkeitsbericht sei nicht mehr aufzustellen, wenn der Jahresabschluß festgestellt ist und nicht mehr angefochten werden kann. Das OLG Köln begründet seine Entscheidung damit, daß die beiden im Verfahren der Rechtsbeschwerde zu beurteilenden Anordnungen des Amtsgerichts Köln, für 1973 einen neuen Jahresabschluß zu erstellen und zum Jahresabschluß 1973 einen Abhängigkeitsbericht aufzustellen, so zu verstehen seien, daß die eine Anordnung nicht ohne die andere aufrecht zu erhalten sei. Das könnte nach dem Text so verstanden werden, als ziehe das OLG nach Aufhebung der zuerst genannten Anordnung nur die Folgerung aus dem Beschluß des AG Köln, daß wegen Verbindung beider Anordnungen durch das Amtsgericht auch die zweite Anordnung aufgehoben werden müsse; die Rechtsfrage, ob ein Abhängigkeitsbericht unabhängig vom Jahresabschluß noch aufzustellen sei, damit nicht entschieden werde. Diese Interpretation würde dem Beschluß aber nicht gerecht. Das Gericht hatte auch die Rechtsfrage zu entscheiden, ob die beiden Anordnungen unabhängig voneinander Bestand haben könnten und müßten oder nicht. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß es sich dieser Entscheidung entziehen wollte. Die Rechtsfrage hat das OLG Köln daher entschieden, daß der Abhängigkeitsbericht nur mit dem Jahresabschluß aufzustellen sei. Da der Senat davon abweichen will, ist die Sache gem. § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorzulegen.