Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.02.1996, Az.: 1 UF 180/95
Anspruch auf Prozesskostenhilfe; Berechnung der Anspruchshöhe für Prozesskostenhilfe; Einbezug des Wohnvorteils bei der Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 22.02.1996
- Aktenzeichen
- 1 UF 180/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 17276
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1996:0222.1UF180.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG ... - 26.09.1995 - AZ: 245 F 1202/95
Rechtsgrundlage
- § 114 ZPO
Fundstelle
- FamRZ 1996, 1216 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Ehegattentrennungshalt
Redaktioneller Leitsatz
Der Wohnvorteil ist den für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse maßgebenden Einkünften zuzurechnen, soweit Eheleute, die Eigentümer eines Hauses oder einer Wohnung sind, billiger wohnen als Eheleute, die für eine vergleichbare Wohnung Miete zu zahlen haben; der Wohnvorteil als Differenz zwischen den ersparten Mietaufwendungen und den mit dem Eigentum verbundenen Kosten schlägt sich in den für die Lebenshaltung verfügbaren Mitteln insoweit nieder, als er eine Ersparnis gegenüber sonst aufzubringenden Mietzahlungen darstellt.
Der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts ... hat
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 22. Februar 1996
beschlossen
Tenor:
- 1.
Der Klägerin wird für die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts ... vom 26.09.1995 Prozeßkostenhilfe bewilligt, soweit sie Verurteilung des Beklagten zu Unterhaltszahlungen für die Zeit von April 1995 bis August 1995 in Höhe von 704,00 DM monatlich abzüglich freiwillig gezahlter 358,13 DM monatlich, mithin von 345,87 DM monatlich, für die Zeit von September bis Dezember 1995 in Höhe von 1.047,00 DM monatlich abzüglich freiwillig gezahlter 358,13 DM monatlich, mithin von 688,87 DM monatlich, für Januar 1996 in Höhe von 912,00 DM abzüglich freiwillig gezahlter 358,13 DM, mithin von 553,87 DM und ab Februar 1996 in Höhe von 912,00 DM monatlich abzüglich bis zur Berufungsverhandlung noch geleisteter Zahlungen des Beklagten begehrt.
Der weitergehende Prozeßkostenhilfeantrag wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Prozeßkostenhilfebewilligung wird der Klägerin der Rechts
Eine Ratenzahlungsanordnung wird nicht getroffen.
- 2.
Dem Beklagten wird zur Verteidigung gegen die Berufung der Klägerin Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ...
Eine Ratenzahlungsanordnung wird nicht getroffen.
Gründe
Der Klägerin kann für das Berufungsverfahren nur für die Zeit ab 01.04.1995 teilweise Prozeßkostenhilfe bewilligt werden, da ihre Berufung für die Zeit bis 31.03.1995 keine Erfolgsaussicht und im übrigen nur in Höhe der in der Beschlußformel angegebenen Unterhaltsbeträge Erfolgsaussicht hat (§ 114 ZPO).
I.
Für die Zeit bis 31.12.1993 kann dahinstehen, ob der Beklagte das Mahnschreiben vom 20.08.1993 erhalten hat, was er bestreitet, und ob dementsprechend die Klägerin Unterhalt tatsächlich schon ab August 1993 verlangen kann oder nicht vielmehr erst seit 01.10.1993. Denn Jedenfalls sind die der Klägerin zustehenden Unterhaltsbeträge nicht höher als vom Amtsgericht angenommen.
Mit dem Amtsgericht und der Berufungsbegründung ist für 1993 von einem Nettoeinkommen des Beklagten von 3.027,50 DM monatlich auszugehen. Hiervon können allerdings nicht lediglich 5 % für berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden. Denn da der Beklagte nunmehr nachvollziehbar auf seine Fahrtkosten zur Arbeitsstelle in Salzgitter-Watenstedt verwiesen hat, sind diese mit einem Kilometersatz von 0,40 DM zu berücksichtigen. Bei täglich 44 km und geschätzten 220 Arbeitstagen im Jahr errechnen sich insgesamt 3.872,00 DM, auf den Monat umgelegt mithin 322,67 DM. Zieht man diesen Betrag ab, so verbleiben 2.704,83 DM.
Der Wohnwert der von der Klägerin bewohnten Wohnung wird in Übereinstimmung mit der Auffassung der Berufungsbegründung nicht im Wege der Anrechnungsmethode, sondern der Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzustellen sein, da die Wohnung schon vor der Trennung der Parteien von der Familie ... bewohnt worden ist. Zuzustimmen ist auch der Auffassung der Berufung, daß in dem Wohnwert für die gesamte Wohnung bereits der Mietanteil des Sohnes ... mitenthalten ist und nicht gesondert berücksichtigt werden kann. Der von der Klägerin zugrundgelegte Wohnwert von 600,00 DM monatlich erscheint aber zu niedrig bemessen. Der Beklagte behauptet einen Mietwert der Wohnung von 800,00 DM monatlich. Der Senat legt vorläufig einen Wert von 700,00 DM zugrunde.
Hiervon abzusetzen sind die Darlehnsraten von 384,00 DM monatlich, die die Klägerin zu leisten hat. Dann verbleiben noch 316,00 DM im Monat. Nicht abzusetzen hiervon sind entgegen der Auffassung der Klägerin die Kosten für Grundsteuer, Schornsteinfeger und Brandkasse, Abzuziehen von dem Wert des Wohnvorteils sind nämlich nur die mit dem Eigentum verbundenen Belastungen, die üblicherweise von einem Mieter nicht aufzubringen sind. Der Bundesgerichtshof hat hierzu ausdrücklich entschieden, daß der Wohnvorteil den für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse maßgebenden Einkünften zuzurechnen ist, soweit Eheleute, die Eigentümer eines Hauses oder einer Wohnung sind, billiger wohnen als Eheleute, die für eine vergleichbare Wohnung Miete zu zahlen haben; der Wohnvorteil als Differenz zwischen den ersparten Mietaufwendungen und den mit dem Eigentum verbundenen Kosten schlägt sich in den für die Lebenshaltung verfügbaren Mitteln insoweit nieder, als er eine Ersparnis gegenüber sonst aufzubringenden Mietzahlungen darstellt (BGH FamRZ 1995, 869). Dies bedeutet, daß Kosten, die auch ein Mieter zu tragen hat, außer Betracht bleiben müssen. Die Aufwendungen für Grundsteuer, Schornsteinreinigung und Gebäudeversicherung gehören nach Nr. 1, 12 und 13 der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der zweiten Berechnungsverordnung zu den Betriebskosten, wie sie in § 27 Abs. 1 der zweiten Berechnungsverordnung definiert sind. Solche Betriebskosten können, wie sich aus § 4 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe ergibt, auf die Mieter umgelegt werden und werden dies in der Praxis zumeist auch. Kommen aber demnach Mieter in der Regel über die von ihnen zu zahlenden Nebenkosten für die auf ihre Wohnung entfallenden anteiligen Grundsteuern, Schornsteinreinigungskosten und Gebäudeversicherungsbeiträge auf, so stellen diese Kosten für den auf seinem eigenen Grundstück wohnenden Eigentümer keine zusätzliche Belastung dar, die dem Wohnvorteil gegenübergestellt werden kann, und müssen bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin außer Betracht bleiben.
Dementsprechend sind 316,00 DM verbleibender Wohnwert auf seiten der Klägerin dem Nettoeinkommen des Beklagten gegenüberzustellen, das allerdings noch um den Erwerbstätigenbonus von 1/7 zu bereinigen ist, 6/7 von 2.704,83 DM ergeben 2.318,43 DM. Die Differenz beträgt 2.002,43 DM. Die Hälfte hiervon mit 1.001,22 DM macht den Unterhaltsbedarf der Klägerin (ohne den Wohnwert) aus. Hierauf sind 6/7 der 200,00 DM Pflegegeld für die Mutter, also 171,43 DM, anzurechnen. In Übereinstimmung mit dem Amtsgericht und der Berufungsbegründung hält es der Senat für gerechtfertigt, dieses Einkommen wie Einkünfte aus Erwerbstätigkeit zu behandeln und deswegen 1/7 hiervon der Klägerin anrechnungsfrei zu belassen. Es verbleibt dann ein Unterhaltsbetrag von rund 830,00 DM monatlich, also weniger als die vom Amtsgericht zuerkannten 854,00 DM monatlich.
2.
Auch für das Jahr 1994 und die ersten drei Monate des Jahres 1995 ergeben sich keine höheren Unterhaltsbeträge für die Klägerin als vom Amtsgericht angenommen. Das Nettoeinkommen des Beklagten ist, wie sich aus den inzwischen vorgelegten Verdienstbescheinigungen ergibt, sogar etwas niedriger als vom Amtsgericht geschätzt. Allerdings können nicht die vom Beklagten in der Berufungserwiderung angeführten Beträge zugrunde gelegt werden. Diese Beträge sind nämlich der Spalte der Verdienstabrechnungen mit der Bezeichnung "Auszahlg. vor Abrechn." entnommen und nicht der Spalte "Nettoverdienst", die sich zumeist auf der ersten Seite der Verdienstabrechnungen befindet. Addiert man die in den Verdienstbescheinigungen von Juli bis November 1994 ausgewiesenen Nettoverdienstbeträge sowie aus der Verdienstbescheinigung für Dezember 1994, von der der Beklagte nur die letzte Seite eingereicht hat, den Betrag der Vorabauszahlung von 2.224,05 DM, der Schlußüberweisung von 27,18 DM und der Abzüge von 84,00 DM, so ergeben sich insgesamt 15.985,88 DM. Zusammen mit den von der MAN für Januar bis Juni 1994 bescheinigten Nettoeinkünften von 15.707,07 DM errechnen sich 31.692,95 DM. Abzuziehen hiervon sind 624,00 DM Arbeitgeberzuschuß zur vermögenswirksamen Leistung, so daß 31.068,95 DM als Nettoeinkommen des Jahres 1994 verbleiben.
Die Zweifel der Klägerin an der Richtigkeit der von MAN erteilten Verdienstauskunft sind nicht berechtigt. Dies ergibt sich schon daraus, daß der Betrag für die erste Hälfte des Jahres 1994 kaum niedriger ist als derjenige für die zweite Hälfte, der immerhin die Weihnachtszuwendung enthält. Im übrigen ergeben sich aus der vom Beklagten nunmehr eingereichten Kopie der Lohnsteuerkarte für 1994 kaum Abweichungen. Danach betrugen der Bruttoarbeitslohn 46.122,59 DM, die Lohnsteuer 8.166,79 DM, die Kirchensteuer 734,95 DM, gezahltes Kurzarbeitergeld 2.526,08 DM und der Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung 8.650,64 DM. Hieraus errechnen sich netto 31.096,65 DM, also 27,70 DM mehr als nach Verdienstauskunft und Einzel erdienstbescheinigungen. Woher diese Differenz rührt, ist nicht ersichtlich, zumal die Einzelverdienstbescheinigungen für die Monate Mai und Juni 1994 fehlen. Da sich die Differenz nur in Höhe von 1,00 DM monatlich auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin auswirkt, kann sie jedoch vernachlässigt werden,
Geht man von dem Jahresnettoeinkommen von 31.068,95 DM aus, errechnet sich ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.589,07 DM. Nach Abzug der Fahrtkosten von 322,67 DM verbleiben 2.266,40 DM, 6/7 hiervon ergeben 1.942,63 DM. Die Differenz zu dem anzurechnenden Wohnwert der Klägerin beträgt 1.626,63 DM. Die Hälfte hiervon mit 813,32 DM macht den Unterhaltsbedarf der Klägerin aus, auf den 171,43 DM Pflegegeld anzurechnen sind, so daß ein Unterhaltsanspruch von rund 642,00 DM im Monat verbleibt. Dieser Betrag gilt auch für die ersten drei Monate des Jahres 1995.
3.
Für die Zeit ab April 1995 hat das Amtsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Da der Beklagte seit dem 01.04.1995 unstreitig jedoch nur 358,13 DM monatlich gezahlt hat, steht der Klägerin weiterer Unterhalt zu, zu dessen Geltendmachung im Berufungsverfahren ihr Prozeßkostenhilfe zu bewilligen ist.
Auszugehen ist mit dem Amtsgericht von einem Einkommen des Beklagten aus Arbeitslosengeld, den Zuschuß von MAN sowie der Abfindung. Das Arbeitslosengeld von 329,40 DM wöchentlich beträgt, auf den. Monat umgelegt (× 52: 12) 1.427,40 DM. Mit den 530,73 DM, die von MAN gezahlt werden, errechnen sich 1.958,13 DM. Die Abfindung ist, wie vom Amtsgericht ausgeführt und mit der Berufung nicht angegriffen, auf einen Zeitraum von 3 Jahren umzulegen. Teilt man den Abfindungsbetrag von 16.281,22 DM durch 36, so ergeben sich 452,26 DM, die zu einem Gesamtnettoeinkommen von 2.410,39 DM führen. Der Beklagte kann für die Bedarfsberechnung nicht den Verbrauch der Abfindung einwenden. Wie im Amtsgerichtsurteil zutreffend ausgerührt ist, war die Abfindung dazu bestimmt, während einer Übergangszeit den durch die Aufgabe der Erwerbstätigkeit eintretenden Einkommensausfall auszugleichen, und kann deswegen nicht als für andere Zwecke einsetzbares Vermögen behandelt werden. Die vom Beklagten geltend gemachten Ausgaben stellen trennungsbedingten Mehrbedarf dar, der die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hat und deswegen bei der Bestimmung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin nicht abgezogen werden kann, sondern allenfalls selbstbehaltserhöhend zu berücksichtigen ist.
Zieht man von 2.410,39 DM die 316,00 DM Wohnwert ab, so verbleiben 2.094,39 DM. Die Hälfte hiervon beträgt 1.047,20 DM. Auf diesen Unterhaltsbedarf hat sich die Klägerin ab 01.04.1994 das Pflegegeld von jetzt 400,00 DM monatlich zu 6/7, also mit 342,86 DM, anrechnen zu lassen. Es verbleibt dann ein Unterhaltsanspruch von rund 704,00 DM monatlich für die Zeit vom 01.04. bis zum 31.08.1995.
Ab 01.09.1995 ist das Pflegegeld entfallen, so daß der Unterhaltsanspruch 1.047,00 DM monatlich beträgt. Dies gilt jedoch nur für die Zeit vom 01.09. bis 31.12.1995. Denn ab 01.01.1996 ist der Beklagte in dieser Höhe nicht leistungsfähig. Er kann nämlich auf trennungsbedingten Mehrbedarf verweisen. Es liegt auf der Hand, daß der Beklagte infolge der Trennung Kosten für Renovierung und Einrichtungsgegenstände gehabt hat, denen er sich nicht entziehen konnte. Seine jetzige Wohnung hat er offenbar erst im Jahre 1995 bezogen, so daß es einleuchtet, daß die von ihm nachgewiesenen Kosten von über 7.000,00 DM im Jahre 1995 entstanden sind. Nichts ist jedoch zu dem Grund der Kreditaufnahme bei der Volksbank im Herbst 1993 und zur Verwendung der Kreditsumme vorgetragen. Da der Beklagte für die Notwendigkeit und Unabweisbarkeit trennungsbedingter Kosten darlegungs- und beweispflichtig ist, geht dies zu seinen Lasten. Die ihm im Jahre 1995 entstandenen Kosten hätte der Beklagte von einem Kredit, wie er ihn im Jahre 1993 aufgenommen hat, begleichen können. Der Senat hält es deswegen für angezeigt, Kreditraten in der Höhe von 198,00 DM monatlich, wie sie vom Beklagten aufgebracht werden, jedenfalls für die Zeit ab 01.01.1996 selbstbehaltserhöhend zu berücksichtigen, jedoch im Hinblick auf die den Beklagten im Jahre 1995 trennungsbedingt entstandenen Kosten. Da über den Kreditbetrag hinausgehende Kosten nicht dargelegt sind, können weitere Abzüge bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt werden.
Demnach ist für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit weiterhin das oben errechnete Einkommen von 2.410,39 DM zu unterstellen, da der Beklagte, wenn er für die dargelegten Kosten des Jahre 1995 einen entsprechenden Kredit aufgenommen hätte, die Abfindung nicht hätte angreifen müssen und für sie seinen eigenen Lebens bedarf und den Unterhaltsanspruch der Klägerin hätte verwenden können. Setzt man von 2.410,39 DM den nach der Düsseldorfer Tabelle maßgebenden Selbstbehaltssatz von 1.300,00 DM für nicht Erwerbstätige ab sowie die Kreditrate von 198,00 DM, so verbleiben rund 912,00 DM, die der Beklagte ohne Gefährdung seines notwendigen Eigenbedarfs an Unterhalt aufbringen kann.
Soweit die Klägerin höhere Unterhaltsbeträge begehrt als vorstehend errechnet, ist ihr Prozeßkostenhilfeantrag zurückzuweisen.