Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.08.2015, Az.: 2 Ws 131/15

Gewährung einer erhöhten Entschädigung für den Verdienstausfall eines ehrenamtlichen Richters ab dem ersten Tag; Heranziehung des Richters an mehr als 20 Tagen in demselben Verfahren; Erhöhte Entschädigung für ehrenamtliche Richter bei mehr als 20 Tage umfassender Hauptverhandlung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.08.2015
Aktenzeichen
2 Ws 131/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 25840
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0810.2WS131.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 10.06..2015 - AZ: 21 KLs 4/14

Fundstelle

  • JurBüro 2015, 653-654

Amtlicher Leitsatz

Die erhöhte Entschädigung für den Verdienstausfall eines ehrenamtlichen Richters, der nach § 18 Satz 2 Alt. 1 JVEG in demselben Verfahren an mehr als 20 Tagen herangezogen wird, ist von dem ersten Tag der Heranziehung an zu gewähren.

In der Strafsache
gegen S. I. Z.,
geboren am xxxxxx 1957 in M./Georgien,
JVA C.,
u.a.
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a.
weiterer Verfahrensbeteiligter: P. K., T., C.,
Beschwerdeführer: Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Lüneburg
hier: Entschädigung von Schöffen
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Lüneburg vom 09.07.2015 gegen den Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 10.06.2015 durch die Richterin am Oberlandesgericht xxxxxx als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx und die Richterin am Amtsgericht xxxxxx am 10.08.2015
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Lüneburg findet zurzeit gegen den Angeklagten Z. und fünf weitere Angeklagte die Hauptverhandlung u.a. wegen des Vorwurfs der Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung statt. Die Hauptverhandlung hat am 05.02.2015 begonnen und bis zum 28.05.2015 sind 25 Verhandlungstage durchgeführt worden. Für das Jahr 2015 wurden insgesamt 79 Hauptverhandlungstage terminiert, wobei eine Fortsetzung des Verfahrens auch im Jahre 2016 zu erwarten steht.

Der weitere Verfahrensbeteiligte K. ist als ehrenamtlicher Richter an dem Strafverfahren beteiligt. Er begehrt die Entschädigung für seinen Verdienstausfall in Höhe von 32,86 Euro pro Stunde ab dem ersten Verhandlungstag. Nachdem der Kostenbeamte des Landgerichts Lüneburg eine über die in Höhe von 24,00 Euro pro Stunde hinausgehende Entschädigung abgelehnt hatte, hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Lüneburg in der Besetzung mit drei Richtern am 10.06.2015 entschieden, dass der Anweisungsbeamte auch den Differenzbetrag für die ersten 20 Sitzungstage an den Hauptschöffen auszuzahlen habe. Die erhöhte Entschädigung sei für die gesamte Dauer der Heranziehung zu gewähren, also vom ersten Tag der Heranziehung an und nicht erst ab dem Tag, an dem der Erhöhungstatbestand vorliege. Der Schöffe sei in der Anfangsphase an 30 Tagen für mehr als mindestens 6 Tage seiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit entzogen gewesen. Die erhöhte Entschädigung für den Verdienstausfall nach § 18 JVEG sei von dem ersten Tag der Heranziehung an für die gesamte Dauer zu gewähren. Darüber hinaus betrage angesichts der mehr als 50 anberaumten Sitzungstage im Jahre 2015 die mögliche Höchstentschädigung 61,00 Euro pro Stunde (§ 18 Satz 3 JVEG).

Der so angewiesene Kostenbeamte des Landgerichts Lüneburg zahlte in der Folge weitere 1.772,00 Euro an den ehrenamtlichen Richter K. aus.

Gegen diese Entscheidung vom 10.06.2015 wendet sich der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Lüneburg mit seiner Beschwerde vom 09.07.2015. Er ist der Ansicht, dass die erhöhte Entschädigung nicht für die gesamte Dauer der Heranziehung, sondern erst für die Zeit ab dem Tag, an dem der Erhöhungstatbestand des § 18 S. 2 JVEG erstmalig erfüllt sei, gezahlt werden könne. Eine Besserstellung des häufiger herangezogenen Schöffen auch für die ersten zwanzig Verhandlungstage gegenüber einem von vornherein nur für einen kürzeren Zeitraum herangezogenen Schöffen sei von dem Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen.

II.

Die gemäß § 4 Abs. 3 JVEG statthafte und zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Lüneburg, dem ehrenamtlichen Richter K. die erhöhte Entschädigung auch für die ersten 20 Sitzungstage zu gewähren, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Nach § 18 Satz 2 JVEG beträgt die Entschädigung bis zu 46 Euro je Stunde für ehrenamtliche Richter, die in demselben Verfahren an mehr als 20 Tagen herangezogen werden oder innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen an mindestens sechs Tagen ihrer regelmäßigen Erwerbstätigkeit entzogen werden. Nach Satz 3 beträgt die Entschädigung bis zu 61 Euro je Stunde für ehrenamtliche Richter, die in demselben Verfahren an mehr als 50 Tagen herangezogen werden.

Zwar fallen entgegen der Ansicht des Landgerichts vorliegend nur 18 der ersten 20 Sitzungstage in je einen Zeitraum von 30 Tagen mit mindestens fünf weiteren Verhandlungstagen zusammen. Insoweit ist für jeden Sitzungstag separat zu prüfen, ob er in einen Zeitraum von 30 Tagen mit mindestens fünf weiteren Verhandlungstagen fällt (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 12.12.2011, 1 Ws 121/10; OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 352 [OLG Frankfurt am Main 31.07.2002 - 2 Ws 54/02]). Dies ist für die ersten beiden Sitzungstage vom 05.02.2015 und 12.02.2015 nicht der Fall, da die weiteren Hauptverhandlungstage am 04.03, 05.03, 11.03. 12.03. und 18.03.2015 stattfanden. Damit fielen die ersten beiden Verhandlungstage innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen nur mit drei bzw. fünf weiteren Sitzungstagen zusammen. Allerdings ist der ehrenamtliche Richter bislang in demselben Verfahren an mehr als 20 Tagen herangezogen worden, so dass § 18 Satz 2, Alt. 1 JVEG einschlägig ist. Bereits in dem Zeitraum vom 05.02.2015 bis zum 28.05.2015 haben insgesamt 25 Verhandlungstage stattgefunden.

Demnach ist hier für die Höhe der Entschädigung an den ersten beiden Sitzungstagen entscheidungserheblich, ob die in den Fällen des § 18 Satz 2 und 3 JVEG normierten erhöhten Entschädigungen für die gesamte Dauer der Heranziehung oder erst gestaffelt ab dem Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen des Erhöhungstatbestandes zu gewähren sind. Diese Frage ist umstritten und in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden worden.

Von dem Beschwerdeführer und Teilen der Kommentarliteratur (Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 18, Rn. 18; Schneider/Volpert/Völsch, Gesamtes Kostenrecht, 1. Aufl. 2014, § 18, Rn. 9; Zimmermann, JVEG 2005, § 18, Rn. 6) wird die Ansicht vertreten, die Entschädigungssätze seien gestaffelt, so dass die erhöhte Entschädigung im vorliegenden Verfahren erst am dem 21. Verhandlungstag zu gewähren sei. Diese Ansicht mag zwar im Anwendungsbereich des § 18 Satz 2 Alt. 1 JVEG im Rahmen eines Vergleichs zu einem Schöffen, der von vornherein nur an 19 Sitzungstagen herangezogen wird und dem die erhöhte Entschädigung eindeutig nicht zusteht, nachvollziehbar erscheinen. Diese Auslegung findet allerdings weder im Wortlaut noch in der Ratio der Vorschrift eine ausreichende Stütze. Sie vermag deshalb nicht zu überzeugen.

Der Senat folgt vielmehr der vom Landgericht Lüneburg und Teilen der Literatur (Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG FamGKG, JVEG, 3. Aufl. 2014, § 18, Rn. 1; Schneider, JVEG, 2. Aufl. 2014, § 18, Rn. 11 und 12) vertretenen Auffassung, dass die erhöhte Entschädigung für den gesamten Heranziehungszeitraum und damit vom ersten Tag der Heranziehung zu gewähren ist. Diese Auslegung steht mit dem Sinn und Zweck der Norm im Einklang und kann sich auf den Wortlaut des § 18 JVEG stützen. Aus dem Wortlaut des § 18 JVEG ergibt sich nämlich kein Anhaltspunkt für eine Staffelung, die Erhöhung erst ab dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Zukunft - mithin ab dem 7., 21. oder 51. Tag der Hauptverhandlung - zu gewähren. Hätte der Gesetzgeber eine Staffelung der Entschädigung gewollt, hätte es nahegelegen, dies auch im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck zu bringen. Der Gesetzgeber wollte mit § 2 EhrRiEG, der nunmehr § 18 JVEG entspricht, die den Schöffen durch häufige Heranziehungen entstehenden "Lohneinbußen" und Nachteile im "Beitrags- und Leistungsrecht" ausgleichen (vgl. BT-Drucks. 1969 V 3961 S. 10), gerade "mit Rücksicht auf die zunehmende Häufigkeit von Verfahren, die sich über längere Zeit erstrecken und die ehrenamtliche Richter dadurch besonders belasten" (BT-Drucks. 1976 VII 4599, S. 11; KG Berlin aaO.). Damit bezweckt § 18 JVEG eine Kompensation für die über das allgemeine Sonderopfer eines ehrenamtlichen Richters, das durch §§ 15 ff. JVEG ausgeglichen wird, hinausgehenden Belastungen durch Verfahren, die sich über eine längere Zeit erstrecken oder eine erhebliche Terminsdichte aufweisen.

Diese besonderen Belastungen bestehen bei dem ehrenamtlichen Richter allerdings sowohl bei einer hohen Frequenz von Verhandlungstagen innerhalb eines kurzen Zeitraums (§ 18 Satz 2, Alt. 2 JVEG), als auch bei einer Terminshäufigkeit von mehr als 20 oder 50 Verhandlungstagen (§ 18 Satz 2 Alt. 1 und Satz 3 JVEG) in der Regel vom ersten Tag an und erscheinen von Anfang an in erhöhtem Maße entschädigungsbedürftig. Vor diesem Hintergrund ist es auch sachgerecht, die erhöhte Entschädigung für die gesamte Dauer der Heranziehung und damit für alle Sitzungstage zu gewähren. Auch das Kammergericht Berlin hat in der Entscheidung vom 12.12.2011 die dort nach § 18 Satz 2, Alt. 2 JVEG gebotene erhöhte Entschädigung für jeden der zehn streitigen Sitzungstage und nicht erst ab dem 7. Sitzungstag gewährt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.