Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 12.04.1995, Az.: 2 UF 3/95

Bemessung des Ehegattenunterhalts; Anrechnung des Splittingvorteils; Wiederverheiratung eines Ehegatten; Ermittlung des fiktiven Nettoeinkommens

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
12.04.1995
Aktenzeichen
2 UF 3/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 17687
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1995:0412.2UF3.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG ... - 01.12.1994 - AZ: 20 F 1049/94
AG ... - 17.09.1987 - AZ: 20 F 136/87

Verfahrensgegenstand

Unterhaltsabänderung

Prozessführer

...

Prozessgegner

Frau ...

In dem Rechtsstreit
hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ...
am 12. April 1995
beschlossen:

Tenor:

Dem Kläger wird Prozeßkostenhilfe für die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts ... vom 1. Dezember 1994 bewilligt, soweit er Herabsetzung des im Vergleich vom 17.09.1987 (AG ... 20 F 136/87) festgelegten nachehelichen Unterhalts auf 315,00 DM monatlich für die Zeit vom 5. bis zum 30.04.1994, auf 338,00 DM monatlich für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.12.1994 und auf 299,00 DM monatlich ab 01.01.1995 erstrebt sowie soweit er Abweisung der Widerklage begehrt.

Der weitergehende Antrag auf Prozeßkostenhilfe wird zurückgewiesen.

Im Umfang der Bewilligung wird dem Kläger der Rechtsanwalt ... aus ... beigeordnet.

Eine Ratenzahlungsanordnung wird nicht getroffen.

Gründe

1

Dem Kläger kann für die von ihm eingelegte Berufung nur teilweise Prozeßkostenhilfe bewilligt werden, da für die darüber hinausgehende Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 114 ZPO).

2

1.

Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ist weder durch Verwirkung noch durch Verzicht erloschen. Insoweit wird in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen im Amtsgerichtsurteil Bezug genommen. Da dem Kläger die Tatsache, daß die Beklagte arbeitete und hieraus Einkünfte erzielte, bekannt war, kann von Verheimlichung oder arglistigem Verschweigen ihres Einkommens keine Rede sein. Die vom Kläger behaupteten und von der Beklagten bei ihrer Parteivernehmung bekundeten Erklärungen der Parteien zum Unterhalt lassen den Schluß auf einen endgültig vereinbarten rechtsgeschäftlichen Unterhaltsverzicht nicht zu.

3

2.

Für den Monat April 1994 ist der Unterhaltsanspruch der Beklagten nur geringfügig niedriger zu bemessen als im angefochtenen Urteil. Der Senat bezieht dabei den 30.04.1994 aus Vereinfachungsgründen mit ein. Das Nettoeinkommen des Klägers war, wie sich aus den im Berufungsverfahren eingereichten Verdienstbescheinigungen ergibt, im Jahre 1994 etwas geringer als vom Amtsgericht angenommen. Die Kumulativwerte, die in der Bescheinigung für Dezember 1994 enthalten sind, ergeben, wenn man vom Bruttoeinkommen von 67.343,41 DM die ausgewiesenen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abzieht, einen Betrag von 47.526,14 DM netto. Dies entspricht einem Monatsdurchschnitt in Höhe von 3.960,51 DM. Hiervon abzuziehen sind 52,00 DM Arbeitgeberzuschuß zur vermögenswirksamen Leistung, da diese Zuschüsse für den allgemeinen Lebensbedarf nicht zur Verfügung stehen. Dann verbleiben 3.908,51 DM. Nach Abzug von 5 % für berufsbedingte, Aufwendungen errechnet sich ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 3.713,09 DM im Monat.

4

Hiervon ist der für die Kinder der Parteien vom Kläger gezahlte Unterhalt vorweg abzuziehen, und zwar nicht nur mit dem Zahlbetrag von 895,00 DM monatlich, sondern, wie die Berufung zutreffend geltend macht, mit den vollen Tabellenbeträgen ohne Abzug anteiligen Kindergeldes, also in Höhe von 995,00 DM monatlich. Dann verbleibt ein Betrag von 2.718,09 DM, wovon sich der Unterhaltsbedarf der Beklagten mit einem Anteil von 3/7 auf 1.164,90 DM bestimmt. In Abzug zu bringen ist das damals bezogene Arbeitslosengeld von 205,20 DM wöchentlich Rechnet man dies auf den Monat April um und berücksichtigt dabei, daß für den 30.04.1994 Arbeitslosengeld nicht mehr bezogen worden ist, so ergeben sich 205,20 DM: 7 × 29 = 850,11 DM. Setzt man diesen Betrag vom Gesamtbedarf von 1.164,90 DM ab, so bleiben 314,79 DM bzw. rund 315,00 DM als monatlicher Unterhalt für die Zeit bis zum 30.04.1994.

5

Zu einer Kürzung des Einkommens des Klägers um den Splittingvorteil besteht für diesen Zeitraum wegen der relativ geringen Unterhaltshöhe kein Anlaß.

6

3.

Für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.12.1994 kann nicht das zuvor errechnete Nettoeinkommen in Höhe von 3.713,09 DM zugrunde gelegt werden. Denn hierbei würde sich ein in jedem Falle über 500,00 DM monatlich liegender Unterhalt der Beklagten errechnen, was dazu führen würde, daß dem Beklagten nicht genügend Einkommen verbliebe, um den Mindestunterhaltsbedarf seiner jetzigen Ehefrau, die der Beklagten gegenüber nachrangig ist, zu decken. Zieht man nämlich vom bereinigten Nettoeinkommen von 2.713,09 DM den Kindesunterhalt mit 995,00 DM, den Unterhalt der Klägerin mit 500,00 DM und den angemessenen Selbstbehalt des Klägers mit 1.600,00 DM ab, so verbleiben 618,09 DM, während der Mindestbedarf nach der Düsseldorfer Tabelle (Abschnitt B Ziffer VI.) 840,00 DM im Monat beträgt. Unter diesen Umständen ist es nicht gerechtfertigt, daß die Beklagte aus dem Splittingvorteil, den der Kläger nur aufgrund der Wiederverheiratung erlangt hat, Vorteil ziehen kann, während der Unterhaltsbedarf der jetzigen Ehefrau, der dem Steuervorteil zugrunde liegt, teilweise ungedeckt bliebe. Deswegen ist der Unterhaltsanspruch der Beklagten nach § 1579 Nr. 7 BGB insoweit zu kürzen, als er auf dem Splittingvorteil beruht (BGH FamRZ 1985, 911, 912; Palandt-Diederichsen, § 1579 Rdnr. 40).

7

Diese Kürzung erfolgt durch Ermittlung des fiktiven Nettoeinkommens, das der Beklagte bei Anwendung der Steuerklasse I (statt EI) erzielen würde. Das steuerpflichtige Bruttoeinkommen im Jahre 1994 hat ausweislich der Verdienstbescheinigung für Dezember 1994 61.183,02 DM betragen. Hierauf wären nach der Lohnsteuerjahrestabelle in Steuerklasse I bei einem halben Kinderfreibetrag Lohnsteuern in Höhe von 12.092,00 DM entfallen, während der Steuerbetrag für Steuerklasse III/0,5 nur 7.664,00 DM ausmacht. Die Differenz beträgt demnach 4.428,00 DM; hinzuzurechnen sind 9 % Kirchensteuerdifferenz mit 398,52 DM, so daß sich der gesamte Splittingvorteil auf 4.826,52 DM beläuft. Dies sind im Monat 402,21 DM, um die das Nettoeinkommen des Klägers zu kürzen ist.

8

Der Kürzungsbetrag ist von dem noch nicht um berufsbedingte Aufwendungen bereinigten Nettoeinkommen von 3.908,51 DM abzuziehen, so daß 3.506,30 DM verbleiben. Hiervon sind die berufsbedingten Aufwendungen mit 5 % = 175,32 DM abzusetzen, so daß der Unterhaltsberechnung ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 3.330,98 DM zugrundezulegen ist. Nach Abzug von 995,00 DM für den Kindesunterhalt verbleiben 2.335,98 DM. 3/7 hiervon belaufen sich auf 1.001,13 DM, worauf das Erwerbseinkommen der Beklagten mit 6/7 anzurechnen ist. Hierbei folgt der Senat dem Amtsgericht darin, daß die Anrechnung bereits ab 1. Mai 1994 zu erfolgen hat, weil die Beklagte ihre Bemühungen um eine Beschäftigung, die sie gleich nach Wegfall des Arbeitslosengeldes hätte aufnehmen können, nicht ausreichend vorgetragen hat.

9

Das Einkommen der Beklagten ist etwas höher anzusetzen als im Amtsgerichtsurteil, weil inzwischen unstreitig ist, daß die Beklagte Weihnachtsgeld in Höhe von 200,00 DM brutto erhalten hat. Aus der Verdienstbescheinigung für November 1994 ergibt sich der Nettobetrag des Weihnachtsgeldes mit 163,00 DM, was auf den Monat umgelegt 13,58 DM ergibt. Zieht man diesen Betrag zu dem Monatsnettoeinkommen von 805,00 DM hinzu, so errechnen sich 818,58 DM. Eine weitere Erhöhung wegen Urlaubsgeldes kommt derzeit nicht in Betracht, da nicht feststeht, ob und in welcher Höhe Urlaubsgeld gezahlt wird. Der Kläger hat hierzu weder konkrete Behauptungen aufgestellt noch Beweis angetreten.

10

Das Nettoeinkommen von 818,58 DM ist um eine Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen zu bereinigen, die allerdings nicht 90,00 DM, sondern im Hinblick auf die relativ geringe Höhe des Teilzeiteinkommen nur 45,00 DM monatlich beträgt. Es verbleiben dann 773,58 DM, wovon nach Abzug des Erwerbstätigenbonus von 1/7 (110,51 DM) ein anzurechnender Betrag in Höhe von 663,07 DM im Monat verbleibt. Zieht man diesen Betrag von den oben errechneten 1.001,13 DM ab, so beläuft sich die Differenz, in deren Höhe die Beklagte vom Kläger Unterhalt beanspruchen kann, auf abgerundet 338,00 DM monatlich.

11

4.

Für die Zeit ab 01.01.1995 verringert sich der Unterhaltsanspruch weiter, weil im Hinblick auf Pflegeversicherung und Solidaritätsabgabe von einem niedrigeren Einkommen des Klägers auszugehen ist. Legt man das sozialversicherungspflichtige Einkommen des Klägers in gleicher Höhe wie im Jahre 1994 mit 61.184,85 DM jährlich (laut Bescheinigung für Dezember 1994) zugrunde, so beläuft sich der Arbeitnehmeranteil am Beitrag zur Pflegeversicherung auf 0,5 %, = 305,92 DM; dies entspricht einer monatlichen Belastung in Höhe von rund 25,50 DM. Die Solidaritätsabgabe beträgt 7,5 % vom Lohnsteuerbetrag. Da der Splittingvorteil dem Kläger zur Deckung des Unterhaltsbedarfs seiner jetzigen Ehefrau verbleibt, ist der fiktive Steuerbetrag der Steuerklasse I/0,5 mit 12.092,00 DM zugrundezulegen. 7,5 % hiervon belaufen sich auf 906,90 DM, was auf den Monat umgelegt 75,57 DM ergibt.

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Zieht man die Beträge von 25,50 DM und 75,57 DM von dem um den Splittingvorteil bereinigten Einkommen von 3.506,30 DM ab, so verbleiben 3.405,23 DM. Hiervon sind für berufsbedingte Aufwendungen 5 % = 170,26 DM abzuziehen, so daß 3.234,97 DM verbleiben. Nach Abzug von 995,00 DM Kindesunterhalt ergeben sich 2.239,97 DM. 3/7 hiervon belaufen sich auf 959,99 DM.

13

Das Erwerbseinkommen der Beklagten hat sich aufgrund der Pflegeversicherung bei gleichzeitiger Ermäßigung des Rentenversicherungsbeitrages von 805,00 DM monatlich auf 803,00 DM monatlich netto verringert. Nach Hinzurechnen des Weihnachtsgeldes mit 13,58 DM ergeben sich 816,58 DM. Zieht man hiervon 45,00 DM für berufsbedingte Aufwendungen ab, so verbleiben 771,58 DM. Nach Abzug des Erwerbstätigenbonus in Höhe von 1/7 = 110,23 DM stellt sich der anzurechnende Betrag auf 661,35 DM. Der Unterhalt bestimmt sich nach der Differenz zum errechneten Bedarfsbetrag von 959,99 DM auf rund 299,00 DM im Monat.

14

Eine Kontrollrechnung ergibt, daß bei Herabsetzung des Unterhalts der Beklagten auf diesen Betrag dem Kläger nicht mehr Einkommen verbleibt, als er für seinen eigenen angemessenen Bedarf und zur Erfüllung seiner Unterhaltspflichten benötigt, so daß die Einkommenskürzung um den Splittingvorteil nach § 1579 Nr. 7 BGB weiterhin gerechtfertigt ist. Zieht man nämlich von seinem unbereinigten Nettoeinkommen von 3.908,51 DM den Arbeitnehmeranteil zur Pflegeversicherung mit 25,50 DM sowie die Solidaritätsabgabe mit 47,90 DM (nunmehr berechnet mit 7,5 % vom Lohnsteuerbetrag nach Steuerklasse III/0,5 von 7.664,00 DM) ab, so verbleiben 3.835,11 DM. Bereinigt um berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 5 % = 191,76 DM errechnen sich 3.643,35 DM. Setzt man hiervon den Kindesunterhalt mit 995,00 DM, den Unterhaltsanspruch der Beklagten mit 299,00 DM sowie den angemessenen Selbstbehalt des Klägers mit 1.600,00 DM ab, so verbleiben 749,35 DM, also fast 100,00 DM weniger als für den Mindestbedarf der jetzigen Ehefrau des Klägers erforderlich.

15

5.

Da eine weitere Herabsetzung des im früheren Vergleich festgelegten Unterhalts nach den vorstehenden Ausführungen nicht in Betracht kommt, bietet die Berufung insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.