Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 27.04.1995, Az.: 1 W 12/95
Zivilprozessuale Anforderungen an die Substantiierung der Befangenheit eines Richters; Ausgestaltung der Sanktionierung von persönlichen Entgleisungen und Beleidigungen durch einen Richter; Ausgestaltung der Verpflichtung von Rechtsanwälten zum Tragen der Amtstracht in Form einer Robe in einer gerichtlichen Verhandlung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 27.04.1995
- Aktenzeichen
- 1 W 12/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1995, 32253
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1995:0427.1W12.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 21.03.1995 - AZ: R 12 T 13/95
Rechtsgrundlagen
- Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG
- § 38 DRiG
- § 45 Abs. 2 ZPO
Fundstellen
- AnwBl 1995, 371-373 (Volltext mit amtl. LS)
- AnwBl 1995, 556-558 (amtl. Leitsatz mit Anm.)
- DRiZ 1995, 482-484 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1995, 2113-2115 (Volltext mit amtl. LS)
- SGb 1996, 120 (amtl. Leitsatz)
...
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Präsidenten des Oberlandesgerichts ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 27. April 1995
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Landgerichts Braunschweig vom 21. März 1995 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Beschwerdegegnerin werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert wird auf 3.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beklagten haben gegen Richter am Amtsgericht ... ein Befangenheitsgesuch angebracht Der Richter hatte in der mündlichen Verhandlung vom 9.2.1995 zunächst Rechtsanwalt ... und darauf Rechtsanwalt ... von der Prozeßführung ausgeschlossen, weil sie ohne Robe auftraten. Ein darauf gestütztes Befangenheitsgesuch hat der Richter als unzulässig zurückgewiesen, da es offensichtlich der Verfahrensverzögerung diene und keinen sachlichen Grund habe. Auf die Beschwerde der Beklagten hat der Landgericht durch Beschluß vom 21. März 1995 das Ablehnungsersuchen als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet ach die sofortige Beschwerde der Beklagten, die zwar zulässig ist, in der Sache aber keinen Erfolg haben kann.
Eine Befangenheit des Richters am Amtsgericht ... ist nicht zu besorgen Gründe die geeignet sind, Mißtrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu, rechtfertigen, liegen nicht vor. Maßstab für diese Feststellung ist nicht die subjektive Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, sondern die Erwartung "einer ruhig und vernünftig denkenden Partei" (Zöller, ZPO, 17. Aufl, § 42, Rdn. 9). Es kommt also maßgeblich darauf an, ob die Beklagten berechtigten Anlaß hatten, eine seitens des Richters parteiliche oder voreingenommene Entscheidung ihres Prozesses allein deshalb zu befürchten, weil ihre Prozeßbevollmächtigten sich geweigert hatten, in der mündlichen Verhandlung die Anwaltsrobe zu tragen. Diese Befürchtung besteht nach Auffassung des Senats nicht.
Bekanntlich haben sich alle Zivilrichter des Amtsgerichts Braunschweig entschlossen, nach dem Bezug des Amtsgerichts-Neubaus die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte um das Tragen der Amtstracht zu bitten, gegebenenfalls dies auch zu fordern. Diese Maßnahme richtet sich also weder gegen die Beklagten noch sonst gegen eine bestimmte Partei Unmittelbar betrifft sie ausschließlich das Verhältnis zwischen den Zivilrichtern des Amtsgerichts und den dort auftretenden Rechtsanwälten. Die rechtsuchenden Parteien sind allenfalls mittelbar und deshalb grundsätzlich kaum in ihren Interessen berührt.
Der Senat verkennt allerdings nicht, daß Kontroversen um Rechtstragen zwischen Richtern und Rechtsanwälten auch die nur mittelbar betroffenen Parteien in ihrem Vertrauen auf eine unvoreingenommene Rechtsfindung ernsthaft erschüttern können. Richterbefangenheit kann daraus jedoch grundsätzlich nicht abgeleitet werden. Es ist geradezu typisch für streitige Verfahren, daß in der Regel wenigstens ein Prozeßbevollmächtigter die Rechtsmeinungen oder sonstigen Wertungen der Richter nicht teilt, sondern sich offen und kontrovers damit auseinandersetzt. Diese Form der dialogischen Konfliktlösung gehört zum Wesen der Demokratie und ist deshalb auch einer demokratischen Rechtspflege systemimmanent. Wer sich dieser Aufgabe stellt, genießt deshalb auch den Schutz des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, seinem gesetzlichen Richteramt entzogen werden. Andernfalls könnte durch willkürlich herbeigeführte Kontroversen die Besetzung der Richterbank manipuliert werden.
Eine andere Betrachtungsweise könnte geboten sein, wenn der Richter den Rahmen argumentativer Auseinandersetzung sprengt und den Dienst an Wahrheit und Gerechtigkeit, zu dem er sich gemäß § 38 DRiG verpflichtet hat, zu persönlichen Entleistungen mißbraucht. Eine Ausnahmesituation dieser Art liegt jedoch nicht vor. Wie bereits ausgeführt, hat sich Richter am Amtsgericht ... hinsichtlich der Robenfrage zu einem Alleingang entschlossen, sondern im Einvernehmen mit seinen Kollegen gehandelt, so daß eine persönlich gefärbte Motivation fernliegt. Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten sind von der Verfahrensweise des Richters auch nicht überrascht und dadurch unfair behandelt worden. Aus dem Parallelverfahren 113 C 4954/94 waren ihnen die Konfliktgründe bekannt. Schließlich kann auch aus dem Ablauf der mündlichen Verhandlung vom 9.2.1995 nicht auf eine voreingenommene oder unsachliche Einstellung des Richters geschlossen werden. Das Protokoll läßt zwar eine ungewöhnliche Dramatik ernennen: Rechtsanwalt ... tritt ohne Robe auf und wird zurückgewiesen. Danach erscheint Rechtsanwalt ... ebenfalls ohne Robe und wird gleichfalls von der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen. Das danach angebrachte Ablehnungsgesuch weist der Richter als unzulässig zurück und weicht damit von der Regel des § 45 Abs. 2 ZPO ab, wonach grundsätzlich das Landgericht zur Entscheidung berufen ist. Nachdem ein Versäumnisurteil gegen die Beklagten droht, tritt mit einer im Terminssaal ausgefüllten Vollmacht die Referendarin ... für die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten auf Der Richter verkündet sogleich ein Urteil, das für die Beklagten nachteilig ist.
Der Anschein, daß der Richter nicht die nötige Abgeklärtheit und Distanz gegenüber sich selbst gewahrt haben könnte, hält näherer Betrachtung nicht Stand. Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten müssen sich entgegenhalten lassen, daß sie offenbar den Richter provozieren wollten. Der abgestufte Rollentausch zwischen den Rechtsanwälten ... und ... sowie der Referendarin ... wirkt inszeniert und läßt sich mit einer sachlichen Prozeßführung nicht erklären. Den Rechtsanwälten ... und ... war die Rechtsauffassung des Richters ... zum Robenproblem bekannt. Ihr berechtigtes Interesse, den Streit einer grundsätzlichen Klärung zuzuführen, hatten sie in dem Parallelverfahren 113 C 4954/94 bereits wahrnehmen können. Warum sie deshalb nicht sogleich die Referendarin mit der Vertretung der Beklagten beauftragt haben, bleibt unerfindlich. Wenn es ihnen nur darum ging, ein weiteres Exempel zu statuieren, und dies gleich zweimal hintereinander, dürfte der Richter zu Recht das Ablehnungsgesuch selbst als unzulässig zurückweisen (vgl. dazu Zöller, a.a.O., § 45, Rdn. 4). Dabei war such es der Klägerin nicht zugemutet werden konnte, hinsichtlich ihrer Vermögensinteressen zum Opfer des Robenstreits zu werden, für den sie jedenfalls nicht die geringste Veranlassung gegeben hatte. Eine zügige Beendigung des Rechtsstreits war also geboten.
Das Vertrauen in eine vorurteilslose Amtsführung des Richters kann schließlich auch dadurch beeinträchtigt sein, daß er zwar in angemessener Form seine Aufgaben wahrnimmt, das Recht aber grob fehlerhaft anwendet. "Schlichte" Rechtsfehler sind wie alle Fehler menschlichem und damit auch richterlichem Tun immanent und deshalb keine Indiezien für eine unsachliche Einstellung des Richters gegenüber einer Partei. Hält dagegen der Richter beharrlich an Rechtsauffassungen fest, die durch obergerichtliche Rechtsprechung oder aus anderen Gründen evidentermaßen keine Geltung mehr beanspruchen können, kann dies seine Ablehnung rechtfertigen (vgl. Zöller, a.a.O., § 42, Rdn. 25). Das Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes, Artikel 20 Absatz 3, unterwirft die Richter Gesetz und Recht und damit auch dem durch die Rechtsprechung geschaffenen Gewohnheitsrecht, duldet also keinen bewußten Ausbruch aus einem demokratisch legitimierten Konsens. Der Richter, der sich daran nicht hält, kann nicht auf uneingeschränktes Vertrauen in seine Amtsführung setzen.
Die Auffassung des Richters am Amtsgericht ... zur Verpflichtung der Braunschweiger Rechtsanwälte, auch vor dem Amtsgericht in Zivilprozeßsachen eine Robe zu tragen, ist nicht offensichtlich fehlerhaft.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 18.2.1970 (BVerfG E 28, 21) ausgeführt, daß seit rd. 100 Jahren in Deutschland einheitlich aufgrund Gewohnheitsrechts die Verpflichtung der Rechtsanwälte bestehe, in öffentlichen Verhandlungen jedenfalls der Landgerichte und höherer Gerichte die Robe als Amtstracht zu tragen. Die in den einzelnen Ländern dazu erlassenen Verwaltungsvorschriften nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts "Ausdruck einer in allen Ländern der Bundesrepublik einheitlich herrschenden Rechtsüberzeugung, die nicht nur von den Richtern aller Gerichte vertreten, sondern von der Rechtsanwaltschaft in ihrer Gesamtheit geteilt wurde".
Das Land Niedersachsen hat das Bundesgewohnheitsrecht zuletzt durch die AV des MdJ vom 30.5.1978 (Nds.Rpfl. Seite 161) konkretisiert. Danach sind Rechtsanwälte zum Tragen einer Amtstracht verpflichtet. Gemäß III Nr. 1 dieser AV ist die Amtstracht in allen zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzungen zu tragen. Zwischen Sitzungen beim Amtsgericht und Landgericht wird also nicht unterschieden, die Verpflichtung soll einheitlich für alle Gerichte gelten. Dies hat seinen guten Sinn. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigt sich der Robenzwang aus einem erheblichen Interesse der Allgemeinheit daran, daß Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können daß die Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege aus dem Kreis der übrigen Verhandlungsteilnehmer herausgehoben werden. Eine darin unter Umständen erkennbare Standesprivilegierung der Rechtsanwälte und auch die Ordnungsfunktion der Robe mögen nach heutigem Verständnis durchaus anzweifelbar sein. Gleichwohl sieht der Senat auch weiterhin gewichtige Gründe für die Verpflichtung zum Tragen von Amtstrachten.
Eine demokratische Rechtspflege, die nicht nur sich selbst genügt, in der der Bürger Verfahrenssubjekt und nicht Verfahrensobjekt sein soll, hat diesem Bürger durch angemessene Formen ihren Respekt zu erweisen. Die alte Erkenntnis, daß die Klarheit der Form der Qualität der Arbeit durchaus förderlich sein kann, daß angemessene Formen den Umgang der Menschen untereinander eher erleichtern als erschweren, hat kaum etwas von ihrer Bedeutung verloren und ist in den meisten europäischen Rechtskulturen unbestritten.
Bedeutsamer erscheint ein weiterer Aspekt: Durch die Amtstracht werden Richter wie Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege kenntlich gemacht (Art. 92 GG bzw. § 1 BRAO). In signifikanter Form beleben sie damit das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, Art. 20 Abs. 3: die Person tritt hinter dem Dienst an Gesetz und Recht zurück. Dies ständig zu verdeutlichen, ist ein verfassungskonformes Anliegen.
Die so umrissene Zweckbestimmung gut für Amts- und Landgerichte gleichermaßen. Daß bei den Landgerichten Anwaltszwang herrscht, bei den Amtsgerichten dagegen nicht, rechtfertigt keine Differenzierung. Der sich aus der Organstellung des Rechtsanwalts ergebende Pflichtenkatalog gut für das Auftreten bei beiden Gerichtsarten ohne Einschränkung. Daß in der Qualität der Rechtspflege keine Unterschiede aufkommen dürfen, bedarf keiner näheren Begründung.
Das bundeseinhertlich gehende und durch Landesrecht konkretisierte Gewohnheitsrecht zur Berufstracht der Rechtsanwälte ist durch die neuere Gesetzgebung zum anwaltlichen Standesrecht nicht aufgegeben worden. § 59 b Abs. 2 Nr. 6 c) Bundesrechtsanwaltsordnung, eingefügt durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte vom 2.9.1994, sieht vor, daß eine Berufsordnung das Nähere zum Tragen der Berufstracht regeln kann. Das heißt, daß das Tragen einer Berufstracht grundsätzlich vom Gesetzgeber vorausgesetzt wird, daß lediglich Vereinzelungen der Standessatzung vorbehalten sind. Wenn, wie es das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, Standes- und Verfahrensrecht in diesem Punkt ineinandergreifen, dürfen sicherlich die Detailregelungen über die Amtstracht der Richter und Rechtsanwälte nicht wesentlich auseinanderklaffen, weil sonst die beide Gruppen verbindende Stellung als Organe der Rechtspflege unterlaufen würde. Eine nach § 59 b BRAO vorgesehene Satzung ist noch nicht erlassen. Mithin gilt das bisherige Recht zunächst fort Folgerichtig deshalb auch das Niedersächsische Justizministerium durch Erlaß vom 5.12.1994 mitgeteilt "daß das Niedersächsische Innenministerium die Verfallsfrist der Anordnung über die Amtstracht im Geschäftsbereich des Ministers der Justiz vom 30.5.1978 - Nds.Rpfl. Seite 161 - bis zum 31.12.1995 verlängert habe".
Das durch Landesrecht konkretisierte Bundesgewohnheitsrecht ist nicht durch eine langjährige andersartige Übung beim Amtsgericht Braunschweig aufgehoben worden. Es mag sein, daß seit Ende des 2. Weltkrieges aufgrund gewisser organisatorischer Engpässe die Rechtsanwälte in Zivilverhandlungen beim Amtsgericht Braunschweig unbeanstandet ohne Robe aufgetreten sind. Ortsgewohnheiten können indes Landes- oder Bundesrecht nicht brechen, es sei denn, das Ortsübliche wäre landes- oder bundesweit als Gewohnheitsrecht anerkannt worden. Das ist jedoch nicht der Fall. In keiner der seit 1967 in Niedersachsen erlassenen Verwaltungsvorschriften kommt eine Privilegierung der Braunschweiger Anwaltschaft zum Ausdruck.
Im übrigen erfordert die Entstehung wie die Aufhebung von Gewohnheitsrecht eine langandauernde Übung. Hinzukommen muß die Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise, durch die Einhaltung der Übung bestehendes Recht zu befolgen (BVerfGE 28, 28; BGHZ 37, 219, 222; Palandt, BGB, 54. Aufl., Einl. Rdn. 24). Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 20, Rdn. 52, fordern darüber hinaus eine Anerkennung durch die obersten Gerichte. Die seit Kriegsende andauernde Übung, bei Zivilverhandlungen keine Robe zu tragen, ist unbestritten. Ebenso unbestritten ist aber auch, daß dieselben Anwälte, die beim Zivilgericht ohne Robe auftreten, beim Straf- oder Familiengericht ihre Amtstracht anlegen, darüber hinaus aber auch bei Zivilverhandlungen aller anderen Amtsgerichte des Oberlandesgerichtsbezirks. Schon diese wenig schlüssige Differenzierung läßt Zweifel aufkommen, ob die Übung rechtsverbindliche Bedeutung haben sollte, denn Rechtsverbindlichkeit involviert Allgemeingültigkeit und Gleichbehandlung vergleichbarer Fallkonstellationen.
Zu bedenken ist außerdem, daß für die Entstehung von Gewohnheitsrecht nicht allem die Anspruchs- und Erwartungshaltung der beteiligten Rechtsanwälte maßgeblich ist, sondern das Bewußtsein aller Prozeßbeteiligten. Wie das Bundesverfassungsgericht überzeugend dargelegt hat (BVerfG E 28, 32 ff), ist die Verpflichtung zum Tragen einer Amtstracht nicht ausschließlich Gegenstand des anwaltlichen Standesrechts, sondern in erster Linie ein Gegenstand des Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrechts. Folglich kommt es für die Feststellung der Rechtsverbindlichkeit eines Gerichtsgebrauchs auch auf die Auffassung der beteiligten Richter an.
Diese haben es zwar geduldet, daß Rechtsanwälte in Zivilsitzungen ohne Robe auftraten. Diese Duldung ist aber mit einer rechtsbeständigen Anerkennung nicht gleichzusetzen. Dies wird schon daraus deutlich, daß in der zurückliegenden Zeit seitens der Behördenleitung immer wieder versucht worden ist, eine Veränderung der bestehenden Zustände herbeizuführen.
Es hat darüber hinaus den Anschein, daß auch eine Mehrheit der Rechtsanwälte in Braunschweig nicht von einem Rechtsanspruch ausgeht, sondern einem Gerichtsgebrauch, denn sie hat sich inzwischen dem Wunsch der Richter angeschlossen, die Robe zu tragen. Letztlich ist dem Senat nicht bekannt, daß ein Robenprivileg Braunschweiger Rechtsanwälte Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen war und sich eine bestimmte Rechtsauffassung auf diesem Wege gewohnheitsrechtlich erhärtet hat.
Den nach alledem festzustellenden Rechtsverstoß der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten hat Richter am Amtsgericht ... gemäß § 176 GVG mit dem zeitweiligen Ausschluß von der Verhandlung geahndet. Er konnte sich für diese Vorgehensweise auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (E 28, 35) und verschiedener Obergerichte berufen (Bayer. VerfGH, AnwBl. 72,228; OLG Karlsruhe, NJW 77,309; KG JR 77,172).
Ob nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch ein milderes Mittel ausgereicht hätte wie zum Beispiel die Anregung einer standesrechtlichen Ahndung (vgL dazu Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 176, Rdn. 20), kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn nämlich eine Rechtsverletzung vorläge, wäre sie angesichts der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht evident und könnte nicht als Ausdruck von Voreingenommenheit des Richters gesehen werden, mithin nicht zu seiner Ablehnung fuhren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Zur Nichterstattung der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegnerin vgl. Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 51. Aufl., § 91, Rdn. 70. Die Entscheidung über den Beschwerdewert ergibt sich aus § 12 Abs. 2 GKG (vgl. Zöller, a.a.O., § 3, Rdn. 16).