Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 27.02.2003, Az.: 7 A 168/03
Abschiebehindernis; Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Ausländer; Ausreisehindernis; Leistung; Passlosigkeit; Reisedokument; Reisepapier; Sozialhilfe; Sozialleistung; tatsächliche Unmöglichkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 27.02.2003
- Aktenzeichen
- 7 A 168/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48463
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 AsylbLG
- § 3 AsylbLG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Fehlende Reisedokumente bilden keine Abschiebehindernisse
Tenor:
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung über die Kosten ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger, ein Ehepaar, begehren Leistungen nach § 2 AsylbLG. Sie stammen nach eigenen Angaben aus Syrien, geben an, kurdischer Volkszugehörigkeit zu sein und reisten am 19.09.1997 – wiederum nach eigenen Angaben - ohne Papiere in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte ihren Asylantrag mit Bescheid vom 08.06.1998 ab und verneinte dabei auch Abschiebehindernisse nach § 53 AuslG. Die hiergegen erhobene Klage wies die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover mit Urteil vom 23.01.2001 – 2 A 5110/98 – ab, das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht Lüneburg lies mit Beschluss vom 15.03.2001 – 2 LA 992/01 – die Berufung hiergegen nicht zu.
Gleichwohl erhielten die Kläger vom Beklagten eine Duldung, weil eine Abschiebung gültige Reisedokumente erfordert, über die die Kläger nicht verfügen wollen.
Nach Ablauf der 36-Monatsfrist des § 2 AsylbLG gewährte die vom Beklagten herangezogene Gemeinde Diekholzen, die namens und im Auftrag des Beklagten den Hilfefall der Kläger regelt, den Klägern zunächst Leistungen nach § 2 AsylbLG. Nach unanfechtbarer Ablehnung ihres Asylantrages stelle die Gemeinde jedoch mit Bescheid vom 30.04.2001 die Leistungen nach § 2 AsylbLG zum 15.03.2001 ein und gewährte den Klägern lediglich nur noch wieder Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Bezirksregierung Hannover mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2001 zurück.
Die Kläger haben am 25.07.2001 Klage erhoben.
Sie tragen vor: Sie hätten sich erfolglos um die Ausstellung von Reisedokumenten bemüht. Nach der Rechtsprechung des 4. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts stünde ihnen damit Leistungen nach § 2 AsylbLG zu.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Gemeinde Diekholzen vom 30.04.2001 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 02.07.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG iVm. dem BSHG zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er tritt der Klage entgegen und regt die Zulassung einer Sprungrevision an.
Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 20.02.2003 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung übertragen hat.
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung,
§ 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG.
Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.d.F. der Bekanntmachung vom 05.08.1997 (BGBl. I S. 2022) ist das Bundessozialhilfegesetz auf Leistungsberechtigte nur dann entsprechend anzuwenden, wenn diese über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten, frühestens beginnend am 01.06.1997, Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und wenn ihre Ausreise zum einen nicht erfolgen kann und zum anderen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, weil humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse entgegenstehen.
Die zeitlichen Voraussetzungen der genannten Vorschrift sind unstreitig erfüllt. Ein Anspruch nach § 2 Abs. 1 AsylbLG scheitert aber daran, dass die Unmöglichkeit einer Abschiebung wegen fehlender Reisepässe kein Abschiebungshindernis im Sinne der genannten Vorschrift darstellt.
Zugunsten der Kläger geht das Gericht allerdings davon aus, dass beide Kläger tatsächlich, wie behauptet, über keine Reisepässe verfügen. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass es sich bei der Behauptung, über keine Papiere zu verfügen bzw. ohne eigenen Pässe eingereist zu sein, um eine Standardbehauptung handelt, die von Asylbewerbern oft nur vorgebracht wird, um Abschiebemaßnahmen zu verhindern und in Wirklichkeit dann doch Reisepässe zurückbehalten werden. Gleichwohl geht zugunsten der Kläger das Gericht von ihrem Vortrag aus, weil es darauf letztlich auch nicht entscheidend ankommt.
Tatsächlich fehlende gültige Reisepapiere führen in aller Regel dazu, dass im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG die Ausreise nicht erfolgen kann. Verweigert ein Staat aufgrund fehlender Papiere die Einreise – wovon im Falle Syriens auszugehen ist -, so liegt immer ein rein tatsächliches Hindernis für eine freiwillige Einreise vor.
Die Vergünstigung des § 2 Abs. 1 AsylbLG setzt indes voraus, dass sowohl die (freiwillige) Ausreise nicht erfolgen kann als auch aufenthaltsbezogene Maßnahmen nicht vollzogen werden können, weil die in § 2 Abs. 1 AsylbLG aufgezählten Hindernisse entgegenstehen (vgl. nur OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.01.2001, - 4 M 4422/00 -, in: Juris, sowie Beschluss vom 29.03.2001 – 4 LB 443/01 - und - 4 LB 444/01 -, S. 8 des Entscheidungsabdrucks).
Bei den Klägern liegen keine der in § 2 Abs. 1 AsylbLG näher bezeichneten Abschiebehindernisse vor.
Die Kläger stammen nach eigenen Angaben aus Syrien. Dass bei ihnen Abschiebehindernisse der in § 2 Abs. 1 AsylbLG genannten Art für dieses Land vorliegen, ist nicht erkennbar. Mit den – nach erfolglosem Klageverfahren bestandskräftig gewordenen - Bescheiden des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wurden Abschiebehindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG und § 53 AuslG verneint. Dass nunmehr bei Ihnen gleichwohl Abschiebehindernisse nach den §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG vorliegen, ist nicht ersichtlich und wurde auch von den Klägern schon selbst nicht behauptet.
Die fehlenden Reisedokumente der Kläger stellen kein rechtliches Abschiebehindernis für die Ausländerbehörde dar. Die deutschen Gesetze – und nur darauf kommt es an – verbieten eine Abschiebung nicht, wenn ein Reisepass nicht vorhanden ist. Aus rechtlichen Gründen ist eine Abschiebung nur unmöglich, wenn eines der in §§ 51 ff. AuslG geregelten Abschiebehindernisse vorliegt (Heilbronner, AuslR, Loseblattwerk Stand Juli 2000; § 55, Rdnr. 8). Das Fehlen von Reisepapieren kann lediglich eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung zur Folge haben (vgl. VG Hannover, Beschl. v. 12.09.2000 - 3 B 4237/00 -; GK-AuslR, Stand Januar 2000, § 55 AuslG, Rdnr. 41 m.w.N.; Renner, AuslG, 7. Aufl.1999, § 55 Rdnr. 8). Dass Reisedokumente vorliegen müssen, stellt nur eine zwischenstaatlich geltende Voraussetzung dar, auf die sich Drittstaaten im Rechtsverkehr mit der Bundesrepublik Deutschland berufen können oder auch davon absehen können (Heilbronner, a.a.O., m.w.N.; a.A.: Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.09.2000 - 4 M 3107/00 -). Die entgegensetzte Rechtsprechung des 4. Senats des OVG Lüneburg überzeugt insoweit nicht. Der Einzelrichter vertritt - wie es auch Auffassung der gesamten Kammer ist - die Ansicht, dass die in § 2 Abs. 1 letzter Halbsatz AsylbLG normierten Gründe in Anlehnung an die Bedeutung derselben Begriffe im Ausländerrecht auszulegen sind (so auch GK-AsylbLG, a.a.O., § 2 Rdnr. 32.1; Deibel, ZAR 1998, S. 28, 34). Aufgrund der Nähe des Asylbewerberleistungsgesetzes zum Ausländergesetz erscheint allein ein entsprechendes Verständnis der Begrifflichkeiten sachgerecht (vgl. auch Beschl. v. 12.10.2000 - 7 B 4330/00 -).
Unter Zugrundelegung dieses Gesetzesverständnisses lässt sich das Fehlen von Passpapieren nicht als rechtlicher Grund einordnen. Vielmehr werden unter rechtlichen Gründen nur die aus einfachem Gesetzesrecht oder Verfassungsrecht sich ergebenden zwingenden Hindernisse einer freiwilligen und erzwungenen Aufenthaltsbeendigung erfasst (vgl. GK-AsylbLG, a.a.O., § 2 Rdnr. 34; Oestreicher/Schelter/Kunz, a.a.O., Anhang zu § 120 Rdnr. 13). Das hierunter fehlende Passpapiere nicht zu subsumieren sind, ist einhellige Auffassung im Ausländerrecht (vgl. GK-AuslR, Loseblatt Stand Januar 2000, § 55 Rdnrn. 18 ff., Rdnr. 41; Hailbronner, a.a.O., § 55 Rdnr. 18 c); Renner, a.a.O., § 55 Rdnr. 8). Jedes andere Verständnis im Ausländerrecht würde schließlich am Wortlaut der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 2 und 4 AuslG vorbeigehen, der zwischen rechtlichen und tatsächlichen Gründen unterscheidet.
Diese ständige Rechtsprechung der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover steht in Einklang mit der Rechtsprechung des 12. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg (Beschl. v. 27.03.2001 – 12 MA 1012/01 -, S. 7 des Entscheidungsabdrucks) und des OVG f. d. Land Mecklenburg-Vorpommern (Beschl. v. 24.01.2001 – 1 M 71/00 -, NVwZ 2001, Beilage Nr. I 7, 88 – 89).
Fehlende Reisepapiere stellen aber auch kein Abschiebehindernis aus humanitären Gründen dar. Die gegenteilige Ansicht des 4. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts überzeugt insoweit ebenfalls nicht. Humanitäre Abschiebehindernisse iSd. § 2 Abs. 1 AsylbLG sind solche, die zwar noch nicht ein derartiges Gewicht besitzen, um zu Rechtsgründen zu führen, die eine Abschiebung verbieten, die aber gleichwohl geeignet sind, das öffentliche Interesse an einer zulässigen Abschiebung zurücktreten zu lassen. Bei fehlenden Papieren kann keine Rede davon sein, dass deswegen aus humanitären Gründen eine Abschiebung zu unterbleiben hat. Fehlende Reisedokumente stehen – jedenfalls solange ein Staat nicht auch ohne Papiere die Einreise erlaubt – nur der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung entgegen. Bei einer anderen Auslegung liefe man auch Gefahr, dass letztendlich die Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG ins Leere ginge. Es ist aber ersichtlich gerade nicht Sinn des § 2 Abs. 1 AsylbLG, jeden Ausländer, der länger als drei Jahre Leistungen nach § 3 ff. AsylbLG erhalten hat, nun in den Genuss von Leistungen nach § 2 AsylbLG kommen zu lassen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht – 12. Senat – hat dazu zutreffend in seinem Beschluss vom 27.03.2001 (a.a.O.) ausgeführt:
„Eine solche Auslegung verlangt auch der Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 AsylbLG; denn im Hinblick auf den Zweck der Regelung – sie trägt dem Umstand Rechnung, dass nach längerem Aufenthalt im Bundesgebiet die (höheren) Leistungen entsprechend dem Bundessozialhilfegesetz gewährt werden sollen (BT-Drs. 13/2746, S. 12) – ist die Unmöglichkeit der Ausreise oder der Beendigung des Aufenthalts aus tatsächlichen Gründen nicht maßgeblich, weil solchen Gründen – typischerweise – der Charakter des nur Zeitweiligen oder Vorübergehenden anhaftet, da sich die tatsächlichen Umstände – etwa das Fehlen von für die Ausreise erforderlichen Flugverbindungen – häufig und jederzeit ändern können. An dieser Typik des tatsächlichen Umstandes, zu dem regelmäßig auch die Passlosigkeit zählt, ist auch dann festzuhalten, wenn die Unmöglichkeit der Ausreise oder der Beendigung des Aufenthalts über längere Zeit hinweg besteht.
Geboten ist diese Auslegung auch deshalb, weil bei einer anderweitigen Betrachtung der Zweck des § 2 Abs. 1, Halbs. 2 AsylbLG nicht erfüllt werden könnte, die Vorschrift liefe leer. Stellte man darauf ab, das –letztlich – jeder tatsächliche, die Ausreise hindernde Umstand einen humanitären, rechtlichen oder persönlichen Grund abgibt, wäre die Einschränkung des Gesetzes, nicht auf tatsächliche Gründe abzuheben, sinnentleert. Eine solche dem Gesetz seinen Inhalt nehmende Auslegung ist unzulässig, mit dieser Auslegung wäre § 2 Abs. 1, Halbs.2 AsylbLG aus ungeschrieben zu betrachten (vgl. auch Hauk, Leistungsanspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bei der Möglichkeit freiwilliger Ausreise, ZFSH/SGB 1999, 650). Im Ergebnis kann der Umstand, dass jeder humanitäre, rechtliche oder persönliche Grund eine Basis im Tatsächlichen haben muss, nicht dazu führen, dass alle tatsächlichen Umstände nur als Hintergrund der rechtlichen, persönlichen oder humanitären Gründe betrachtet werden.“
Das Gericht verkennt nicht, dass sich in Einzelfällen bei fehlenden Reisepapieren Härten ergeben können. Zwar sind die Regelsatzleistungen nach dem BSHG nicht mit der verfassungsrechtlich gebotenen Mindesthilfe gleichzusetzen (12. Senat des Nds. OVG Lüneburg, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Die tatsächlichen Gründe, die einer Ausreise entgegenstehen, sind – typischerweise – nur vorübergehender Art. Der Umstand, dass ein solcher Grund – etwa Passlosigkeit – typwidrig auch längere Zeit nicht zu beheben ist, zwingt den Gesetzgeber selbst unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht, die Gruppenbildung dahin zu differenzieren, bestimmte nur im Tatsächlichen wurzelnden Umstände als Anlass für die Leistungserhöhung heranzuziehen (a.a.O.). Gleichwohl können sich Härten ergeben, die die Hinnahme von weiteren Leistungen nur nach § 3 AsylbLG auf Dauer für den betroffenen Ausländer nicht als zumutbar erscheinen lassen. Nämlich dann, wenn etwa trotz intensiver Bemühungen des Ausländers um Nachweis seiner Staatsangehörigkeit und um Reisedokumente sein Heimatstaat grundlos derartige Papiere verweigert und ihn auch nicht ohne derartige Dokumente einreisen lässt, so dass wegen nur tatsächlicher Ausreisehinderungs- und Abschiebegründe der Ausländer quasi unbegrenzt von der Regelung des § 2 AsylbLG ausgenommen bliebe.
Zu Recht sieht in solchen Fällen der 4. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg dann zwar einen sozialen Integrationsbedarf als gegeben an (vgl. nur Beschluss vom 29.03.2001 – 4 LB 443/01 - u.a., Seite 9 des Entscheidungsabdrucks). Dies führt nun aber nicht dazu, dass die Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG insoweit verfassungswidrig wären und das Gericht – weil angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts der Regelung eine andere „verfassungskonforme Auslegung“ nicht möglich sein dürfte - gehalten wäre, diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Denn den genannten Härten kann wirksam durch Maßnahmen des Ausländerrechts begegnet werden. In derartigen Einzelfällen wird wohl eine Ermessensverdichtung für die zuständige Ausländerbehörde anzunehmen sein, nunmehr zumindest dem Ausländer eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 und 4 AuslG zu erteilen, dank derer der Ausländer dann nicht mehr von § 1 AsylbLG erfasst wäre (vgl. schon Beschl. des Gerichts v. 13.07.2000 – 7 B 3082/00 -) und Leistungen unmittelbar nach dem BSHG erhalten könnte. § 7 Abs. 2 AuslG steht dem nicht entgegen, weil die Duldung nicht auf Dauer angelegt ist und schon deshalb bei langfristiger Duldung kein Regelfall vorliegt.
Der Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen beruht zudem auf einer ausländerrechtlicher Einordnung und knüpft nicht an eigenständige, leistungsrechtliche Regelungen an. Hätte an leistungsrechtliche Merkmale angeknüpft werden sollen, hätte die z.B. zeitliche Beschränkung ausgereicht. Die Möglichkeit zur Kürzung von Leistungen in Fällen, in denen der Ausländer seinen weiteren Aufenthalt und die fehlende Abschiebemöglichkeit zu vertreten hat, wäre durch den § 1a AsylbLG sichergestellt.
Ist aber Anknüpfungspunkt die aufenthaltsbeendende Maßnahme hat das auch Folgen für die Begrifflichkeit, die ebenfalls dem Ausländerecht folgt. Daraus ergeben sich folgende Definitionen:
Tatsächliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Abschiebung aus Gründen scheitert, die im Tatsächlichen liegen und nicht behoben werden können, etwa wenn kein aufnahmebereiter Drittstaat vorhanden ist oder erforderliche Ausweispapiere fehlen (Franke-Kaiser in GK-AuslR, Rdnr. 39 ff zu § 55; Hailbronner, AuslR, Rdnr. 18 ff zu § 55 AuslR).
Rechtliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn sich aus einfachem Gesetzesrecht oder aus Verfassungsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt. Ob mithin eine Abschiebung aus Rechtsgründen möglich ist, kann ausschließlich aus den rechtlichen Verhältnissen und Beziehungen zwischen dem Ausländer und der Bundesrepublik Deutschland, die den Aufenthalt beenden will, abgeleitet werden.
Humanitäre und persönliche Gründe sind solche, die noch nicht das Gewicht haben, um aus Rechtsgründen einer Abschiebung entgegenzustehen, die aber geeignet sind, gegenüber dem öffentlichen Interesse einer an sich möglichen und zulässigen Aufenthaltsbeendigung zu überwiegen (vgl, Funke-Kaiser aaO, Rdnr. 51).
Wenn der 4. Senat des Nds. OVG ausführt, dass tatsächliche Gründe, die eine Abschiebung hindern, gleichzeitig auch einer Abschiebung entgegenstehende humanitäre und persönliche Gründe oder ein öffentliches Interesse darstellen können, so trifft das nur insoweit zu, als derartige Gründe kumulativ auftreten können, also humanitäre und persönliche Gründe sowie das öffentliche Interesse neben tatsächlichen Gründen. Humanitäre und persönliche Gründe oder ein öffentliches Interesse setzen aber die grundsätzliche Abschiebemöglichkeit voraus, da sich ansonsten die Frage der aufenthaltsbeendenden Maßnahme, an die aber auch das AsylbLG anknüpft, nicht stellt. Dass sich diese Frage im Ausländerrecht nicht stellt, davon geht auch der 4. Senat aus, der jedoch dies nicht auf das AsylbLG übertragen wissen will. Das AsylbLG eröffnet jedoch keine darüber hinausgehenden eigenständigen humanitären und persönlichen Gründe oder ein öffentliches Interesse, die ihren Bezug nicht in der aufenthaltsbeendenden Maßnahme, sondern z. B. in der Aufenthaltsdauer bei beschränkter Leistung haben – dieser Umstand hindert eine Abschiebung nicht -. Derartige weitere Anknüpfungspunkte für eine erweiterte Leistung hätten der ausdrücklichen Normierung bedurft. Sie lassen sich jedenfalls weder aus dem Verfassungsrecht noch aus dem Asylbewerberleistungsgesetz selbst ableiten. Die zeitliche Komponente und die Notwendigkeit der sozialen Integration führen nicht zu einer aus der Verfassung herzuleitenden zeitlichen Beschränkung reduzierter Leistungen. Das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 29.09.1998 – BVerwG 5 B 82.97 -, FEVS 49/57) hat vornehmlich, wie bereits oben ausgeführt, nicht darauf abgehoben, Leistungen nach dem AsylbLG dürften deshalb nicht gemindert werden, weil sich der Asylbewerber –typischerweise- nur vorübergehend im Geltungsbereich des AsylbLG aufhalte. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht festgehalten, es treffe nicht zu, dass das Existenzminimum durch die Regelsatzleistungen des Bundessozialhilfegesetzes konkretisiert würde, und hat in diesem Sinne die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 87, 153, 171) interpretiert. Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat ausdrücklich festgehalten, dass die Regelsätze nicht mit der verfassungsrechtlich gebotenen Mindesthilfe gleichgesetzt werden dürften.
Der 12. Senat des Nds. OVG (Beschl. v. 27.03.2001 – 12 MA 1012/01 S. 8 d. Abdrucks), dem sich das Gericht anschließt, hat weiter ausgeführt:
„ Auch Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es nicht, die vom Gesetzgeber gebildeten Gruppen von Ausländern, die höhere Leistungen erhalten, zu modifizieren –etwa im Hinblick auf den Bedarf wegen der nach langem Aufenthalt wünschenswerten Sozialintegration -, denn die Gruppenbildung ist nicht willkürlich, sondern knüpft an sachgerechte Kriterien an und trennt so die Gruppen der Ausländer, deren Abschiebung oder Ausreise – nur – tatsächliche Gründe entgegenstehen, von der Gruppe der Ausländer, deren Abschiebung oder Ausreise die in § 2 Abs. 1, Halbs. 2 AsylbLG bezeichneten Gründe hindert. Der Umstand, dass ein solcher Grund – etwa Passlosigkeit – typwidrig auch längere Zeit nicht zu beheben ist, zwingt den Gesetzgeber unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht, die Gruppenbildung dahin zu differenzieren, bestimmte nur im Tatsächlichen wurzelnde Umstände als Anlass für die Leistungserhöhung heranzuziehen und verbietet es damit, den Gerichten im Wege verfassungskonformer Reduzierung den Wortlaut des Gesetzes zu relativieren.
Entsprechendes gilt für die Überlegung des 4. Senates zu Sinn und Zweck der Regelung, von § 2 Abs. 1 AsylbLG, die so nicht aus der Entstehungsgeschichte abzuleiten sind; zwar ist in der BT-Drs. 13/2746 (S.11) darauf abgehoben, ein Asylbewerber halte sich typischerweise nur vorübergehend im Bundesgebiet auf; daraus folgt aber nicht, der Gesetzgeber habe die von ihm gewählte Unterscheidung zwischen tatsächlichen und anderen Hindernissen nicht beachtet wissen wollen.“
Neben der tatsächlichen Unmöglichkeit der Ausreise sind der Abschiebung entgegenstehende humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder ein der Abschiebung entgegenstehendes öffentliches Interesse im dargelegten Sinne bei den Klägern nicht ersichtlich.
Die den Klägern erteilten Duldungen stellen ebenfalls keinen rechtlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG dar. Zwar ist eine Duldung vor der Durchführung einer Abschiebung zu widerrufen. Jedoch liegt dieser verfahrensrechtlichen Vorgabe nicht das Verständnis zugrunde, dass die Duldung selbst ein Abschiebungshindernis darstellt, sondern erschöpft sich ihre Bedeutung darin, dass jeder – materielle - Grund, der zur Duldungserteilung geführt hat, solange er besteht, eine Abschiebung verhindert. Dies lässt sich auch § 56 Abs. 5 AuslG entnehmen. Nur dieser - materielle - Duldungsgrund kann dementsprechend auch unter § 2 Abs. 1 letzter Halbsatz AsylbLG Berücksichtigung finden (auch GK-AsylbLG, a.a.O. Stand Juni 2000, § 2 Rdnr. 29, stellt auf den zugrunde liegenden Duldungsgrund ab). Da eine Duldung gemäß § 55 Abs. 2 und 4 AuslG auch aus tatsächlichen Gründen ausgesprochen werden kann, würden anderenfalls über die Annahme der Duldung als rechtlichem Abschiebungshindernis tatsächliche Gründe den Tatbestand des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen, obwohl dieser sich bei seiner - abschließenden - Aufzählung auf humanitäre, rechtliche und persönliche Hinderungsgründe beschränkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
Die Berufung war gem. § 124a Abs. 1 iVm. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. In ständiger Rechtsprechung sieht der 4. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG als gegeben an, wenn eine Abschiebung wegen fehlender Reisedokumente nicht möglich ist und der Ausländer sich vergeblich um die Beschaffung dieser Dokumente bemüht hat.
Die Sprungrevision gemäß § 134 VwGO konnte nicht zugelassen werden. Zwar dürfte der Revisionsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegen, weil – soweit ersichtlich – bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der Anwendung des § 2 Abs. 1 AsylBlG vorliegt und auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Ansichten hierzu vertreten werden. Jedoch hat nur der Beklagte, nicht jedoch auch die Kläger einer Sprungrevision zugestimmt, so dass dem Gericht dieser Weg verschlossen blieb.
Sonstiger Langtext
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, statthaft. Die Berufung ist beim Verwaltungsgericht Hannover, Eintrachtweg 19, 30173 Hannover, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen und ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung erfolgt, bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.
Beschluss:
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird wegen fehlender Erfolgsaussichten aus den Gründen des vorstehenden Urteils abgelehnt.