Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.08.2019, Az.: 7 B 2221/19

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
28.08.2019
Aktenzeichen
7 B 2221/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69969
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zum Begriff der Unverzüglichkeit bei der Information der Öffentlichkeit über Verstöße (LFGB) durch Veröffentlichung im Internet

Tenor:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die von ihm ab dem 7. August 2019 geplante die Antragstellerin betreffende Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße auf der Internetplattform www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de vorzunehmen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist ein Unternehmen aus dem Bereich der Systemgastronomie. Am 6. März 2019 unterzogen Mitarbeiter des Antragsgegners die Betriebsstätte der Antragstellerin in ... einer planmäßigen Betriebskontrolle. Im Rahmen dieser Kontrolle stellten die Mitarbeiter Kotspuren von Schadnagern in einer Lagergarage für Lebensmittelverpackungen fest. Im überdachten Hof vor dem Verpackungslager fanden sie darüber hinaus einen Rollwagen mit Hamburgerbrötchen vor.

Aufgrund der festgestellten Missstände setzte der Antragsgegner gegenüber dem Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Antragstellerin mit Bescheid vom 3. Juni 2019 eine Geldbuße in Höhe von 400,00 € fest.

Mit Schreiben vom 26. Juni 2019 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu der von ihm beabsichtigten Veröffentlichung der festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstöße gemäß § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) an und informierte sie schließlich mit Schreiben vom 23. Juli 2019 darüber, dass eine Veröffentlichung ab dem 7. August 2019 auf der Internetseite www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de erfolge.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

II.

Der Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, auf der Internetplattform www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de die in ihrer Betriebsstätte festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstöße zu veröffentlichen, ist zulässig und begründet.

Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft. Denn die Verhinderung der Internetveröffentlichung kann nicht über das nach § 123 Abs. 5 VwGO vorrangige Eilrechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erreicht werden. Die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung von Verstößen gegen Vorschriften des LFGB ist mangels Regelungscharakters nicht als Verwaltungsakt, sondern als Realakt zu qualifizieren. Eine Verhinderung dieser Veröffentlichung ist in der Hauptsache mit einer allgemeinen Leistungsklage auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs und nicht mit einer Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO durchzusetzen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet.

Das Gericht kann auf Antrag – und wie im vorliegenden Fall auch schon vor Klageerhebung – gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (sog. Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Dabei hat ein Antragsteller sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO.

Vorliegend möchte die Antragstellerin eine behauptete Beeinträchtigung ihrer Rechtsposition verhindern, weshalb ein Fall der Sicherungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben ist.

Es besteht vorliegend ferner die Besonderheit, dass die Antragstellerin mit der einstweiligen Anordnung vorläufig das Gleiche begehrt, was sie auch im Hauptsacheverfahren begehren würde, nämlich die Untersagung der vom Antragsgegner angekündigten Veröffentlichung der von diesem bei einer Kontrolle am 6. März 2019 in der Betriebstätte der Antragstellerin festgestellten Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften. Die Antragstellerin begehrt mithin eine (zeitweilige) Vorwegnahme der Hauptsache, was grundsätzlich dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung widerspricht (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 14). Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang dasjenige gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf das in Art. 19 Abs. 4 GG statuierte Gebot effektiven Rechtsschutzes ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren jedoch ausnahmsweise dann zulässig, wenn diese im Interesse des Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist. Dies ist dann der Fall, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den einzelnen Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 14).

Gemessen an diesen Voraussetzungen hat der Antrag in der Sache Erfolg.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund, d.h. die Dringlichkeit der begehrten gerichtlichen Entscheidung, glaubhaft gemacht. Durch die Veränderung des bestehenden Zustands in Gestalt der angekündigten Veröffentlichung der festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstöße im Internet wird die Verwirklichung von Rechten der Antragstellerin vereitelt oder jedenfalls wesentlich erschwert. Die weithin einsehbare und leicht zugängliche Veröffentlichung festgestellter Verstöße gegen die Vorschriften des LFGB kann zu einem erheblichen Verlust des Ansehens des Unternehmens und zu Umsatzeinbußen führen, was im Einzelfall bis hin zur Existenzvernichtung reichen kann (BVerfG, Beschl. v. 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – juris, Rn. 34). Auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen im Falle eines späteren Obsiegens in der Hauptsache ändern nichts daran, dass die faktische Wirkung, die von einer solchen Information der Öffentlichkeit ausgeht, durch die jeweils handelnde Behörde regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden kann.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs, der als alleinige Rechtgrundlage in Betracht kommt, sind gegeben. Der auf Bewahrung des „status quo“ gerichtete öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch wird entweder auf eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB gestützt oder aber aus der Abwehrfunktion der Grundrechte – d.h. vorliegend aus Art. 12 Abs. 1 GG – abgeleitet (BVerwG, Urt. v. 29. April 1988 – 7 C 33/87 – juris, Rn. 12). Unabhängig von der Frage der dogmatischen Herleitung dieses Anspruches setzt ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht bevorsteht oder noch andauert. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da der durch die angekündigte Veröffentlichung der festgestellten Verstöße drohende Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit nach vorläufiger rechtlicher Würdigung rechtswidrig ist.

Als Rechtsgrundlage für die grundrechtsrelevante Veröffentlichung der lebensmittelrechtlichen Verstöße kommt allein die vom Antragsgegner angeführte Norm des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB in Betracht. Hiernach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Absatz 1 Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.

Zwar spricht vorliegend einiges dafür, dass die Antragstellerin durch die bei der Kontrolle am 6. März 2019 festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstöße in nicht nur unerheblichem Ausmaß gegen Vorschriften verstieß, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher zu dienen bestimmt sind. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an, da die geplante Veröffentlichung dieser Verstöße jedenfalls nicht unverzüglich erfolgt.

Das Erfordernis der Unverzüglichkeit der Veröffentlichung wurde – wie auch die nunmehr gesetzlich vorgeschriebene Löschungsfrist gemäß § 40 Abs. 4a LFGB – anlässlich einer aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich gewordenen Überarbeitung des § 40 Abs. 1a LFGB mit Wirkung zum 30. April 2019 als tatbestandliches Merkmal in die Vorschrift aufgenommen. Eine Definition des Gesetzgebers, was in diesem Zusammenhang genau unter dem Begriff der Unverzüglichkeit zu verstehen ist, existiert nicht. Als unbestimmter Rechtsbegriff ist er daher auszulegen und in dieser Eigenschaft gerichtlich voll überprüfbar.

Die Auslegung setzt am Wortlaut selbst an. Der Begriff der Unverzüglichkeit wird in der Vorschrift des § 121 Abs. 1 BGB legaldefiniert. Hiernach setzt die Unverzüglichkeit ein Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“ voraus. Für eine entsprechende Deutung des Begriffs auch im Geltungsbereich des LFGB sprechen teleologische Überlegungen. Der Grund für die Aufnahme dieses Tatbestandsmerkmals lag – wie auch die ebenfalls ergänzte Löschungsfrist – in der verfassungsrechtlichen Unvereinbarkeit der früheren Vorschrift. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die alte Regelung des § 40 Abs. 1a LFGB insofern mit Art. 12 Abs. 1 GG für unvereinbar, als in dem Gesetz eine zeitliche Begrenzung der Informationsverbreitung fehlte (BVerfG, Beschl. v. 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – juris, Rn. 56). In der Urteilsbegründung stellt das Gericht dabei nicht nur besondere Anforderungen an die Dauer der Veröffentlichung von Verstößen; der Entscheidung lassen sich ebenfalls konkrete Anforderungen an den (engen) zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Verstoß und der Veröffentlichung desselben entnehmen. So stellt das Bundesverfassungsgericht fest:

„Je weiter der Verstoß zeitlich entfernt ist, desto geringer ist (…) noch der objektive Informationswert seiner Verbreitung, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen lässt.“

(BVerfG, Beschl. v. 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – juris, Rn. 58)

Mit dem tatbestandlichen Merkmal der Unverzüglichkeit soll mithin ein möglichst geringer zeitlicher Abstand der zu veröffentlichenden Information zu dem die Informationspflicht auslösenden Rechtsverstoß und dadurch eine hohe Aktualität gewährleistet werden. Mit sinkender Aktualität der Information reduziert sich auch der Wert dieser Information für die Verbraucherinnen und Verbraucher und umso weniger ist den hiervon Betroffenen die Veröffentlichung im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zuzumuten.

Eine weitere Annäherung an den Begriffsinhalt der Unverzüglichkeit im Sinne des § 40 Abs. 1a LFGB lässt sich durch einen Blick auf das der am 30. April 2019 in Kraft getretenen Gesetzesnovelle vorausgegangene Gesetzgebungsverfahren erreichen. Das Merkmal der Unverzüglichkeit wurde auf Initiative des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft in § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB aufgenommen. In der Beschlussempfehlung wird hierzu ausgeführt:

„Die Namensveröffentlichung bei Verstößen gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ist ein weitgehender Eingriff in die Grundrechte, der oftmals mit erheblichen Reputationsschäden für den Unternehmer einhergeht. (…) Die Veröffentlichung (…) erfolgt oftmals erst nach Wochen oder Monaten. Um einen ausreichenden Verbraucherschutz zu gewährleisten, ist die Information der Öffentlichkeit ‚unverzüglich‘ vorzunehmen.“

(Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) v. 13. März 2019, Drucks. 19/8349, S. 15)

Unter Zugrundlegung dieses Begriffsverständnisses ist die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung der lebensmittelrechtlichen Verstöße nicht mehr als unverzüglich zu betrachten. Die Kontrolle, bei der die in Rede stehenden Verstöße in der Betriebsstätte der Antragstellerin festgestellt wurden, fand bereits am 6. März 2019 statt. Die Veröffentlichung der im Rahmen dieser Kontrolle festgestellten Verstöße war ausweislich des Schreibens des Antragsgegners vom 23. Juli 2019 frühestens ab dem 7. August 2019 geplant. Zwischen der Feststellung der Verstöße und ihrer Veröffentlichung im Internet liegt daher ein Zeitraum von mehr als fünf Monaten.

Dem Antragsgegner ist dabei zugute zu halten, dass die um das Merkmal der Unverzüglichkeit ergänzte Neufassung des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB erst zum 30. April 2019 und somit nach dem Kontrollbesuch des Antragsgegners in Kraft getreten ist. Selbst wenn man jedoch den Tag des Inkrafttretens des neugefassten § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB als maßgeblichen Anknüpfungspunkt wählt, erfüllt eine ab dem 7. August 2019 geplante Veröffentlichung der lebensmittelrechtlichen Verstöße im vorliegenden Fall ebenfalls nicht die an eine unverzügliche Information zu knüpfenden Anforderungen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Veröffentlichung das tatbestandliche Erfordernis der Unverzüglichkeit erfüllt, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Im konkreten Fall waren dem Antragsgegner die einen nicht unerheblichen Verstoß gegen die Vorschriften des LFGB begründenden Tatsachen bereits seit der Kontrolle am 6. März 2019 bekannt. Es bedurfte insbesondere keiner weitergehenden Ermittlungen oder Nachkontrollen. Obwohl dem Antragsgegner die Veröffentlichung der festgestellten Verstöße jedenfalls mit Inkrafttreten des novellierten § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB ab dem 30. April 2019 möglich und auch zumutbar gewesen wäre, wartete er bis zum 23. Juli 2019 und somit kaum weniger als drei Monate, ehe er die Veröffentlichung gegenüber der Antragstellerin ab dem 7. August 2019 überhaupt verbindlich ankündigte. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein Zeitraum von einem Vierteljahr im vorliegenden Fall aufgrund des eindeutigen Sachverhalts und der verhältnismäßig geringen Schwere der Verstöße nicht die an eine unverzügliche Veröffentlichung zu stellenden Anforderungen erfüllt. Dies gilt umso mehr in Anbetracht der Tatsache, als die Verstöße im Zeitpunkt des Inkrafttretens des überarbeiteten § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB bereits etwa acht Wochen zurücklagen. In dem Bewusstsein dieses Umstands wäre es die Verpflichtung des Antragsgegners gewesen, sich in nochmals gesteigerter Weise um eine umgehende Veröffentlichung der Informationen zu bemühen.

Keine andere rechtliche Würdigung folgt im Übrigen aus dem Vortrag des Antragsgegners, dass er zunächst die Rechtskraft des am 3. Juni 2019 ergangenen Bußgeldbescheides abgewartet habe, ehe er eine Veröffentlichung der bereits am 6. März 2019 festgestellten Verstöße vorangetrieben habe. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der unverzüglichen Veröffentlichung von Verstößen ist nicht der rechtskräftige Abschluss eines durchgeführten Bußgeldverfahrens, sondern einzig der Zeitpunkt, in welchem diese Verstöße zuvor in hinreichend belastbarer Weise festgestellt wurden. Die Argumentation des Antragsgegners, dass nur durch die Rechtskraft des Bußgeldbescheides sichergestellt werden könne, dass ein Bußgeld von mindestens 350 € verhängt und dadurch dem Tatbestand des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB entsprochen werde, geht fehl. Ausweislich des eindeutigen Wortlautes der Norm kommt es gerade nicht darauf an, dass ein Bußgeld in dieser Höhe verhängt wird; entscheidend ist gemäß § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB vielmehr, dass „die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.“ In diesem Zusammenhang stellte jüngst auch der VGH Mannheim fest:

„Da in dem Zeitpunkt, in dem die Information der Öffentlichkeit veranlasst ist, ein Bußgeld noch nicht verhängt sein kann, stellt § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB auf die Höhe des Bußgeldes ab, die zu erwarten ist.“

(VGH Mannheim, Beschl. v. 21. Mai 2019 – 9 S 584/19 – juris, Rn. 30)

Erforderlich ist somit eine Prognoseentscheidung, ob aufgrund des festgestellten Sachverhalts die Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von mindestens 350 € möglich scheint. Auf die tatsächliche und rechtskräftige Verhängung dieses Bußgeldes kommt es dagegen nicht an.

Dass die bestands- oder rechtskräftige Feststellung eines Verstoßes nicht entscheidend ist, kommt auch in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck. So stellt das Gericht im Zusammenhang mit der Einbeziehung von Verdachtsfällen in die Informationsregelung fest:

„Dürfte eine Veröffentlichung erst dann erfolgen, wenn ein Verstoß bestands- oder rechtskräftig festgestellt wäre, würde die Information der Öffentlichkeit durch die vielfach zu erwartende Einlegung von Rechtsbehelfen voraussichtlich häufig herausgezögert und die Informationsregelung damit um ihre Effektivität gebracht.“

(BVerfG, Beschl. v. 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – juris, Rn. 43)

Zuletzt kann der Antragsgegner ebenfalls nicht mit seinem Gegenvortrag durchdringen, dass im Rahmen einer weiteren Kontrolle am 17. Juni 2019 erneut bzw. weiterhin Kotspuren in den Lagerräumen der Antragstellerin festgestellt worden seien, sodass die geplante Veröffentlichung durchaus ein aktuelles Bild der hygienischen Zustände in der Betriebsstätte der Antragstellerin zeichne. Die Kontrolle am 17. Juni 2019 kann vorliegend keine Berücksichtigung finden, da sie auch in der streitgegenständlichen Veröffentlichung keine Erwähnung findet. Die geplante Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße bezieht sich einzig auf die Kontrolle am 6. März 2019. Das Erfordernis der Unverzüglichkeit knüpft jedoch nicht an eine beliebige Kontrolle an, sondern ausschließlich an jene, über deren Erkenntnisse die Verbraucherinnen und Verbraucher im Rahmen der geplanten Veröffentlichung informiert werden sollen.