Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 23.09.2005, Az.: 11 B 4186/05
Erteilung einer Sortenzulassung für eine gentechnisch veränderte MON810-Maishybride als Saatgut im Wege der einstweiligen Anordnung; Saatgutrechtliche Wertprüfung und Registerprüfung; Erforderlichkeit einer gentechnikrechtlichen Inverkehrbringensgenehmigung i.S.d. § 14 Gentechnikgesetz (GenTG); Geltung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache; Zumutbarkeit der Verweisung auf das Hauptsachverfahren
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 23.09.2005
- Aktenzeichen
- 11 B 4186/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 32130
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2005:0923.11B4186.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 30 Abs. 1 SaatG
- § 30 Abs. 5 SaatG
- § 30 Abs. 6 SaatG
- § 14 GenTG
- § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO
Verfahrensgegenstand
Sortenzulassung einer Maishybride - Antrag nach § 123 VwGO -
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover -11. Kammer -
am 23. September 2005
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 160.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung von der Antragsgegnerin die Sortenzulassung für eine gentechnisch veränderte MON810-Maishybride als Saatgut.
In einem in Frankreich geführten Verfahren über die Genehmigung des Maises MON810 erteilte die zuständige französische Behörde auf der Basis der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 22.04.1998 über das Inverkehrbringen von genetisch verändertem Mais MON810 am 03.08.1998 die Genehmigung für Mais MON810. Die unter dem 12.07.2004 gemeldeten Erzeugnisse aus Mais MON810 wurden am 18.04.2005 in das Register der Europäischen Kommission eingetragen.
Mit Antrag vom 31.01.2000 beantragte die Antragstellerin beim Bundessortenamt die Sortenzulassung für die streitgegenständliche Sorte mit der Nutzungsrichtung "Körnernutzung". Das Bundessortenamt prüfte die Sorte auf Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit sowie auf landeskulturellen Wert. Die Antragsgegnerin erteilte am 22.02.2005 eine Vertriebsgenehmigung für den streitbefangenen Mais für das Jahr 2005. Mit Schreiben vom 23.02.2005 teilte die Antragsgegnerin das Ergebnis der Wertprüfung und der Registerprüfung mit und kündigte an, dass der Sortenausschuss 5 demnächst über den Antrag auf Zulassung der Sorte entscheiden werde. Hinsichtlich ursprünglicher gentechnischer Vorbehalte wurde ausgeführt: "Nach Mitteilung durch das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sind die in unserem Schreiben vom 9. Februar 2005 angeführten gentechnikrechtlichen Genehmigungsvorbehalte ausgeräumt, so dass der zuständige Sortenausschuss terminiert werden kann." Darüber hinaus gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme und gab anheim sich zu dem landeskulturellen Wert der Sorte zu äußern.
In einer "Verständigung" zwischen dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und D. vom 18.02.2005 erhob das Ministerium keine rechtlichen, insbesondere keine gentechnikrechtlichen Vorbehalte und wollte auf das Bundessortenamt einwirken, das eine Verhandlung vor dem Sortenausschuss bis zum 31. Mai 2005 erfolgen solle. Im Gegenzug sollte die D. spätestens bis zum Beginn des kommerziellen Anbaus einer als Sorte zugelassenen MON810-Maissorte in Deutschland einen Monitoringplan vorlegen.
Die für den 30.05.2005 vorgesehene Verhandlung vor dem Sortenausschuss wurde kurzfristig wegen gentechnikrechtlicher Bedenken nach Einholung eines Rechtsgutachtens zurückgestellt und die Sortenzulassung bisher nicht erteilt.
Die Antragstellerin hat am 14.07.2005 um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.
Zur Begründung ihres Eilantrages führt sie im Wesentlichen aus, sie habe einen Anspruch auf Erteilung der Sortenzulassung für die streitbefangene Maishybride, zumindest aber einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung der Sortenzulassung als Voraussetzung für den kommerziellen Vertrieb von Saatgut der genetisch veränderten Maislinie MON810.
Ein Anspruch auf Erteilung der Sortenzulassung folge bereits daraus, dass die Antragsgegnerin bereits im Februar 2005 rechtsverbindlich zugesichert habe, keine gentechnikrechtlichen Vorbehalte gegen die Sortenzulassung mehr geltend zu machen. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 23.02.2005 müsse seinem Inhalt und der Reichweite der Erklärungen und nach dessen Entstehungsgeschichte als weiterhin wirksame Zusicherung i.S.d. § 38 VwVfG aufgefasst werden. Sie - die Antragstellerin - sei seinerzeit zur Hinnahme der durch bevorstehende Landtagswahlen allein politisch motivierten Verzögerung der Sortenzulassung nur bereit gewesen, wenn rechtsverbindlich bestätigt werde, dass sämtliche gentechnikrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Diese Bestätigung sei durch die Vereinbarung vom 18.02.2005 und mit dem Schreiben vom 23.02.2005 hinsichtlich der Erfüllung der gentechnikrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen erfolgt.
Unabhängig von der rechtsverbindlichen Zusicherung der Antragsgegnerin habe sie - die Antragstellerin - einen Anspruch auf die begehrte Sortenzulassung, da sowohl die gentechnikrechtlichen Voraussetzungen der §§ 30 Abs. 5 und 6 des Saatgutverkehrsgesetzes (SaatG) als auch die saatgutrechtlichen Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 SaatG erfüllt seien.
Hinsichtlich der saatgutrechtlichen Voraussetzungen sei die erforderliche Wert- und Registerprüfung erfolgreich abgeschlossen worden und von Seiten des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft seien gegen das Vorliegen der saatgutspezifischen Voraussetzungen keine Einwendungen erhoben worden. Selbst wenn der Antragsgegnerin trotz der sachwidrigen Verweigerung der Sortenzulassung ein Beurteilungsspielraum bei der Prüfung der saatgutrechtlichen Voraussetzungen eingeräumt werden müsste, sei der Beurteilungsspielraum der Behörde dahingehend reduziert, dass sie im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Erteilung der Sortenzulassung zu verpflichten sei. Der entsprechende landeskulturelle Wert der streitgegenständlichen Sorte folge daraus, dass sie in der Wertprüfung überdurchschnittliche Leistungen erzielt habe und dass sie durch die Resistenz gegen den Maiszünsler eine deutliche Verbesserung gegenüber herkömmlichem Saatgut aufweise. Die Registerprüfung habe überdies gezeigt, dass die Sorte die Anforderungen an die Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit erfülle.
Auch die gentechnikrechtlichen Voraussetzungen seien erfüllt.
Die nach § 30 Abs. 5 SaatG allein erforderliche gentechnikrechtliche Inverkehrbringensgenehmigung i.S.d. § 14 Gentechnikgesetz (GenTG) liege mit der Entscheidung der zuständigen Behörde Frankreichs auf der Grundlage der Kommissionsentscheidung vom 22.04.1998 vor. Damit verfüge sie - die Antragstellerin - über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von MON810 mit europaweiter Geltung. Diese vom deutschen Gesetzgeber anerkannte Genehmigung habe auch weiterhin Geltung. Der in der französischen Genehmigung aufgeführte Vorbehalt für Saatgut beziehe sich allein auf die spezifischen saatgutrechtlichen Voraussetzungen des französischen Rechts. Der Gestattungsumfang der Inverkehrbringensgenehmigung auf der Grundlage der Richtlinie 90/220/EWG und 2001/18/EG werde auch nicht durch die Verordnungen (EG) 258/97 und 1829/2003 eingeschränkt.
Darüber hinaus erfülle die Sorte die Voraussetzungen aus § 30 Abs. 6 SaatG. Diese Vorschrift verweise allein auf die Genehmigungen und Anforderungen nach GenTG und der Verordnung (EG) 258/97, nicht dagegen auf die neue Verordnung (EG) 1829/2003. Einer anderweitigen Auslegung stehe der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Norm sowie das aktuelle Gesetzesvorhaben der Bundesrepublik zur Änderung des Düngemittelgesetzes und des Saatgutverkehrsgesetzes entgegen.
Unabhängig davon, dass die Anforderungen aus der Verordnung (EG) 1829/2003 im saatgutrechtlichen Verfahren nach aktueller Gesetzeslage nicht zur Anwendung gelangen könnten, seien deren Anforderung in vollem Umfang erfüllt. Sie - die Antragstellerin - habe das weitere Inverkehrbringen von Lebens- und Futtermitteln nach Art. 28 der Verordnung (EG) 1829/2003 und des gentechnisch veränderten Organismus MON810 der Europäischen Kommission am 12.07.2004 gemeldet. Die Meldung sei als vollständig erachtet und in das vorgesehene Register eingetragen worden. Ausweislich dieses Eintrags in das Register sei das aus den Inzuchtlinien und Hybriden des gentechnisch veränderten Organismus MON810 hergestellte Saatgut von der Notifikation mit umfasst. Nach der Klarstellung der Europäischen Kommission könne das Saatgut weiter in den Verkehr gebracht werden. Die nationalen Behörden hätten nicht die Kompetenz die EU-rechtlichen Feststellungen der nach Europarecht zuständigen Fachbehörde in Frage zustellen. Darüber hinaus sei Körnermais als solcher noch nicht Lebensmittel und damit auch nicht zulassungspflichtig nach der Verordnung (EG) 1829/2003. Vielmehr handele es sich angesichts der Vielzahl der Verwendungsmöglichkeiten lediglich um Rohstoff ohne Zweckbestimmung.
Darüber hinaus stehe ihr ein Anordnungsgrund zur Seite. Wegen der besonderen Dringlichkeit und Eilbedürftigkeit sei ihr nicht zumutbar, zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf Sortenzulassung auf das Hauptsacheverfahren verwiesen zu werden. Bis zum spätesten Zeitpunkt der Aussaat im Oktober auf der Südhalbkugel müsse mit der Vermarktung und konkreten Vorbereitungsarbeiten für die Saatgutproduktion begonnen werden. Erste Schritte zur Ermöglichung des Anbaus, beispielsweise die Schätzung des Saatgutbedarfs und die Bestellung des Saatguts für das Jahr 2006, habe sie bereits auf eigenes Risiko veranlasst. Ohne die begehrte Sortenzulassung könnten Vertrieb, Anbau und Vermarktung der Sorte im Jahre 2006 nicht erfolgen. In den Folgejahren sei aufgrund des verzögerten Markteintritts mit erheblich weniger Vermarktungspotenzial zu rechnen.
Mit dem Erlass der einstweiligen Anordnung werde auch nicht in unzulässiger Weise die Hauptsache vorweggenommen. Auch beim Obsiegen in der Hauptsache könne sie - die Antragstellerin - vor allem für das Anbaujahr 2006 von einer Sortenzulassung nicht nachträglich Gebrauch machen und erleide aufgrund des Zeitmoments nicht wiedergutzumachende Nachteile. Sie könne im Jahre 2006 kein Saatgut in Deutschland vertreiben und der Eintrag der Sorte in den EU-Sorten-Katalog werde vereitelt, so dass sich das Saatgut auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht vermarkten ließe. Dies würde zu einem Schaden von ca. 4 Millionen Euro bezogen auf eine Sorte in nur drei EU-Mitgliedstaaten und unter Berücksichtigung eines Vermarktungszeitraums von nur fünf Jahren führen. Die Vertriebsgenehmigung erlaube dagegen nur den Anbau in geringem Umfang zu Versuchszwecken. Im Rahmen der nach § 123 vorzunehmenden Interessenabwägungen bestünden an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache keine Zweifel.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, auf den Antrag der Antragstellerin vom 31.01.2000 die Sortenzulassung für die MON810-Maishybride mit der Stammbezeichnung E. (vorläufige Sortenbezeichnung: F.) zu erteilen,
hilfsweise:
den Antrag der Antragstellerin auf Sortenzulassung vom 30.01.2001 für die MON810-Maishybride mit der Stammbezeichnung E. (vorläufige Sortenbezeichnung: F.) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Sie trägt vor, der Nachweis des landeskulturellen Wertes der Sorte und der Nachweis der Einhaltung der gentechnikrechtlichen Voraussetzungen seien offen.
Die Einhaltung der Voraussetzungen des § 30 SaatG sei bereits wegen der verfahrensrechtlichen Anforderungen in Verbindung mit den materiellen Anforderungen an die Prüfung des landeskulturellen Wertes der Sorte noch nicht nachgewiesen. Insofern fehle es an der erforderlichen mündlichen Verhandlung vor dem zuständigen Sortenausschuss des Bundessortenamtes. Den Sortenausschüssen sei bei ihrer Beurteilung, ob eine angemeldete Sorte aufgrund des vorgenommenen Wertprüfungsvergleichs eine deutliche Verbesserung erwarten lasse und damit bei der Feststellung, ob die angemeldete Sorte landeskulturellen Wert habe, ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Damit müsse die Mehrheit des Sortenausschusses unter Abwägung verschiedener Eigenschaften einer Sorte zu der Überzeugung gelangen, dass die zur Zulassung beantragte Sorte deutlich besser als alle bisher zugelassenen vergleichbaren Sorten sei. Es handele sich um ein Verfahren mit offenem Ausgang.
Darüber hinaus sei bislang nicht erwiesen, dass die gentechnikrechtlichen Voraussetzungen der Sortenzulassung erfüllt seien. Das betreffe zunächst die gentechnikrechtliche Zulässigkeit des Inverkehrbringens von Saatgut MON810 nach § 30 Abs. 5 SaatG. Entscheidend sei nicht die Erteilung der Genehmigung, sondern Umfang und Fortbestehen ihrer Gestattungswirkung und damit der aktuelle Genehmigungsstatus hinsichtlich der Pflanzen und Pflanzenteile der Sorte. Es sei schon nicht geklärt, ob mit der ursprünglichen Genehmigung vom 03.08.1998 die Entscheidung der Kommission vom 22.04.1998, die Saatgut umfasse, vollständig umgesetzt sei.
Das Inverkehrbringen von Saatgut sei bereits von der französischen Genehmigung nicht erfasst. Mit den weiteren französischen Erlassen vom 03.08.1998 seien auch in gentechnikrechtlicher Sicht nur die dort genannten sechs Sorten, nicht aber die streitgegenständliche Sorte genehmigt worden. Saatgut sei europaweit nur für diese sechs genannten Sorten genehmigt, so dass die aus gentechnikrechtlicher Sicht für die Kommissionsentscheidung vorausgesetzten Festlegungen über die Kennzeichnung und Produktbeobachtung auch nur für diese Sorten gelten könnten. Damit sei für die streitgegenständliche Sorte in keiner Hinsicht verbindlich festgelegt, wie das genetisch veränderte Saatgut zu kennzeichnen und zu überwachen sei. Eine sortenunabhängige Genehmigung für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) als Saatgut liege nicht vor.
Hinsichtlich der von der ursprünglichen Genehmigung vom 03.08.1998 umfassten Erzeugnisse habe die Antragstellerin Mais MON810 als GVO, der zur Verwendung als oder in Lebens- oder Futtermitteln bestimmt sei, nicht gemeldet. Dazu gehöre auch Saatgut. Die Kommission habe aber erst mit dem am 11.07.2005 eingefügten Klammerzusatz klargestellt, dass die Meldung auch Saatgut umfassen solle. Die Eintragung der Kommission in das Register habe keinerlei Regelungs-, Entscheidungs- und Gestattungscharakter. Die Anmerkung der Kommission sei daher als unverbindliche Rechtsauffassung hinsichtlich der Auslegung der Meldung anzusehen. Die Auffassung der Kommission, nach der Saatgut, das zur weiteren Verwendung als Lebensmittel oder Futtermittel bestimmt ist, von der Meldung eines Lebens- oder Futtermittel umfasst sein soll, sei nicht mit Wortlaut und Zweck der anzuwendenden Verordnung (EG) 1829/2003 und der Durchführungsverordnung (EG) 641/204 zu vereinbaren.
Der Versuch, die Meldung des Saatgutes durch eine Meldefiktion zu ersetzen, entbehre jeder rechtlichen Grundlage. Folglich dürfte das Saatgut des Maises MON810 aufgrund der unterbliebenen Meldung nicht in den Verkehr gebracht werden. Die Meldefrist sei inzwischen abgelaufen. Eine Nachmeldung sei bislang nicht erfolgt.
Zudem sei der Nachweis der gentechnikrechtlichen Zulässigkeit des Inverkehrbringens geernteter Maiskörner nicht erbracht. Eine Auslegung des § 30 Abs. 6 SaatG nach dem in der Gesetzesbestimmung zum Ausdruck kommenden objektiven Willen des Gesetzgebers und im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Europarechts verlange, dass die Voraussetzungen nur dann erfüllt seien, wenn die Anforderungen der aktuellen Sortenkatalogrichtlinie 2002/53/EG vorlägen. Die Anforderungen des § 30 Abs. 6 SaatG würden für Mais MON810 derzeit nicht erfüllt. Mit dem Sortenzulassungsantrag als Körnermais unterfielen sie dem Geltungsbereich der Verordnung (EG) 1829/2003. Die Maislinie MON810 sei speziell für den Gebrauch als Lebensmittel nicht geprüft worden und dürfe nach dem aktuellen Genehmigungsstatus in der Gemeinschaft nicht in den Verkehr gebracht werden. Danach bestünden derzeit gentechnikrechtliche Hindernisse, die einer Sortenzulassung entgegenstünden. Sowohl das Inverkehrbringen von Saatgut selbst als auch das Inverkehrbringen von geernteten Maiskörnern, die bereits Lebensmittel seien oder als Ausgangsmaterial zur Herstellung von Lebensmittel verwendet werden könnten, sei gentechnikrechtlich nicht zugelassen.
Die Antragstellerin habe auch keinen Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung auf Grundlage einer angeblich erteilten Zusicherung. Das Schreiben vom 23.02.2005 enthalte keine Zusicherung die Sortenzulassung später zu erlassen. Das Bundessortenamt habe niemals die Sortenzulassung für den 30.05.2005 angekündigt, sondern lediglich die mündliche Verhandlung vor dem Sortenausschuss. Auch die vorgelegte Verständigung zwischen dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und D. habe keinen Zusicherungscharakter und stelle keinen anspruchsbegründenden öffentlich-rechtlichen Vertrag dar.
Darüber hinaus fehle der Antragstellerin der Anordnungsgrund für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung. Der Antragstellerin drohe keinerlei Beeinträchtigung eines rechtlich geschützten Interesses. Ihr Begehren sei allein darauf gerichtet, ihr wirtschaftliches Risiko hinsichtlich der Vorbereitungsmaßnahmen vor Erteilung der Genehmigung durch eine vorläufig angeordnete Sortenzulassung zu reduzieren. Das Saatgutrecht kenne auch keine Entscheidungsfristen für die Sortenzulassung. Zudem handele es sich um einen Präzedenzfall, der angesichts der Überschneidung der Rechtsgebiete und der Bezüge zum Europarecht der gründlichen Prüfung bedürfe. Ferner werde durch die beantragte Anordnung in unzulässiger Weise die Hauptsache vorweggenommen. Die Regelung über die Vertriebsgenehmigung enthalte eine vorläufige Regelung, die dem Interesse der Antragstellerin bis zur abschließenden Klärung der Voraussetzungen der Sortenzulassung hinreichend Rechnung trage. Mit einer darüber hinausgehenden Sortenzulassung wäre das Inverkehrbringen des Saatgutes in der gesamten Gemeinschaft uneingeschränkt zulässig und ein Anbau ließe sich praktisch nicht mehr verhindern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und in den Verfahren 11 B 4179/05 und 4184/05 sowie auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat mit Haupt- und Hilfsantrag keinen Erfolg.
Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und die Voraussetzungen für die grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache nicht glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin nimmt als Grundlage ihres Begehrens die Vorschrift des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Anspruch, nach der einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn diese Regelung, vor allen bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zu Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit und das Bestehen eines Anspruchs, dessen vorläufiger Regelung die einstweilige Anordnung dienen soll, sind glaubhaft zu machen. Dem vorläufigen Charakter der einstweiligen Anordnung widerspricht es im Grundsatz, wenn mit ihr die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird. Das ist vorliegend anzunehmen.
Die Antragstellerin begehrt mit der einstweiligen Anordnung die Sortenzulassung für die streitbefangene gentechnisch veränderte MON810-Maishybride. Damit verfolgt sie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sachlich dasselbe Ziel wie in einem möglichen Hauptsacheverfahren. Selbst wenn die Sortenzulassung nur vorläufig erteilt würde und nach dem Ergebnis eines möglichen Hauptsacheverfahrens wieder zurückgenommen werden müsste, so würde sie in der Zwischenzeit bis zur rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung erhebliche Wirkungen entfalten, die nicht oder nur teilweise rückgängig gemacht werden könnten. Mit einer über die erteilte Vertriebsgenehmigung hinaus gehenden Sortenzulassung und der von der Antragstellerin ausdrücklich beabsichtigten darauf basierenden Eintragung in den gemeinsamen Sortenkatalog wäre das Inverkehrbringen des Saatgutes in der Europäischen Gemeinschaft uneingeschränkt zulässig und möglicherweise die gesamte für das Jahr 2006 erforderliche Saatgutmenge in Europa bereits in den Verkehr gebracht. Wenn das Gericht im Hauptsachverfahren zu dem Ergebnis kommen sollte, dass das Inverkehrbringen des Saatgutes unzulässig wäre, ließe sich der Anbau praktisch dann nicht mehr verhindern. Der Zweck des aufwändigen Sortenzulassungsverfahrens, am Ende eines aufwändigen und langwierigen Entwicklungs- Erprobungs- und Prüfungsverfahrens auch die Eignung zu den lebensmittelrechtlich relevanten Zwecken sicherzustellen, würde unterlaufen. Sobald das Saatgut in die nationale Sortenliste (§ 47 SaatG) und im Anschluss daran in den gemeinsamen Samensortenkatalog der Europäischen Gemeinschaft aufgenommen (Art. 1 Abs. 2, Art. 17 der Richtlinie 2002/53/EG) wäre, unterläge es keinerlei Verkehrsbeschränkungen in der gesamten EU mehr (Art. 16 Abs.1 der Richtlinie 2002/53/EG), die Hauptsache wäre vorweggenommen.
Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt im Hinblick auf den Anspruch des Bürgers auf Effektivität des Rechtsschutzes entsprechend dem Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ausnahmsweise dann nicht, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist. Das setzt voraus, dass die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unter Berücksichtigung der Bedeutung und Dringlichkeit des Anspruchs, der Größe und eventuellen Irreparabilität des drohenden Schadens für den Antragsteller bzw. die Allgemeinheit oder Dritte unzumutbar wären und zudem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren spricht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.09.1994 - 9 S 687/94 -, DVBI. 1995, 160, 161).
Die Verweisung der Antragstellerin auf das Hauptsachverfahren ist nach Auffassung des Gerichts nicht unzumutbar. Die Antragstellerin trägt zwar vor, ohne die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren begehrte Sortenzulassung könnten die Vermarktungs- und Vorbereitungsmaßnahmen und die Aussaat bis spätestens Oktober 2005 auf der Südhalbkugel nicht durchgeführt werden, so dass im Jahr 2006 keine Vermarktung des Saatgutes und in den Folgejahren nur mit erheblich weniger Vermarktungspotenzial in Deutschland und in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erfolgen könne.
Die Antragstellerin macht jedoch insofern rein wirtschaftliche Interessen geltend. Sie beruft sich auf künftige Erwerbschancen und versucht das wirtschaftliche Risiko von Vorbereitungsmaßnahmen vor Erlass der begehrten Sortenzulassung zu minimieren. Es ist jedoch nicht dargetan, dass die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für die Antragstellerin untragbar und deshalb nicht zumutbar sind. Sie hat jedenfalls nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass sie ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet würde (vgl. dazu: BVerfG, Beschl. v. 25.01.1995 - 2 BVR 52/95 - NJW 1995, 950 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.09.1994 - 9 S 687/94 -, DVBI. 1995, 160 ff.; Hess. VGH, Beschl. v. 08.11.1995 - AZ: 14 TG 3375/95 - GewArch. 1996, 252 ff.; Nds.OVG, Beschl. v. 18.09.2002 - ME 187/02 -; Schalt in GewArch. 1991, 409, 410, der insofern den Inhalt des Beschlusses des OVG NRW vom 10.07.1991 - 4 B 1635/91 - referiert).
Auch wenn die Antragstellerin angibt, ihr drohe durch die fehlende Vermarktungsmöglichkeit ein nicht wieder gut zu machender Schaden von ca. 4 Mill. Euro bezogen auf eine Sorte in nur drei EU-Mitgliedsstaaten und unter Berücksichtigung eines Vermarktungszeithorizonts von nur fünf Jahren, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass damit eine existenzielle Bedrohung der Antragstellerin verbunden ist. Dazu hätte es der Glaubhaftmachung weiterer Angaben über die gesamte betriebliche Situation der Antragstellerin bedurft. Auch hat sie bis auf die Schätzung des Saatgutbedarfs und die Bestellung des Saatguts für das Jahr 2006 bislang keine näher konkretisierten Investitionen von beachtlichem Umfang für den Vertrieb, Anbau und die Vermarktung der streitbefangenen Sorte für das Jahr 2006 getätigt.
Die Kammer vermag auch nicht zu erkennen, dass die Antragstellerin mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit im Hauptsachverfahren obsiegen wird.
Ein Anspruch der Antragstellerin ergibt sich jedenfalls nicht auf der Grundlage einer rechtsverbindlichen Zusicherung des zuständigen Bundessortenamtes oder der Verständigung zwischen dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und der Antragstellerin.
Das Schreiben des Bundessortenamtes vom 23.02.2005 enthält entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Zusage im Sinne des § 38 VwVfG, einen bestimmten Verwaltungsakt - die Sortenzulassung - später zu erlassen. Das Schreiben enthält seiner Form und seinem Erklärungsinhalt nach lediglich die informatorische Mitteilung, dass das Bundessortenamt als zuständige Behörde aufgrund einer entsprechenden Mitteilung durch das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft davon ausgeht, dass bestimmte gentechnikrechtliche Genehmigungsvorbehalte ausgeräumt seien, so dass der zuständige Sortenausschuss terminiert werden könne und hat der Antragstellerin daraufhin einen Verhandlungstermin in Aussicht gestellt. Darüber hinaus wird der Antragstellerin Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme und zu ergänzenden Ausführungen zum landeskulturellen Wert der streitbefangenen Sorte gegeben. Damit ist für den Empfänger des Schreibens erkennbar, dass verfahrenserhebliche Fragen weiterhin offen sind und die erforderliche mündliche Verhandlung vor dem Sortenausschuss noch nicht stattgefunden hat. Vor diesem Hintergrund wäre eine rechtsverbindliche Zusicherung auch erkennbar offenkundig unzulässig gewesen, auch wenn die Antragstellerin damit andere Erwartungen verbunden haben sollte.
Auch die von der Antragstellerin vorgelegte "Verständigung" zwischen D. und dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vom 18.02.2005 stellt keine Zusicherung dar, weil es sich ersichtlich schon nicht um eine einseitige Erklärung der zuständigen Behörde, sondern um eine Verständigung mit Gegenseitigkeitscharakter handelt. Diese ist nach Auffassung der Kammer auch nicht als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54 VwVfG anzusehen. Die Frage, inwieweit D. als Voraussetzung für die Sortenzulassung einen Monitoringplan im Sinne der Richtlinie 2001/18/EG vorzulegen habe, sollte dadurch gelöst werden, dass D. einen entsprechend Monitoringplan vorlegt und das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft insoweit keine gentechnikrechtlichen Vorbehalte geltend macht. Ein entsprechender öffentlich-rechtlicher Vertrag wäre schon deshalb offensichtlich unzulässig, weil die Rechtsvorschrift des § 30 SaatG entgegenstehenden würde. Das Bundesministerium war nicht ermächtigt, auf die Einhaltung der von dieser Vorschrift geregelten gesetzlichen Anforderungen zu verzichten. Auf Grund des erkennbar fehlenden Rechtsbindungswillen ist das Dokument auch nicht als "Vertrag" oder als "Vereinbarung" sondern als "Verständigung" bezeichnet und entgegen dem Erfordernis für öffentlich-rechtliche Verträge gem. § 57 VwVfG i.V.m. § 126 BGB von keiner Seite unterzeichnet worden.
Insofern kann sich die Antragstellerin nicht darauf berufen, dass die Erteilung der Genehmigung aus sachwidrigen Gründen verzögert wurde.
Hinsichtlich der saatgutrechtlichen und gentechnikrechtlichen Voraussetzungen erscheinen die Erfolgsaussichten einer möglichen Klage beim derzeitigen Erkenntnisstand offen.
Das für die Sortenzulassung erforderliche förmliche Verwaltungsverfahren vor dem zuständigen Sortenausschuss des Bundessortenamtes (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SaatG i.V.m. § 41 SaatG i.V.m. §§ 63 bis 69 und 71 VwVfG) hat bislang nicht stattgefunden. Der Ausgang eines solchen Verfahrens ist offen. Nach ständiger Rechtsprechung wird den Sortenausschüssen bei ihrer Beurteilung, ob die angemeldete Sorte landeskulturellen Wert hat, ein Beurteilungsspielraum mit der Folge einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle eingeräumt (vgl. BVerwGE 62, 330 ff., 339 ff.) [BVerwG 25.06.1981 - 3 C 35/80].
Hinsichtlich der gentechnikrechtlichen Voraussetzungen der Sortenzulassung nach § 30 Abs. 5 und Abs. 6 SaatG streiten die Beteiligten um den Regelungsumfang und das Fortbestehen der Gestattungswirkung der von der französischen Behörde erteilten Genehmigung vom 03.08.1998 und die Umsetzung durch die Entscheidung der Kommission vom 22.04.1998, ferner über die Anwendbarkeit und die Reichweite der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 sowie den Umfang der Meldung und die Wirkung der Anmerkung der Kommission und deren Kompetenzen. Hinsichtlich der Rechtswirkung der Anmerkung der Kommission im Gemeinschaftsregister und der Auslegungsfragen zu den EG-Vorschriften bedarf es eventuell einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzesverfahrens nicht zu erlangen wäre.
Aus den aufgeführten Gründen hat auch der Hilfsantrag keinen Erfolg.
Der Antrag ist mit der Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 160.000,00 Euro festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG (n.F.). Die Antragstellerin beziffert die sich für sie aus dem Antrag ergebene Bedeutung der Sache mit einem Wert von 160.000,00 Euro. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, kann der Streitwert nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der im Juli 2004 in Leipzig beschlossenen Änderungen (DVBI. 2004, 1525 ff.) bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes angenommen werden.
Peters
Dr. Schlei