Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 11.02.2011, Az.: 3 A 163/09
Anwendbarkeit der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Rechtsfigur der "schutzwürdigen Erwartungshaltung der übrigen Beitragspflichtigen" bei der Beitragspflicht von Hinterliegergrundstücken im Erschließungsbeitragsrecht; Erschließung eines Hinterliegergrundstückes bei bauplanungsrechtlicher und bauordnungsrechtlicher Erlaubnis der Nutzung; Relevanz der subjektiven Sicht und schutzwürdigen Erwartungshaltung von Nachbarn bei der Frage der Erschließung eines Hinterliegergrundstückes
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 11.02.2011
- Aktenzeichen
- 3 A 163/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 11279
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2011:0211.3A163.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 35 BauGB
- § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB
- § 131 Abs. 1 BauGB
- § 133 Abs. 1 BauGB
- § 5 Abs. 2 NBauO
- § 10 Abs. 2 Nr. 1 EBS
Amtlicher Leitsatz
Der vom BVerwG entwickelten Rechtsfigur der "schutzwürdigen Erwartungshaltung der übrigen Beitragspflichtigen" bei der Beitragspflicht von Hinterliegergrundstücken kann im Erschließungsbeitragsrecht nicht gefolgt werden, weil sie mit dem eindeutigen Wortlaut der§§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 BauGB nicht zu vereinbaren ist.
Eine Erschließung eines Hinterliegergrundstückes ist nur dann gegeben, wenn das bundesrechtliche Bebauungsrecht und landesrechtliche Bauordnungsrecht eine bauliche Nutzung des Grundstückes erlauben, d.h. wenn für das Grundstück wegen der Straße eine Baugenehmigung erteilt werden kann. In Niedersachsen sind die Erreichbarkeitsanforderungen des § 5 Abs. 2 NBauO zu erfüllen.
Bei der Frage der Erschließung des Hinterliegergrundstückes können von vornherein niemals die subjektive Sicht und die schutzwürdige Erwartungshaltung irgendwelcher Nachbarn entscheidend sein. Es kommt allein auf die Auslegung des objektiven Rechtes an, ob eine Baugenehmigung für ein Grundstück erteilt werden kann oder nicht. Es kommt nicht darauf an, ob die übrigen Beitragspflichtigen dies als nicht vorteilsgerecht empfinden.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen.
In Wietze ist sie Eigentümerin eines Grundstückes, das zwischen den Straßen Schwarzer Weg und Mühlenweg liegt.
Im Mühlenweg wurde in den Jahren 1990/1991 die Fahrbahn erstmalig endgültig hergestellt. Hierfür wurden die Klägerin 1992 zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von damals 1.236,52 DM herangezogen. Dabei ging die Beklagte von einem Aufwand von knapp 148.000,00 DM und einer Erschließungsfläche von 46.880 m2 aus. Der Bescheid wurde 1994 wieder aufgehoben.
Für den Bereich des Mühlenweges sollte ein Bebauungsplan aufgestellt werden, wegen des Überschwemmungsgebietes wurde das Vorhaben im Jahr 2008 wieder aufgegeben.
Der Rat der Beklagten beschloss am 24. Juni 2008, die Fahrbahn im Mühlenweg im Wege der Kostenspaltung gesondert abzurechnen, weiter wurde die Straße gewidmet. Der Rat der Beklagten stellte durch Beschluss die Rechtmäßigkeit der Straßenherstellung nach§ 125 Abs. 2 BauGB fest.
Mit Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2009 wurde gegenüber der Klägerin ein Erschließungsbeitrag in Höhe von 1.430,14 EUR festgesetzt und angefordert. Dabei ging die Beklagte von einem Erschließungsaufwand in Höhe von knapp 68.000,00 EUR aus, wovon etwas mehr als 61.000,00 EUR auf die Anlieger umgelegt wurden. Die beitragspflichtigen Grundstücksflächen ermittelte die Beklagte mit etwas mehr als 23.000 m2.
Die Klägerin hat am 17. August 2009 Klage erhoben. Sie trägt vor: Ihr Grundstück werde allein von der Straße Schwarzer Weg erschlossen, nicht aber auch vom Mühlenweg. Die Berechtigung zur Beitragsfestsetzung sei verwirkt und verjährt. Die Fahrbahn sei bereits 1990 fertig gestellt worden. Nachdem die ursprüngliche Veranlagung aufgehoben worden sei, habe sie - die Klägerin - nicht mehr damit rechnen müssen, noch einmal für den Ausbau herangezogen zu werden. Auch die Höhe des Beitrages sei nicht gerechtfertigt. Damals - bei der Veranlagung in den 90er Jahren - sei eine Erschließungsfläche von knapp 47.000 m2 angenommen worden. Die Differenz zur heutigen Veranlagung sei nicht zu erklären. Die folgenden jetzigen Flurstücke und Grundstücke seien nicht in die Berechnung einbezogen worden: Flurstücke 15/7, 15/6, 16/4, 45/5, 45/30 (im westlichen Bereich des Mühlenweges gelegen), und die Flurstücke 45/18, 45/19, 45/24, 45/35 und 45/36 (im östlichen Bereich des Mühlenweges gelegen).
Die Klägerin beantragt,
den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 22. Juli 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert: Der Beitragsanspruch sei weder verjährt noch verwirkt. Da die Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten zwingend das Vorhandensein der Teileinrichtungen Straßenentwässerung und Straßenbeleuchtung fordere, diese Teileinrichtungen aber bislang fehlten, habe die Beitragspflicht für die Teileinrichtung Fahrbahn erst mit dem Kostenspaltungsbeschluss, der Widmung und der Entscheidung zu § 125 Abs. 2 BauGB durch den Rat der Beklagten im Juni 2008 entstehen können. Die im Westen gelegenen Flurstücke seien nicht erschlossen. Das Flurstück 15/7 sei ein Weg. Eine Zuwegungssicherung über dieses Flurstück zugunsten der dahinter liegenden Flurstücke sei nicht gegeben. Die Flurstücke und Grundstücke im Osten des Mühlenweges lägen allesamt im Außenbereich und würden nicht erschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Eine Aufhebung des Bescheides nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO scheidet damit aus.
1.
Rechtsgrundlage für den angegriffenen Erschließungsbeitragsbescheid ist die Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten (vom 17.12.1997) - EBS -. Rechtliche Bedenken an der Wirksamkeit der Satzung sind weder vorgetragen noch erkennbar. Die Satzung, die sich ihrerseits wiederum auf das Baugesetzbuch - BauGB - und die darin enthaltenen Vorschriften über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen stützt, ist eine taugliche Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin und den Erlass des angegriffenen Bescheides.
2.
Abgerechnete Erschließungsanlage ist der Mühlenweg, beginnend am Schwarzen Weg und endend mit den beidseitigen endgültigen Eintritt in den Außenbereich (westlich des Grundstückes B., Schwarzer Weg, Flurstück 22/9). Der Mühlenweg in dem soeben beschriebenen Bereich ist eine öffentliche zum Anbau bestimmte Straße im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB.
Die Straße ist 2008 gewidmet worden und seitdem "öffentlich" i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Die Straße dient auch dem Anbau, da am Mühlenweg nicht nur die bereits durch den Schwarzen Weg erschlossenen Grundstücke liegen, sondern auch die Grundstücke südlich des Mühlenweges, die durch diese Straße ihre Erschließung erfahren.
3.
Im Mühlenweg wurde die Fahrbahn bereits 1991 technisch hergestellt. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 EBS ist die Fahrbahn hergestellt, wenn sie einen tragfähigen Unterbau und eine Decke aus Pflaster, Asphalt, Teer, Beton oder einem ähnlichen Material neuzeitlicher Bauweise aufweist. Dies ist seit 1991 unstreitig der Fall und wird durch die Lichtbilder, die im Verfahren 3 A 163/09 von der Klägerin vorgelegt worden sind, dokumentiert. Mit der technischen Fertigstellung ist allerdings noch keine rechtlich endgültige Herstellung verbunden.
4.
Die Beitragspflicht für die Herstellung der Fahrbahn im Mühlenweg ist rechtlich erst im Jahre 2008 mit Ausspruch der Kostenspaltung entstanden. Eine Anbaustraße ist nicht schon mit dem tatsächlichen technischen Ausbau einzelner Teileinrichtungen zugleich auch im rechtlichen Sinne erstmalig hergestellt. Vielmehr sind nach § 132 Nr. 4 BauGB die (rechtlichen) Merkmale der endgültigen Herstellung durch Satzung zu bestimmen. Nach § 10 EBS sind Straßen erst dann endgültig hergestellt, wenn u.a. die Beleuchtungs- und Entwässerungseinrichtungen vorhanden sind. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten fehlen im Mühlenweg sowohl die Beleuchtungseinrichtungen als auch die Entwässerungseinrichtungen. Damit liegt im Sinne des Satzungsrechtes, welches in seiner Ausgestaltung nicht zu beanstanden ist, eine endgültig hergestellte Straße noch nicht vor. Weist die Straße aber Beleuchtungs- und Entwässerungseinrichtungen nicht auf, entsteht die Beitragspflicht für eine Teileinrichtung wie die Fahrbahn nur dann, wenn eine Kostenspaltung ausgesprochen wird. Aus § 127 Abs. 3 BauGB, §§ 9 und 11 Abs. 2 EBS ergibt sich, dass in den Fällen einer Kostenspaltung die Beitragspflicht entsteht mit der Anordnung der Kostenspaltung. Die Kostenspaltung ist erst durch den Ratsbeschluss vom 24. Juni 2008 vorgenommen worden.
5.
Gegen die in die Abrechnung eingestellten Kosten sind Einwendungen nicht erhoben worden.
6.
Das Grundstück der Klägerin wird durch den Mühlenweg i.S.d. §§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 BauGB erschlossen, so dass die Klägerin zum Ausbau des Mühlenweges beitragspflichtig ist. Ein Grundstück ist von einer Straße dann erschlossen, wenn das Grundstück der Straße wegen bebaubar ist und die Straße die Möglichkeit eröffnet, mit Personen- und kleineren Versorgungsfahrzeugen an das Grundstück heranzufahren, um das Grundstück von dort aus zu betreten, ggf. über einen Gehweg, Radweg und Grünstreifen ortsüblicher Breite (BVerwG, Urteil vom 01.03.1991 - 8 C 59.89 -). Der Umstand, dass das Grundstück schon vom Schwarzen Weg aus erschlossen ist, ist für das Erschlossensein auch durch den Mühlenweg und die Beitragspflicht für den Ausbau dieser Straße unerheblich. Das Erschlossensein durch den Mühlenweg wird nicht dadurch gemindert, dass das Grundstück auch durch den Schwarzen Weg erschlossen ist. Denn bei Frage der Erschließung durch die abzurechnende Anbaustraße müssen andere für dieses Grundstück etwa schon bestehende Erschließungsanlagen hinweggedacht werden, so dass es auf die Erschließung allein wegen der abgerechneten Straße ankommt (u.a. BVerwG, Urteil vom 26.09.1983 - 8 C 86.81 -; Urteil vom 24.02.2010 - 9 C 1.09 -; Nds. OVG, Beschluss vom 17.08.2009 - 9 LA 227/08 -).
7.
Die Grundstücke mit den Flurstücksbezeichnungen 15/7, 15/6, 16/4, 45/5 und 45/30 (im Westen des Mühlenweges) werden vom Mühlenweg aus nicht erschlossen.
a.
Das unmittelbar an den Mühlenweg angrenzende Grundstück Flurstück 15/7 ist ein schmales Wegegrundstück und im Hinblick auf einzuhaltende Grenzabstände nicht bebaubar. Es hat als solches vom Ausbau der Fahrbahn des Mühlenweges deshalb keinen Vorteil.
b.
Die dahinter liegenden Flurstücke 15/6 und 16/4 sind vom Mühlenweg, obgleich diese Grundstücke bebaut sind, baurechtlich nicht erschlossen. Ihnen fehlt die rechtlich gesicherte Zugangsmöglichkeit zum Mühlenweg.
Die Grundstücke Flurstücke 15/6 und 16/4 sind sog. Hinterliegergrundstücke. Sie liegen nicht unmittelbar an der abgerechneten Anbaustraße, sondern sind damit über das unmittelbar an den Mühlenweg angrenzende Grundstück Flurstück 15/7 verbunden. Ein Hinterliegergrundstück ist ebenso wie ein Anliegergrundstück nur dann von einer Straße erschlossen, wenn das Grundstück der Straße wegen bebaubar ist. Maßgeblich ist, ob das (Hinterlieger-)Grundstück mit Blick ausschließlich auf die abzurechnende Erschließungsanlage die Erreichbarkeitsanforderungen erfüllt, von denen das (bundesrechtliche) Bebauungsrecht und das (landesrechtliche) Bauordnungsrecht die Bebaubarkeit des Grundstücks abhängig machen (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1988 - BVerwG 8 C 111.86 - BVerwGE 79, 1, 8; Urteil vom 24. Febr. 2010 - 9 C 1.09 -). Unter welchen Voraussetzungen eine Zugangsmöglichkeit für ein Baugrundstück gesichert ist, ergibt sich aus dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht, nämlich aus § 5 Abs. 2 Satz 1 NBauO. Nach dieser Vorschrift muss für Hinterliegergrundstücke der Zugang zu der Anbaustraße durch Baulast oder Miteigentum gesichert sein; bei Wohngebäuden geringer Höhe mit nicht mehr als zwei Wohnungen genügt eine Sicherung durch Grunddienstbarkeit. - Damit sind Hinterliegergrundstücke allgemein bebaubar nur, wenn eine der genannten Zuwegungssicherungen gegeben ist. Hiervon kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden. Der Bevollmächtigte der Beklagten hat in seinem Schriftsatz vom 29. Oktober 2009 vorgetragen, für die Flurstücke 15/6 und 16/4 bestehe keine Zuwegungssicherung über das vorgelagerte Wegeflurstück 15/7 hin zum Mühlenweg, dies hat er in der mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigt. Dies entspricht den Auskünften des Bauamtes des Landkreis Celle in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten. Darin ist festgehalten, dass für das Grundstück Mühlenweg (d.h. auf den Flurstücken 15/6 und 16/4) keine zusätzliche Zuwegungsbaulast eingetragen worden ist.
Im Hinblick auf die Hinterliegerflurstücke 15/6 und 16/4, die mit dem Gebäude Mühlenweg bebaut sind, ist ein Erschlossensein auch nicht deswegen anzunehmen, weil die Eigentümer den Mühlenweg tatsächlich benutzen und die übrigen Beitragspflichtigen die Einbeziehung dieser Grundstücke und die Beitragsbelastung ihrer Eigentümer wegen einer "schutzwürdigen Erwartungshaltung" erwarten dürfen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist allerdings angenommen worden, dass ein nicht an eine öffentliche Anbaustraße angrenzendes Hinterliegergrundstück gleichwohl als erschlossen anzunehmen ist, wenn die Eigentümer der übrigen durch die Anbaustraße erschlossenen Grundstücke nach dem bestehenden tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig erwarten dürfen, dass auch das Hinterliegergrundstück in die Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes einbezogen wird (Urteil vom 07.10.1977 - 4 C 103.74 -). Diese Erwägung ist eine Art "letzter Korrekturansatz" für den Fall, dass das Erschlossensein eines Grundstückes nach bebauungsrechtlichen Kriterien zur verneinen wäre, dies aber mit der Interessenlage billigerweise nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.09.2006 - 9 C 4.05 -). Der Rechtsfigur der "schutzwürdigen Erwartungshaltung der übrigen Beitragspflichtigen" kann im Erschließungsbeitragsrecht indes nicht gefolgt werden, weil sie mit dem eindeutigen Wortlaut der §§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 BauGB nicht zu vereinbaren ist. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB unterliegen der Beitragspflicht solche Grundstücke, die bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Aufgrund der Gesetzeslage ist bei der Frage des Erschlossenseins allein von der baurechtlichen Frage auszugehen, ob für das Grundstück der Straße wegen eine Baugenehmigung erteilt werden könnte. Das beitragsrechtliche Erschlossensein ist nur vordergründig eine erschließungsbeitragsrechtliche, in der Sache dagegen wesentlich eine bebauungsrechtliche Frage (BVerwG, Urteil vom 01.03.1991 - 8 C 59.89 -), so dass eine Erschließung dann gegeben ist, wenn das bundesrechtliche Bebauungsrecht und landesrechtliche Bauordnungsrecht eine bauliche Nutzung des Grundstückes erlauben, d.h. wenn für das Grundstück wegen der Straße eine Baugenehmigung erteilt werden kann (BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 35.92 -; Nds. OVG, Beschluss vom 30.10.2002 - 9 ME 409/02 -). Bei der Frage, ob für ein Grundstück wegen einer Straße eine Baugenehmigung erteilt werden kann, können deshalb von vornherein niemals die subjektive Sicht und die schutzwürdige Erwartungshaltung irgendwelcher Nachbarn entscheidend sein. Es kommt allein auf die Auslegung des objektiven Rechtes an, ob eine Baugenehmigung für ein Grundstück erteilt werden kann oder nicht. Mit anderen Worten: Kann für das Grundstück Flurstücke 15/6 und 16/4 wegen der mangelnden Sicherung eines Zuganges nach § 5 Abs. 2 Satz 1 NBauO eine Baugenehmigung nicht erteilt werden, sind diese Flurstücke nicht erschlossen, auch wenn die übrigen Beitragspflichtigen dies als ungerecht empfinden. Auch Außenbereichsgrundstücke etwa, von denen aus Zu- und Abgang zu einer abgerechneten Straße genommen wird, sind vom Straßenausbau erschließungsbeitragsrechtlich nicht bevorteilt, weil es sich insoweit nicht um Baugrundstücke im Sinne der §§ 131 Abs. 1 und 133 Abs. 1 BauGB handelt. Auch das mögen die übrigen Beitragspflichtigen als nicht vorteilsgerecht empfinden, etwa wenn diese Außenbereichsgrundstücke landwirtschaftlichen Zwecken dienen und die Straßen von landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen der jeweiligen Eigentümer mitgenutzt werden. Jedoch hat sich das Erschließungsbeitragsrecht auch hinsichtlich dieser Grundstücke - damit letztlich die allgemeine Frage, welche Grundstücke im Einzelnen der Anbaustraße wegen bebaubar und damit erschlossen sind - am objektiven Recht (dem Baurecht) zu orientieren und nicht an irgendwelchen subjektiven, stimmungsmäßig schwankenden subjektiven Erwartungshaltungen der Nachbarn, die im Zweifel von der abgabenerhebenden Körperschaft auch niemals erfragt werden.
c.
Die Grundstücke Flurstücke 45/5 und 45/30 (im Westen des Mühlenweges, südlich des Grundstückes Mühlenweg) liegen im Außenbereich und sind daher nicht bevorteilt. Nach §§ 131 Abs. 1 und 133 Abs. 1 BauGB unterliegen der Beitragspflicht nur Grundstücke, für die eine bauliche Nutzung festgesetzt sind oder nach Verkehrsauffassung Bauland sind und zur Bebauung anstehen. Dies ist hinsichtlich der genannten Grundstücke offensichtlich nicht der Fall, da sie baurechtlich im Außenbereich liegen und nach § 35 BauGB grundsätzlich nicht bebaubar sind.
8.
Zu den Grundstücken im Osten des Mühlenweges, die nicht in die Abrechnung einbezogen worden sind:
a.
Das Grundstück Flurstück 45/18 hat sowohl Verbindung zur Straße Teufelsinsel als auch zur Straße Mühlenweg. Es ist vom Ausbau des Mühlenweges jedoch nicht bevorteilt, weil es im baurechtlichen Außenbereich des § 35 BauGB liegt. Zwischen dem Bohrmeister-Hasenbein-Weg, der Aller und der Teufelsinsel liegt nach Einsichtnahme in Google-Maps bewaldetes Gelände, welches als Außenbereich zu qualifizieren ist. Der Außenbereich bezieht u.a. die Flurstücke 45/19 und 45/18 ein. Nach §§ 131 Abs. 1 und 133 Abs. 1 BauGB unterliegen Außenbereichsgrundstücke nicht der Beitragspflicht.
b.
Die Grundstücke mit den jetzigen Flurstücksbezeichnungen 45/35 und 45/36 (ehemals 45/28) sind ebenfalls dem Außenbereich zuzuordnen, ebenso das Grundstück Flurstück 45/24, das an der Teufelsinsel liegt, jedoch einen direkten Zugang zur Straße Mühlenweg hat, da es sich um ein so genanntes Pfeifenstielgrundstück handelt.
Hinsichtlich des Grundstückes 45/24 ist auszuführen: Der Landkreis Celle als Baubehörde hat mit Bescheid vom 5. Februar 2007 einen Bauantrag für dieses Grundstück zum Ausbau des Dachgeschosses abgelehnt. Hierzu hat das Bauamt ausgeführt, dass das Grundstück weder im räumlichen Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liege noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles, vielmehr liege es im Außenbereich. Dies entspricht in vollem Umfang der Rechtsauffassung des Einzelrichters. Nach §§ 131 Abs. 1 und 133 Abs. 1 BauGB ist das Grundstück damit nicht erschlossen.
Auch die Grundstücke Flurstücke 45/35 und 45/36, die direkt am Mühlenweg anliegen, gehören zum Außenbereich. Dies hat das Bauamt des Landkreises Celle in verschiedenen Anfragen der Beklagten ausgeführt (E-Mails vom 10.07.2007, 21.04.2009, 30.04.2009). Die vom Bauamt des Landkreises Celle vorgenommene Einordnung der Grundstücke zum Außenbereich ist zutreffend. Die Frontlänge der genannten Grundstücke an der Straße Mühlenweg beträgt rund 100 m. sie sind 50 m tief. Ihnen gegenüber liegen fünf bebaute Grundstücke (Schwarzer Weg). Eine Fläche in dieser Größe (genau 4.713 qm) kann nicht mehr als Baulücke angesehen werden, da Baulücken regelmäßig nicht mehr als zwei - maximal drei - Baugrundstücke umfassen.
9.
Die Berechnung des Beitrages lässt Fehler nicht erkennen. Die Reduzierung der Beitragsfläche von 46.880 m2 bei der Heranziehung in den 1990er Jahren zur jetzt ermittelten Beitragsfläche von etwas mehr als 23.000 m2 ergibt sich nach Auskunft der Beklagten daraus, dass damals auch Außenbereichsflächen in die Abrechnung einbezogen worden sind, jetzt aber nur Bauflächen. Die jetzt vorgenommene Berechnung entspricht dem Recht, da gem. §§ 131 Abs. 1 und 133 Abs. 1 BauGB der Beitragspflicht nur Grundstücke unterliegen, für die eine bauliche Nutzung festgesetzt sind oder nach Verkehrsauffassung Bauland sind und zur Bebauung anstehen. Grundstücke im Außenbereich fallen nicht unter diese Vorschriften.
10.
Verjährung und Verwirkung des Rechtes auf Erhebung von Erschließungsbeiträgen sind nicht gegeben.
Ist die Beitragspflicht für die Fahrbahn als gesondert abrechenbare Teileinrichtung erst mit Ausspruch der Kostenspaltung im Jahre 2008 entstanden - und im Übrigen auch erst durch die gleichzeitig ausgesprochene Widmung (weil zuvor keine "öffentliche" Anbaustraße im Sinne des § 127 Abs. 2 Satz 1 BauGB vorgelegen hat) -, ist auch eine Verjährung bei Erlass der Beitragsbescheide nicht eingetreten. Denn Verjährungsfristen fangen erst an zu laufen mit Entstehen der Beitragspflicht. Auch eine Verwirkung kann deshalb nicht angenommen werden, denn eine Verwirkung vor Eintritt der Verjährung ist in aller Regel - so auch hier - ausgeschlossen. Auch das Recht der Beklagten, die Fahrbahn im Wege der Kostenspaltung abzurechnen, ist nach technischer Herstellung der Fahrbahn schon 1991 weder verjährt noch verwirkt gewesen, als die Kostenspaltung im Jahre 2008 ausgesprochen worden ist. Ein Kostenspaltungsbeschluss ist solange zulässig, wie die betreffende Anlage noch nicht insgesamt und endgültig hergestellt worden ist. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Kostenspaltungsbeschluss auch dann rechtmäßig ist, wenn er nicht mehr in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Herstellung der abgerechneten Teileinrichtung steht, da ein solcher zeitlicher Zusammenhang vom BauGB nicht verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.1973 - IV C 39.72 -).
Der Umstand, dass die Klägerin bereits 1992 zu Erschließungsbeiträgen herangezogen worden ist, wobei der Bescheid dann 1994 wieder aufgehoben worden ist, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der jetzt mit der Klage angegriffenen Heranziehung. Die Beklagte als Gemeinde hat die Pflicht, Erschließungsbeiträge in vollem Umfang geltend zu machen (Nieders. OVG, Beschl. v. 1.12. 2006 - 9 LA 32/05 -). Daraus folgt, dass der frühere Bescheid über die Festsetzung von Erschließungsbeiträgen, der aufgehoben worden ist, Vertrauensschutz nicht hat begründen können und die Klägerin nicht schutzwürdig erwarten durfte, nach erster Aufhebung des Bescheides nicht mehr erneut zu Beiträgen herangezogen zu werden. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der frühere Aufhebungsbescheid eine Erklärung der Beklagten enthält, eine spätere Festsetzung solle ausgeschlossen sein, d.h. die Abgabe solle nicht (mehr) erhoben werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.