Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 26.01.2010, Az.: 6 A 1778/08
Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines Ausländers bei Verurteilung zur einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 26.01.2010
- Aktenzeichen
- 6 A 1778/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 10346
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2010:0126.6A1778.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 55 Abs. 3 AufenthG
- § 56 AufenthG
- Art. 8 EMRK
Verfahrensgegenstand
Ausweisung
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner als Einzelrichter
ohne mündliche Verhandlung am 26. Januar 2010
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben ist er am A. 1988 geboren. Nach dem Ergebnis der Recherchen der Deutschen Botschaft in Damaskus ist der Kläger ausweislich der Eintragungen im syrischen Zivilregister bereits am ..... 1985 geboren.
Der Kläger stellte am 1. September 2000 durch seine Eltern einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 2. November 2000 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Anträge des Klägers, seiner Eltern und mehrerer Geschwister auf Anerkennung als Asylberechtigte ab und stellte fest, dass bei ihnen weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Zugleich forderte das Bundesamt sie unter Abschiebungsandrohung zur Ausreise auf. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Gericht mit Urteil vom 7. Februar 2001 - 6 A 1766/00 - abgewiesen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 27. Februar 2002 - 2 LA 1246/01 - abgelehnt.
Anschließend erhielt der Kläger Duldungen. Ein Folgeantrag blieb erfolglos (vgl. das Verfahren 6 A 222/03).
Der Kläger verließ die Hauptschule in C. im Sommer 2003 nach der 9. Klasse ohne Abschluss. Er besuchte im Schuljahr 2003/2004 das Berufsvorbereitungsjahr Holz in B.. Anschließend war er ohne regelmäßige Beschäftigung.
Der Kläger ist wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Strafregisterauszug vom 17. September 2008 enthält folgende Eintragungen:
- 1.
C. AG D. - D. -
Rechtskräftig seit 11.12.2002
Tatbezeichnung: Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 26.08.2002
Angewendete Vorschriften: StGB § 242 Abs. 1
Erbringung von Arbeitsleistungen
- 2.
E. AG D. - F. -
Rechtskräftig seit 26.10.2004
Tatbezeichnung: Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 30.08.2004
Angewendete Vorschriften: StGB § 242 Abs. 1, § 248a
Erbringung von Arbeitsleistungen
- 3.
G. AG D. - H. -
Tatbezeichnung: Urkundenfälschung
Datum der (letzten) Tat: 15.07.2004
Angewendete Vorschriften: StGB § 267 Abs. 1
Verfahren eingestellt nach § 47 JGG
- 4.
I. AG D. - J. -
Rechtskräftig seit 06.04.2005
Tatbezeichnung: Diebstahl in 2 Fällen und Hehlerei
Datum der (letzten) Tat: 27.01.2005
Angewendete Vorschriften: StGB § 242 Abs. 1, § 248a, § 249 Abs. 1, § 53
1 Freizeitarrest
- 5.
K. AG D. - L. -
Rechtskräftig seit 29.12.2005
Tatbezeichnung: Gemeinschaftlicher Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 27.08.2005
Angewendete Vorschriften: StGB § 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2,
§ 25 Abs. 2
1 Woche Jugendarrest
Erbringung von Arbeitsleistungen
- 6.
M. AG D. - N. -
Rechtskräftig seit 25.05.2006
Tatbezeichnung: Gefährliche Körperverletzung
Datum der (letzten) Tat: 23.01.2006
Angewendete Vorschriften: StGB § 223, § 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4, § 25 Abs. 2,
3 Wochen Jugendarrest
Richterliche Weisung
- 7.
O. AG D. - P. -
Rechtskräftig seit 23.01.2008
Tatbezeichnung: Diebstahl und Diebstahl in 9 besonders schweren Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb
Datum der (letzten) Tat: 11.10.2007
Angewendete Vorschriften: StGB § 242, § 243 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 22, § 23, § 25 Abs. 2, § 54, JGG § 21
1 Jahr 10 Monate Jugendstrafe
Bewährungszeit 3 Jahre
Richterliche Weisung
Erbringung von Arbeitsleistungen
Bewährungshelfer bestellt.
Mit Bescheid vom 17. November 2008 wies der Beklagte den Kläger nach vorheriger Anhörung gem. § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - auf unbefristete Zeit aus der Bundesrepublik Deutschland aus und forderte ihn auf, die Bundesrepublik Deutschland binnen 2 Monaten nach Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung zu verlassen. Für den Nichtbefolgungsfall drohte der Beklagte dem Kläger die Abschiebung gem. § 58 AufenthG nach Syrien oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist, an.
Daraufhin hat der Kläger am 25. November 2008 Klage erhoben. Die Klage ist schriftsätzlich begründet worden.
Mit Urteil vom Q. - R. - hat das Amtsgericht D. - Jugendschöffengericht - den Kläger des Computerbetruges für schuldig befunden und ihn unter Einbeziehung des Urteils vom S. - P. - zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Dieses Urteil ist seit dem 17. April 2009 rechtkräftig. Der Kläger verbüßt die Jugendstrafe seit dem 30. Mai 2009.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 17. November 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Bescheid.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte 6 A 1778/08 und auf die beigezogenen Ausländerakten Bezug genommen. Außerdem haben dem Gericht die Gerichtsakten 6 A 1766/00 und 6 A 222/03 VG Stade vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist unbegründet.
Die mit Bescheid des Beklagten vom 17. November 2008 verfügte Ausweisung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 17. November 2008 eine Ermessensausweisung gem. § 55 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - (i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008, BGBl. I S. 162) ausgesprochen. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger, der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 17. November 2008 bereits wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten war, den Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt.
Im Rahmen des ihm eröffneten Ermessens hat der Beklagte das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Klägers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet abgewogen und dem öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung den Vorrang eingeräumt.
Umstände im Sinne von § 55 Abs. 3 AufenthG stehen einer Ausweisung nicht entgegen. Die Ausweisung des Klägers ist nicht mit Blick auf Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Der Kläger genießt auch keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG. Dies hat der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt.
Die vom Beklagten ausgesprochene Ausweisung wird zusätzlich durch die rechtskräftige Verurteilung des Klägers zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten (Urteil des Amtsgerichts D. vom Q. - R. - ) gestützt. Damit erfüllt der Kläger nunmehr den Tatbestand des § 54 Nr. 1 AufenthG (Ausweisung im Regelfall). Danach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren - wie hier - oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Zwar ist die rechtskräftige Verurteilung des Klägers zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten erst nach Erlass der angefochtenen Ausweisung (Bescheid vom 17. November 2008) erfolgt. Sie ist jedoch zu berücksichtigen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 -, NVwZ 2008, 434) ist seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich.
Auch die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Beklagten vom 17. November 2008 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 AufenthG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis ergibt sich aus§§ 167 VwGO; 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
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Streitwertbeschluss:
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird gem. § 52 Abs. 1 und 2 GKG auf
5.000,00 Euro
festgesetzt.
Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.
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