Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 18.01.2010, Az.: 4 A 504/08
Erstattung zu Unrecht gewährter Finanzhilfe für Personalausgaben nach dem Kindertagesstättengesetz (KiTaG)
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 18.01.2010
- Aktenzeichen
- 4 A 504/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 10215
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2010:0118.4A504.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 KiTaG
- § 16 KiTaG
- § 45 SGB X
- § 50 SGB X
Verfahrensgegenstand
Finanzhilfe für Personalausgaben (2003/2004)
hier: Erstattung
Amtlicher Leitsatz
Keine Erstattung zu Unrecht ohne Verwaltungsakt erbrachter Leistungen gem. § 50 Abs. 2 SGB X bei fehlender Ermessensausübung
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 4. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2010
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Schröder,
die Richterin am Verwaltungsgericht Teichmann,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Tepperwien sowie
die ehrenamtlichen Richter C. und D.
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2008 wird aufgehoben, soweit durch diesen ein Erstattungsbetrag von mehr als 2.701,41 EUR festgesetzt worden ist.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kostenforderung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Forderung der Beklagten, für das Kindergartenjahr 2003/2004 gewährte Finanzhilfe nach dem Nds. Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) teilweise zu erstatten.
Die Klägerin ist Trägerin der integrativen Kindertagesstätte E. in F., in der im Kindergartenjahr 2003/2004 insgesamt fünf Gruppen betreut wurden (vier integrative Gruppen sowie eine Hortgruppe).
Unter dem 16. Oktober 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Finanzhilfe für Personalausgaben nach dem KiTaG für das Kindergartenjahr 2003/2004. Auf diesen, am 9. Dezember 2004 geänderten, Antrag bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 13. Dezember 2004 Finanzhilfe für den Zeitraum 1. August 2003 bis 31. Juli 2004 in Höhe von insgesamt 57.850,25 EUR. Der Bescheid enthält folgenden Hinweis:
"Die Bewilligung der Finanzhilfe erfolgt auf der Grundlage der in Ihrem Finanzhilfeantrag unter Nr. 5 angegebenen Wochenarbeitsstunden für die beschäftigten Fachkräfte sowie der von Ihnen zu den Voraussetzungen des Finanzhilfeanspruchs unter den Nummern 1 bis 9 des Antrags abgegebenen Erklärungen. Die Wahrheit dieser Antragsangaben haben sie ausdrücklich erklärt.
Wird zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt, dass die in Nr. 5 des Finanzhilfeantrags angegebenen Wochenarbeitsstunden der beschäftigten Fachkräfte - entgegen der die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen des § 16 KiTaG bestätigten Erklärungen - nicht hätten von Ihnen abgegeben werden dürfen, entfällt der Finanzhilfebetrag, der sich aus den dann nicht zu berücksichtigenden Wochenarbeitsstunden multipliziert mit der jeweils in Bezug genommenen Finanzhilfepauschale ergibt (auflösende Bedingung gem.§ 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X).
Dieser Betrag ist dann gem. § 50 Abs. 2 SGB X zu erstatten. Einen Erstattungsanspruch würde ich gesondert geltend machen."
Gegen den Bescheid vom 13. Dezember 2004 legte die Klägerin Widerspruch ein. Nach diversen Gesprächen mit der Beklagten reichte sie unter dem 22. Juli 2005 einen korrigierten Antrag ein. Sie gab u.a. an, dass zum Stichtag 1. Oktober 2003 in der integrativen Gruppe 2 - Betreuungszeit 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr - Frau G. H. als erste Kraft mit 25 Betreuungsstunden sowie als zweite bzw. dritte Kräfte Frau I. J. mit 17,5 Betreuungsstunden, Frau K. L. mit 20 Betreuungsstunden und Frau M. N. mit 12,5 Betreuungsstunden tätig gewesen seien. In der integrativen Gruppe 4 mit identischer Betreuungszeit seien tätig gewesen Frau O. P. als erste Kraft mit 25 Betreuungsstunden sowie - als zweite/dritte Kraft - Frau M. N. mit 15 Betreuungsstunden, Frau Q. R. mit 26,5 Betreuungsstunden und Herr S. T. mit 8,5 Betreuungsstunden. Die Gruppe 1 hätten Frau U. V., Herr W. X., Frau Y. Z. und Frau AA. BB. betreut. Auf den Widerspruch der Klägerin erließ die Beklagte am 29. Juli 2005 einen Änderungsbescheid, durch den sie eine Finanzhilfe für das Kindergartenjahr 2003/2004 in Höhe von nunmehr 98.992,18 EUR bewilligte.
Im September 2006 informierte die Stadt F. die Beklagte über Unstimmigkeiten in der Abrechung der Personalkosten der in der Einrichtung der Klägerin tätigen heilpädagogischen Fachkräfte, u.a. darüber, dass sechs Wochenarbeitsstunden von Frau V. doppelt abgerechnet worden seien. Daraufhin forderte die Beklagte bei dem Landkreis CC. eine Aufstellung über die bezuschussten Wochenarbeitsstunden dieser Kräfte an. Nachdem sie Abweichungen in Bezug auf die Angaben in dem bei ihr gestellten Finanzhilfeantrag für das Kindergartenjahr 2003/2004 festgestellt hatte, hörte sie die Klägerin (wiederholt) zu der Absicht, einen Erstattungsanspruch geltend zu machen, an. Auf das Anhörungsschreiben vom 13. Juni 2007 äußerte sich die Klägerin unter dem 16. Juli 2007 und legte einen korrigierten Dienst (Stellen-)plan für das Kindergartenjahr 2003/2004 vor. Danach wurde die integrative Gruppe 2 durch Frau H. mit 25 Stunden, durch Frau J. mit 25 Stunden, durch Frau R. mit 10 Stunden und durch Frau N. mit 15 Stunden betreut. Für die integrative Gruppe 4 wurde angegeben, dass hier Frau P. mit 25 Stunden, Frau R. mit 25 Stunden, Herr T. mit 9,5 Stunden und Frau N. mit 15,5 Stunden tätig gewesen seien.
Mit Schreiben vom 27. November 2007 hörte die Beklagte die Klägerin letztmalig zur beabsichtigten anteiligen Rückforderung der gewährten Finanzhilfe an und führte u.a. aus, dass sich aufgrund der vom Landkreis CC. mitgeteilten bezuschussten Wochenarbeitsstunden für die heilpädagogischen Fachkräfte Abweichungen ergeben hätten, die zu einem Erstattungsanspruch führten. Nach Durchsicht des mit Schreiben vom 16. Juli 2007 vorgelegten Dienstplanes für das Kindergartenjahr 2003/2004 im Hinblick auf den Finanzhilfeantrag für dieses Jahr vom 16. Oktober 2003 in der korrigierten Fassung vom 22. Juli 2005 sei Folgendes aufgefallen: Frau V. könne lediglich mit 18 Wochenarbeitsstunden berücksichtigt werden; nur insoweit sei sie als sozialpädagogische Kraft tätig gewesen. Ferner sei nach dem korrigierten Dienstplan die Mindestbetreuungszeit von 25 Stunden wöchentlich in Gruppe 2 bzw. 4 nicht eingehalten worden. Da Frau R. bereits in der Gruppe 4 mit 25 Stunden tätig gewesen sei, könne sie nicht gleichzeitig in der Gruppe 2 Betreuung geleistet haben. Da Frau N. bereits in Gruppe 4 mit 15,5 Stunden eingesetzt gewesen sei, könne sie in Gruppe 2 nicht mit 15, sondern lediglich mit 9,5 Stunden tätig gewesen sein. Dadurch, dass Frau N. in Gruppe 2 von der Betreuungszeit lediglich 9,5 Stunden abdecken könne, sei die Mindestbetreuungszeit in dieser Gruppe nicht eingehalten mit der Folge, dass die Finanzhilfe zu den Personalausgaben für 32,5 Wochenarbeitsstunden von Frau J., für 10 Wochenarbeitsstunden von Frau R. und für 19 Wochenarbeitsstunden von Frau N. entfalle. Eine inhaltliche Äußerung der Klägerin bis zu dem ihr gesetzten Termin - 31. Januar 2008 - erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 3. März 2008 setzte die Beklagte gemäß § 50 SGB X eine Erstattung für das Kindergartenjahr 2003/2004 in Höhe von 21.848,18 EUR fest. Zur Begründung wiederholte sie ihre Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben vom 27. November 2007 und führte weiterhin aus, dass entgegen der im Finanzhilfeantrag vom 16. Oktober 2003 in der korrigierten Fassung vom 22. Juli 2005 schriftlich abgegebenen Versicherung die Angaben bezüglich der Höhe der Wochenarbeitsstunden von Frau V. sowie des Einsatzes von Frau J., Frau R. und Frau N. hinsichtlich § 4 KiTaG sowie der Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen des § 16 KiTaG nicht korrekt seien und somit die Gewährung der Finanzhilfe anteilig zu Unrecht erfolgt sei. Insoweit sei die auflösende Bedingung des Bewilligungsbescheides vom 13. Dezember 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2005 eingetreten und der überzahlte Betrag von 21.848,18 EUR zu erstatten.
Am 2. April 2008 hat die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2008 Klage erhoben, soweit durch diesen ein Erstattungsbetrag von mehr als 2.701,41 EUR festgesetzt worden ist. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend:
Das Erstattungsverlangen für Frau V. werde dem Grunde nach akzeptiert. Auf Frau V. entfielen 2.701,41 EUR.
Im Übrigen sei der Bescheid vom 3. März 2008 rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit folge bereits daraus, dass die Beklagte Erstattung verlange, ohne zuvor den Bewilligungsbescheid aufgehoben zu haben. Die Nebenbestimmung zum Bescheid vom 13. Dezember 2004, auflösende Bedingung, sei unwirksam, weil sie sich lediglich auf die Voraussetzungen der Finanzhilfe bezogen habe und die Erfüllung gesetzlicher Voraussetzungen nicht unter Bedingung für die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes gestellt werden könne. Überdies bestimme§ 32 Abs. 1 SGB X, dass ein Verwaltungsakt, auf den - wie hier - ein Anspruch bestehe, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden dürfe, wenn diese durch Rechtsvorschrift zugelassen sei oder wenn sie sicherstellen solle, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Da aber die auflösende Bedingung ihrerseits nicht an die Voraussetzung des Verwaltungsakts geknüpft sein dürfe, komme eine solche Nebenbestimmung zur Sicherung des Zwecks nicht in Betracht.
Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen für die Gewährung der vollumfänglichen Finanzhilfe - mit Ausnahme derjenigen für Frau V. - erfüllt. Aus der beigefügten korrigierten Auflistung vom 29. Februar 2008 - Betreuung der Gruppe 2 durch Frau H. mit 25 Stunden, durch Frau J. mit 17,5 Stunden, durch Frau L. mit 20 Stunden und durch Frau N. mit 12,5 Stunden; Betreuung der Gruppe 4 durch Frau P. mit 25 Stunden, durch Frau R. mit 26,5 Stunden, durch Herrn T. mit 8,5 Stunden und durch Frau N. mit 15 Stunden - ergebe sich, dass mit dem auch zum Stichtag vorgehaltenen Personal die gesetzlichen Anforderungen klar erfüllt seien.
Die streitgegenständliche Rückforderung verstoße ferner gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die beanstandeten Angaben zur Besetzung der Gruppen 2 und 4 seien 2005 im Einzelnen mit der Beklagten abgestimmt worden. Der jetzt in Rede stehende Sachverhalt sei erstmals in dem angefochtenen Bescheid vom 3. März 2008 aufgegriffen worden, obwohl dieser so 2005 einvernehmlich in den Antrag aufgenommen worden sei.
Fehl gehe die Beklagte ferner in der Annahme, dass die Mindestbetreuungszeit nicht eingehalten worden seien. Sie verkenne bereits, dass es sich hierbei nicht um eine konkrete Bezugsgröße handele, die je Gruppe anhand des tatsächlichen Personaleinsatzes zu berechnen sei. Der Gesetzgeber habe vielmehr eine abstrakte Begrenzung im Sinne einer organisatorischen Mindestvoraussetzung festlegen wollen. Es komme allein darauf an, dass die erforderlichen Leistungen tatsächlich erbracht würden, nicht hingegen darauf, dass sich dies aus der Berechnung der einzelnen Mitarbeiterstunden stichtagbezogen auf den 1. Oktober ergebe.
Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass selbst wenn man unterstellte, die Annahmen der Beklagten träfen zu, diese eine für sie besonders günstige Berechnung des Erstattungsbetrages vorgenommen habe, indem sie die Einhaltung der Mindestbetreuungszeit in der Gruppe 2 anstatt in der Gruppe 4 verneint habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2008 aufzuheben, soweit durch diesen ein Erstattungsbetrag von mehr als 2.701,41 EUR festgesetzt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert u.a.: Der Bewilligungsbescheid vom 13. Dezember 2004 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. Juli 2005) sei zu Recht mit einer Nebenbestimmung versehen worden, wonach der Finanzhilfebetrag (anteilig) entfalle, wenn sich im Nachhinein herausstelle, dass die im Antrag gemachten Angaben zu den Wochenarbeitsstunden der beschäftigten Fachkräfte sowie die zu den Voraussetzungen der Finanzhilfe abgegebenen Erklärungen nicht der Wahrheit entsprächen. Diese auflösende Bedingung sei gemäß § 32 Abs. 2 SGB X rechtmäßig und wirksam, weil sie sicherstellen solle, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Finanzhilfe erfüllt werden.
Aber selbst wenn man von der Unwirksamkeit der auflösenden Bedingung ausginge, hätte die Beklagte einen Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Der Zuwendungsbescheid beruhe auf Angaben, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht habe. Die Klägerin habe es in ihrem Antrag vom 16. Oktober 2003 unterlassen anzugeben, dass sie für Frau V. zusätzlich Finanzhilfe vom Landkreis CC. erhalten habe. Die nachfolgenden Anhörungen und Änderungen seien lediglich Konsequenz der Falschangabe der Klägerin. Die Klägerin habe zudem bei Antragstellung versichert, dass die Angaben zu den Nummern 1 bis 9 richtig seien. Im Nachhinein habe sie die Änderungen den Erfordernissen der Finanzhilfe nach Belieben angepasst. Es komme allerdings allein darauf an, wie der Personaleinsatz am Stichtag 1. Oktober 2003 tatsächlich ausgesehen habe. Die Klägerin könne sich auch nicht mit der Begründung, dass die Angaben mit der Beklagten abgestimmt gewesen seien, auf Vertrauensschutz berufen. Die Beklagte habe auf die Richtigkeit der Angaben der Klägerin vertrauen müssen. Die von der Klägerin so bezeichnete Abstimmung habe sich lediglich als Hilfe und Information zum richtigen Ausfüllen des Finanzhilfeantrags dargestellt.
Der Erstattungsanspruch bestehe in der geltend gemachten Höhe. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 16 KiTaG i.V.m. § 3 der 2. DVO-KiTaG nicht. Wie bereits im angefochtenen Bescheid ausgeführt, sei die Mindestbetreuungszeit in der Gruppe 2 nicht erfüllt. Dadurch entfalle gemäß § 16 Abs. 3 KiTaG die Finanzhilfe für 32,5 Wochenarbeitsstunden von Frau J., für 10 Wochenarbeitsstunden von Frau R. und für 19 Wochenarbeitsstunden von Frau N..
Die Stellungnahme der Klägerin vom 29. Februar 2008 mit wiederum geänderter Personalauflistung, sei erst am 4. März 2008 und damit weit nach Ablauf der gesetzten Frist bis zum 31. Januar 2008 bei ihr eingegangen und schon aus diesem Grund nicht zu berücksichtigen. Ob nach dieser Aufstellung ein vollumfänglicher Anspruch auf Finanzhilfe bestanden hätte, lasse sich nicht abschließend prüfen, weil lediglich eine Gesamtdarstellung je Gruppe erfolgt sei. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Mindestbetreuungszeit stelle lediglich eine abstrakte Begrenzung im Sinne einer organisatorischen Mindestvoraussetzung dar, treffe nicht zu.
Es sei richtig, dass der Erstattungsbetrag geringer ausgefallen wäre, wenn man diesen ausgehend von der Nichteinhaltung der Mindestbetreuungszeit in der Gruppe 4 errechnet hätte. Die Beklagte habe sich jedoch dafür entschieden, die Gruppe 2 zu streichen, weil Frau R. in der Gruppe 4 als volle Kraft tätig und in der Gruppe 2 nach der Darstellung der Klägerin lediglich als Ergänzungskraft eingesetzt gewesen sei. Eine Verpflichtung der Beklagten, die für die Klägerin günstigste Berechnungsmethode zu wählen, bestehe nicht.
Schließlich errechne sich als auf Frau V. entfallender Erstattungsbetrag nicht nur 2.701,41 EUR, sondern jedenfalls 9.584,78 EUR (20,5 Stunden x 467,55 EUR Finanzhilfepauschale).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der zu dieser beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2008 ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Beklagte stützt ihr Erstattungsverlangen auf § 50 SGB X. Diese Vorschrift bestimmt in Abs. 1 Satz 1, dass bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit der Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, und in Abs. 2, dass Leistungen, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten sind, wobei §§ 45 bis 48 entsprechend gelten.
Eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 13. Dezember 2004 in der Fassung des Änderungs- (Widerspruchs-) Bescheides vom 29. Juli 2005 ist weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt, so dass als Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Erstattungsforderung nur§ 50 Abs. 2 SGB X in Betracht kommt.
Es kann dahinstehen, ob die Finanzhilfe für das Kindergartenjahr 2003/2004 (soweit zurückgefordert) zu Unrecht erbracht worden ist, denn selbst wenn dies der Fall wäre, erweist sich der Erstattungsbescheid vom 3. März 2008 als rechtswidrig.
Die Zuwendung in Form der Finanzhilfe zu den Personalausgaben wäre in diesem Fall ohne Verwaltungsakt erbracht worden. Sie basierte zwar zunächst auf dem Bewilligungsbescheid vom 13. Dezember 2004 in der Fassung des Bescheides vom 29. Juli 2005. Dieser ist jedoch durch den Eintritt der in der Nebenbestimmung des Verwaltungsaktes - auflösende Bedingung - genannten Voraussetzungen weggefallen.
Allerdings ist nicht zweifelsfrei, ob die Beklagte ihrem Bewilligungsbescheid die auflösende Bedingung beifügen durfte. Nach§ 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, nur mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Die Grenzen sind wegen des Anspruchs des Adressaten auf den Verwaltungsakt eng gefasst. Die Nebenbestimmung ist nur zulässig, wenn die Rechtsgrundlage für den Verwaltungsakt sie selbst impliziert, oder dann, wenn der Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung gar nicht erlassen werden dürfte, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen selbst (noch) nicht erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2001 - B 6 KA 16/00 R -, [...]; Hauck/Noftz, SGB X, Kommentar, § 32 Rn. 34; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Auflage, § 36 Rn. 44; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 7. Auflage, § 36 Rn. 120). Bei dem Anspruch auf die Gewährung von Finanzhilfe nach § 16 KitaG handelt es sich um einen gebunden Anspruch. Gesetzliche Bestimmungen, die es ausdrücklich zulassen, den Bewilligungsbescheid mit Nebenbestimmungen zu versehen, sind nicht gegeben. Ob die sog. auflösende Bedingung in dem Bewilligungsbescheid geeignet i.S.d. § 32 Abs. 1 SGB X ist, sicherzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden, ist fraglich. In dieser Nebenbestimmung wird darauf hingewiesen, dass die Bewilligung auf der Grundlage der von der Klägerin gemachten Angaben erfolgt ist und für den Fall, dass sich die Angaben im Nachhinein als unzutreffend erweisen, der Finanzhilfebetrag (anteilig) entfällt und zurückgefordert wird. Der Sicherstellung von gesetzlichen Voraussetzungen für den Verwaltungsakt, die zum Zeitpunkt dessen Erlasses noch nicht zweifelsfrei vorliegen oder vollständig nachgewiesen werden können, dürfte sie nicht dienen.
Die Klägerin hat jedoch den Bewilligungsbescheid insgesamt bestandskräftig lassen mit der Folge, dass die Nebenbestimmung trotz ihrer Rechtswidrigkeit Geltung beansprucht. Nichtigkeitsgründe i.S.v. § 40 SGB X sind nicht ersichtlich.
Der Erstattungsbescheid der Beklagten ist trotz des (unterstellten) Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des§ 50 Abs. 2 SGB X rechtswidrig, weil die Beklagte es versäumt hat, das ihr eingeräumte Ermessen auszuüben. Nach§ 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X gelten die §§ 45 und 48 entsprechend. Durch die Bezugnahme auf die genannten Vorschriften wird sichergestellt, dass bei Leistungen, die zu Unrecht ohne Verwaltungsakt erbracht worden sind, derselbe Vertrauensschutz und Ermessensgebrauch gilt wie bei einer Leistung aufgrund eines Verwaltungsakts. Es ist somit eine fiktive Prüfung nach §§ 45, 48 SGB X vorzunehmen. Soweit der Behörde für die Aufhebung des Verwaltungsakts, wenn er existent wäre, ein Ermessen zusteht, bedeutet dies auf § 50 Abs. 2 SGB X übertragen, dass die Rückforderung insoweit im Ermessen der Behörde steht. Insofern unterscheiden sich die Erstattungen unrechtmäßiger Leistungen nach Absatz 1 und Absatz 2 des § 50 SGB X. Bei Absatz 1 ist die Ermessensprüfung schon bei der Aufhebung des Verwaltungsakts erfolgt, so dass für ein Ermessen beim nachfolgenden Rückforderungsanspruch kein Raum mehr ist. Bei Absatz 2 wird die Prüfung mitsamt der Ermessensausübung in die dort allein zu treffende Entscheidung über die Rückforderung verlagert (zum Vorstehenden vgl. nur BSG, Urteil vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 -, [...], Nds. OVG, Beschluss vom 26. Januar 2001 - 4 L 3852/99 -; Hauck/Noftz, a.a.O., § 50 Rn. 15).
Einen rechtswidrigen Bewilligungsbescheid gemäß § 16 KiTaG kann die Behörde nach§ 45 SGB X zurücknehmen. Die Entscheidung liegt in ihrem Ermessen ("darf"). Dies bedeutet nach dem soeben Dargelegten für den vorliegenden Fall, dass die Rückforderung ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachter Leistungen ebenfalls im Ermessen der Beklagten steht. Das ihr eingeräumte Ermessen hat die Beklagte jedoch nicht ausgeübt. Der Erstattungsbescheid vom 3. März 2008 enthält keinerlei Ermessenerwägungen. Soweit die Beklagte im Laufe des Klageverfahrens Erwägungen zu § 45 SGB X angestellt hat, kann dies nicht berücksichtigt werden. § 114 Satz 2 VwGO lässt lediglich eine Ergänzung von Ermessenserwägungen zu, nicht jedoch die erstmalige Ausübung des Ermessens. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf "Null" sind nicht gegeben.
Zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten weist die Kammer abschließend darauf hin, dass die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X auch in Fällen der entsprechenden Anwendung des § 45 SGB X über § 50 Abs. 2 SGB X gilt (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 1990, a.a.O.; Hauck/Noftz, a.a.O., § 50 Rn. 15a) und der erneuten Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs für das Kindergartenjahr 2003/2004 - nunmehr mit Ermessenserwägungen - der Ablauf dieser Frist entgegenstehen dürfte.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
...
Teichmann
Dr. Tepperwien