Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 08.10.2020, Az.: 2 B 21/20

baurechtswidrig; Beseitigung; Beseitigungsverfügung; verantwortlich; Zwangsverwalter

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
08.10.2020
Aktenzeichen
2 B 21/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71912
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Zwangsverwalter ist in analoger Anwendung des § 56 Satz 1 NBauO bauordnungsrechtlich verantwortlich für baurechtswidrige Zustände.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens über eine Beseitigungsanordnung bezüglich eines Balkons und einer Dachgaube.

Auf dem streitbefangenen Grundstück „M Straße, 49XXX D.“ (Flurstück E., Flur F., Flurstücke G., H., I., J., Flur K., Gemarkung L.) befindet sich eine aus mehreren Gebäuden bestehende, landwirtschaftliche Hofstelle. Eigentümer ist Herr M. N., der das Grundstück mit seiner Familie bewohnt.

Mit Beschluss vom 18.12.2015 (O. K P. /15) ordnete das Amtsgericht Osnabrück in der Zwangsvollstreckungssache der Sparkasse A-Stadt gegen Herrn M. N. die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes sowie durch Beschluss vom 13.05.2016 (O. L Q. /16) die Zwangsverwaltung des Grundbesitzes an und bestellte mit Beschluss vom 24.10.2016 den Antragsteller als Zwangsverwalter. In der Bestallungsurkunde vom selben Tag wird der Antragsteller ermächtigt, sich selbst den Besitz des Grundstücks zu verschaffen. In seinem Bericht vom 10.11.2016 erklärte der Antragsteller gegenüber dem Amtsgericht Osnabrück, dass er sich den Besitz im Wege der persönlichen Unterrichtung des Schuldners unmittelbar nach Zustellung des Zwangsverwaltungsbeschlusses am 28.10.2016 verschafft habe.

Durch Schreiben vom 17.04.2018 wies der Antragsteller den Antragsgegner darauf hin, dass der auf der Rückseite des Hauptgebäudes vorhandene Balkon vermutlich nachträglich errichtet worden sei und erhebliche Bedenken bestünden, dass dieser genehmigt sei und den statischen Vorgaben entspreche.

Der Antragsgegner vermerkte unter dem 24.04.2018, dass der überdachte Balkon genehmigungspflichtig, jedoch nicht genehmigt sei, die verwendeten Baumaterialien nicht § 17 NBauO entsprächen und die Standsicherheit angezweifelt werden müsse.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.05.2018 teilte Herr N. dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller als Zwangsverwalter nichts unternehme, um ihn in die Lage zu versetzen, die Instandhaltung der Immobilie zu gewährleisten. Ihm seien die Hände gebunden, da ihm die Geldmittel für den Erhalt entzogen würden. Sein Einkommen liege derzeit unterhalb der Pfändungsgrenzen.

Durch Schreiben vom 04.04.2019 erklärte der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner, dass er als Zwangsverwalter für den baurechtswidrigen Zustand, der vor der Anordnung der Zwangsverwaltung entstanden sei, nicht verantwortlich sei. Weder verfüge er über die notwendigen finanziellen Mittel noch sei die Sparkasse A-Stadt bereit, die Kosten zu übernehmen.

Der Antragsgegner forderte den Antragsteller mit Bescheid vom 05.06.2020 auf, den streitbefangenen Balkon und die darüber befindliche Dachgaube bis zum 15.07.2020 fachgerecht zurückzubauen, drohte ihm für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 € und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte er aus, dass der Balkon und die Dachgaube aufgrund der Verwendung von Gartenbaupflanzringen als Stützen nicht standsicher seien. Diese seien mangels Baugenehmigung formell illegal und wegen der Verwendung nicht zulässiger Baustoffe auch materiell illegal. Als Zwangsverwalter sei der Antragsteller baurechtlich verantwortlich gemäß § 56 NBauO, da er nach § 152 ZVG die erforderlichen Handlungen zur ordnungsgemäßen Erhaltung des Grundstücks vorzunehmen habe. Der Rückbau von Balkon und Dachgaube entspreche der pflichtgemäßen Ermessensausübung. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertige sich damit, dass sich durch die Einlegung von Rechtmitteln die Gefahrensituation verfestigen würde und Personen bei einem Einsturz verletzt oder getötet werden könnten.

Der Antragsteller erhob dagegen unter dem 12.06.2020 Widerspruch.

Der Antragsteller hat am 09.07.2020 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt und trägt vor, dass er der falsche Inhaltsadressat des Bescheids sei, weil er als Partei kraft Amtes selbstständig, aber für Rechnung des Schuldners fremdes Vermögen zum Zwecke der Befriedigung Dritter verwalte. Die Auslegung des Bescheides ergebe, dass er als Privatperson Inhalts- und Bekanntgabeadressat sei. Insofern sei eine Unterscheidung zwischen ihm als Privatperson und als Partei kraft Amtes zwingend.

Selbst wenn der Bescheid gegen ihn in seiner Parteieigenschaft als Zwangsverwalter ergangen sein sollte, wäre er der falsche Adressat, weil er nicht Eigentümer und damit nicht Störer i.S.d. § 56 Satz 1 NBauO sei. Die Anordnung der Zwangsverwaltung führe keine Änderung der Eigentumsverhältnisse herbei. Er übe auch nicht die tatsächliche Gewalt über die bauliche Anlage aus, weil er von der Ermächtigung, sich selbst den Besitz zu verschaffen, keinen Gebrach gemacht habe.

Jedenfalls sei die Störerauswahl ermessensfehlerhaft, weil der Verhaltensstörer für die Untersagung der Nutzung und der Eigentümer für die Instandhaltung bzw. den Rückbau grundsätzlich vorrangig in Anspruch zu nehmen seien. Darüber hinaus verhielten sich Balkon und Dachgaube mindestens seit 2016 standsicher, so dass eine Absicherung durch Bauzäune oder der Einbau von Metallstützen ebenso effektive, jedoch mildere Mittel darstellten. Die Bewohnbarkeit des streitbefangenen Grundstücksteils erscheine ohnehin auf Dauer ausgeschlossen, da zunächst umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden müssten.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht hinreichend einzelfallbezogen und mache deren Ausnahmecharakter nicht deutlich. Der Antragsgegner habe, obwohl ihm der baurechtswidrige Zustand mindestens seit April 2018 bekannt gewesen sei, bis zum 05.06.2020 keine bauordnungsrechtliche Maßnahme ergriffen. Dieser hätte sich daher damit auseinandersetzen müssen, weshalb er den Zustand über diesen Zeitraum gebilligt habe. Dabei hätte der Antragsgegner erkannt, dass eine Einsturzgefahr nicht bestehe. Weiterhin sei ein besonderes, das Suspensivinteresse überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung erforderlich, das nur ausnahmsweise gegeben sei, weil der Rückbau einer baulichen Anlage in der Regel irreparabel sei. Ein solches Interesse ergebe sich nicht aus Gründen des Schutzes Dritter vor herunterfallenden Mauerteilen, weil sich ein Einsturz zu keinem Zeitpunkt angedeutet habe.

Auch die Zwangsgeldandrohung sei rechtswidrig, weil die geringen Einnahmen aus der Zwangsverwaltung ausschließlich der Gläubigerin zustünden. Die Zwangsverwaltungsmasse reiche nicht ansatzweise aus, die Kosten der Baumaßnahme zu tragen. Er müsste als Zwangsverwalter entsprechende Vorschüsse von der Gläubigerin anfordern. Es sei mehr als zweifelhaft, ob sich das Amtsgericht Osnabrück und die Sparkasse A-Stadt damit einverstanden erklären würden, aus den Mitteln der Gläubigerin einen vom Eigentümer verursachten Zustand zu beseitigen. Daher sei es ihm unmöglich, den Rückbau durchzuführen. Dieser hänge von der Mitwirkung Dritter ab.

Laut Mitteilung des Rechtsanwalts des Eigentümers handele es sich zudem nicht um einen Balkon, sondern um eine Überdachung der darunter liegenden Terrasse, die seit 2005 statisch einwandfrei bestehe.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 05.06.2020 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt vor, dass im Wege der Auslegung des Bescheids deutlich werde, dass der Antragsteller in seiner Funktion als Zwangsverwalter in Anspruch genommen werde. Auf den Eigentümer könne er nicht mehr zugreifen, weil dieser nicht mehr über die absoluten Rechte an der Immobilie verfüge. Durch die Zwangsverwaltung würden dem Schuldner die Verwaltungsrechte und die Benutzung des Grundstücks entzogen. Aus dem Gebot der effektiven Gefahrenabwehr ergebe sich, dass der Antragsteller der richtige Adressat sei, weil er in seiner Funktion als Zwangsverwalter die erforderlichen zivilrechtlichen Verfügungen treffen könne. Der Antragsteller verfüge über die Geldmittel des Eigentümers und verwalte die Immobilie seit mehreren Jahren.

Selbst wenn sich der Antragsteller als Zwangsverwalter nicht den Besitz an der Immobilie verschafft haben sollte, folge seine Verantwortlichkeit aus der analogen Anwendung des § 56 NBauO. Es liege eine planwidrige Regelungslücke vor, weil es andernfalls an einem Adressaten für eine Abrissverfügung fehlen würde, da die Inanspruchnahme des Eigentümers wegen dessen mangelnder Verfügungsbefugnis ins Leere laufen würde. Der Zwangsverwalter habe eine eigentümerähnliche Stellung und sei zur Instandhaltung der Immobilie verpflichtet.

Hinsichtlich der Kosten des Rückbaus könne der Antragsteller einen Vorschuss beim Gericht beantragen. Die Aufstellung von Bauzäunen sei kein milderes Mittel, da nicht von einer dauerhaften Unbewohnbarkeit des Gebäudes ausgegangen werden sollte.

Der Antragsteller habe ihn auf die mögliche Gefährdungslage überhaupt erst hingewiesen und ausreichend Zeit gehabt, die Standsicherheit nachzuweisen. Ein solcher Nachweis sei nach der Einschätzung der technischen Mitarbeiter seiner Bauaufsichtsbehörde nicht denkbar.

Durch den Rückbau werde keine Substanz zerstört, die von tragender Bedeutung sei. Die Pflanzringe seien nicht als Stützen geeignet. Es könne nicht mit vollkommener Sicherheit gesagt werden, dass sie nicht unter der Last zusammenbrechen würden.

Die Mitwirkung Dritter, d.h. der Gläubigerin und des Amtsgerichts A-Stadt, erstrecke sich nicht auf einen so weiten Kreis, dass von der Sinnlosigkeit des Zwangsgeldes ausgegangen werden könne. Sollte es zu einem Schadensfall durch den Balkon und die Dachgaube kommen, könnten den Antragsteller als Adressat weitreichendere Folgen treffen.

Ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Lichtbilder handele es sich sehr wohl um einen Balkon. In der Dachgaube seien entsprechende Balkontüren eingebaut und der Balkon verfüge über ein Geländer.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat überwiegend keinen Erfolg.

A. Der auf die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 bzw. Nr. 3 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 4 Satz 1 NPOG gerichtete Antrag ist zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Im Hinblick auf die Beseitigungsverfügung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse nicht, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtmäßig ist und die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids insoweit keinen ernstlichen Zweifeln begegnet.

a. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Die Begründung muss der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, das besondere, ausnahmsweise überwiegende öffentliche Interesse an einer solchen Vollziehung aus den Umständen des Einzelfalls zu rechtfertigen (vgl. Nds. OVG, B. v. 11.05.2015, 1 ME 31/15, juris Rn. 10). Die Begründung im angegriffenen Bescheid, dass sich durch die Einlegung von Rechtsmitteln die Gefahrensituation (fehlende Standsicherheit) verfestigen würde sowie Leib und Leben von Personen bei einem Einsturz von Balkon und Gaube gefährdet würden, ist hinreichend einzelfallbezogen, zumal im Bereich der Gefahrenabwehr keine allzu hohen Anforderungen an die Begründungstiefe der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu stellen sind.

b. Auch materiell ist das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben. Zwar ist ein besonderes, das Suspensivinteresse überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung einer Beseitigungsanordnung nur ausnahmsweise anzunehmen, da die Beseitigung einer baulichen Anlage regelmäßig irreparabel ist. In der Regel überwiegt wegen der Endgültigkeit der Beseitigung das Interesse des Betroffenen, dass bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Beseitigungsanordnung der Abriss nicht stattfindet. Es entspricht dem in Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Eigentums, dass mit erheblichem Aufwand geschaffene Substanz, insbesondere von Gebäuden, grundsätzlich nicht zerstört wird, solange nicht sicher ist, ob letztere erhalten bleiben dürfen, also rechtkräftig über die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung entschieden ist. Die offensichtliche Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung allein genügt in der Regel nicht, um deren sofortige Vollziehung zu rechtfertigen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 17.07.2015, OVG 10 S 14.15, juris Rn. 19 m.w.N.). Jedoch ist die sofortige Vollziehung einer rechtmäßigen Beseitigungsanordnung ausnahmsweise unter anderem dann zulässig, wenn die von dem Bauwerk ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein sofortiges Einschreiten durch Beseitigung der baulichen Anlagen erfordert (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 06.02.2008, 3 M 9/08, juris Rn. 5-9 m.w.N.).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Einschätzung der Sachbearbeiterin des Antragsgegners im Vermerk vom 24.04.2018, dass die verwendeten Baumaterialien nicht den Vorgaben des § 17 NBauO entsprechen würden und somit die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit angezweifelt werden müsse, ist für die beschließende Kammer anhand der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Lichtbilder unmittelbar nachvollziehbar. Offenbar bestehen die Stützen des Balkons aus Pflanzringen und die Stützen der Überdachung aus einfachen Baustützen (Metallrohre mit geringem Durchmesser). Auch ist bisher weder vom Eigentümer noch vom Antragsteller ein Nachweis der Standsicherheit (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 NBauO) beigebracht worden. Allein die Erklärung des Antragstellers, dass es sich laut Mitteilung des Rechtsanwalts des Eigentümers nicht um einen Balkon, sondern um eine Überdachung der darunter liegenden Terrasse handele, die seit 2005 statisch einwandfrei bestehe, vermag die Zweifel an der Standsicherheit nicht auszuräumen. Schon das auf den Lichtbildern erkennbare Geländer deutet daraufhin, dass es sich nicht lediglich um eine Terrassenüberdachung handelt. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde sich an der Gefährdung von Personen, die sich darunter aufhalten, nichts ändern. Auch der Umstand, dass der Balkon möglicherweise schon vor geraumer Zeit errichtet worden ist, vermag das erkennbare Gefahrenpotential nicht zu beseitigen. Gleiches gilt im Hinblick auf die zweijährige Dauer des bauaufsichtlichen Verwaltungsverfahrens.

c. Die Beseitigungsanordnung ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 79 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 NBauO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde, wenn bauliche Anlagen, Grundstücke, Bauprodukte oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen oder dies zu besorgen ist, nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind; sie kann namentlich die Beseitigung von Anlagen oder Teilen von Anlagen anordnen.

(1) Die Tatbestandsvoraussetzungen sind gegeben. Eine Beseitigungsanordnung, die mit einer Substanzverletzung der zu entfernenden baulichen Anlage verbunden ist, setzt deren formelle und materielle Illegalität voraus, d. h., dass die genehmigungsbedürftige Anlage nicht genehmigt und in ihrer derzeitigen Nutzung und Funktion auch nicht genehmigungsfähig ist (vgl. Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl., § 79 Rn. 30; Nds. OVG, B. v. 28.02.2005, 1 ME 314/04, juris Rn. 8; VG Osnabrück, U. v. 01.12.2016, 2 A 37/16, n. v.). Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt des bauaufsichtlichen Einschreitens (vgl. Große-Suchsdorf, a.a.O., § 79 Rn. 21).

Die genehmigungsbedürftigen Anlagenteile sind ohne Baugenehmigung errichtet worden und nicht genehmigungsfähig, mithin sowohl formell als auch materiell illegal. Zudem gehört der Antragsteller zum Kreis der bauordnungsrechtlich Verantwortlichen.

(a) Der Balkon und die Dachgaube sind formell illegal. Sie sind genehmigungsbedürftig nach § 59 Abs. 1 NBauO, ohne dass hierfür eine Baugenehmigung erteilt worden ist. Insbesondere handelt es sich nicht um verfahrensfreie Baumaßnahmen gemäß § 60 Abs. 1, Anhang Nr. 1.8, Nr. 13.6 NBauO. Danach sind Terrassenüberdachungen mit nicht mehr als 30 m² Grundfläche und Dächer von vorhandenen Wohngebäuden einschließlich der Dachkonstruktion ohne Änderung der bisherigen äußeren Abmessungen verfahrensfreie Baumaßnahmen. Zum einen stellt die Konstruktion – wie bereits erläutert – nicht lediglich eine Terrassenüberdachung, sondern einen Balkon dar. Zum anderen sind die äußeren Abmessungen der Dachkonstruktion durch die Errichtung der Dachgaube verändert worden.

(b) Die Anlagenteile sind auch materiell illegal.

Zum einen dürfte die Verwendung der Pflanzringe und Baustützen als tragende Stützen des Balkons und der darüber befindlichen Überdachung gegen § 16a Abs. 1 NBauO verstoßen. Danach dürfen Bauprodukte nur verwendet werden, wenn bei ihrer Verwendung die baulichen Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung während einer dem Zweck entsprechenden angemessenen Zeitdauer die Anforderungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften erfüllen und gebrauchstauglich sind. Insofern bestehen – wie bereits dargelegt – erhebliche Zweifel daran, dass die Pflanzringe und Baustützen geeignet sind, die Standsicherheit i.S.d. § 12 Abs. 1 NBauO zu gewährleisten.

Zum anderen handelt es sich nicht um in zulässiger Weise verwendbare Bauprodukte i.S.d. §§ 17-25 NBauO. Ein Verwendungsnachweis ist nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 NBauO erforderlich, wenn es für das Bauprodukt keine Technische Baubestimmung und keine allgemein anerkannte Regel der Technik gibt, was vorliegend der Fall sein dürfte. Anhaltspunkte dafür, dass eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (§ 18 NBauO), ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (§ 19 NBauO) oder eine Zustimmung der obersten Bauaufsichtsbehörde im Einzelfall (§ 20 NBauO) gegeben ist, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

(c) Der Antragsteller ist als Zwangsverwalter auch bauordnungsrechtlich verantwortlich für den baurechtswidrigen Zustand.

(aa) Zwar ist der Antragsteller weder Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks i.S.d. § 56 Satz 1 NBauO noch übt er die tatsächliche Gewalt über die bauliche Anlage aus. Für letzteres müsste sich diese in seinem unmittelbaren Besitz (vgl. § 854 BGB) befinden (vgl. Nds. OVG, B. v. 26.02.2008, 1 ME 4/08, juris Rn. 15). Der Antragsteller hat dem Grundstückseigentümer und dessen Familie jedoch das Hauptgebäude zu Wohnzwecken überlassen (vgl. Bericht vom 10.11.2016 an das Amtsgericht Osnabrück) und ist daher lediglich mittelbarer Besitzer i.S.d. § 868 BGB.

Jedoch ist § 56 Satz 1 NBauO auf den Zwangsverwalter analog anzuwenden. Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält. Die Lücke muss sich aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrundeliegenden Regelungsplan ergeben. Darüber hinaus muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Norm, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH, U. v. 04.12.2014, III ZR 61/14, juris Rn. 9). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Es handelt sich um eine planwidrige Regelungslücke. Die §§ 52 bis 56 NBauO regeln die Frage der bauordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit im Falle einer Zwangsverwaltung nicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Landesgesetzgeber den Zwangsverwalter vom Kreis der bauordnungsrechtlich Verantwortlichen durch Nichterwähnung ausschließen wollte, bestehen nicht, da die Regelung in der ursprünglichen Fassung auf Empfehlung des Ausschusses für Bau- und Wohnungswesen in die NBauO 1973 ohne veröffentlichte Begründung eingefügt worden ist (vgl. LT-Drs. 7/2040, S. 69). Der in § 56 NBauO geregelte Sachverhalt – Verantwortlichkeit des Eigentümers, Erbbauberechtigten und des unmittelbaren Besitzers – und der nichtgeregelte Sachverhalt – Verantwortlichkeit des Zwangsverwalters – sind vergleichbar. Ebenso wie der Eigentümer und der Erbbauberechtigte treffen den Zwangsverwalter Rechte und Pflichten im Hinblick auf den Zustand der baulichen Anlage. Gemäß § 152 Abs. 1 Halbs. 1 ZVG hat der Verwalter das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsmäßig zu benutzen. Zugleich wird dem Schuldner bzw. Eigentümer durch die Beschlagnahme bzw. die Inbesitznahme die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen (vgl. § 148 Abs. 2, § 151 Abs. 1 ZVG). Letztlich ist der Zwangsverwalter aufgrund dieser Regelungen ähnlich wie der Eigentümer zivilrechtlich zustandsverantwortlich. Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Bauherr bzw. der Eigentümer trotz der Zwangsverwaltung nach § 52 Abs. 1 bzw. 56 Satz 1 NBauO in Anspruch genommen wird und gegenüber dem Zwangsverwalter lediglich eine Duldungsverfügung ergeht (vgl. VG Würzburg, U. v. 23.05.2006, W 4 K 05.592, juris Rn. 31-33; VG München, U. v. 07.12.2017, M 11 K 16.4004, juris Rn. 32; VG Frankfurt, U. v. 13.11.2001, 14 E 4385/99, juris Rn. 32; a.A. wohl: BGH, U. v. 18.02.2010, III ZR 295/09, juris Rn. 47-48). Jedoch ändert diese alternative Inanspruchnahmemöglichkeit nichts daran, dass der Zwangsverwalter nach § 152 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ZVG zivilrechtlich wesentliche Rechte und Pflichten des Eigentümers übernimmt und eine korrespondierende Regelung der bauordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit fehlt. Hinzu kommt, dass der Eigentümer im Falle der Zwangsverwaltung – wie hier – regelmäßig finanziell nicht in der Lage ist, die ihm obliegenden bauordnungsrechtlichen Pflichten zu erfüllen, da dessen finanzielle Leistungsunfähigkeit in der Regel gerade den Grund für die Anordnung der Zwangsverwaltung darstellt. Die Verwaltungsbefugnis ermöglicht es dem Zwangsverwalter hingegen, auf die Einnahmen aus dem Grundstück zuzugreifen. Wenn diese nicht zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustands ausreichen sollten, kann er zudem den Gläubiger zur Leistung eines Vorschusses auffordern (vgl. § 161 Abs. 3 ZVG).

(bb) Der Antragsgegner hat den Antragsteller auch in seiner Stellung als Zwangsverwalter und nicht als Privatperson in Anspruch genommen. Dies ergibt sich im Wege der Auslegung des angegriffenen Bescheids. Die Auslegung eines Verwaltungsaktes hat zum einen nach seinem objektiven Erklärungswert unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Erklärung und zum anderen danach zu erfolgen hat, wie ihn Adressat oder Drittbetroffener nach Treu und Glauben verstehen dürfen (vgl. BVerwG, B. v. 31.01.2008, 7 B 48/07, juris Rn. 6), wobei Unklarheiten zu Lasten der Verwaltung gehen (vgl. BVerwG, U. v. 03.11.1998, 9 C 51/97, juris Rn. 13).

Zwar ist zuzugeben, dass die Adressierung des Bescheids an die Kanzleianschrift des Antragstellers unter Angabe der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“, jedoch ohne Benennung seiner Funktion als Zwangsverwalter und die Bezeichnung des Eigentümers im Betreff als „Antragsteller“ geeignet sind, Irritationen über den Inhaltsadressaten auszulösen. Jedoch lässt sich der Bescheid bei verständiger Würdigung noch hinreichend eindeutig so verstehen, dass der Antragsteller in seiner Funktion als Zwangsverwalter verpflichtet werden soll. Dafür, dass nicht der Eigentümer, sondern der Antragsteller zur Beseitigung aufgefordert werden soll, spricht zunächst die Anrede „sehr geehrter Herr A.“ und die sich daran anschließende Formulierung „hiermit fordere ich Sie auf“. Aus dem Begründungsteil des Bescheids ergibt sich darüber hinaus, dass der Antragsteller nicht als Privatperson, sondern als Zwangsverwalter in Anspruch genommen werden soll, indem dort ausgeführt wird: „Sie sind als Zwangsverwalter nach § 56 NBauO im baurechtlichen Sinne die verantwortliche Person und damit der richtige Adressat der Anordnung. Nach § 152 ZVG müssen Sie die erforderlichen Handlungen zur ordnungsgemäßen Haltung des Grundstücks durchführen.“ Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung des Bescheids präzisiert diese Begründungspassage die ungenauen bzw. unzutreffenden Angaben im Adressfeld und Tenor des Bescheids in noch ausreichendem Maße.

Im Hinblick auf zukünftige Bescheide ist dem Antragsgegner zur Vermeidung von Missverständnissen allerdings anzuraten, in Verfahren, in denen es – wie bei einer bauaufsichtlichen Anordnung – keinen Antragsteller gibt, auch keinen solchen in der Betreffzeile anzugeben, und bei der Inanspruchnahme von privatrechtlichen Amtsträgern wie Zwangs- oder Insolvenzverwaltern diese im Adressfeld bzw. Tenor ausdrücklich als solche zu bezeichnen.

(2) Die Ermessensausübung des Antragsgegners lässt keine Ermessensfehler i.S.d. § 114 Satz 1 VwGO erkennen. Bei der Entscheidung über das Einschreiten gegen rechtswidrige und ordnungswidrige Zustände ist der Begründungspflicht regelmäßig damit genügt, dass die Behörde zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner Rechtswidrigkeit und Ordnungswidrigkeit beseitigt werden (vgl. BVerwG, B. v. 28.08.1980, 4 B 67/80, juris 2. Orientierungssatz). Bei der Entscheidung über das Einschreiten braucht das „Für und Wider“ nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist, dass ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme, d.h. der hier (ausnahmsweise) in Kauf zu nehmenden Duldung eines rechtswidrigen oder ordnungswidrigen Zustandes, bestehen (vgl. BVerwG, a.a.O., juris Rn. 6). Solche Anhaltspunkte sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die vom Antragsteller im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorgeschlagene Absicherung des betroffenen Gebäudeteils durch Bauzäune mag zwar ein für ihn finanziell milderes Mittel sein, jedoch ist dieses nicht gleichermaßen zur Gefahrenabwehr geeignet, da dadurch weder die Gefahr eines Einsturzes unterbunden und noch die Bewohnbarkeit gewährleistet wird.

Die im Rahmen seiner Ermessensentscheidung getroffene Störerauswahl des Antragsgegners lässt ebenfalls keine Ermessensfehler erkennen. Dabei ist es grundsätzlich geboten, denjenigen zuerst in Anspruch zu nehmen, der mit dem geringstmöglichen Aufwand baurechtmäßige Zustände herbeiführen kann (vgl. Nds. OVG, B. v. 19.12.2018, 1 ME 155/18, juris Rn. 10). Vor diesem Hintergrund hat die Inanspruchnahme des Verhaltensstörers keinen grundsätzlichen Vorrang vor derjenigen des Zustandsstörers; jedoch erscheint es ermessensgerecht, wenn sich die Bauaufsichtsbehörde in einem Fall, in dem Verhaltens- und Zustandsstörer in gleicher Weise zu einer schnellen und wirksamen Gefahrenbeseitigung in der Lage sind, an den Verhaltensstörer hält (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 27.03.1995, 8 S 525/95, juris Rn. 5). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Zum einen dürfte der Eigentümer als Verhaltensstörer finanziell zum Rückbau des Balkons und der Dachgaube nicht in der Lage sein, so dass die Inanspruchnahme des Antragstellers schon aus Gründen der Effektivität der Gefahrenabwehr naheliegt. Zum anderen ist dem Eigentümer während des laufenden Zwangsverwaltungsverfahren die Befugnis zur Verwaltung grundsätzlich entzogen (vgl. § 148 Abs. 2 ZVG) und der Zwangsverwalter (vorrangig) verpflichtet, die ordnungsgemäße Benutzbarkeit der baulichen Anlage sicherzustellen (vgl. § 152 Abs. 1 Halbs. 1 ZVG).

Die Inanspruchnahme des Antragstellers ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Zwangsverwaltungsmasse möglicherweise nicht ausreicht, um die Kosten des Rückbaus zu tragen, und die Gläubigerin die Leistung eines Vorschusses verweigern könnte. In diesem Fall bleibt dem Antragsteller die in § 161 Abs. 3 ZVG vorgesehen Möglichkeit, die Aufhebung der Zwangsverwaltung beim Vollstreckungsgericht zu beantragen. Nach einer solchen Aufhebung würde der Vollstreckung der Beseitigungsanordnung gegenüber dem Antragsteller ein Vollstreckungshindernis entgegenstehen, so dass er nicht zu befürchten hat, mit seinem Privatvermögen für den Rückbau aufkommen zu müssen.

2. Bezüglich der Zwangsgeldandrohung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse, da deren Rechtmäßigkeit ernstlichen Zweifeln begegnet. Die Höhe der auf § 70 Abs. 1 NVwVG i.V.m. § 65 Abs. 2, § 70 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 NPOG gestützten Zwangsgeldandrohung erscheint unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 NPOG wird das Zwangsgeld auf mindestens 10 und auf höchstens 100 000 Euro schriftlich festgesetzt. Bei seiner Bemessung ist auch das wirtschaftliche Interesse der betroffenen Person an der Nichtbefolgung des Verwaltungsaktes zu berücksichtigen (§ 67 Abs. 1 Satz 2 NPOG). Die Höhe von 25.000 € wahrt zwar den Rahmen des § 67 Abs. 1 Satz 1 NPOG, lässt jedoch keine Orientierung an dem Bemessungsgrundsatz des § 67 Abs. 1 Satz 2 NPOG erkennen. Das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers dürfte sich in der Vermeidung der Rückbaukosten erschöpfen und der angedrohte Betrag diese Kosten erheblich übersteigen. Im Übrigen hält sich der Betrag auch nicht im Rahmen der dem beschließenden Gericht aus anderen Gerichtsverfahren bekannten Zwangsgeldandrohungen des Antragsgegners (beispielsweise 2.500 € hinsichtlich der Beseitigung eines Lagergebäudes, 2 A R. /20). Auch die aufgrund der Einsturzgefahr gegebene, besondere Dringlichkeit vermag die deutliche Überhöhung nicht zu rechtfertigen.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 Streitwertkatalog.