Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 27.08.2020, Az.: 2 A 115/18

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
27.08.2020
Aktenzeichen
2 A 115/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 35690
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In der Verwaltungsrechtssache
xxx
- Klägerin -
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Klostermark 70-80, 26135 Oldenburg
- Beklagte -
wegen Asylrecht
hat das Verwaltungsgericht Osnabrück - 2. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 27. August 2020 durch den Richter am Verwaltungsgericht Alemeyer als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffern 1, 5 und 6 des Bescheides vom 16. August 2018 verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte zu je 1/2.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die 1961 geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben iranische Staatsangehörige und reiste am 24. Dezember 2017 mit einem französischen Visum aus Frankreich kommend in das Bundesgebiet ein. Am 18. Juli 2018 stellte sie einen Asylantrag.

Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 19. Juli 2018 gab sie im Wesentlichen an, nach dem Tod ihres Vaters xxx einem sehr berühmten Regierungsbeamten, von xxx der rechten Hand des iranischen Führers und einem guten Freund ihres verstorbenen Vaters, aufgefordert worden zu sein, dessen Frau auf Zeit zu werden. Sie habe versucht, dem aus dem Weg zu gehen, sei aber eingeschüchtert und bedroht worden. Mithilfe eines Freundes und eines Schleusers sei sie dann von Teheran auf dem Luftweg aus ihrem Heimatland ausgereist.

Mit Bescheid vom 16. August 2018 lehnte die Beklagte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Asylanerkennung und die Gewährung subsidiären Schutzes ab, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorlägen, forderte die Klägerin zur Ausreise binnen 30 Tagen auf, drohte ihr die Abschiebung in den Iran an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate nach dem Tag der Abschiebung. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, es sei bereits fraglich, warum die Aufforderung, eine Ehe auf Zeit einzugehen, erst etwa zwei Jahre nach dem Tod ihrer Eltern erfolgt sei. Zudem habe sie von Drohungen berichtet, die bereits vor der Aufforderung erfolgt seien, was wenig plausibel erscheine. Unverständlich bliebe auch, warum die Klägerin nicht von Drohungen nach der Aufforderung berichtet habe. Allein die Ausschlagung des Angebots lasse es zudem nicht als wahrscheinlich erscheinen, in ein Gefängnis verbracht und verhört zu werden. Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum sie nicht bereits in Frankreich einen Asylantrag gestellt habe.

Am 31. August 2018 hat die Klägerin Klage erhoben und eine Taufbescheinigung vom 30. Juni 2019, ein pfarramtliches Zeugnis des Pastors xxx vom 1. August 2020 sowie einen Wikipedia-Ausdruck über eine Person namens xxx, auch als "xxx" bekannt, vorgelegt. Zur Begründung trägt sie vor, zum christlichen Glauben konvertiert zu sein und dass ihr Vater ein führendes Mitglied im Irak-Krieg gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. August 2018 zu verpflichten, ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und

sie als Asylberechtigte anzuerkennen,

hilfsweise ihr den subsidiären internationalen Schutz zuzuerkennen,

weiter hilfsweise, festzustellen, dass in ihrer Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Iran vorliegen,

ferner hilfsweise das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf null Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.

In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den Zeugen xxx vernommen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin Lichtbilder vorgelegt, die sie zusammen mit ihrem Vater xxx zeigen sollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Weiter wird verwiesen auf die Erkenntnismittel, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet, soweit die Klägerin die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt. Der angegriffene Bescheid ist in diesem Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte besteht für die Klägerin indes nicht.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG schließen das aus. Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgungshandlung gelten nach § 3 a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) - EMRK - keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Zwischen den in § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3 b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3 a Abs. 3 AsylG). Die Verfolgung kann vom Staat sowie den weiteren in § 3 c AsylG im Einzelnen aufgezählten Akteuren ausgehen. Nach § 3 e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen. Maßgebend ist insoweit der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen-sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 - 10 C 23.12 -juris Rn. 32). Dabei greift zugunsten eines Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 -juris Rn. 19; vgl. auch Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU [sog. "Qualifikationsrichtlinie"]). Gemäß § 3 b Abs. 2 AsylG ist es bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob er tatsächlich die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsmerkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Es ist Sache des Ausländers, seine Gründe für eine Furcht vor Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Ihm obliegt es, bei den in seine persönliche Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere bei seinen persönlichen Erlebnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989 - 9 B 405.89 -juris Rn. 8; Urteil vom 24.3.1987 - 9 C 321.85 -juris Rn. 9). An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen, sowie auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990 -2 BvR 1095/90 - juris Rn. 14; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990 - 9 C 72.89-juris Rn. 15; Beschluss vom 19.10.2001 -1 B 24.01 -juris Rn. 5).

Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals erlangen, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat angemessen zu berücksichtigen und deshalb den glaubhaften Erklärungen des Asylsuchenden größere Bedeutung beizumessen ist, als dies sonst in der Prozesspraxis bei Parteibekundungen der Fall ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.1996 - 9 B 293.96 - juris Rn. 2).

Diese Maßstäbe zugrunde legend konnte das Gericht die volle Überzeugung davon gewinnen, dass sich die Klägerin aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Anknüpfung an ihr Geschlecht außerhalb ihres Herkunftslandes befindet.

a) Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, dass sie vor ihrer Ausreise aus dem Iran von xxx, der rechten Hand des Obersten Führers im Iran, xxx, aufgefordert worden ist, dessen Frau auf Zeit zu werden und sie zu diesem Zweck massiv eingeschüchtert und ihr (unter anderem) angedroht worden ist, wie eine politische Gefangene im Iran zu enden.

So konnte sie in der mündlichen Verhandlung in beeindruckender und vollkommen überzeugender Weise ihre innerliche Zerrissenheit in Bezug auf das Verhältnis zu ihrer Familie, insbesondere ihrem Vater, darlegen, der einerseits ihr Vater aber andererseits eine hohe Führungspersönlichkeit in der Islamischen Republik Iran, gegen die die Klägerin eine tiefe Abneigung empfindet, gewesen ist. Das Auftreten und Aussageverhalten der Klägerin sowie ihr Kleidungsstil machten deutlich, dass sie eine weltoffene und westlich geprägte Frau ist, die im Iran als Modedesignerin tätig gewesen ist. Darüber hinaus konnten ihre emotionalen Aussagen zu der Änderung der Einstellung nahezu sämtlicher Familienmitglieder nach der Iranischen Revolution und ihre damit einhergehende Distanzierung von ihrer Familie überzeugen. In diesem Zusammenhang konnte sie auch nachvollziehbar darlegen, warum sie im Iran nicht verheiratet gewesen ist. Dass die Klägerin die Tochter von xxx einem Kriegshelden im Iran, ist, konnte sie eindrucksvoll nachweisen. So konnte sie nach Aufforderung des Gerichtes ohne weiteres mehrere Familienfotos vorlegen, auf denen sie mit xxx zu erkennen ist. Sowohl Ort, als auch Art der Aufnahme, insbesondere die Anordnung der Personen auf den einzelnen Bildern, lassen erkennen, dass es sich - wie die Klägerin auch vorträgt - um Familienfotos handelt, die aus familiären Anlässe gefertigt worden sind. Diese Annahme harmoniert auch mit dem Umstand, dass die Klägerin laut ihrem iranischem Ausweis, den sie im Original vorlegte und in Bezug auf den keine Anhaltspunkte für eine Fälschung vorliegen, den gleichen Nachnahmen wie xxx trägt und Kinder im Iran bei verheirateten Eltern den Familiennamen ihres Vaters erhalten.

Die in dem Bescheid gehegten Zweifel an dem Wahrheitsgehalt hinsichtlich der Aufforderung von xxx vermögen nicht zu überzeugen. Dass die Aufforderung nicht unmittelbar nach dem Tod ihrer Eltern ausgesprochen worden ist, rechtfertigt aus Sicht der Kammer keine ausreichenden Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vortrages. Dies mag viele Gründe gehabt haben, einen davon, ihre depressive Phase, nennt die Klägerin bereits selbst. Dass die Klägerin vorgetragen hat, bereits vor der Aufforderung von xxx diesem bedroht worden zu sein, lässt sich dem Anhörungsprotokoll, entgegen den Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid, nicht entnehmen. In dem Anhörungsprotokoll ist lediglich davon die Rede, sie sei "damals" bedroht worden. Für die Annahme, dass damit ein Zeitpunkt vor der Aufforderung, Frau auf Zeit zu werden, gemeint ist, bestehen an keiner Stelle des Anhörungsprotokolls Anhaltspunkte. Vielmehr spricht gerade die zeitliche Reihenfolge ihres Vortrages, der zunächst die Aufforderung von xxx und erst anschließend die Bedrohung beinhaltet, dass letztere auch zeitlich nachgelagert gewesen ist. Dass der Entscheider dabei Aussagen der Klägerin gemeint haben könnte, die möglicherweise nicht protokolliert worden sind, liegt fern, da er die Anhörung nicht selbst durchgeführt hat. Das Gericht hält daher den Vortrag der Klägerin, im Iran eingeschüchtert und bedroht worden zu sein, in dem ihr unter anderem gesagt worden sei, dass sie wie eine politische Gefangene enden werde, für nachvollziehbar und glaubhaft. Allein der Umstand, dass die Klägerin nicht sofort in Frankreich, während ihres dortigen viertägigen Aufenthaltes, einen Asylantrag gestellt hat, lässt keine Bedenken an dem Wahrheitsgehalt ihrer Angaben aufkommen, zumal die Klägerin nachvollziehbar angab, warum sie es bevorzugt hat, in Deutschland um Asyl nachzusuchen. In der mündlichen Verhandlung gelang es der Klägerin zudem, noch mehr Klarheit in ihr Verfolgungsschicksal zu bringen. So konnte sie z. B. näher und überzeugend darlegen, wie sich die Aufforderung von xxx konkret darstellte und wie der zeitliche Ablauf gewesen ist. Dabei ergaben sich keine Widersprüche zu ihrem Vortrag im behördlichen Verfahren. Der Umstand, dass die Klägerin mit ihrem Originalreisepass offiziell über den Flughafen in Teheran ausgereist ist, lässt ebenfalls keine ausreichenden Zweifel an dem Wahrheitsgehalt ihres Vortrages aufkommen. So hatte die Klägerin die Aufforderung von xxx nicht direkt abgelehnt, sondern die Entscheidung durch ihr Verhalten hinausgezögert. Mit einer Ausreise der Klägerin konnte xxx zu diesem Zeitpunkt nicht rechnen, so dass auch kein Anlass bestanden hat - unter einem Vorwand - ein Aus reise verbot zu verhängen, das bei den Kontrollen am Flughafen in Teheran hätte Berücksichtigung finden können.

b) Aus diesen Gründen hält sich die Klägerin aus begründeter Furcht vor Verfolgung i. S. v. § 3 AsylG außerhalb ihres Herkunftslandes auf.

Mit der Androhung eines hohen Vertreters des iranischen Regimes, die Klägerin werde (für den Fall der Weigerung) wie eine politische Gefangene enden, droht ihr - unter Berücksichtigung der Erkenntnis läge, insbesondere zur Gewaltenteilung und Strafverfolgung im Iran und der besonderen Behandlung politisch Gefangener (vgl. dazu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 26.2.2020, S. 8 und 14 -15) - eine Verfolgungshandlung i. S. v. § 3 a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 - 4 und 6 AsylG. Das Gericht hält es angesichts der bereits ausgesprochenen Drohungen für überwiegend wahrscheinlich, dass der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr in den Iran schon aufgrund ihrer Ausreise aus ihrem Heimatland empfindliche Sanktionen im oben genannten Sinne drohen, da sie damit klar zum Ausdruck gebracht hat, der Aufforderung, Frau auf Zeit zu werden, nicht nachzukommen. Der freie Wille der Klägerin ist durch den ausgeübten Druck in massiver und flüchtlingsrechtlich erheblicher Weise bedroht gewesen.

Die drohenden Sanktionen folgten in Anknüpfung an einen flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgrund i. S. v. § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG, wonach eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch vorliegen kann, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft. Die drohenden Übergriffe zielten auf den inneren, die Menschenwürde tangierenden Kern der persönlichen Freiheit der Klägerin, sich gegen einen Ehepartner zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.4.1992 - 9 C 143.90 -juris Rn. 15). Dies erfolgte ganz offensichtlich auch einzig und allein wegen ihrer Eigenschaften als unverheiratete Frau und damit als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe und in Anknüpfung an ihr Geschlecht (vgl. dazu auch VGH Hessen, Urteil vom 26.3.2012 - 4 K 782/10.KS.A -juris, S. 7 des Urteils).

Dabei ist das Gericht davon überzeugt, dass die Verfolgung entsprechend § 3 c Nr. 1 AsylG vom Staat ausgeht. Zwar handelt es sich bei der Eingehung einer Ehe auf Zeit zunächst grundsätzlich um eine Privatangelegenheit. Diese erlangt hier aber bereits durch den Umstand, dass sich die Klägerin als Tochter des verstorbenen Kriegshelden xxx zeigen und sie damit auch Repräsentantin des iranischen Regimes werden sollte, einen erheblichen Bezug zum iranischen Staat. Hinzu kommt, dass die Sanktionsmaßnahmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit-voraussichtlich unter einem anderen, unzutreffenden Vorwurf-von staatlichen Behörden ausgeübt würden.

Dass die Klägerin internen Schutz i. S. v. § 3 e AsylG im Iran erlangen könnte, liegt fern, da sich der Einflussbereich des Staates auf den gesamten Iran bezieht (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 26.02.2020, Seite 17) und keine Anhaltspunkte bestehen, dass sie sich diesem Einfluss entziehen könnte.

2. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asyl berechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 GG besteht für die Klägerin indes aufgrund der Regelung in Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG nicht, da sie nach ihren eigenen Angaben am 24. Dezember 2017 aus Frankreich und damit einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie bei der vorangegangenen Zwischenlandung an einem deutschen Flughafen am 20. Dezember 2017 nicht in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, sondern direkt weiter nach Frankreich geflogen ist.

3. Neben der Entscheidung hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft war auch die auf § 34 AsylG, §§ 59, 60 AufenthG beruhende Abschiebungsandrohung aufzuheben (vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG) und damit auch die von der Beklagten vorgenommene Befristung der Sperrwirkung (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 Var. 2, § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

Alemeyer