Arbeitsgericht Hannover
Beschl. v. 04.02.1997, Az.: 10 BVGa 1/97
Sicherung der Ansprüche des Betriebsrates, wenn sich der Betrieb im Konkursverfahren befindet; Kündigung von Arbeitnehmern bevor ein Interessenausgleich versucht oder vereinbart wird
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Hannover
- Datum
- 04.02.1997
- Aktenzeichen
- 10 BVGa 1/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 11548
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGHAN:1997:0204.10BVGA1.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 122 Abs. 1 InsO
- § 85 Abs. 2 ArbGG
Fundstellen
- EWiR 1997, 369-370 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- ZIP 1997, 474-475 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Unterlassung
In dem Beschlußverfahren
hat das Arbeitsgericht in Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 1997
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
beschlossen:
Tenor:
Dem Verfügungsbeklagten (Antragsgegner und Beteiligter 3) wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, die auf der im Betrieb der Gemeinschuldnerin am 31.1.97 durchgeführten Betriebsversammlung angekündigten Entlassungen der Beschäftigten der Wäscherei, wie sie namentlich aus der Anlage ersichtlich sind, auszusprechen, vorbehaltlich eines bis zum 21.2.97 vereinbarten Interessenausgleichs oder der gerichtlichen Zustimmung gem. § 122 Abs. 1 InsO i.d.F. des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes (Art. 6) vom 25.9.96 (BGBl. I 94, 2881 und BGBl. I 96, 1478).
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist der im Betrieb der Gemeinschuldnerin (ursprüngliche Beteiligte Ziff. 2) bestehende Betriebsrat. Er begehrt die Sicherung seiner gesetzlichen Ansprüche nach § 122 Insolvenzordnung, nachdem über das Vermögen der Gemeinschuldnerin am 31.1.97 das Konkursverfahren eröffnet und der Antragsgegner und Beteiligte Ziff. 3) zum Konkursverwalter bestellt wurde.
Die Gemeinschuldnerin betrieb eine Abteilung Wäscherei mit den in der Anlage zur Antragsschrift namentlich aufgeführten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie beabsichtigte aufgrund der Hausmitteilung vom 24.1.97, die dort beschäftigten Mitarbeiter zu kündigen und diesen Betriebsteil stillzulegen.
Die Antragsschrift und die Ladung zum Anhörungstermin am 04.02.1997 sind dem Antragsgegner und Beteiligten Ziff. 3) nach Konkurseröffnung zugestellt worden (s. Bl. 14 d.A.). Das Konkursverfahren wurde am 31.01.1997 eröffnet (zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr).
Der Antragsteller hat in der mündlichen Anhörung am 04.02.1997 den Anspruchsgrund geändert und trägt vor, der Antragsgegner und Beteiligte Ziff. 3) habe als Konkursverwalter auf der nach Konkurseröffnung stattgefundenen Betriebsversammlung am 31.01.1997 seine Absicht erklärt, die Beschäftigten der Wäscherei noch im Februar 1997 zu kündigen. Zugleich habe er diese Mitarbeiter freigestellt und ihnen empfohlen, am darauffolgenden Montag (3.2.97) sich beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden.
Der Antragsteller trägt zur Begründung vor, er müsse befürchten, daß der Antragsgegner die betriebsbedingt veranlaßten Kündigungen noch vor Ablauf des in § 122 Abs. 1 InsO genannten Zeitraums ausspreche, also bevor ein Interessenausgleich versucht oder vereinbart worden sei und bevor das Arbeitsgericht dem Vollzug einer geplanten Betriebsänderung notfalls gerichtlich zugestimmt habe.
Der Antragsteller hat in der mündlichen Anhörung vor der Kammer den Antrag gegenüber der Gemeinschuldnerin (Antragsgegnerin und Beteiligte Ziff. 2) zurückgenommen.
Der Antragsteller beantragt (im Wege der Antragsänderung),
dem Verfügungsbeklagten und Beteiligten Ziff. 3) im Wege einer einstweiligen Verfügung zu untersagen, die auf der Betriebsversammlung vom 31.01.1997 angekündigten Entlassungen der Beschäftigten der Wäscherei, wie aus der Anlage zur Antragsschrift ersichtlich, auszusprechen, vorbehaltlich eines bis zum 21.2.97 vereinbarten Interessenausgleichs oder der gerichtlichen Zustimmung durch das Arbeitsgericht gemäß § 122 Abs. 1 Insolvenzordnung in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.9.96.
Der Antragsgegner und Beteiligte Ziff. 3) blieb dem Anhörungstermin fern.
Er teilte zugleich mit Schriftsatz vom 3.2.97 mit, das Verfügungsverfahren sei wegen Konkurseröffnung unterbrochen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und die Anlagen, die alle Gegenstand der mündlichen Anhörung waren. Auch wird Bezug genommen auf die Erklärungen des Antragstellers in der mündlichen Anhörung vor der Kammer. Der Antragsteller hat seine Angaben glaubhaft gemacht durch Zeugenbeweis (§ 294 ZPO). Die Kammer hat den als präsentes Beweismittel in die Sitzung gestellten Zeugen Karsch im Wege der Beweisaufnahme vernommen.
Gründe
II.
Der im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung gerichtete Antrag ist statthaft, zulässig und begründet.
1.
Der Antrag ist in der gebotenen Verfahrensart gestellt (§§ 2 a Abs. 1 Ziff. 1, 80 Abs. 1 ArbGG, 122 Abs. 1 InsO i.d.F. des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.9.96 - BGBl. 1994 I, 2681 f.; 1996 I, 1478 - Art. 6).
Der Antragsteller begehrt die Sicherung seiner Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit Verhandlungen über Interessenausgleich und Durchführung einer geplanten Betriebsänderung im Falle des Konkurses, veranlaßt und vollzogen durch den Konkursverwalter.
2.
Der auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gerichtete Antrag ist auch statthaft und zulässig. Der Antragsteller kann als Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte bei Betriebsänderungen, die aus Anlaß des Konkurses geplant sind und durchgeführt werden, im Wege der einstweiligen Verfügung sichern (§ 85 Abs. 2 ArbGG). Gegen den Erlaß einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Beteiligungsrechts bestehen keine Bedenken, nachdem in der Frage einer vom Konkursverwalter geplanten Betriebsänderung gesetzgeberisch Klarheit geschaffen worden ist (§§ 122, 126 f. InsO).
3.
Nach § 122 Abs. 1 InsO (i.d.F. des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes) kann der Konkursverwalter eine geplante Betriebsänderung (§§ 111 ff. BetrVG) nur durchführen, wenn entweder ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat vereinbart worden ist, oder das Arbeitsgericht im Beschlußverfahren der Durchführung der Betriebsänderung zugestimmt hat (§ 122 Abs. 1 und 2 InsO). Betriebsbedingt veranlaßte Kündigungen, die sich als Vollzug (Durchführung) der geplanten Betriebsänderung darstellen, können deshalb nur (im Wege des Ausspruchs von Kündigungen) vorgenommen werden, wenn eine dieser beiden Voraussetzungen vorliegt (§ 122 Abs. 1 InsO). Das in § 126 InsO vorgesehene Beschlußverfahren dient einem anderen Zweck. Der Konkursverwalter kann, wenn die geschilderten Voraussetzungen vorliegen, die beabsichtigten Kündigungen aussprechen. Er kann bereits vor Ausspruch dieser Kündigungen den Feststellungsantrag gemäß § 126 InsO beim Arbeitsgericht anbringen (Bindungswirkung im Urteilsverfahren - s. § 127 InsO).
4.
Steht fest, daß der Konkursverwalter gemäß § 122 Abs. 1 InsO nicht vor Ablauf der vorgesehenen 3-Wochen-Frist die geplante Betriebsänderung durchführen und damit die beabsichtigten betriebsbedingten Kündigungen aussprechen kann, müssen die Mitbestimmungsrechte des Antragstellers im Wege der einstweiligen Verfügung gesichert werden, wenn sich der Antragsteller auf Verfügungsgrund und Verfügungsanspruch berufen kann. Dazu hat der Antragsteller (unwidersprochen) vorgetragen, der Konkursverwalter habe im Anschluß an die Konkurseröffnung auf einer Betriebsversammlung ausdrücklich erklärt, er beabsichtige, die betriebsbedingten Kündigungen im Bereich der Wäscherei noch im Februar 1997, also möglicherweise vor Ablauf der 3-Wochen-Frist auszusprechen. Wird zugunsten des Antragsgegners unterstellt, daß mit der Erklärung im Anschluß an die Betriebsversammlung, der Betriebsrat solle doch Vorschläge für einen Interessenausgleich unterbreiten, die Verhandlungen mit ihm im Sinne des § 122 Abs. 1 InsO begonnen haben, so kann die 3-Wochen-Frist frühestens zum 21.02.1997 ablaufen. Bis dahin ist der Antragsgegner und Beteiligte Ziff. 3) als Konkursverwalter gehindert, die geplante Betriebsänderung (Betriebsstillegung und Entlassung der in der Wäscherei beschäftigten Mitarbeiter) durchzuführen, mithin die betriebsbedingt veranlaßten Kündigungen auszusprechen (Entlassung der Beschäftigten der Wäscherei); es sei denn, daß vor Ablauf dieser Frist ein Interessenausgleich vereinbart wird, oder der Antragsgegner und Beteiligte Ziff. 3) als Konkursverwalter nach Ablauf dieser Frist die gerichtliche Zustimmung des Arbeitsgerichts erzwingt. Das kann notfalls im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens geschehen, weil auch insoweit der Konkursverwalter seine Rechte gemäß § 122 Abs. 1 InsO kurzfristig durchsetzen können muß (§ 85 Abs. 2 ArbGG).
Der Antragsteller hat dieser Rechtslage Rechnung getragen und den Antrag entsprechend eingeschränkt. Deswegen bestanden keine Bedenken, ihm in vollem Umfang stattzugeben. Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund bestehen, nachdem der Antragsgegner und Beteiligte Ziff. 3) auf der Betriebsversammlung nicht ausgeschlossen hat, die Betriebsänderung (hier: Entlassungen durch Kündigungen) schon vor dem 21.2.97 durchzuführen.
Der Antragsteller hat seine Angaben glaubhaft gemacht durch Zeugnis des anwesenden stellvertretenden Betriebsratsmitglieds, des Zeugen Karsch. Da der Zeuge als präsentes Beweismittel in die Sitzung gestellt wurde, war seine Einvernahme als Zeuge (s. Beweisbeschluß vom 04.02.1997) möglich (§ 294 ZPO).
5.
Von Vollstreckungsmaßnahmen und deren Androhung war abzusehen, da diese gegebenenfalls dem Vollstreckungsverfahren vorbehalten bleiben können. Eine Vollstreckung erübrigt sich ohnehin, da das Rechtsgeschäft einer betriebsbedingten Kündigung vor vereinbartem Interessenausgleich oder gerichtliche Zustimmung zur Betriebsänderung nichtig ist (§§ 122 Abs. 1 InsO, 134 BGB).