Arbeitsgericht Hannover
Urt. v. 23.07.1997, Az.: 9 Ca 28/97
Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung; Voraussetzungen der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung; Voraussetzungen der gesetzlichen Vermutung der sozialen Rechtfertigung bei einem Interessensausgleich mit Namensliste; Formelle Anforderungen an einen Interessensausgleich; Voraussetzungen der Einbeziehung einer Namensliste in einen Interessensausgleich; Erfüllung der Darlegungslast und Beweislast des Arbeitgebers für die betrieblichen Erfordernisse
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Hannover
- Datum
- 23.07.1997
- Aktenzeichen
- 9 Ca 28/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 11538
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGHAN:1997:0723.9CA28.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG
- § 1 Abs. 5 KSchG
- § 111 BetrVG
- § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG
Fundstelle
- DB 1998, 208 (Volltext)
Verfahrensgegenstand
Feststellung
Redaktioneller Leitsatz
Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich sowohl aus außerbetrieblichen als auch au.s innerbetrieblichen Gründen ergeben. Der Prüfungsmaßstab der Arbeitsgerichte hinsichtlich außer- bzw. innerbetrieblicher Gründe ist in Anerkennung des Grundsatzes der freien Unternehmerentscheidung unterschiedlich ausgestaltet. Der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt jedoch sowohl bei mit externen als auch bei mit internen betrieblichen Erfordernissen begründeten Kündigungen die Frage, ob der jeweilige Grund tatsächlich gegeben ist und zu einem Überhang an Arbeitskräften führt. Letzteres ist zu bejahen, wenn infolge außerbetrieblicher Faktoren oder innerbetrieblicher unternehmerischer Maßnahmen die Anzahl der Arbeitnehmer, die zur Erledigung bestimmter Aufgaben verpflichtet sind, größer ist als die Menge der zu erledigenden Arbeit. Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit der kündigende Arbeitgeber.
Für eine Anwendbarkeit des § 1 Abs. 5 KSchG muß die Namensliste Bestandteil des Interessenausgleiches geworden sein.
In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 1997
durch
die Richterin am Arbeitsgericht ... als Vorsitzende und
die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 16.01.1997 nicht beendet werden wird.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
- 3.
Der Streitwert wird auf 12.788,70 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Fortbestand eines zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Der am 18.01.1947 geborene Kläger ist seit dem 02.09.1968 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie, welche in erster Linie mit der Herstellung von Großkehrfahrzeugen und Flughafengeräten sowie dem Vertrieb von Kleinkehr-, Großkehrfahrzeugen und Flughafengeräten befaßt ist. Sie hat über 200 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat und ein Gesamtbetriebsrat.
Der Kläger war zuletzt als Maschinenschlosser im Bereich Großkehrfahrzeugbau gegen eine monatliche Bruttovergütung von ca. 4.262,90 DM tätig.
Auf den 13.12.1996 datiert ein von der Geschäftsleitung der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat handschriftlich unterzeichneter Interessenausgleich, dessen Ziff. 5 folgende Regelung enthält:
"Der Personalabbau innerhalb der Monate Juni, Juli, August 1997 als Beurteilungszeitraum erfolgt gestaffelt wie folgt:
- Anzahl Beschäftigte per 01.01.1997: 286 Arbeitnehmer
- für den drastischen Personalabbau maßgebend 20 % der Arbeitnehmer = 58 Arbeitnehmer
- vom Personalabbau betroffen
Arbeitnehmer Alter Kündigungsfrist Austritt 18 56 Jahre und älter 7 Monate 30. August 1997 10 45-55 Jahre 7 Monate 30. August 1997 7 35-58 Jahre 6 Monate 31. Juli 1997 6 30-58 Jahre 5 Monate 30. Juni 1997 6 31-57 Jahre 4 Monate 30. Juni 1997 3 26-40 Jahre 3 Monate 30. Juni 1997 2 29-34 Jahre 2 Monate 30. Juni 1997 6 20-48 Jahre 1 Monat 30. Juni 1997 insgesamt: 58"
Wegen der weiteren Einzelheiten des Interessenausgleiches wird auf Bl. 19 bis 21 d. A. Bezug genommen.
Ebenfalls unter dem 13.12.1996 haben die Geschäftsleitung der Beklagten und der Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan vereinbart, wegen dessen Inhalt auf Bl. 22 bis 24 d. A. verwiesen wird.
Darüber hinaus hat die Beklagte eine nicht überschriebene und nicht unterzeichnete 58 Namen umfassende Liste vorgelegt, auf der der Kläger unter Ziff. 51 genannt wird (Bl. 25 und 26 d. A.).
Auf den 28.04.1997 datiert ein von der Geschäftsleitung der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat unterzeichnetes und mit "Nachtrag zur Betriebsvereinbarung Interessenausgleich vom 13.12.1996" tituliertes Schreiben (Bl. 44 d. A.).
Mit Schreiben vom 16.01.1997, welches der Kläger am selben Tag erhielt, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.08.1997 gekündigt.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 24.01.1997, beim Arbeitsgericht Hannover eingegangen am 27.01.1997, Kündigungsschutzklage erhoben.
Er ist der Ansicht, daß die Kündigung sozialwidrig sei.
Betriebsbedingte Gründen hierfür seien nicht vorhanden. Insbesondere könne sich die Beklagte insoweit nicht auf den Interessenausgleich vom 13.12.1996 berufen. Zum einen seien darin die von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer nicht namentlich bezeichnet und zum anderen sei die von der Beklagten vorgelegte Namensliste weder vor noch während der Verabschiedung des Interessenausgleiches mit dem Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat beschlossen worden.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 16.01.1997 nicht beendet werden wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das Arbeitsverhältnis der Parteien sozialgemäß i. S.v. § 1 KSchG zu beenden.
Dazu behauptet sie folgendes:
Infolge der rezessiven Entwicklung im Betätigungsbereich der Beklagten sei ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr gegeben. Das im Oktober 1994 gegründete Unternehmen der Beklagten habe im Jahr 1995 ein Minus von 6 Mio. DM, im Jahr 1996 ein Minus von 4,5 Mio. DM und im Jahr 1997 ein Minus von 1,4 Mio. DM erwirtschaftet. Das eingebrachte Eigenkapital der Beklagten in Höhe von 5 Mio. DM sei bereits im ersten Jahr aufgebraucht gewesen. Das Unternehmen der Beklagten habe nur durch Forderungsverzicht der Bucher-Gruppe am Leben gehalten werden können. Um zukünftig eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation herbeizuführen, sei die Beklagte zu nachfolgenden Maßnahmen gezwungen worden:
- Einstellung der Aktivitäten im Sondermaschinenbau (hier habe die größte Verlustquelle gelegen)
- Reduktion der Vertriebsgebiete in Deutschland von vormals 9 auf 7 (seit dem 01.01.1997)
- begleitende Ausführung eines drastischen Personalabbaus um 20 % der vormaligen Mitarbeiter.
Das habe bedeutet, daß von zuvor 310 Arbeitnehmern der Beklagten ein Abbau von 58 Arbeitsplätzen eingeleitet worden sei, um mit den 250 dann verbleibenden Arbeitnehmern das zu erwartende geringere Geschäftsvolumen ohne Fortschreibung der Verluste bewältigen zu können. Aus diesen Gründen habe die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat für die Standorte Hannover und Dettingen mit Datum vom 13.12.1996 einen Interessenausgleich und mit gleichem Datum einen korrespondierenden Sozialplan ein vernehmlich abgeschlossen. Dieser Interessenausgleich habe einen drastischen Personalabbau in Höhe von 20 % der Belegschaft auf nunmehr 250 Arbeitnehmer vorgesehen.
Die dargelegte unternehmerische Entscheidung, welche ursächlich zum Abbau von 58 Arbeitnehmern geführt habe, sei nach umfassender Unterrichtung und aufgrund einer vorangehenden Vielzahl von Besprechungsterminen und Beratungen zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten unter Einbeziehung des örtlichen Arbeitsamtes umgesetzt worden. Im Rahmen dieser Beratungen mit dem Gesamtbetriebsrat als auch dem Betriebsrat der Beklagten sei eine Personalliste der zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer verabschiedet worden, welche die von den Kündigungen betroffenen 58 Arbeitnehmer namentlich benannt habe. Bei dieser Personalliste handele es sich um eine i. S.v. § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG. Diese Liste sei der im Interessenausgleich aufgenommenen Ziff. 5 zuzuordnen. Die namentliche Nennung der von der Kündigung betroffenen Personen habe nicht unmittelbar in dem Papier des Interessenausgleichs zu erfolgen gehabt. Vielmehr genüge dem Erfordernis des Gesetzes auch eine Anlage, aus welcher sich die betroffenen Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen unzweideutig entnehmen ließen. Außerdem gehe auch aus dem Nachtrag vom 28.04.1997 hervor, daß es sich unzweideutig bei der Vereinbarung vom 13.12.1996 und der dieser zugrunde liegenden Namensliste um einen Interessenausgleich im Sinne der neuen Vorschrift des Kündigungsschutzgesetzes handele.
Infolge der dargelegten unternehmerischen Maßnahmen, welche durch die Produktionsreduzierung der Beklagten ausgelöst worden seien, sei der Arbeitsplatz des Klägers entfallen. Eine weitere Einsetzbarkeit im Unternehmen der Beklagten scheide infolge der nicht vorhandenen flexiblen Ausübung von verschiedensten, in Zukunft abgeforderten Tätigkeiten aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie auf die in der mündlichen Verhandlung abgegebenen wechselseitigen Erklärungen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch die Kündigung der Beklagten vom 16.01.1997 nicht beendet.
1.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.
Der Kläger ist zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung länger als 6 Monate bei der Beklagten beschäftigt gewesen, § 1 Abs. 1 KSchG. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 5 vollzeitige Arbeitnehmer, § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG a.F..
Mit der am 27.01.1997 beim Arbeitsgericht Hannover eingegangenen Klage wahrt der Kläger zudem die dreiwöchige Klagefrist gemäß § 4 KSchG.
2.
Die ordentliche Kündigung vom 16.01.1997 ist unwirksam.
Sie ist sozial nicht gerechtfertigt i. S.v. § 1 Abs. 2 KSchG.
a)
Eine soziale Rechtfertigung kommt vorliegend allein aus betriebsbedingten Gründen in Betracht.
Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 3. Alternative KSchG ist eine betriebsbedingte Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes können sich dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung sowohl aus außerbetrieblichen als auch aus innerbetrieblichen Gründen ergeben (vgl. BAG, Urteil vom 29.03.1990 in AP Nr. 50 zu § 1 KSchG). Der Prüfungsmaßstab der Arbeitsgerichte hinsichtlich außer- bzw. innerbetrieblicher Gründe ist in Anerkennung des Grundsatzes der freien Unternehmerentscheidung unterschiedlich ausgestaltet (vgl. BAG, Urteil vom 30.04.1987 in DB 1987, 2207). Der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt jedoch sowohl bei mit externen als auch bei mit internen betrieblichen Erfordernissen begründeten Kündigungen die Frage, ob der jeweilige Grund tatsächlich gegeben ist und zu einem Überhang an Arbeitskräften führt (BAG, Urteile vom 30.05.1985 und 13.03.1987 in EzA § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung Nr. 36 und 44). Letzteres ist zu bejahen, wenn infolge außerbetrieblicher Faktoren oder innerbetrieblicher unternehmerischer Maßnahmen die Anzahl der Arbeitnehmer, die zur Erledigung bestimmter Aufgaben verpflichtet sind, größer ist als die Menge der zu erledigenden Arbeit (vgl. Ascheidt, Die betriebsbedingte Kündigung, § 1 KSchG - § 54 AGB - DDR - § 613 a Abs. 4 Ziff. 2 BGB in NZA 1991, 873, 875) [BAG 06.11.1990 - 1 ABR 60/89]. Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit der kündigende Arbeitgeber.
b)
Diesen Maßstäben wird die Kündigung der Beklagten vom 16.01.1997 nicht gerecht. Auch bei Zugrundelegung ihres Vertrages kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Arbeitsplatz des Klägers oder eines vergleichbaren Arbeitnehmers durch außer- oder innerbetriebliche Gründe in Wegfall geraten ist.
aa)
Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang zunächst nicht auf die gesetzliche Vermutung gemäß § 1 Abs. 5 KSchG berufen.
Gemäß § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG wird vermutet, daß die Kündigung eines Arbeitnehmers durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.d. Abs. 2 bedingt ist, wenn bei Kündigungen aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich namentlich bezeichnet worden sind.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Die Beklagte hat zwar am 13.12.1996 einen Interessenausgleich mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbart, darin sind die zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer aber nicht namentlich bezeichnet worden i. S.v. § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG.
Gemäß § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG kommt ein Interessenausgleich nur dann wirksam zustande, wenn er schriftlich niedergelegt und vom Unternehmer und dem Betriebsrat unterschrieben worden ist. Erforderlich ist also die Errichtung einer Urkunde sowie die handschriftliche Unterzeichnung derselben durch die Aussteller i.S.d. § 126 BGB.
Der Interessenausgleich vom 13.12.1996 ist zwar von der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat unterzeichnet worden. Er selbst enthält aber nicht die namentliche Bezeichnung der zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer. In Ziff. 5 des Interessenausgleiches wird lediglich die Gesamtzahl der zu kündigenden Arbeitnehmer genannt - 58 - und die Verteilung der betroffenen Arbeitnehmer auf Altersgruppen. Die von der Beklagten vorgelegte Namensliste weist selbst keinerlei Unterschriften auf.
Daß diese Namensliste körperlich fest mit dem Interessenausgleich vom 13.12.1996 verbunden ist und mithin vom Vorliegen einer einheitlichen Urkunde ausgegangen werden könnte, welche insgesamt von den Unterschriften auf dem letzten Blatt des Interessenausgleiches umfaßt wird, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
Ebensowenig wird die von der Beklagten behauptete Absicht der Betriebspartner, die beiden Schriftstücke - Interessenausgleich und Liste - als einheitliches Ganzes zu sehen, aus den beiden Einzelteilen selbst unzweifelhaft ersichtlich.
Die Namensliste selbst enthält keinerlei Bezugnahme auf den Interessenausgleich. Insofern unterscheidet sie sich, abgesehen von der fehlenden Unterzeichnung, entscheidend von dem "Nachtrag zum Interessenausgleich ..." vom 28.04.1997. Darin wird ausdrücklich auf den Interessenausgleich vom 13.12.1996 verwiesen.
Auch im Interessenausgleich vom 13.12.1996 selbst finden sich weder in Ziff. 5 noch an anderer Stelle konkrete Hinweise oder Inbezugnahmen auf eine Namensliste. Der Interessenausgleich enthält allein die ziffernmäßige Festlegung auf 58 zu entlassende Arbeitnehmer.
Es ist folglich nicht davon auszugehen, daß die Namensliste Bestandteil des Interessenausgleiches i. S.v. § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG i.V.m. §§ 111, 112 Abs. 1 BetrVG i.V.m. § 126 BGB ist. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, daß die Namensliste bei Abschluß des Interessenausgleiches am 13.12.1996 bereits schon von den Betriebspartnern vereinbart gewesen ist. Dadurch könnte der Mangel in der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform weder überbrückt noch geheilt werden.
Der Einhaltung des gesetzlich aufgestellten Formerfordernisses für den Interessenausgleich in § 112 Abs. 1 BetrVG kommt gerade im Rahmen des Anwendungsbereiches des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG überragende Bedeutung zu. Über die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG werden die Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers gegen eine Kündigung des Arbeitgebers im Rahmen eines Interessenausgleiches im Vergleich zu Kündigungen, die außerhalb eines solchen ausgesprochen werden, erheblich eingeschränkt.
Angesichts der eher geringen Kenntnismöglichkeit der Arbeitnehmer von betriebsinternen Abläufen wird es für betroffene Arbeitnehmer in der Regel sehr schwierig sein, der gesetzlichen Vermutung des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG substantiiert entgegenzutreten und diese zu entkräften; während bei Kündigungen außerhalb eines Interessenausgleiches das einfache Bestreiten der betrieblichen Erfordernisse ausreichend ist. Diese gesetzlich normierte Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeit für Arbeitnehmer erfordert im Gegenzug ein hohes Maß an Rechtssicherheit und Klarheit in bezug auf die von dieser Einschränkung betroffenen Arbeitnehmer (vgl. ArbG Ludwigshafen. Urteil vom 11.03.1997 in ArbuR 1997, 290). Es muß unzweifelhaft und eindeutig sein, welche Kündigungen von der gesetzlichen Vermutung des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG erfaßt werden. Unsicherheiten, Auslegungsschwierigkeiten sowie einseitige und/oder nachträgliche Änderungen sind angesichts der weitreichenden Bedeutung der namentlichen Nennung der betreffenden Arbeitnehmer in jedem Fall auszuschließen. Diese erforderliche Klarheit soll nach der gesetzlichen Regelung in § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG i.V.m. § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG, § 126 BGB gerade dadurch erzielt werden, daß der betreffende Arbeitnehmer in dem schriftlich und von beiden Betriebspartnern zu unterzeichnenden Interessenausgleich namentlich benannt wird.
Diesem Formerfordernis hat die Beklagte nicht entsprochen. Durch das Erfordernis der Nennung der betroffenen Arbeitnehmer im Interessenausgleich und dem sich daraus ergebenden Schriftformbedürfnis wird die Beklagte auch nicht etwa ungebührlich belastet. Sie selbst hatte es nach ihrem Vortrag in der Hand, unmittelbar im Interessenausgleich vom 13.12.1997 die Namen der betroffenen Arbeitnehmer aufzunehmen oder zumindest eine unterschriebene Namensliste eindeutig als Anhang zum Interessenausgleich mit dem Gesamtbetriebsrat zu vereinbaren.
Das sie diesem Erfordernis nicht entsprochen hat, kann im Kündigungsschutzprozeß nicht zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer gehen, sondern hat zur Folge, daß sich die Beklagte dann nicht auf die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG berufen kann, sondern die volle Darlegungs- und Beweislast für die betrieblichen Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG wie bei jeder außerhalb eines Interessenausgleichs erfolgten Kündigung trägt.
bb)
Dem hat die Beklagte jedoch im weiteren nicht genügt.
Zunächst vermag der Vortrag zu den negativen Wirtschaftsdaten der Beklagten die Kündigung des Klägers nicht sozial zu rechtfertigen. Diese allein lassen keine konkreten Rückschlüsse auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den Klägers oder vergleichbare Arbeitnehmer zu. Ebensowenig legt die Beklagte substantiiert dar, welche Auswirkungen die von ihr vorgetragenen unternehmerischen Entscheidungen in Gestalt der Einstellung der Aktivitäten im Sondermaschinenbau und der Reduktion der Vertriebsgebiete in Deutschland von 9 auf 7 auf die zu erledigende Arbeitsmenge haben. In welchem Umfang die Produktion reduziert worden ist bzw. sich reduzieren wird, trägt die Beklagte nicht vor. Die bloße Entscheidung zur Durchführung eines Personalabbaus um 20 % ist als gebündelte Kündigungsentscheidung für sich genommen nicht geeignet, eine Kündigung betriebsbedingt sozial zu rechtfertigen i. S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 3. Alternative KSchG (vgl. nur BAG, Urteil vom 20.02.1986 in EzA § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung Nr. 47).
Insgesamt erweist sich die Kündigung vom 16.01.1997 als sozial nicht gerechtfertigt i. S.v. § 1 Abs. 2 KSchG.
Ein Eingehen auf Fragen der richtigen sozialen Auswahl und der Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung erübrigt sich mithin. Die Kündigung ist unwirksam und beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Dem Klageantrag war stattzugeben.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.
Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen und wurde entsprechend § 12 Abs. 7 ArbGG auf den dreifachen Wert des vom Kläger bezogenen Bruttomonatsarbeitsentgeltes und mithin auf insgesamt 12.788,70 DM (3 × 4.262,90 DM) bestimmt.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 12.788,70 DM festgesetzt.