Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 07.04.2004, Az.: 2 Qs 34/04
Verhängung eines dinglichen Arrestes in das gesamte Vermögen wegen Steuerhinterziehungen; Vorliegen eines Vermögensvorteils bei dem Geschäftsführer einer Gesellschaft durch eine Steuerhinterziehung der Gesellschaft; Bestehen eines unmittelbaren Vermögensvorteils als Voraussetzung für die Verhängung eines dinglichen Arrestes in das Vermögen eines Nichtbeteiligten
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 07.04.2004
- Aktenzeichen
- 2 Qs 34/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 35098
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2004:0407.2QS34.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 304 StPO
- § 73 Abs.3 StGB
Fundstellen
- StraFo 2004, 275-276
- StraFo 2004, 675-676 (Volltext mit red. LS)
In dem Ermittlungsverfahren
hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück
durch
die unterzeichnenden Richter
am 07.04.2004
beschlossen:
Gründe
Die nach § 304 StPO zulässige Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss, mit dem der dingliche Arrestes in das gesamte Vermögen des Beschuldigten angeordnet worden ist wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer in Höhe von 2.315.734,12 Euro im Zeitraum 1999 bis M/2003 zu Gunsten der Xxxxxx, ist aufzuheben, weil in dem angefochtenen Beschluss nicht dargelegt und nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen auch nicht hinreichend ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer selbst einen unmittelbaren Vorteil im Sinne von § 73 Abs.3 StGB aus den vorgeworfenen Steuerhinterziehungen durch unberechtigte Inanspruchnahme von Umsatzsteuerbefreiungen bei Ausfuhrlieferungen erlangt hat. Steuerpflichtige ist die Xxxxx. Für sie sind die Umsatzsteuerbefreiungen von dem Beschuldigten als deren Geschäftsführer geltend gemacht worden. Hat der Beschuldigte wie vorliegend als Geschäftsführer einer GmbH für diese gehandelt, so hat die GmbH unmittelbar etwas erlangt. Ein abschöpfbarer Vermögensvorteil ist damit unmittelbar zunächst nur bei der GmbH in Form der Ersparung von Aufwendungen angefallen. Die ersparten Aufwendungen aus den zur Last gelegten Steuerhinterziehungen wirken sich unmittelbar nur auf die Umsatzsteuerzahllast bzw. Umsatzsteuerschuld der GmbH aus. Eine Abschöpfung auch in der Form des Verfalls (bzw. wie hier Zurückgewinnungshilfe zu Gunsten des Steuerfiskus) von Wertersatz kann aber nur bei dem vorgenommen werden, dem ein unmittelbarer Vermögensvorteil zugeflossen ist. Ob und wenn ja in welcher Höhe dem Beschuldigten selbst statt oder neben der GmbH durch diese ersparten Aufwendungen unmittelbare Vermögensvorteile zugeflossen sind, die hätten abgeschöpft werden können, ist jedenfalls nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen nicht bekannt. Allein der Umstand, dass der Beschuldigte Alleingesellschafter-Geschäftsführer der GmbH ist, sagt nichts darüber aus, ob er selbst aus den ersparten Aufwendungen unmittelbare Vorteile für sein Privatvermögen erlangt hat (vgl. OLG Düsseldorf, wistra 1999, S. 477 ff; LG Bonn StraFo 2001, 283).
Zudem sind auch nur mittelbare Vorteile des Beschuldigten unbekannt. So ist unbekannt wie die laut Steuerbilanz erwirtschafteten Gewinne in den Steuerjahren 2000 (16.067,11 DM) und 2001 (177.147,03 DM) verwandt worden sind. Gleiches gilt für etwaige unversteuert gebliebene Gewinne. So ist beispielsweise bisher ungeklärt, ob die Gewinne thesauriert wurden oder ob und in welcher Höhe sie mit welchem Steuerabzug dem Beschuldigten als Alleingesellschafter ausgezahlt worden sind. Laut Aktenvermerk des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen vom 05.02.2004 sind verdeckte Gewinnausschüttungen ausdrücklich offen gelassen worden. Ein Geschäftsführergehalt des Beschuldigten ist ebenso nicht bekannt.
Ebenso wenig reicht es für eine Anwendung von § 73 Abs.3 StGB aus, dass der Beschuldigte nach § 71 AO für zu Unrecht erlangte Steuervorteile der GmbH haften würde. Hierdurch wird der Beschuldigte vielmehr mit einer Steuerschuld belastet, ohne einen unmittelbaren Vorteil erlangt zu haben.
Soweit von der Staatsanwaltschaft im Beschwerdeverfahren darauf abgestellt wird, der Beschuldigte habe durch eine doppelte Buchführung die Einkünfte der GmbH um ca. jeweils 20 % zu niedrig angesetzt und es seien dadurch Ertragssteuern in Höhe von etwa 560.000 Euro hinterzogen worden, kann der in das persönliche Vermögen des Beschuldigten ausgebrachte dingliche Arrest allein deswegen nicht aufrechterhalten bleiben. Gemäß § 111b Abs.2, 111d Abs.2 StPO sind in dem auf Antrag der Staatsanwaltschaft ergehenden dinglichen Arrestanordnung unter anderem der zu sichernde Anspruch gemäß § 920 ZPO anzugeben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 111d Rdnr.9). Der dingliche Arrest bezeichnet ausdrücklich als zu sichernde Forderungen aber nur die genannten Umsatzsteuerbeträge. Ein Austausch dieser in dem angefochtenen Beschluss genannten Steuerforderungen durch Ertragssteuerforderungen im Beschwerdeverfahren ist der Kammer nicht möglich. Zudem sind hier ausdrücklich, wie erwähnt, gemäß Aktenvermerk des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen vom 05.02.2004 verdeckte Gewinnausschüttungen offen gelassen worden.