Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.02.2016, Az.: 7 V 237/15
Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Kinderfreibeträge für das Jahr 2014; Ermittlung des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern durch die Existenzminimumberichte der Bundesregierung; Berücksichtigung eines durchschnittlichen und damit unter dem Sozialleistungsanspruch eines 6-jährigen Kindes liegenden Existenzminimums
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.02.2016
- Aktenzeichen
- 7 V 237/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 11035
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2016:0216.7V237.15.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 21.07.2016 - AZ: V B 37/16
Rechtsgrundlagen
- § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO
- § 32 Abs. 6 EStG
- § 32a EStG
- § 33a Abs. 1 EStG
Fundstellen
- DB 2016, 13
- DStR 2016, 6-8
- DStRE 2016, 463-480
- EFG 2016, 656-661
- KÖSDI 2016, 19747
- RdW 2016, 324-325
Amtlicher Leitsatz
Kinderfreibeträge verfassungswidrig zu niedrig? Finanzgericht gewährt vorläufigen Rechtsschutz
Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat mit Beschluss vom 16. Februar 2016 - Az. 7 V 237/15 - die Vollziehung eines Bescheides über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2014 in Höhe von 820 EUR aufgehoben. Nach Auffassung des Senats bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, weil die Kinderfreibeträge bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung aus mehreren Gründen verfassungswidrig zu niedrig sind. Das betrifft zum einen bei der Einkommensteuerfestsetzung diejenigen Steuerpflichtigen, für die der Abzug der steuerlichen Kinderfreibeträge günstiger ist als das Kindergeld. Bei der Festsetzung des Solidaritätszuschlages betrifft es zum anderen alle Steuerpflichtigen mit Kindern, die Solidaritätszuschlag zahlen.
Im Einzelnen: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es verfassungsrechtlich geboten, das Existenzminimum nicht nur der Steuerpflichtigen, sondern auch ihrer einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kinder steuerlich freizustellen. Es darf niemand Steuern auf Einkommen in einem Bereich bezahlen, in dem Bedürftige bereits einen Anspruch auf Sozialleistungen haben.
Für Erwachsene wurde im Veranlagungszeitraum 2014 ein Betrag von 8.354 EUR (Grundfreibetrag) steuerlich freigestellt, § 32a Einkommensteuergesetz (EStG). Für Kinder wurden im Veranlagungszeitraum 2014 bei der Festsetzung der Einkommensteuer Kinderfreibeträge von zusammen 7.008 EUR (4.368 EUR für das sächliche Existenzminimum und 2.640 EUR für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) abgezogen, wenn dies für die Steuerpflichtigen günstiger war als das Kindergeld. Bei der Festsetzung des Solidaritätszuschlages werden die Kinderfreibeträge immer abgezogen, also auch dann, wenn das Kindergeld günstiger ist.
Die Ermittlung des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern erfolgt regelmäßig durch die Existenzminimumberichte der Bundesregierung. Im Neunten Existenzminimumbericht vom 7. November 2012 hatte die Bundesregierung das sächliche Existenzminimum eines Kindes im Veranlagungszeitraum 2014 mit jährlich 4.440 EUR festgestellt und angekündigt, zur verfassungsgerechten Besteuerung werde der Kinderfreibetrag von 4.368 EUR um 72 EUR für den Veranlagungszeitraum 2014 angehoben. Diese Ankündigung hat der Gesetzgeber jedoch nicht umgesetzt. Die Kinderfreibeträge sind vielmehr erst ab dem Veranlagungszeitraum 2015 angehoben worden. Zu dieser Problematik ist beim Finanzgericht München ein Musterverfahren anhängig (Aktenzeichen des FG München: 8 K 2426/15).
Im Übrigen hat das Gericht auch deshalb ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kinderfreibetrages, weil der Gesetzgeber lediglich ein durchschnittliches Existenzminimum von 258 EUR pro Monat berücksichtigt, das unter dem Sozialleistungsanspruch eines 6-jährigen Kindes (Regelsatz 2014: monatlich 261 EUR) liegt.
Außerdem hat der Gesetzgeber für ein volljähriges Kind keine Ermittlungen zur Höhe des Existenzminimums angestellt, sondern wendet den Satz für minderjährige Kinder an. Diese Methode ist weder sachgerecht noch folgerichtig und damit nicht mehr vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt.
Zahlen Eltern Unterhalt für ein volljähriges Kind, für das kein Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag besteht, wird das Existenzminimum nach § 33a Abs. 1 EStG höher - nämlich mit dem Grundfreibetrag - angesetzt, als wenn das Kind z.B. studiert. Auch das hält das Gericht für nicht folgerichtig.
Das Gericht weist abschließend darauf hin, dass die gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) vorläufige Festsetzung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlages hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG die Verfassungsmäßigkeit des um € 72 zu niedrigen Kinderfreibetrages im Veranlagungszeitraum 2014 und - auch für andere Veranlagungszeiträume - der Höhe des Kinderfreibetrages nach dem durchschnittlichen Existenzminimum nicht umfasst, weil diese Fragen bislang nicht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht sind.
Tenor:
Die Vollziehung des Bescheides für 2014 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom ... 2015 wird aufgehoben in Höhe von € 782 Einkommensteuer und € 43,01 Solidaritätszuschlag.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner hat 80 % und die Antragstellerin 20 % der Kosten zu tragen.
Die Beschwerde an den Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Gründe
I.
Das Verfahren betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Kinderfreibeträge für das Jahr 2014.
Die Antragstellerin ist verwitwet und alleinerziehende Mutter. Ihre zwei Töchter wurden in den Jahren 1993 und 1998 geboren und befanden sich im Streitjahr in Ausbildung. Die Familienkasse zahlte für die Töchter Kindergeld in Höhe von jeweils € 2.208. Die Antragstellerin erzielte im Streitjahr Einkünfte u.a. aus ...
Im Bescheid für 2014 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom ... 2015 zog das Finanzamt (FA) für die Töchter Freibeträge in der gemäß § 32 Absatz (Abs.) 6 Einkommensteuergesetz (EStG) für das Streitjahr 2014 geltenden Höhe von zusammen jeweils € 7.008 ab (€ 4.368 für das sächliche Existenzminimum und € 2.640 für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf). Zusätzlich zog das FA für die 1993 geborene Tochter einen Freibetrag zur Abgeltung des Sonderbedarfs wegen auswärtiger Unterbringung in Höhe von € 924 ab (gemäß § 33a Abs. 2 EStG). Der Abzug der steuerlichen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG war für die Antragstellerin günstiger als das Kindergeld. Im Gegenzug erhöhte das FA nach §§ 31, 2 Abs. 6 Satz 3 EStG die sich unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte Einkommensteuer um das Kindergeld. Aus der Festsetzung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlages ergab sich eine hohe Nachzahlung. In den Erläuterungen im Bescheid ist aufgeführt, dass die Festsetzungen der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlages vorläufig sind gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO u.a. hinsichtlich der Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG.
Mit Schreiben vom ... 2015 legte die Antragstellerin gegen den Einkommensteuer- und Solidaritätszuschlagsbescheid vom ... 2015 Einspruch ein. Sie machte unter Hinweis auf den Neunten Existenzminimumbericht (Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2014 in der vom Bundeskabinett am 7. November 2012 beschlossenen Fassung, Bundestags - BT - Drucksache 17/11425) und den Aufsatz im Deutschen Steuerrecht (DStR 2015, 1529) von Haupt/Becker: "Verfassungskonforme Besteuerung von Eltern - Realität oder Trugbild?" u.a. geltend, die Kinderfreibeträge in 2014 seien aus mehreren Gründen verfassungswidrig zu niedrig. Das Einspruchsverfahren ist noch anhängig.
Nach ihrer Berechnung ergäbe sich aus den verfassungsgemäß mindestens anzusetzenden Freibeträgen eine zu hoch festgesetzte Steuer in Höhe von € ...Einkommensteuer und € ... Solidaritätszuschlag. Die Antragstellerin beantragte, insoweit die Vollziehung des Bescheides für 2014 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag auszusetzen. Das FA zog entsprechend zunächst lediglich die unstreitige Nachzahlung ein und bat die Oberfinanzdirektion Niedersachsen (OFD) um Information, wie der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV-Antrag) zu behandeln sei und ob die Höhe der Kinderfreibeträge einschließlich der Frage der altersunabhängigen Ausgestaltung des Kinderfreibetrages in der Altersgruppe ab 14 Jahren vom aktuellen Vorläufigkeitsvermerk (gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO) abgedeckt sei.
In dem Neunten Existenzminimumbericht wird das sächliche Existenzminimum eines Kindes für das Jahr 2014 mit € 4.440 dargestellt; der steuerliche Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG beträgt € 4.368, ist also € 72 niedriger. Die OFD teilte dem FA mit, auf der letzten Sitzung der AO-Referatsleiter hätten die Teilnehmer die Verfahrensweise in Bezug auf Einspruchsverfahren zur für den Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Höhe des Kinderfreibetrags erörtert. Nach dem Neunten Existenzminimumbericht der Bundesregierung hätte es nahe gelegen, den für den Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Kinderfreibetrag um € 72 zu erhöhen. Das Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16. Juli 2015 (BGBl I 2015, S. 1202) enthalte aber keine (rückwirkende) Anhebung des Kinderfreibetrags für den Veranlagungszeitraum 2014. Auf der Sitzung sei der Beschluss gefasst worden, auf Antrag Aussetzung der Vollziehung nur für den Fall zu gewähren, dass für den Veranlagungszeitraum 2014 ein um € 72 höherer Kinderfreibetrag begehrt werde. Sollte für den Veranlagungszeitraum 2014 also nicht ein um € 72 erhöhter Kinderfreibetrag begehrt werden, werde das FA die beantragte Aussetzung der Vollziehung ablehnen müssen. Nach Abstimmung mit MF/BMF (Niedersächsisches Finanzministerium / Bundesministerium der Finanzen) umfasse der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG auch die in dem Aufsatz (Haupt/Becker, DStR 2015, 1529) aufgeworfene Frage, ob es geboten sei, die Höhe des Kinderfreibetrags nach dem Alter der Kinder zu differenzieren, falls eine derartige Differenzierung es erfordern würde, einen höheren als den bisher vorgesehenen Kinderfreibetrag gesetzlich zu bestimmen.
Mit Bescheid vom ... 2015 lehnte das FA den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung - in Gänze, d.h. auch hinsichtlich des nach dem Existenzminimumbericht um € 72 zu niedrigen Kinderfreibetrages - ab. Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob es geboten sei, die Höhe des Kinderfreibetrages nach dem Alter der Kinder zu differenzieren, sei durch den Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO abgedeckt. Eines Einspruchs bedürfe es insoweit nicht. Mit dem Vortrag der Antragstellerin zur Höhe der Kinderfreibeträge unter Berücksichtigung des Neunten Existenzminimumberichts und des Hinweises der OFD setzte sich das FA inhaltlich nicht auseinander, sondern verwies auf den Vorrang des Gesetzes gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung: im Hinblick auf den Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zu Stande gekommenen Gesetzes sei bei ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer Rechtsnorm ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich. Geboten sei eine Interessenabwägung zwischen der einer Aussetzung der Vollziehung entgegen stehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für eine Aussetzung der Vollziehung sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen. Im Streitfall seien individuelle Belange des Steuerpflichtigen (Vermeidung irreparabler persönlicher bzw. wirtschaftlicher Nachteile infolge der Steuerzahlung), die fiskalischen Erwägungen (Interesse an einer geordneten Haushaltsführung) vorgingen, nicht erkennbar. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass dem Antragsteller durch die vorläufige Vollziehung des Einkommensteuerbescheids wesentliche Nachteile drohten; insbesondere sei eine Existenzgefährdung durch die Steuerzahlung nicht zu befürchten.
Mit ihrem gerichtlichen Antrag verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf Aussetzung bzw. (Antrag nach Zahlung angepasst mit Schriftsatz vom ...) Aufhebung der Vollziehung weiter. Sie macht geltend:
a) Im November 2012 wurde der Neunte Existenzminimumbericht von der Bundesregierung beschlossen, in welchem für das Jahr 2014 eine Anhebung des Kinderfreibetrages auf € 4.440 vorgesehen war. Diese Anpassung ist erst für 2015 erfolgt, so dass allein aufgrund dieser Tatsache die Kinderfreibeträge für ihre beiden Kinder jeweils um € 72 zu niedrig seien.
b) zur altersunabhängigen Ausgestaltung des Kinderfreibetrages:
aa) Der berücksichtigte Kinderfreibetrag unterschreite das Existenzminimum für ihre jüngere, 1998 geborene Tochter, da durch die Durchschnittsbildung des Regelbedarfs von 3 Altersstufen für Kinder in der Altersgruppe ab 14 der Regelbedarf in dieser Altersgruppe steuerlich nicht mehr freigestellt sei. Mit dieser Betrachtung "über alles" werde der Regelbedarf ihrer Tochter, die in 2014 16 Jahre alt wurde, im Jahr 2014 steuerlich nicht freigestellt. In 2014 würden für Kinder unter 6 Jahren 229 €/Monat, zwischen 6 bis unter 14 Jahren 260 €/Monat und für Kinder von 14 bis unter 18 Jahren 295 € /Monat veranschlagt. Der Regelbedarf hätte danach 12 x 295 € = 3.540 € betragen müssen, tatsächlich berücksichtigt seien noch nicht einmal 12 x 258 € = 3.056 € (wie es dem Durchschnittswert gemäß dem Neuntem Existenzminimumbericht entsprochen hätte), sondern noch die Zahlen aus dem Achten Existenzminimumbericht, also 12 x 249 € = € 2.988, damit mindestens 552 € zu wenig. Mindestens, da es ohnehin nicht ausreichend sei, nur das Existenzminimum zu berücksichtigen anstatt ihre tatsächliche Unterhaltsverpflichtung, die deutlich höher liege.
bb) Ihre ältere Tochter wurde im Jahr 2014 21 Jahre alt, war also das ganze Jahr volljährig. Sie falle damit heraus aus dem Berechnungsschema. Für ihre volljährige, in Ausbildung befindliche Tochter steuerlich lediglich ein Existenzminimum zu berücksichtigen, das deutlich unter dem der 14 - 17 jährigen liege, sei offensichtlich nicht ausreichend und verfassungswidrig. In den Existenzminimumberichten sei jeweils ausgeführt, dass nach § 32 EStG "im Regelfall lediglich Kinder bis unter 18 Jahren berücksichtigt werden", was wohl verborgen ausdrücken solle, dass volljährige Kinder eine Ausnahme seien, für die die Nichtfreistellung ihres Existenzminimums als "Kollateralschaden" im Interesse unseres einfachen Steuerrechtes hinnehmbar wäre. Dass volljährige Kinder die Ausnahme seien, entspreche jedoch nicht der gesellschaftlichen Realität. Im Jahr 2012 hätten 36,7 % aller Schüler die Schule mit der allgemeinen Hochschulreife bzw. Fachhochschulreife abgeschlossen, lediglich 30 % der 18-jährigen finanzierten ihren Lebensunterhalt überwiegend durch eigene Erwerbstätigkeit, bei den 20-jährigen seien es rd. 50 %, den 24-jährigen 60 %. Alle anderen seien steuerrechtlich Kinder und damit keine Exoten. Der einzig sachgerechte Ansatz sei hier ebenfalls mindestens der Regelsatz für einen erwachsenen Alleinstehenden. Dieser betrug für 2014 € 4.680.
Berücksichtigt sei ihre ältere Tochter in 2014 lediglich mit dem gewichteten Satz für 2012/2013 in Höhe von 12 x 249 € = 2.988 €, und damit um 1.692 € zu niedrig.
Aus a) ergebe sich eine zu hoch festgesetzte Steuer in Höhe von Einkommensteuer ... € und Solidaritätszuschlag ... €.
Aus b) ergebe sich, dass die Steuer mindestens zu hoch festgesetzt sei in Höhe von Einkommensteuer ... € und Solidaritätszuschlag ... €.
Der Auffassung des FA, es bedürfe aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks keines Einspruchs, sei nicht zuzustimmen. Es sei nicht sicher, dass ein Vorläufigkeitsvermerk, der für andere, vorhergehende Kalenderjahre bestimmt war, auch das Kalenderjahr 2014 mit abdecke. Es werde ergänzend bezweifelt, dass der Vorläufigkeitsvermerk, wie behauptet, die fehlende Altersstaffelung der Kinderfreibeträge mit abdecke.
Die Antragstellerin verweist auf ein vom Bund der Steuerzahler (BdSt) unterstütztes Musterverfahren, welches beim Finanzgericht München anhängig ist (Aktenzeichen 8 K 2426/15, die Klageschrift und weitere Informationen können über die website des BdSt, Stichwort Musterklagen heruntergeladen werden). In jenem Klageverfahren wird lediglich geltend gemacht, dass der Kinderfreibetrag nach dem Neunten Existenzminimumbericht von 4.368 € um 72 € auf 4.440 € hätte erhöht werden müssen. Die Antragstellerin macht geltend, weder in jenem Klageverfahren noch in dem Verfahren, welches den Vorläufigkeitsvermerk begründen solle, gehe es um die fehlende Altersstaffelung des Kinderfreibetrages und die absolut unzureichende Berücksichtigung von volljährigen Kindern.
Das FA habe die Aussetzung der Vollziehung nahezu ausschließlich damit abgelehnt, dass bei ihr (vom FA vermutet) eine Existenzgefährdung nicht zu befürchten sei. Hierauf komme es indes nicht an. Sofern ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden, könne es dahingestellt bleiben, ob für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zwingend eine Abwägung des für eine Aussetzung sprechenden individuellen Interesses der Antragstellerin und des einer solchen Maßnahme entgegenstehenden öffentlichen Interesses geboten sei.
Die Antragstellerin verweist auf den Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts zur Aussetzung der Vollziehung des Solidaritätszuschlages (vom 22. September 2015, 7 V 89/14, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2016, 63). Selbst im Fall des Solidaritätszuschlages, bei dem dem Fiskus durch die Aussetzung der Vollziehung erhebliche Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe drohten, trete nach Auffassung des Gerichts das individuelle Interesse an einem effektiven Rechtsschutz nicht hinter das öffentliche Interesse des Staates an einer geordneten Haushaltsführung zurück, da der Staat über ausreichende Mittel verfüge.
Es dürfe zweifelsfrei feststehen, dass die steuerlichen Auswirkungen eines verfassungsgemäßen Kinderfreibetrages in Höhe des altersgemäßen Existenzminimums zu einem deutlich niedrigeren Steuerausfall führten als der Ausfall des Solidaritätszuschlages. Den Solidaritätszuschlag zahlten alle Steuern zahlenden natürlichen Personen wie auch Kapitalgesellschaften. Volljährige Kinder lebten entsprechend der (als Anlage beigefügten) Statistik vom Statistischen Bundesamt im Jahre 2011 (für 2014 vermutlich keine gravierende Abweichung) in Familien nur 4.707 TSD, wobei in dieser Statistik nicht differenziert werde hinsichtlich "Steuerkindern", also Kindern bis zum 25. Lebensjahr. Der mögliche Steuerausfall durch den Wegfall des Solidaritätszuschlages beträfe alle Steuerzahler, der Steuerausfall durch angemessene Kinderfreibeträge sei zwangsläufig niedriger, da nicht alle, die den Solidaritätszuschlag zahlen, Kinder haben.
Das Versäumnis des zu geringen Kinderfreibetrages 2014 sei vom Gesetzgeber zwar erkannt, aber nicht beseitigt worden. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum "Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags; BT -Drucksache 18/4649" sei in der Öffentlichen Anhörung vom 20. Mai 2015 (Protokoll der 43. Sitzung des Finanzausschusses des Bundestages, Protokoll Nr. 18/43) festgestellt worden, dass aus dem Neunten Existenzminimumbericht hervorgeht, dass der Kinderfreibetrag das steuerlich zu verschonende Existenzminimum eines Kinder für das Jahr 2014 nicht mehr vollständig abdecke und gefragt worden, ob sich aus dieser Unterdeckung eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit für eine rückwirkende Anhebung des Kinderfreibetrags für 2014 ergäbe. In der Anhörung hätten Brandt (Richter des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - und Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages) und Wieland (Professor für Öffentliches Recht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer) ausgeführt, dass es auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eindeutig verfassungswidrig sei, wenn die Erhöhung nicht komme.
Der Kinderfreibetrag sei in der einfachgesetzlichen Regelung altersunabhängig ausgestaltet, obwohl die sozialhilferechtlichen Regelbedarfe für Kinder altersabhängig seien und mit zunehmendem Lebensalter des Kindes stiegen.
Nach der im Neunten Existenzminimumbericht angeführten Rechtsprechung des BVerfG dürfe der Gesetzgeber zwar einen einheitlichen steuerlichen Freibetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen festlegen. Dieser Betrag müsse aber so bemessen werden, dass er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecke (Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653). Der Gesetzgeber dürfe sich nicht an einem unteren Grenzwert oder an einem Durchschnittswert orientieren, der in einer größeren Zahl von Fällen nicht ausreichen würde.
Der Gesetzgeber berücksichtige nicht die Vorgabe des BVerfG aus dessen Beschluss vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174), nach dem eine in nicht allen Fällen ausreichende einkommensteuerliche Berücksichtigung der existenznotwendigen Mindestaufwendungen für den Kindesunterhalt nicht mit der Notwendigkeit einer gesetzlichen Typisierung zu rechtfertigen sei.
Für die Sozialhilfe werde nach der im Neunten Existenzminimumbericht aufgeführten Altersstaffelung tatsächlich differenziert. Gleichlautende Regelbedarfe seien gemäß § 28 Sozialgesetzbuch - SGB - XII i.V.m. § 8 RBEG (Regelbedarfsermittlungsgesetz vom 24. März 2011, BGBl I 2011, S. 453) i.V.m. § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2014 (Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2014, RBSFV 2014) festgestellt und würden damit für Sozialhilfeleistungen zugrunde gelegt.
Davon abweichend werde mit der Durchschnittsberechnung "über alles" der Regelbedarf von Kindern zwischen 14 bis 17 Jahren - und damit im Streitjahr 2014 schon der Regelbedarf ihrer jüngeren noch nicht volljährigen Tochter - steuerlich nicht freigestellt. Der Regelbedarf ihrer im Jahr 2014 16-jährigen Tochter sei mit 12 x 295 € = 3.540 € anzusetzen, tatsächlich würden jedoch noch nicht einmal 3.096 (Neunter Existenzminimumbericht), sondern nur 2.988 € (Achter Existenzminimumbericht) berücksichtigt. Damit werde für diese Tochter im Streitjahr 2014 nicht das maßgebende sächliche Existenzminimum, sondern nur 552 € weniger berücksichtigt. Die Vorgabe des BVerfG "Dieser Betrag muss allerdings so bemessen werden, dass er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdeckt" werde klar verfehlt.
Der zu niedrige Freibetrag könne auch nicht mit Gründen der Praktikabilität gerechtfertigt werden. In den Steuerveranlagungen würden die Geburtstage der Kinder erfasst, in der maschinellen Bescheiderstellung wäre eine altersentsprechende Berücksichtigung problemlos möglich. Sofern dem Gesetzgeber ein einheitlicher Freibetrag wichtig sei, stünde es ihm frei, diesen verfassungsgemäß so zu wählen, dass damit eine "ausreichende einkommensteuerliche Berücksichtigung der existenznotwendigen Mindestaufwendungen für den Kindesunterhalt" in allen Fällen möglich sei, d.h. der Freibetrag müsste dann mindestens in Höhe des Regelbedarfs der 14 - 18 jährigen Kinder dotiert sein.
Das BVerfG habe schon im Jahr 1992 (Beschluss vom 25. September 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) unter C.3 ausgeführt, das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum dürfe den vom Gesetzgeber im Sozialhilferecht bestimmten Mindestbedarf nicht unterschreiten.
Gegen diese verfassungsrechtliche Vorgabe werde bei der Bemessung des Kinderfreibetrags für Kinder ab 14 Jahren klar verstoßen. Für ihre Töchter wäre für 2014 ein höherer Sozialhilfesatz gezahlt worden, als steuerlich als Existenzminimum berücksichtigt werde.
Die Antragstellerin weist ferner - ohne insoweit einen Antrag zu stellen - darauf hin, dass der für die Ermittlung der Unterkunftskosten im Existenzminimumbericht zugrunde gelegte Wohnraumbedarf eines Kindes gleichheitswidrig zu gering bemessen sei. Für das Existenzminimum werde eine notwendige Wohnfläche von 30 m2 für Alleinstehende und 60 m2 für Paare berücksichtigt. Für Kinder würden - unabhängig davon, ob sie im intakten Elternhaus oder bei Alleinerziehenden leben - 12 m2 als angemessen angesehen. Damit werde für eine dreiköpfige "intakte" Familie (Vater, Mutter, Kind, unabhängig ob ehelich oder nicht) ein Wohnbedarf von 60 + 12 = 72 m2 (5.460 € p.a.) als existenznotwendig von der Steuer freigestellt, für die dreiköpfige Alleinerzieherfamilie (Antragstellerin, 2 Kinder) demgegenüber nur 30 + 12 + 12 = 54 m2 ( 4.095 €).
Es sei nicht erkennbar, worin tragfähige Unterschiede für einen unterschiedlichen - als existenznotwendig angesehenen - Wohnraumbedarf zwischen einer 16-jährigen Tochter und erst recht nicht einer 21-jährigen Tochter und einer erwachsenen (Ehe-)Frau liegen könnten, die es rechtfertigten, für die Töchter von einem geringeren Wohnraumbedarf (40 % des Bedarfs) auszugehen. Der Existenzminimumbericht gebe hierfür keine Anhaltspunkte, es seien auch keine ersichtlich. Insoweit verstoße diese Differenzierung ohne tragfähige Gründe gegen Artikel (Art.) 3 Grundgesetz (GG).
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Einkommensteuer-/Solidaritätszuschlagbescheides vom ... 2015 in Höhe von Einkommensteuer € ... und Solidaritätszuschlag € ... aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält an seiner Auffassung fest und verweist auf den Ablehnungsbescheid. Ergänzend führt er aus, aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG für den Veranlagungszeitraum 2014 könne eine abweichende, altersgestaffelte Berücksichtigung von Freibeträgen nicht erfolgen.
Wegen des weiteren Sachverhaltes und Vorbringens wird auf den Inhalt der Steuerakten und der gewechselten Schriftsätze, nebst Anlagen, Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat überwiegend Erfolg.
1. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit (i.V.m.) Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz Finanzgerichtsordnung (FGO) erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für die Betroffene eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so tritt gemäß § 69 Abs. 2 Satz 7 FGO an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. März 2014 V B 14/14, BFHE 244, 156; Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2014, 999 und vom 19. März 2014 III S 22/13, BFH/NV 2014, 856 jeweils mit weiteren Nachweisen - m.w.N. -).
Das gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes geltend gemacht werden. § 69 FGO enthält nach seinem Wortlaut für den Fall, dass der Aussetzungsantrag mit der behaupteten Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes begründet wird, keine abweichenden Regelungen bzw. zusätzlichen Anforderungen.
In der Rechtsprechung - auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BFH - ist umstritten, ob dennoch im Fall der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes die Antragstellerin ein besonderes berechtigtes Interesse an der begehrten Aussetzung der Vollziehung darlegen muss, welches sodann mit einer etwaigen entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung abzuwägen ist oder ob das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltswirtschaft regelmäßig hinter das Interesse der Antragstellerin auf effektiven Rechtsschutz zurücktreten muss, auch wenn die finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt erheblich sind, da der Haushaltsvorbehalt jeden (legislativen) Verfassungsverstoß mit genügender finanzieller Breitenwirkung sanktionieren würde, was im Ergebnis zu einem Verlust des individuellen Rechtsschutzes führen und ein "rechtsstaatlich unerträgliches Ergebnis" wäre. Das Gericht nimmt insoweit auf die umfangreichen Ausführungen und Rechtsprechungsnachweise im Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen des Solidaritätszuschlages 2012 (Aufhebung der Vollziehung) vom 22. September 2015 (7 V 89/14, EFG 2016, 63) Bezug.
Diese Streitfrage kann im vorliegenden Aussetzungsverfahren dahingestellt bleiben. Die gesetzliche Regelung zur Aussetzung der Vollziehung soll den von der Verfassung in Art. 19 Abs. 4 GG geforderten nicht nur formellen, sondern auch effektiven Rechtsschutz der Steuerpflichtigen im Fall von - ernstlichen - Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gewährleisten (vgl. hierzu den Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts - des konsentierten Einzelrichters - zur Aussetzung der Vollziehung eines Grunderwerbsteuerbescheids vom 6. Januar 2011, 7 V 66/10, EFG 2011, 827). Hieraus folgt zunächst, dass von einem (zulässigen) Interesse der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung auszugehen ist, auch wenn durch die Steuerzahlung ihre Existenz nicht gefährdet erscheint. Das FA hat im Ablehnungsbescheid zwar erklärt, das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung sei mit der einer Aussetzung der Vollziehung entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung abzuwägen. Es hat jedoch nichts dafür dargelegt, noch ist ersichtlich, dass und ggf. in welcher Höhe die öffentliche Haushaltsführung tatsächlich konkret gefährdet wäre, wenn die Steuern unter Berücksichtigung der geltend gemachten, aus verfassungsrechtlichen Gründen mindestens anzusetzenden Kinderfreibeträge ausgesetzt würden. Die Antragstellerin weist darauf hin, dass dieser Steuerausfall niedriger wäre als bei der Aussetzung des Solidaritätszuschlages. Diese Würdigung ist bei summarischer Prüfung plausibel. Das Gericht macht sich insoweit den Vortrag der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift vom ... zu Eigen und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug.
Auch die Finanzverwaltung geht zumindest hinsichtlich eines um € 72 zu niedrigen Kinderfreibetrages für das Jahr 2014 davon aus, dass die einer Aussetzung der Vollziehung entgegenstehende konkrete Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung nicht besteht, wie die Mitteilung der OFD an das FA zeigt.
Aber auch, soweit die Antragstellerin über € 72 hinausgehende verfassungsrechtlich mindestens anzusetzende höhere Kinderfreibeträge geltend macht, ist nicht ersichtlich, dass durch eine entsprechende weitergehende Aussetzung der Vollziehung die öffentliche Haushaltsführung tatsächlich konkret gefährdet wäre. Das Gericht nimmt hierzu auf seine Ausführungen im Beschluss zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen des Solidaritätszuschlages 2012 vom 22. September 2015 (7 V 89/14, EFG 2016, 63) Bezug. Im vorliegenden Streitfall ist bereits weder dargelegt noch ersichtlich, dass dem Fiskus durch die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung erhebliche Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe drohen. Selbst dann müsste jedoch nach Auffassung des Senats das individuelle Interesse der Antragstellerin an einem effektiven Rechtsschutz nicht hinter das öffentliche Interesse des Staates an einer geordneten Haushaltsführung zurücktreten. Die Wahrnehmung und Erfüllung der öffentlichen Aufgaben ist durch den drohenden Einnahmeausfall bei Ansatz der geltend gemachten Kinderfreibeträge nicht gefährdet. Der Staat verfügt nach Überzeugung des Senats - auch unter Einbeziehung aktuell absehbarer gestiegener finanzieller Lasten durch die Aufnahme von Flüchtlingen - über so ausreichende Steuereinnahmen, dass bei einer Aussetzung der Vollziehung die Wahrnehmung und Erfüllung der öffentlichen Aufgaben nicht gefährdet ist.
In eine ggf. erforderliche Abwägung wäre auch einzubeziehen, dass der (Rechts-) Staat nicht nur ein fiskalisches Interesse an einer geordneten Haushaltsführung hat, sondern auch an einer Besteuerung, die den Anforderungen der Verfassung genügt.
2.1 Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids für 2014 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag.
a) Der Einspruch der Antragstellerin ist zulässig. Insbesondere fehlt ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. Satz 2 Nr. 3 AO im Bescheid für 2014 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag steht nicht entgegen. Zwar hat das FA in den Erläuterungen aufgeführt, dass die Festsetzungen der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlages u.a. hinsichtlich der Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG vorläufig sind gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO. Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, kann sie gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig festgesetzt werden. Diese Regelung ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO auch anzuwenden, wenn die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht ist.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Vorläufigkeitsvermerk, der sich nicht ausdrücklich auf bestimmte im Einzelnen genannte Verfahren bezieht, "nicht beschränkt auf die zum Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung anhängigen Verfahren" (Urteil vom 30. September 2010 III R 39/08, BStBl II 2011, 11 [BFH 30.09.2010 - III R 39/08]). Der BFH führt in der Entscheidung unter B II 1 b) aus: nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO "ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Vorläufigkeit, dass die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand (mindestens) eines Verfahrens bei dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ist. Hat sich das Verfahren, das Anlass für die vorläufige Festsetzung war, in welcher Weise auch immer erledigt, bleibt der Tatbestand des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO gleichwohl erfüllt, wenn inzwischen ein anderes einschlägiges Verfahren anhängig geworden ist." (Unterstreichung durch das Gericht)
Die Frage, ob die Höhe des Kinderfreibetrages gemäß § 32 Abs. 6 EStG für den Veranlagungszeitraum 2014 mit höherrangigem Recht (dem Grundgesetz) vereinbar ist, ist - soweit ersichtlich - bislang nicht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Europäischen Gerichtshof, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht. Die Existenzminimumberichte gehen zutreffend unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG davon aus, dass regelmäßig (alle zwei Jahre) das Existenzminimum festzustellen und entsprechend das Existenzminimum steuerfrei zu stellen ist. Verfahren, die die Höhe des Kinderfreibetrages für andere (vorangegangene) Jahre betreffen, können deshalb keine Aussagekraft zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 32 Abs. 6 EStG für den Veranlagungszeitraum 2014 haben. Der Kläger des vor dem Finanzgericht München anhängigen Verfahrens (Aktenzeichen 8 K 2426/15) hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Veranlagungszeitraum 2014 ein Sonderfall ist, weil der Gesetzgeber (bis auf eine geringfügige Unterdeckung im ersten Berichtszeitraum 1996) bisher den Vorgaben der Existenzminimumberichte gefolgt ist und sich nur für den Veranlagungszeitraum 2014 eine Unterdeckung des Kinderfreibetrages um € 72 gegenüber dem (auf dem Durchschnittsbetrag beruhenden) Existenzminimum laut Existenzminimumbericht ergibt. In der Klageschrift ist zutreffend dargelegt, dass in dem beim BFH anhängigen Revisionsverfahren zum Aktenzeichen III R 1/09 (welches der BFH im Hinblick auf die zum Aktenzeichen 2 BvR 288/10 anhängige Verfassungsbeschwerde ausgesetzt hat) nicht vorgreiflich geklärt werden kann, ob die Unterdeckung im Veranlagungszeitraum 2014 mit der verfassungsrechtlich gebotenen Steuerfreistellung des Existenzminimums vereinbar ist, weil im Revisionverfahren III R 1/09 die Streitjahre 2000 bis 2004 betroffen sind, in denen es keine Unterdeckung des sächlichen Kinderfreibetrags im Vergleich zu den jeweiligen Existenzminimumberichten gab. Das gleiche gilt für das Streitjahr 2005, welches Grundlage der Verfassungsbeschwerde zum Aktenzeichen 2 BvR 288/10 (vorgehend BFH-Urteil vom 18. November 2009, X R 34/07, BFHE 227,99, BStBl II 2010, 414 [BFH 18.11.2009 - X R 34/07]) ist; dieses Verfahren betrifft zudem nicht die Verfassungsmäßigkeit des Kinderfreibetrages gemäß § 32 Abs. 6 EStG, sondern des Grundfreibetrages gemäß § 32 a EStG. Die Frage, ob das Zurückbleiben des Kinderfreibetrags für den Veranlagungszeitraum 2014 hinter den Vorgaben des Existenzminimumberichts verfassungswidrig ist, ist für die beim BFH und BVerfG anhängigen Verfahren daher nicht entscheidungserheblich.
Des Weiteren ist - soweit ersichtlich - bislang kein höchstrichterliches Verfahren zu der Frage anhängig, ob die Bemessung des steuerlichen Freibetrages nach einem errechneten Durchschnittsbetrag - der für alle Kinder ab 6 Jahren unter dem (altersgestaffelt) festgestellten Existenzminimum liegt - mit den Anforderungen der Verfassung vereinbar ist.
Das Rechtsschutzbedürfnis für den Einspruch ergibt sich angesichts dieser besonderen von der Antragstellerin vorgetragenen Gründe auch deshalb, weil sie die Aussetzung der Vollziehung begehrt (so auch die Auffassung der Finanzverwaltung im Anwendungserlass zur AO - AEAO - Ziffer 6 Abs. 3 Satz 2 zu § 350 AO).
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG ist aus verfassungsrechtlichen Gründen bei der Einkommensbesteuerung das Existenzminimum nicht nur der Steuerpflichtigen, sondern auch ihrer einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kinder steuerlich freizustellen.
Bei der Bemessung der Einkommensteuer bezüglich des von einem oder einer Steuerpflichtigen selbst erzielten Einkommens erfolgt die einkommensteuerliche Freistellung des Existenzminimums durch den Ansatz des Grundfreibetrages. Gemäß § 32 a Abs. 1 Satz 1 EStG bemisst sich die tarifliche Einkommensteuer in den Veranlagungszeiträumen ab 2014 nach dem zu versteuernden Einkommen. Sie beträgt vorbehaltlich der (im Streitfall nicht einschlägigen) §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c EStG in Euro für zu versteuernde Einkommen bis 8 354 Euro (Grundfreibetrag): 0. Bei zusammenveranlagten Ehegatten wird über die Anwendung des Splitting-Verfahrens gemäß § 32 Abs. 5 EStG das Zweifache des Grundfreibetrags mit null Euro einkommensteuerlich freigestellt.
Durch das Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16. Juli 2015 (BGBl I 2015, 1202) wurde der Grundfreibetrag für den Veranlagungszeitraum 2015 auf € 8.472 und für den Veranlagungszeitraum 2016 auf € 8.652 bestimmt.
Die Besteuerung des Einkommens bis zur Höhe des Grundfreibetrags mit einer Einkommensteuer von null Euro gilt unabhängig davon, wie alt der oder die Steuerpflichtige ist. Das heißt, auch bei einem einkommensteuerlich bei einer anderen Person (hier: Elternteil) als Kind zu berücksichtigenden Steuerpflichtigen beträgt bei der Besteuerung des von diesem Steuerpflichtigen / Kind erzielten Einkommens zur Freistellung dessen Existenzminimums die Einkommensteuer bis zum Grundfreibetrag (von im Streitjahr 2014 € 8.354) null Euro.
§ 32 Abs. 1 bis 5 EStG regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Person bei der Steuerpflichtigen steuerlich als Kind zu berücksichtigen ist. Kinder sind gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG u.a. (wie im Streitfall) im ersten Grad mit der Steuerpflichtigen verwandte Kinder. Ohne weitere Voraussetzungen werden Kinder gemäß § 32 Abs. 3 EStG bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres steuerlich berücksichtigt. Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird unter den in § 32 Abs. 4 und 5 EStG geregelten Voraussetzungen weiterhin bei der Steuerpflichtigen einkommensteuerlich als Kind berücksichtigt. Hierunter fallen insbesondere auch Kinder, die - wie im Streitfall - sich in einer Ausbildung befinden oder z.B. auch Kinder, die eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen können (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a, Nr. 2 c EStG). In der Regel wird ein Kind ab dem 18. Lebensjahr bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigt (mit möglicher Verlängerung des Berücksichtigungszeitraums z.B. bei Ableistung des gesetzlichen Grundwehr- oder Zivildienstes gemäß § 32 Abs. 5 EStG). Beschäftigungslose Kinder sind unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres als Kind zu berücksichtigen. Kinder, die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, werden gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG (auch über ihr 25. Lebensjahr hinaus) unter der Voraussetzung berücksichtigt, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Kinder im Sinne des § 32 EStG werden (bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen z.B. hinsichtlich des Wohnsitzes, oder des Aufenthaltsstatus ihrer Eltern) ebenfalls für das Kindergeld berücksichtigt gemäß § 63 Abs. 1 EStG.
Die einkommensteuerliche Berücksichtigung eines Kindes, dass das 18. Lebensjahr vollendet hat, stellt keine Ausnahme dar. Die Antragstellerin hat insoweit zutreffend dargelegt, dass auch bei volljährigen Kindern in erheblichem Umfang die Voraussetzungen für die steuerliche Berücksichtigung als Kind gemäß § 32 Abs. 4 EStG vorliegen. Aufgrund der Vielzahl der Verfahren und der Rechtsprechung insbesondere im Kindergeldrecht zu Fällen, bei denen es um volljährige Kinder geht, ist dies gerichtsbekannt. Das Gericht nimmt ergänzend auf den Vortrag der Antragstellerin Bezug.
Die steuerliche Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltslasten der Steuerpflichtigen gegenüber Personen, für die kein Anspruch auf einen Freibetrag für Kinder (nach § 32 Abs. 6 EStG) oder auf Kindergeld besteht, regelt § 33a Abs. 1 EStG. Maßstab für die Höhe der maximal abzugsfähigen Aufwendungen ist der Grundfreibetrag. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird gemäß § 33a Abs. 1 Satz 1 auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.354 Euro (Veranlagungszeitraum 2014) im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Durch das Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16. Juli 2015 (BGBl I 2015, 1202) wurde dieser Höchstbetrag entsprechend der Anhebung des Grundfreibetrages für den Veranlagungszeitraum 2015 auf € 8.472 und für den Veranlagungszeitraum 2016 auf € 8.652 bestimmt. Bei der Anwendung des § 33a EStG werden von der unterhaltenen Person erzielte Einkünfte und Bezüge berücksichtigt und es ist Voraussetzung, dass sie kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG regelt zusätzlich den Abzug von Versicherungsbeiträgen für die unterhaltene Person. Gehört die unterhaltsberechtigte Person zum Haushalt der Steuerpflichtigen, kann nach Auffassung und Handhabung der Finanzverwaltung regelmäßig davon ausgegangen werden, dass ihr dafür Unterhaltsaufwendungen in Höhe des maßgeblichen Höchstbetrags erwachsen (amtliches Einkommensteuer-Handbuch R 33a Abs. 1 Satz 5 zu § 33a EStG).
§ 31 EStG (Familienleistungsausgleich) regelt die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines (einkommensteuerlich als solches zu berücksichtigenden) Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung. Die steuerliche Freistellung wird im gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch Kindergeld nach Abschnitt X des EStG bewirkt. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie. Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt. Bewirkt der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum die nach § 31 Satz 1 EStG gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig und werden deshalb bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG vom Einkommen abgezogen, erhöht sich (auch gemäß § 2 Abs. 6 Satz 3 EStG) die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum; bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt. Nach § 31 EStG ist mithin zu prüfen, ob das Kindergeld oder der Kinderfreibetrag für die Steuerpflichtige günstiger ist (sog. Günstigerberechnung). Im Streitfall ist der Abzug der Kinderfreibeträge unter Erhöhung der Einkommensteuer um das Kindergeld für die Antragstellerin günstiger als das Kindergeld.
Anders als bei der Einkommensteuer werden bei der Festsetzung des Solidaritätszuschlags stets die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG mindernd berücksichtigt, d.h. auch dann, wenn einkommensteuerlich das Kindergeld für die Steuerpflichtigen günstiger ist. Gemäß § 3 Abs. 2 Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolzG) ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 EStG unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre. Entsprechendes gilt bereits beim Lohnsteuerabzug gemäß § 3 Abs. 2a SolzG.
Die in § 32 Abs. 6 EStG zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums für einkommensteuerlich zu berücksichtigende Kinder geregelten Freibeträge sind niedriger als der nach § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums bei eigenem erzielten Einkommen des Kindes angesetzte Grundfreibetrag.
Da der Höchstbetrag der nach § 33a Abs. 1 EStG abzugsfähigen Unterhaltsaufwendungen mit der Höhe des Grundfreibetrages identisch ist, sind für volljährige Kinder, die die Voraussetzungen des § 32 erfüllen, die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG auch niedriger als die nach § 33a Abs. 1 EStG maximal abzugsfähigen Aufwendungen. Das heißt, für ein volljähriges, einkommensteuerlich nicht nach § 32 EStG zu berücksichtigendes Kind, das keine eigenen Einkünfte und Bezüge und kein Vermögen besitzt, wird ein höherer zwangsläufiger Aufwand steuerlich berücksichtigt, als wenn sich das Kind z.B. in Ausbildung befindet. Für unter 18-jährige Kinder stellt sich dieser Unterschied nicht, weil diese gemäß § 32 Abs. 3 EStG ohne weitere Voraussetzungen als Kind zu berücksichtigen sind.
Die Höhe der Freibeträge für einkommensteuerlich als Kind zu berücksichtigende Kinder regelt § 32 Abs. 6 EStG. Danach wird bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen. Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht. Die Beträge nach Satz 2 stehen der Steuerpflichtigen u.a. auch dann zu, wenn (wie im Streitfall) der andere Elternteil verstorben ist.
Der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) betrug für die Veranlagungszeiträume 2010 bis einschließlich 2014 € 2.184 bzw. verdoppelt € 4.368. Für den Veranlagungszeitraum 2015 betrug er € 2.256 bzw. verdoppelt € 4.512 und für den Veranlagungszeitraum 2016 beträgt er € 2.304 bzw. verdoppelt € 4.608.
Der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes beträgt seit dem Veranlagungszeitraum 2010 bis heute (Veranlagungszeitraum 2016) gleichbleibend € 1.320 bzw. verdoppelt € 2.640.
Grundlage der Höhe des Grundfreibetrages und des Kinderfreibetrages sind die seit dem Jahr 1996 alle zwei Jahre von der Bundesregierung vorzulegenden bzw. vorgelegten Berichte über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern.
Die Existenzminimumberichte verweisen zum Anlass des Berichts auf den Beschluss des Deutschen Bundestags vom 2. Juni 1995 (BT-Drucksache 13/1558 vom 31. Mai 1995). In diesem Beschluss ist zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 unter A. a) ausgeführt, dass aufgrund des Beschlusses des BVerfG vom 25. September 1992 das Existenzminimum von der Einkommensteuer freigestellt werden soll. Der Beschluss des BVerfG vom 25. September 1992 (2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) betrifft die Verfassungswidrigkeit der steuerlichen Regelungen des Grundfreibetrags und des allgemeinen Tariffreibetrags - existenznotwendiger Bedarf als Untergrenze für Zugriff durch Einkommensteuer - rückwirkende Korrektur nicht geboten - Pflicht zur Neuregelung von Veranlagungszeitraum 1996 an (zitiert nach Entscheidungsdienst).
Zur rechtlichen Ausgangslage geben die Existenzminimumberichte auszugsweise Rechtsprechung des BVerfG wieder.
Die Errechnung des steuerlichen Kinderfreibetrags nach den Existenzminimumberichten ist ein mehrstufiges Verfahren. Der Neunte Existenzminimumbericht führt unter Ziffer 3 - Zusammensetzung des Sozialhilfebedarfs - u.a. aus:
"Eine Grundlage der Bemessung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums ist nach den oben genannten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts der sozialhilferechtliche Mindestbedarf.
Der notwendige Lebensunterhalt im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII setzt sich ohne Sonder- oder Mehrbedarfe aus den folgenden Komponenten zusammen:
- Regelbedarfe ..., die insbesondere Leistungen für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie für persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens umfassen,
- Für Kinder Bildungs- und Teilhabebedarfe, sofern sie typische Bedarfspositionen darstellen ...,
-Kosten der Unterkunft (Bruttokaltmiete und vergleichbare Aufwendungen für Haus- oder Wohnungseigentum) sowie
-Heizkosten (einschließlich der Kosten für Warmwasserbereitung).
Neben diesen Komponenten sind Aufwendungen für den Erwerb eines Versicherungsschutzes für den Krankheits- und Pflegefall auf sozialhilferechtlich gewährtem Leistungsniveau eine weitere Komponente des sozialhilferechtlichen Mindestbedarfs."
In den Übersichten 2 und 5 stellt der Bericht das sächliche Existenzminimum von Erwachsenen im Veranlagungszeitraum 2014 für Alleinstehende mit € 8.352 und Ehepaare mit € 14.016 dar. Der Grundfreibetrag eines Erwachsenen nach § 32a EStG beträgt für den Veranlagungszeitraum € 8.354 bzw. verdoppelt € 16.708 bei der Zusammenveranlagung gemäß § 32a Abs. 5 EStG.
Zu Umfang und Höhe des Existenzminimums von Kindern führt der Bericht in Ziffer 5.1, 5.1.1 u.a. aus:
"Dem sächlichen Existenzminimum von Kindern liegen grundsätzlich die gleichen Komponenten zugrunde wie dem von Erwachsenen. Hinzukommen Bildungs- und Teilhabeleistungen, sofern sie typische Bedarfspositionen abdecken.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss dem Gesetzgeber zugestanden werden, die steuerliche Entlastung für einen Einkommensbetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen Bundesgebiet einheitlich festzulegen (vgl. BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] [111 f.]). Für jedes Kind einer Familie wird daher das Existenzminimum gleich hoch angesetzt.
Die sozialhilferechtlichen Regelbedarfe für Kinder sind altersabhängig und können eventuell regional verschieden sein. Daher werden die altersabhängigen Unterschiede für die Ermittlung des steuerfrei zu stellenden Betrages durch die Berechnung eines nach Lebensjahren gewichteten durchschnittlichen Regelbedarfes berücksichtigt. Mögliche regionale Unterschiede sind - wie bei Erwachsenen - derzeit nicht relevant."
In der Übersicht 3 legt der Bericht den sozialhilferechtlichen Regelbedarf eines minderjährigen Kindes für den Veranlagungszeitraum 2014 zugrunde. Dieser Regelbedarf ist altersabhängig festgestellt.
Der Regelbedarf im Jahr 2014 beträgt danach monatlich
für Kinder bis unter 6 Jahre | € 229 (Jahresbetrag € 2.748) |
---|---|
für Kinder von 6 bis unter 14 Jahre | € 260 (Jahresbetrag € 3.120) |
für Kinder von 14 bis unter 18 Jahre | € 295 (Jahresbetrag € 3.540). |
Der Gesetzgeber hat entsprechend mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 die sozialhilferechtlichen Regelsätze für die Gewährung von Sozialleistungen (Grundsicherung) gemäß §§ 8 Nr. 1 SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) i.V.m. § 27a Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 28 SGB XII (Ermittlung der Regelbedarfe) und der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung (RBSFV) 2014 (zum Teil etwas höher) festgesetzt mit:
für Kinder bis unter 6 Jahre (Regelbedarfsstufe 6) | € 229 |
---|---|
für Kinder von 6 bis unter 14 Jahre (Regelbedarfsstufe 5) | € 261 |
für Kinder von 14 bis unter 18 Jahre (Regelbedarfsstufe 4) | € 296. |
Für die Ermittlung des steuerlichen Freibetrages erfolgt im Bericht abweichend vom altersgestaffelt festgestellten sozialhilferechtlichen Regelbedarf eine "Ermittlung des gewichteten durchschnittlichen monatlichen Regelbedarfs eines Kindes für 2014", in dem der monatliche Regelbedarfsbetrag der jeweiligen Altersstufe mit der Anzahl der Lebensjahre der jeweiligen Altersstufen multipliziert und die sich daraus ergebende Gesamtsumme dann durch 18 geteilt wird. Hieraus errechnet sich ein Durchschnittswert von € 258 pro Kind; dies entspricht einem Jahresbetrag von € 3.096 (12 x € 258).
Der zur Ermittlung des steuerlichen Kinderfreibetrags angesetzte Bedarf eines Kindes ist damit für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr niedriger als der sozialhilferechtliche Regelbedarf: für Kinder von 6 bis 14 Jahren um jährlich € 24 (Jahresbetrag € 3.120 ./. € 3.096 = Differenz € 24), für Kinder von 14 bis unter 18 Jahren um jährlich € 444 (Jahresbetrag € 3.540 ./. € 3.096 = Differenz € 444).
Für Erwachsene, die steuerlich gemäß § 32 Abs. 4 EStG als Kind zu berücksichtigen sind, enthält der Bericht keine gesonderte Ermittlung ihres Regelbedarfs. Auch insoweit setzt der Bericht für die Bemessung des steuerlichen Kinderfreibetrages den Durchschnittswert für Kinder von 0 bis 18 Jahren von € 258 monatlich an.
Der zur Ermittlung des steuerlichen Kinderfreibetrags angesetzte Bedarf eines Erwachsenen, der gemäß § 32 EStG steuerlich als Kind zu berücksichtigen ist, ist damit um € 1.584 niedriger als der für den Grundfreibetrag nach § 32a EStG angesetzte sozialhilferechtliche Regelbedarf eines alleinstehenden Erwachsenen (für den Grundfreibetrag angesetzter Regelsatz € 4.680 ./. € 3.096 = Differenz € 1.584).
Der Bericht verweist auf die Berechnung der Bund-/Länder-Kommission, die das BVerfG im Beschluss vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653) herangezogen habe. Dieser Ansatz gehe im Übrigen auch mit § 32 EStG konform - wonach im Regelfall lediglich Kinder bis unter 18 Jahren berücksichtigt werden - und gewährleiste dadurch eine typisierende Betrachtung. Folglich werde für 2014 bei Kindern ein durchschnittlicher Regelbedarf von € 3.096 (€ 258/Monat) in Ansatz gebracht.
Der errechnete durchschnittliche Regelbedarf von € 3.096 geht sodann in der Übersicht 5 in die Darstellung der steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminima und der entsprechenden einkommensteuerlichen Freibeträge (in Euro) ein. Unter Ansatz von Aufwendungen für Bildung und Teilhabe mit € 228, Kosten der Unterkunft mit € 912 und Heizkosten mit € 204 ergibt sich nach dem Bericht ein sächliches Existenzminimum eines Kindes im Veranlagungszeitraum 2014 mit € 4.440, welches dem gesetzlichen steuerlichen Freibetrag von € 4.368 gegenüber gestellt wird. Die Kosten der Unterkunft eines Kindes werden dabei nicht nach der Pro-Kopf-Methode, sondern nach der Mehrbedarfsmethode (Ermittlung des zusätzlichen Mehrbedarfs pro Kind) zugrunde gelegt.
Der Bericht führt sodann aus:
"Die vorgenannten Existenzminima stellen statistisch belegte Mindestbeträge dar. Höhere steuerliche Freibeträge sind im Wege politischer Entscheidungen möglich. Für zusammen veranlagte Ehepaare ergibt sich die Freibetragshöhe aus § 32a Absatz 5 EStG.
Im Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression hat die Bundesregierung bereits die Erhöhung des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum eines Erwachsenen (Grundfreibetrag) ab dem Veranlagungszeitraum 2013 um 126 Euro auf 8 130 Euro und ab 2014 um weitere 224 Euro auf 8 354 Euro vorgeschlagen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/8683). Die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Anhebung des Grundfreibetrags ab 2013 wird hiermit bestätigt. Erst ab dem Veranlagungszeitraum 2014 ist auch eine Erhöhung des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) erforderlich. Auch dies wird die Bundesregierung rechtzeitig gesetzgeberisch auf den Weg bringen."
In Ziffer 6.4 führt der Bericht aus, "dass mit den geltenden steuerlichen Regelungen und den noch vorgesehenen Gesetzesänderungen in den Jahren 2013 und 2014 den verfassungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der steuerfrei zu stellenden Existenzminima von Erwachsenen und Kindern entsprochen wird."
c) Folgende, in den Existenzminimumberichten angeführte Entscheidungen des BVerfG sind für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:
Der Beschluss des BVerfG vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653) betrifft die Verfassungsmäßigkeit der im Haushaltsbegleitgesetz 1983 eingeführten Kürzung des Kindergeldes nach dem Bundeskindergeldgesetz für Besserverdienende und der Vorschriften über die Berechnung des dafür maßgeblichen Einkommens. Leitsatz 2 des Beschlusses fasst zusammen:
"Bei der Einkommensbesteuerung muß ein Betrag in Höhe des Existenzminimums der Familie steuerfrei bleiben; nur das darüber hinausgehende Einkommen darf der Besteuerung unterworfen werden."
Das BVerfG führt in der Entscheidung aus, der Staat müsse dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Dieses verfassungsrechtliche Gebot folge aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG. Ebenso wie der Staat nach diesen Verfassungsnormen verpflichtet sei, dem mittellosen Bürger diese Mindestvoraussetzungen erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern, dürfe er dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zu diesem Betrag - der im Folgenden als Existenzminimum bezeichnet wird - nicht entziehen. Aus den genannten Verfassungsnormen, zusätzlich aber auch aus Art. 6 Abs. 1 GG, folge ferner, dass bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben müsse.
Die Steuerfreiheit des Familienexistenzminimums wirke sich auch auf die Besteuerung eines Einkommens aus, das dieses Existenzminimum übersteigt. Das Existenzminimum müsse dem Steuerpflichtigen nicht nur nach Abzug der Steuern erhalten bleiben. Der Gesetzgeber dürfe auch nur das darüber hinausgehende Einkommen der Besteuerung unterwerfen, weil andernfalls Familien mit unterhaltsbedürftigen Kindern gegenüber den sonstigen Familien, gegenüber kinderlosen Ehepaaren und gegenüber kinderlosen Alleinstehenden benachteiligt werden würden.
Das BVerfG führt unter C III 3 a) der Entscheidung aus:
"Prüfungsmaßstab ist insoweit Art. 3 Abs. 1 GG, wobei die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Grundsatzentscheidung für den Schutz der Familie mit zu beachten ist (vgl. BVerfGE 13, 290 [BVerfG 24.01.1962 - 1 BvL 32/57] <296 f., 298>; 75, 348 <357>).
Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; st. Rspr.). Daraus folgt für das Gebiet des Steuerrechts, daß die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet werden muß. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist (vgl. BVerfGE 61, 319 <343 f.> m.w.N.). Die für den Steuerpflichtigen unvermeidbare Sonderbelastung durch Unterhaltsverpflichtungen mindert seine Leistungsfähigkeit und darf ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vom Gesetzgeber nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. zuletzt BVerfGE 68, 143 [BVerfG 17.10.1984 - 1 BvR 527/80] <152 f.>).
Auch Unterhaltsaufwendungen für Kinder sind danach grundsätzlich keine Aufwendungen im privaten Bereich, die nach der Grundregel des § 12 Nr. 1 EStG steuerlich als allgemeine Kosten der Lebensführung nicht abzugsfähig sind; vielmehr muß berücksichtigt werden, daß durch diese Aufwendungen die steuerliche Leistungsfähigkeit gemindert wird. Beim Kindesunterhalt folgt diese Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips zusätzlich aus den grundlegenden Entscheidungen der Verfassung in Art. 1 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Der Staat, der die Würde des Menschen als höchsten Rechtswert anerkennt (vgl. BVerfGE 45, 187 [BVerfG 21.06.1977 - 1 BvL 14/76] <227> m.w.N.) und Ehe und Familie dem besonderen Schutz des Staates anheimgegeben hat, darf Kinder und private Bedürfnisbefriedigung nicht auf eine Stufe stellen und danach auf die Mittel, die für den Lebensunterhalt von Kindern unerläßlich sind, nicht in gleicher Weise zugreifen wie auf finanzielle Mittel, die zur Befriedigung beliebiger Bedürfnisse eingesetzt werden. Er muß die Entscheidung der Eltern zugunsten von Kindern achten und darf den Eltern im Steuerrecht nicht etwa die "Vermeidbarkeit" von Kindern in gleicher Weise entgegenhalten wie die Vermeidbarkeit sonstiger Lebensführungskosten."
Zur Höhe der steuerlich zu berücksichtigenden Minderung der Leistungsfähigkeit führt das BVerfG unter C III 3 b) aus:
"Der Höhe nach muß der Staat bei der Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit den Unterhaltsaufwand für Kinder des Steuerpflichtigen in dem Umfang als besteuerbares Einkommen außer Betracht lassen, in dem die Unterhaltsaufwendungen zur Gewährleistung des Existenzminimums der Kinder erforderlich sind.
Das folgt mittelbar aus den Erwägungen, die es gebieten, das Existenzminimum der Familie steuerfrei zu lassen (s.o. C III 2). Soweit das Einkommen der Familie benötigt wird, um ihr die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten, ist es - unabhängig vom sozialen Status der Familie - nicht disponibel und kann nicht Grundlage der steuerlichen Leistungsfähigkeit sein. Wird die Besteuerung für Kinderlose und Steuerpflichtige mit Kindern nach einem einheitlichen Tarif vorgenommen, so werden die letzteren gegenüber den ersteren benachteiligt, wenn von ihrem Einkommen der Unterhaltsaufwand für Kinder nicht wenigstens in Höhe des Existenzminimums abgezogen wird; denn sie werden dadurch im Ergebnis einer höheren Steuerbelastung unterworfen als kinderlose Ehepaare oder Alleinstehende, weil sie bei gleichem Ausgangseinkommen die gleiche Steuerlast tragen wie Kinderlose, obwohl ihr Einkommen in Höhe des Existenzminimums der Kinder gebunden ist und ihnen daher insoweit nicht zur freien Verwendung zur Verfügung steht.
Das Gebot, Unterhaltsaufwendungen für Kinder mindestens in Höhe des Existenzminimums von der Besteuerung auszunehmen, entspricht im Ergebnis dem Grundsatz, daß der Gesetzgeber bei der steuerlichen Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen nicht realitätsfremde Grenzen ziehen darf (vgl. BVerfGE 66, 214 [BVerfG 22.02.1984 - 1 BvL 10/80] <223>; 68, 143 <153>). Es wird im übrigen nicht dadurch berührt, daß die öffentliche Hand allgemeine Förderungsleistungen für Kinder, insbesondere als Träger des Schul-, Bildungs- und Ausbildungssystems, erbringt (vgl. dazu BVerfGE 43, 108 [BVerfG 23.11.1976 - 1 BvR 150/75] <121>). Diese Leistungen wirken sich dahin aus, daß der Unterhaltsaufwand der Eltern geringer ist, als er es wäre, wenn sie für diese Einrichtungen selbst sorgen oder solche Einrichtungen gegen ein marktwirtschaftliches Entgelt in Anspruch nehmen müßten. Für die Frage, wie das Existenzminimum steuerlich zu berücksichtigen ist, sind jedoch die Tatsache und der Umfang dieser Förderungsleistungen ohne Bedeutung."
Zur Höhe der steuerlichen Freistellung führt das BVerfG unter C III 3 c) am Ende und d) aus, jenseits des verfassungsrechtlich gebotenen "Freibetrages" in Höhe des Existenzminimums von Kindern sei der Gesetzgeber allerdings frei, soziale Gesichtspunkte verstärkt zu berücksichtigen und dabei insbesondere Bezieher höherer Einkommen steuerlich stärker zu belasten.
Das Existenzminimum könne bei der Besteuerung aus Gründen der Praktikabilität in einem einheitlichen Betrag berücksichtigt werden, der von Verfassungs wegen auch nicht zwingend nach Altersgruppen gestaffelt werden müsse.
Zur Bemessung eines einheitlichen Betrages führt das BVerfG unter C III 3 d) aus:
"Dieser Betrag muß allerdings so bemessen werden, daß er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdeckt. Da das Existenzminimum regional verschieden sein kann, darf sich der Gesetzgeber insoweit nicht an einem unteren Grenzwert oder an einem Durchschnittswert orientieren, der in einer größeren Zahl von Fällen nicht ausreichen würde."
Andererseits folge weder aus Art. 3 Abs. 1 noch aus Art. 6 Abs. 1 GG, dass der Gesetzgeber die Unterhaltsleistungen für Kinder in der vollen Höhe des bürgerlichrechtlichen Unterhaltsanspruchs, der sich regelmäßig nach der Lebensstellung der Eltern bestimmt (vgl. BGH, NJW 1980, S. 1686 [BGH 23.04.1980 - IVb ZR 527/80] <1689>; 1983, S. 1429), berücksichtigen müsste. Eine individuelle Bemessung des Entlastungsbetrages nach den Umständen des Einzelfalles scheide schon deshalb aus, weil dadurch das Besteuerungsverfahren unverhältnismäßig erschwert würde. Es sei aber auch sachlich nicht geboten, die steuerliche Entlastung für kindesbedingte Aufwendungen am bürgerlichrechtlichen Unterhalt auszurichten und sie damit letztlich nach dem sozialen Status der einzelnen Familie zu bestimmen (vgl. auch BVerfGE 43, 108 [BVerfG 23.11.1976 - 1 BvR 150/75] <121, 123>).
Der Beschluss des BVerfG vom 25. September 1992 (2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) betrifft u.a. die Frage, ob die Grundfreibeträge für die Veranlagungszeiträume 1978 bis 1984, 1986, 1988 und 1991 mit dem Grundgesetz vereinbar waren. Die Leitsätze der Entscheidung lauten:
"1. Dem der Einkommensteuer unterworfenen Steuerpflichtigen muß nach Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld von seinem Erworbenen soviel verbleiben, als er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und - unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG - desjenigen seiner Familie bedarf (Existenzminimum).
Die Höhe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums hängt von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem in der Rechtsgemeinschaft anerkannten Mindestbedarf ab. Der Steuergesetzgeber muß dem Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezügen zumindest das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt.
2. Bei einer gesetzlichen Typisierung ist das steuerlich zu verschonende Existenzminimum grundsätzlich so zu bemessen, daß es in möglichst allen Fällen den existenznotwendigen Bedarf abdeckt, kein Steuerpflichtiger also infolge einer Besteuerung seines Einkommens darauf verwiesen wird, seinen existenznotwendigen Bedarf durch Inanspruchnahme von Staatsleistungen zu decken."
Das BVerfG vergleicht in dem Beschluss die Höhe der durchschnittlichen Sozialhilfeleistungen eines Erwachsenen mit der Höhe des Grundfreibetrages. Es stellt fest, dass der durchschnittliche Sozialhilfebedarf jeweils deutlich über dem Grundfreibetrag lag, damit die steuerlichen Freibeträge dem verfassungsrechtlichen Gebot, das Existenzminimum von der Einkommensteuer freizustellen, nicht gerecht wurden und deshalb verfassungswidrig waren. Zur Höhe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums führt das BVerfG unter C I 3 aus:
"Die Höhe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums hängt von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem in der Rechtsgemeinschaft anerkannten Mindestbedarf ab. Diesen einzuschätzen ist Aufgabe des Gesetzgebers. Soweit der Gesetzgeber jedoch im Sozialhilferecht den Mindestbedarf bestimmt hat, den der Staat bei einem mittellosen Bürger im Rahmen sozialstaatlicher Fürsorge durch Staatsleistungen zu decken hat (vgl. BVerfGE 40, 121 <133>), darf das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum diesen Betrag jedenfalls nicht unterschreiten. Der Steuergesetzgeber muß dem Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezügen zumindest das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt."
Das BVerfG stellt fest, dass das Sozialrecht den individuellen Bedarf des einzelnen Bedürftigen nach den Verhältnissen des Einzelfalls berücksichtigte. Diese Rechtslage hat sich insofern geändert, als das SGB II und das SGB XII grundsätzlich von einem einheitlichen Regelbedarf - für Kinder altersabhängig gestaffelt - ausgehen. Das BVerfG führt aus, die Erfassung des existenzsichernden Aufwands im Einkommensteuerrecht in einem für alle Einkommensteuerpflichtigen einheitlichen Betrag sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Im Rahmen einer solchen Typisierung sei das Existenzminimum allerdings grundsätzlich so zu bemessen, dass es in möglichst allen Fällen den existenznotwendigen Bedarf abdecke, kein Steuerpflichtiger also infolge einer Besteuerung seines Einkommens darauf verwiesen werde, seinen existenznotwendigen Bedarf durch Inanspruchnahme von Staatsleistungen zu decken. Bestehe hingegen - wie damals auf dem Wohnungsmarkt - ein erhebliches Preisgefälle für existenznotwendige Aufwendungen, so erfasse ein einheitlicher Durchschnittswert die verschiedenen Bedarfsgruppen nicht realitätsgerecht. In einem Sonderfall dieser Art sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, sich bei der Bemessung des Grundfreibetrags insoweit an einem unteren Wert zu orientieren, wenn er zugleich zur ergänzenden Deckung des Bedarfs nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie etwa ein Wohngeld, zur Verfügung stellte. Daneben wäre es von Verfassungs wegen auch nicht ausgeschlossen, wenn der Steuergesetzgeber - wie beim betrieblichen Aufwand - den Bedarf individuell oder gruppenbezogen erfasste.
Der Beschluss des BVerfG vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91,93, [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] BStBl II 1994, 909 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88]) wird in Ziffer 5.1 des Existenzminimumberichts angeführt dazu, dass es zulässig sei, die steuerliche Entlastung für einen Einkommensbetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen Bundesgebiet einheitlich festzulegen. Der Beschluss betrifft die Kürzung des Kindergeldes für Besserverdienende nach § 10 Abs. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in den Jahren 1983 bis 1987. Die damalige Rechtslage weicht von der heutigen Regelung insofern ab, als damals sowohl ein (nach dem Jahreseinkommen gestaffelter) Anspruch auf Kindergeld als auch zusätzlich auf einen Kinderfreibetrag bestand. Da in den Streitjahren 1986 und 1987 wie in den vorangegangenen Jahren die steuerliche Entlastung einerseits durch den damaligen Kinderfreibetrag von 2.484 DM je Kind, daneben aber durch das Kindergeld bewirkt werden sollte, rechnete das BVerfG für die verfassungsrechtliche Prüfung der Kürzungsregelung des § 10 Abs. 2 BKGG das gekürzte Kindergeld in einen fiktiven Kinderfreibetrag um und stellte diesen dann zusammen mit den gesetzlichen Kinderfreibeträgen dem Betrag des Existenzminimums gegenüber.
Zur Höhe des in den Vergleich einzustellenden Existenzminimums hält das BVerfG die Bildung eines Durchschnittssatzes aus den unterschiedlichen Sätzen des im Sozialhilferecht anerkannten Bedarfs für zulässig. Das BVerfG führt unter C II c) der Entscheidung aus:
"Die Höhe des in den Vergleich einzustellenden Existenzminimums für Kinder hängt nicht nur von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen, sondern auch von dem nach den gesellschaftlichen Anschauungen anzunehmenden Mindestbedarf ab. Bei der Ermittlung des damit nicht exakt vorgegebenen Betrages des Existenzminimums muß dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum eingeräumt werden (vgl. BVerfGE 82, 60 <93 f.>; 87, 153 <170 f.>). Entscheidende Bedeutung für die Bemessung des steuerlich zu berücksichtigenden Existenzminimums kommt dabei der Bemessung der Sozialhilfeleistungen zu, die gerade dieses Existenzminimum gewährleisten sollen, verbrauchsbezogen ermittelt und regelmäßig den veränderten Lebensverhältnissen angepaßt werden (vgl. BVerfGE 82, 60 <94>). Das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum darf jedenfalls den Mindestbedarf, den der Gesetzgeber im Sozialrecht festgelegt hat, nicht unterschreiten (vgl. BVerfGE 87, 153 <170 f.>).
Da einerseits dem Gesetzgeber zugestanden werden muß, die steuerliche Entlastung in Höhe des Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen Bundesgebiet einheitlich festzulegen (BVerfGE 82, 60 <91>), andererseits aber die Leistungen der Sozialhilfe weder für alle in Betracht kommenden Altersstufen der Kinder noch in allen Bundesländern einheitlich sind, muß für den Vergleich aus den unterschiedlichen Sätzen ein Durchschnittssatz des im Sozialhilferecht anerkannten Bedarfs gebildet werden (vgl. BVerfGE 82, 60 <94>; 87, 153 <173>). Es bestehen keine Bedenken, insoweit - wenigstens im Sinne von Richtwerten - die Ergebnisse der Berechnung, die der Bundesminister für Familie und Senioren im vorliegenden Verfahren vorgelegt hat, in den Vergleich einzustellen."
Der Betrag des zur Deckung des Existenzminimums objektiv erforderlichen Aufwands lasse sich nicht strikt mit dem Ergebnis einer Berechnung des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs nach einer bestimmten Methode gleichsetzen. Die Ergebnisse solcher Berechnungen hingen von einer Reihe von Ausgangswerten ab, die zum Teil pauschaliert werden müssten und bei denen auch die tatsächlichen Grundlagen nicht immer genau festgestellt werden könnten. Bei der Ermittlung des Existenzminimums für Kinder werde dies besonders deutlich bei der Berechnung des für Wohnung und Heizung anzusetzenden Betrages. Auch ergäben sich Unsicherheiten bei der Bildung eines gewichteten Durchschnitts aus der Frage, welche Altersgruppen bei der Berechnung des Kindesbedarfs berücksichtigt werden. So gehe der Bundesminister von Kindern bis zu 18 Jahren aus, während beispielsweise der Bundesfinanzhof Kinder bis zum 21. Lebensjahr in die Berechnung einbeziehe (Vorlagebeschluss des BFH vom 16. Juli 1993, III R 206/90, BFHE 171, 534 <540>, BStBl II 1993, 755 [BFH 16.07.1993 - III R 206/90]). Hieraus werde deutlich, dass sich der durchschnittliche jährliche Sozialhilfebedarf nur annäherungsweise ermitteln lasse und dass demgemäß eine solche Berechnung nur einen Richtwert, nicht aber eine strikte Vorgabe für die Bemessung des Existenzminimums darstellen könne (vgl. auch BVerfGE 87, 153 <173>).
Das BVerfG führt unter C II 1 d aa) und bb) aus:
"Dem Gesetzgeber muß daher bei der Festlegung des Entlastungsbetrags ein gewisser Einschätzungsspielraum zugebilligt werden. Bei der nachträglichen Kontrolle der von ihm getroffenen Regelung am Maßstab einer pauschalen Berechnung des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs müssen die Ungenauigkeiten berücksichtigt werden, die mit einer solchen Berechnung verbunden sind. Die gesetzliche Regelung kann danach erst dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn die Unterschreitung der zum Vergleich herangezogenen Richtwerte ein Ausmaß erreicht, das selbst unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers und der in Betracht kommenden Ungenauigkeiten der Berechnung nicht mehr vertretbar erscheint.
Wo diese Grenze zu ziehen ist, hängt insbesondere vom Ausmaß der Unsicherheit ab, die der zum Vergleich herangezogenen Berechnung des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs anhaftet. Ein allgemeiner Grenzwert läßt sich danach nicht für alle in Betracht kommenden Vergleichsberechnungen aufstellen. Jedenfalls kann aber bei Richtwerten, wie sie hier nach der Berechnung des Bundesministers zum Vergleich herangezogen werden, die Verfassungswidrigkeit einer bestehenden Regelung noch nicht festgestellt werden, wenn diese Richtwerte um weniger als 15 vom Hundert unterschritten werden (vgl. auch BFHE 171, 534 [BFH 16.07.1993 - III R 206/90] <545>). Diese Abweichung ist angesichts der in Rechnung zu stellenden Unsicherheiten der Richtwerte noch hinnehmbar.
Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist ferner zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber vor besonderen Schwierigkeiten steht, wenn er die nach dem Grundsatz der horizontalen Steuergleichheit gebotene Entlastung nicht ausschließlich durch einen Kinderfreibetrag schafft, sondern den Weg einer aus Kindergeld und (geringerem) Kinderfreibetrag kombinierten Entlastung wählt. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, daß bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein können. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 79, 87 [BVerfG 09.11.1988 - 1 BvL 22/84] <100>; st. Rspr.)."
Das BVerfG führt sodann aus, dieser Grundsatz könne allerdings nicht dazu führen, dass der Gesetzgeber eine Regelung treffen könne, die die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen in Höhe des Existenzminimums nur für Steuerpflichtige mit niedrigen Spitzensteuersätzen gewährleiste. Dem Gesetzgeber könne insoweit nur ein geringer Pauschalierungsspielraum eingeräumt werden, denn er hätte eine Ungleichbehandlung für alle Betroffenen ohne weiteres dadurch vermeiden können, dass er das Existenzminimum mit einem entsprechenden Kinderfreibetrag im Einkommensteuerrecht berücksichtigte und das Kindergeld nur als ergänzende Sozialleistung ausgestaltete (vgl. BVerfGE 82, 60 <97>). Ebenso wie der Gesetzgeber verpflichtet sei, den Betrag des Existenzminimums so zu bemessen, dass er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf decke (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 87, 153 <172>), müsse er ihn auch möglichst allen Steuerpflichtigen in gleicher Weise zugute kommen lassen. Er dürfe danach die horizontale Steuergleichheit auch bei Spitzenverdienern allenfalls in geringem Umfang vernachlässigen. Es sei ihm aber nicht jede Pauschalierung verwehrt.
Der Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 [BVerfG 10.11.1998 - 2 BvL 42/93], [BVerfG 10.11.1998 - 2 BvL 42/93] BStBl II 1999, 174) betrifft die Höhe der Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG im Veranlagungszeitraum 1987. Die Leitsätze der Entscheidung lauten:
"1. Art 6 Abs 1 GG gebietet, bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei zu belassen:
a) Dabei bildet das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden darf.
b) Das einkommensteuerliche Existenzminimum ist für alle Steuerpflichtigen - unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz - in voller Höhe von der Einkommensteuer freizustellen.
c) Der Wohnbedarf ist nicht nach der Pro-Kopf-Methode, sondern nach dem Mehrbedarf zu ermitteln."
Das BVerfG führt unter C I der Entscheidung aus:
"Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fordert das Grundgesetz, daß existenznotwendiger Aufwand in angemessener, realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freigestellt wird. Das Sozialhilferecht bietet eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene: Das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum darf den Betrag, den der Staat einem Bedürftigen im Rahmen staatlicher Fürsorge gewährt, jedenfalls nicht unterschreiten.
1. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist der aus Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG sich ergebende Grundsatz, daß der Staat dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen muß, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird (vgl. BVerfGE 82, 60 <85>). Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (vgl. BVerfGE 87, 153 <169>). Art. 6 Abs. 1 GG gebietet darüber hinaus, daß bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben muß (vgl. BVerfGE 82, 198 [BVerfG 12.06.1990 - 1 BvL 72/86] <207>). ...
2. Die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden existenzsichernden Aufwendungen müssen nach dem tatsächlichen Bedarf - realitätsgerecht - bemessen werden (vgl. BVerfGE 66, 214 [BVerfG 22.02.1984 - 1 BvL 10/80] <223>; 68, 143 <153>; 82, 60 <88>). Dessen Untergrenze ist durch die Sozialhilfeleistungen konkretisiert, die das im Sozialstaat anerkannte Existenzminimum gewährleisten sollen, verbrauchsbezogen ermittelt und auch regelmäßig den veränderten Lebensverhältnissen angepaßt werden. Mindestens das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt, muß er auch dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen belassen (vgl. BVerfGE 87, 153 <171>; 91, 93 <111>)."
Das BVerfG setzt sich mit der in der Entscheidung des 1. Senats des BVerfG (vom 14. Juni 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91,93, BStBl II 1994, 909 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88]) angenommenen Toleranzgrenze von 15 %, um die das steuerlich zugrunde gelegte Existenzminimum das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum unterschreiten dürfe, auseinander. Das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum bilde die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden dürfe. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts habe einen Toleranzwert von 15 % u.a. mit dem Umstand begründet, der Wohnbedarf sei bei den dort herangezogenen R i c h t w e r t e n nach der Pro-Kopf- Methode berechnet worden und nicht nach den niedrigeren Werten, die lediglich den notwendigen Mehrbedarf an Wohnraum berücksichtigen (BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] <113 ff.> unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Bundesministeriums für Familie und Senioren, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts <BVerwGE 79, 17, 20> und auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs <BFHE 171, 534, 539 ff. [BFH 16.07.1993 - III R 206/90][BFH 16.07.1993 - III R 206/90]>). Die Bedarfsberechnung nach der Pro-Kopf- Methode gelange zu tendenziell erhöhten Werten, die eine 15 %ige Toleranz rechtfertigen könnten. Im Grundsatz aber fordere auch der Erste Senat eine Berücksichtigung des Existenzminimums "möglichst in allen Fällen" in präzisen, realitätsgerechten Grenzen (BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] <115>).
Bei der Berechnung der Bedarfswerte des Jahres 1987 werde jedoch (wie auch im Existenzminimumbericht für den Veranlagungszeitraum 2014) nicht die Pro-Kopf-Methode, sondern die Mehrbedarfsmethode zugrunde gelegt. Den Bedarfszahlen lägen nicht durchschnittliche Richtwerte (so BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] <112>), sondern nur der existenznotwendige Mindestbedarf zugrunde. Das BVerfG führt aus:
"Diese Bedarfsgrößen zur Feststellung der Existenzminima sind jeweils nur statistisch belegte Mindestbeträge, die deshalb zwar überschritten, aber nicht mehr unterschritten werden dürfen (vgl. Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien vom Jahr 1996, BT-Drucksache 13/381, S. 4)."
Die Unterschreitung von statistisch ermittelten Mindestbeträgen lasse sich auch nicht durch die Aufgabe rechtfertigen, Bedarfszahlen für die Zukunft festzulegen, ohne die künftige Entwicklung sicher voraussagen zu können. Der existenznotwendige Bedarf sei nämlich in der Bundesrepublik in den vergangenen 50 Jahren regelmäßig gestiegen, nicht gesunken (Statistisches Jahrbuch 1994, S. 662). Die Anpassung des einkommensteuerlichen Existenzminimums habe mit diesen Steigerungsraten regelmäßig nicht Schritt gehalten. Deswegen wäre allenfalls ein - vorsorgliches oder kompensierendes - Überschreiten der Mindestwerte geboten.
Eine in nicht allen Fällen ausreichende einkommensteuerliche Berücksichtigung der existenznotwendigen Mindestaufwendungen für den Kindesunterhalt sei nicht mit der Notwendigkeit einer gesetzlichen Typisierung zu rechtfertigen. Jede gesetzliche Regelung müsse zwar verallgemeinern (vgl. BVerfGE 82, 126 <151>; 96, 1 <6>), dürfe sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und müsse insbesondere nicht allen Besonderheiten des Einzelfalls jeweils durch Sonderregelungen Rechnung tragen. Bei der verfassungsrechtlich gebotenen (s.o. C.I.1.-3.) Berücksichtigung der existenznotwendigen Mindestaufwendungen für den Kindesunterhalt seien aber keine einzelfallbedingten Besonderheiten tatbestandlich aufzunehmen und gegebenenfalls zu typisieren; vielmehr sei ein für alle gleicher Bedarf in den einkommensteuerlichen Bedarfstatbeständen aufzunehmen. Das Gebot, "bei allen Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz die existenznotwendigen Mindestaufwendungen für Kinderunterhalt in der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen", folge auch aus dem Grundsatz der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 84, 239 [BVerfG 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89] <271>; 87, 153 <170>; 93, 121 <136>).
Der Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182) betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar war, dass in ehelicher Gemeinschaft lebende Eltern von dem Recht, Kinderbetreuungskosten wegen Erwerbstätigkeit als außergewöhnliche Belastungen von der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage abzuziehen, sowie von der Gewährung eines Haushaltsfreibetrags ausgeschlossen wurden. Das BVerfG hat hierzu entschieden, dass die Leistungsfähigkeit von Eltern über den existentiellen Sachbedarf und den erwerbsbedingten Betreuungsbedarf des Kindes hinaus, generell durch den Betreuungsbedarf und durch einen Erziehungsbedarf gemindert wird, die einkommensteuerlich unbelastet bleiben müssen. Soweit das Familienexistenzminimum sich nach personenbezogenen Daten wie Familienstand, Anzahl der Kinder und Alter bestimmt, müsse nach dem rechtsstaatlichen Gebot der Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit dieser Tatbestand so gefasst werden, dass die bloße Angabe dieser Daten die Anwendung des Gesetzes möglich mache (Leitsatz 3 der Entscheidung).
Der Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 [BVerfG 13.02.2008 - 2 BvL 1/06], [BVerfG 13.02.2008 - 2 BvL 1/06] BFH/NV 2008, Beilage 3, 228) betrifft die Berücksichtigung von privaten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderaufwendungen mit Hinblick auf die Steuerfreiheit des Existenzminimums (insbesondere auch für Steuerpflichtige mit Kindern).
Das BVerfG führt unter D I aus:
"1. Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist das aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitende Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Einem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (vgl. BVerfGE 82, 60 <85 f., 94>; 87, 153 <169 f.>; 99, 246 <259>; 107, 27 <48>; 112, 268 <281>; stRspr).
3. Die somit von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums sind vom Steuergesetzgeber nach dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu bemessen (vgl. BVerfGE 66, 214 [BVerfG 22.02.1984 - 1 BvL 10/80] <223>; 68, 143 <153>; 82, 60 <88>; 99, 246 <260>; 112, 268 <280 f.>). In einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis hierzu steht die Befugnis des Gesetzgebers, bei der Ordnung der steuerrechtlichen Massenverfahren die Vielzahl der Einzelfälle in einem Gesamtbild zu erfassen und auf dieser Grundlage typisierende Regelungen zu treffen (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>; 99, 280 <290>; 105, 73 <127>; 112, 268 <280 f.>). Im Bereich der Steuerfreiheit des Existenzminimums hat er dabei allerdings Sorge zu tragen, dass typisierende Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 87, 153 <172>).
4. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ist der Gesetzgeber außerdem an das Gebot hinreichender Folgerichtigkeit gebunden. Er hat danach eine einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen. Ausnahmen hiervon bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 99, 280 [BVerfG 11.11.1998 - 2 BvL 10/95] <290>; 105, 73 <126>; 107, 27 <46 f.>; stRspr)."
Zur Höhe der gebotenen steuerlichen Freistellung führt das BVerfG unter D III 3 a) u.a. aus:
"Im Bereich des sächlichen Existenzminimums hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Steuergesetzgeber die relevanten Leistungsbestandteile des sozialhilferechtlich anerkannten Mindestbedarfs in einem statistisch ermittelten einheitlichen Betrag quantifizieren darf. Dabei sind einer Orientierung an einem bundeseinheitlichen Mittelwert, der in einer größeren Anzahl von Fällen nicht ausreichen würde, Grenzen gesetzt (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 87, 153 <172>; 99, 246 <260 ff.>). Die einschlägigen Regelungen hierzu befinden sich derzeit in § 32 Abs. 6 EStG (Kinderfreibetrag) sowie in § 32a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 EStG (Grundfreibetrag), wo jeweils ein bundeseinheitlicher Wert für alle Steuerpflichtigen festgelegt wird."
Das BVerfG führt aus, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums gewährleiste dem Steuerpflichtigen einen Schutz des Lebensstandards nicht auf Sozialversicherungs-, sondern nur auf Sozialhilfeniveau. Deshalb lasse sich aus dem Gebot der Folgerichtigkeit nicht allgemein ableiten, dass der Steuerpflichtige unter dem Gesichtspunkt der "Zwangsläufigkeit" jedenfalls Ausgaben bis zur Höhe der Pflichtsozialversicherungsbeiträge von der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage abziehen können müsse. Es sei zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Entlastungswirkung von § 10 EStG nicht erforderlich, in allen Einzelheiten statistische Ermittlungen über den Beitragsumfang einzelner Gruppen von privat krankheitskosten- und pflegepflichtversicherten Personen anzustellen. Ob die Entlastungswirkung von § 10 EStG den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werde, lasse sich aufgrund einer Evidenzkontrolle (vgl. BVerfGE 82, 60 <91 f.>) beantworten.
Danach könne eine dem Umfang nach hinreichende steuerliche Freistellung der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlichen Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a in Verbindung mit § 10 Abs. 3 EStG nicht festgestellt werden. Für die Evidenzkontrolle könne allerdings nicht - wie das Bundesministerium der Finanzen vortrage - auf den durchschnittlichen, über alle Risiken, Altersstufen und Anbieter gemittelten Versicherungsaufwand nach dem vom Verband der privaten Krankenversicherung e.V. veröffentlichten jährlichen Zahlenbericht abgestellt werden.
Das BVerfG stellt sodann fest, dass durch die damalige Regelung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 3 EStG eine hinreichende steuerliche Entlastung offensichtlich nicht gewährleistet war. Es sei dem Gesetzgeber verwehrt, die von ihm durch das sozialhilferechtlich garantierte Versorgungsniveau selbst statuierte Sachgesetzlichkeit dadurch zu durchbrechen, dass er bei der Berücksichtigung entsprechender Versicherungsbeiträge der Steuerpflichtigen Grenzen ziehe, die durch vernünftige Typisierungserwägungen nicht mehr zu begründen seien. Dabei sei zu beachten, dass typisierende Regelungen im Bereich des Existenzminimums in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdeckten (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 87, 153 <172>).
Diese Grenzen seien hinsichtlich der Beiträge zur privaten Krankenversicherung der Kinder offensichtlich überschritten, wenn unter Berufung auf die Beitragsfreiheit von ca. 90% aller Kinder aufgrund der Familienversicherung nach § 10 SGB V alle privat krankenversicherten Kinder vollständig "hinwegtypisiert" würden.
Eine verfassungsrechtliche Überprüfung von steuerlichen oder sozialrechtlichen Beträgen erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG (nur) durch eine Evidenzkontrolle einschließlich der Überprüfung des zur Ermittlung der gesetzlichen Beträge angewendeten Verfahrens.
Das BVerfG führt in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175) zur Unvereinbarkeit der Regelleistungen nach dem SGB II mit dem Grundgesetz unter C I u.a. aus, dem Gesetzgeber komme Gestaltungsspielraum bei den unausweichlichen Wertungen zu, die mit der Bestimmung der Höhe des Existenzminimums verbunden seien und bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Dieser umfasse die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und sei zudem von unterschiedlicher Weite: Er sei enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiere, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehe. Zur Konkretisierung des Anspruchs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen. Abweichungen von der vom Gesetzgeber hierfür gewählten Methode bedürften allerdings der sachlichen Rechtfertigung. Das dergestalt gefundene Ergebnis sei zudem fortwährend zu überprüfen und weiter zu entwickeln.
Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspreche eine zurückhaltende Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht. Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaube, beschränke sich - bezogen auf das Ergebnis - die materielle Kontrolle darauf, ob die Leistungen evident unzureichend seien. Entsprechend prüfte das BVerfG, ob die damals geltenden Sätze "offensichtlich unzureichend" waren (vgl. ebenso die Entscheidung des BVerfG vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, BVerfGE 132, 134 zur Höhe der Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz). Jenseits dieser Evidenzkontrolle überprüfe das Bundesverfassungsgericht, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen seien. Das Bundesverfassungsgericht setze sich dabei nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers, sondern überprüfe lediglich die gesetzgeberischen Festlegungen zur Berechnung von grundgesetzlich nicht exakt bezifferbaren, aber grundrechtlich garantierten Leistungen. Ließen sich diese nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stünden sie mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (Beschluss des BVerfG zur Ermittlung des existenzsichernden Regelbedarfs nach dem SGB II und dem SGB XII vom 23. Juli 2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13, BVerfGE 137, 34).
2.2 Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG hat das Gericht ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG bei der Festsetzung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlages für den Veranlagungszeitraum 2014. Bei der im Verfahren der Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung ist der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum in § 32 Abs. 6 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Fassung aus mehreren Gründen evident zu niedrig:
a) Der Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum ist im Veranlagungszeitraum 2014 um jährlich € 72 zu niedrig. Dies ist evident, weil schon aus dem Neunten Existenzminimumbericht hervorgeht, dass der Freibetrag nicht wie in den Vorjahren € 4.368, sondern € 4.440 betragen müsste. Der Neunte Existenzminimumbericht führt in Ziffer 6.1 aus, ab dem Veranlagungszeitraum 2014 sei auch eine Erhöhung des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) erforderlich. Die Bundesregierung werde dies rechtzeitig gesetzgeberisch auf den Weg bringen. In Ziffer 6.4. führt der Bericht aus, "dass mit den geltenden steuerlichen Regelungen und den noch vorgesehenen Gesetzesänderungen in den Jahren 2013 und 2014 den verfassungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der steuerfrei zu stellenden Existenzminima von Erwachsenen und Kindern entsprochen wird." (Markierung durch das Gericht). An die selbst getroffenen Feststellungen und Vorgaben hat sich der Gesetzgeber nicht gehalten und es - im Hinblick auf die Äußerungen in Ziffer 6.4. des Existenzminimumberichts - sehenden Auges hingenommen, dass der Kinderfreibetrag für 2014 nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (vgl. zur Erforderlichkeit der Anhebung auch Loschelder in Schmidt, Kommentar zum EStG 34. Aufl. 2015 § 32 EStG Rz. 4).
Aus welchen - sachlichen - Gründen von der im Neunten Existenzminimumbericht selbst für verfassungsmäßig geboten erachteten und angekündigten Anhebung des Kinderfreibetrages für den Veranlagungszeitraum abgesehen wurde, ist nicht ersichtlich. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort vom 16. Januar 2015 (BT-Drucksache 18/3767) auf eine Anfrage der Abgeordneten Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 25. November 2014 zur steuerlichen Entlastung von Familien und der aus dem Neunten Existenzminimumbericht verfassungsrechtlich gebotenen, bislang unterbliebenen Anpassung der Kinderfreibeträge und des Kindergeldes für den Veranlagungszeitraum 2014 (BT-Drucksache 18/3335) erklärt, die Bundesregierung habe nach einem Beschluss des Deutschen Bundestages alle zwei Jahre über die Entwicklung der steuerfrei zu stellenden Existenzminima von Erwachsenen und Kindern zu berichten (Bundestagsdrucksache 13/1558). In Kürze werde der Zehnte Existenzminimumbericht vorgelegt. Anschließend werde zu prüfen sein, in welcher Form diesem Ergebnis Rechnung getragen werde. Die Umsetzung einer im Hinblick auf das steuerfrei zu stellende Existenzminimum eines Kindes erforderlichen Anpassung des Kinderfreibetrages werde in zeitlicher Hinsicht gewährleisten, dass das Kinderexistenzminimum in den betroffenen Veranlagungsjahren steuerlich verschont werde.
In den Gesetzentwürfen der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags) vom 27. März 2015 (BT-Drucksache 122/15) und vom 20. April 2015 (BT-Drucksache 18/4649) führt die Bundesregierung unter A. Problem und Ziel lediglich aus, dass nach dem Zehnten Existenzminimumbericht vom 30. Januar 2015 (BT-Drucksache 18/3893) inden Veranlagungsjahren 2015 und 2016 sowohl beim Grundfreibetrag (derzeit 8.354 Euro) als auch beim Kinderfreibetrag (derzeit 4.368 Euro) Erhöhungsbedarf bestand. Unter B. Lösung wird ausgeführt, mit dem Gesetz werde die verfassungsrechtlich gebotene Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags für die Jahre 2015 und 2016 entsprechend den Vorgaben des Zehnten Existenzminimumberichts sichergestellt. Zu der nach dem Neunten Existenzminimumbericht als verfassungsrechtlich geboten angekündigten Erhöhung des Kinderfreibetrages für den Veranlagungszeitraum 2014 enthalten die Gesetzentwürfe keine Ausführungen.
Die Stellungnahme des Bundesrates hierzu vom 8. Mai 2015 (BT-Drucksache 122/15) problematisiert die erst ab dem Veranlagungszeitraum 2015 vorgesehene Anhebung des Kinderfreibetrages nicht, entsprechend ist dies auch in der Gegenäußerung des Bundesregierung hierzu vom 26. Mai 2015 (BT-Drucksache 18/5011) nicht der Fall. Auch die Beschlussempfehlung und der Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu den Gesetzentwürfen vom 17. Juni 2015 (BT-Drucksache 18/5244) enthält keine Äußerungen bezüglich des Veranlagungszeitraums 2014.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags (BT-Drucksache 18/4649) vorgesehene Anhebung des Kinderfreibetrages erst ab dem Veranlagungszeitraum 2015 wurden in der öffentlichen Anhörung der 43. Sitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 20. Mai 2015 von den befragten Sachverständigen ausdrücklich erklärt, worauf die Antragstellerin zutreffend hingewiesen hat (vgl. das Protokoll der Anhörung Nr. 18/43). Die Sachverständigen haben dabei u.a. geäußert, dass es nicht folgerichtig (und damit verfassungswidrig) sei, wenn die Freibeträge regelmäßig nach Maßgabe der Feststellungen in den Existenzminimumberichten angepasst werden und dies nur für den Veranlagungszeitraum 2014 nicht erfolge. Das Gericht teilt diese Auffassung. Die geäußerten Bedenken sind soweit ersichtlich nicht weiter problematisiert und berücksichtigt worden. Aus welchen sachlichen Gründen nur für den Veranlagungszeitraum 2014 abweichend vom Existenzminimumbericht der Kinderfreibetrag nicht auf das selbst als verfassungsrechtlich geboten festgestellte Maß angehoben wurde, ist nicht ersichtlich.
Die unterbliebene Erhöhung des Kinderfreibetrages für den Veranlagungszeitraum 2014 um € 72 kann zur Überzeugung des Gerichts auch nicht als geringfügig vernachlässigt werden. Die nach den Existenzminimumberichten anzusetzenden steuerlichen Freibeträge stellen nach dem Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174) bereits Mindestbeträge dar, die zwar überschritten, aber nicht mehr unterschritten werden dürfen. Angesichts dessen, dass das Kindergeld und andere Sozialleistungen regelmäßig nur um einige € monatlich erhöht werden, wäre es zudem nicht folgerichtig, den Steuer zahlenden Steuerpflichtigen eine verfassungsrechtlich gebotene Anpassung eines Freibetrages um € 72 pro Kind mit der Begründung zu verweigern, diese könne als geringfügig unterbleiben.
Schlussendlich geht auch die Finanzverwaltung nach Aktenlage davon aus, dass insoweit ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung bestehen, wie die nach dem Ergebnis der Besprechung der AO-Referatsleiter insoweit zu gewährende Aussetzung der Vollziehung zeigt.
b) Auch soweit der Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum auf dem errechneten Durchschnittsbetrag basiert und unter dem im Existenzminimumbericht selbst festgesetzten sozialhilferechtlichen Existenzminimum - Regelsatz - liegt, ist dieser zur Überzeugung des Gerichts bei summarischer Prüfung evident unzureichend.
aa) Folgt man der Rechenmethode eines gewichteten Durchschnittsbetrages (an deren Verfassungsmäßigkeit das Gericht ernstliche Zweifel hat, siehe nachstehend unter bb), steht bereits die Ermittlung des Durchschnittsbetrages nicht folgerichtig im Einklang mit der gesetzlichen Bestimmung der nach § 32 EStG berücksichtigungsfähigen Kinder.
Der Existenzminimumbericht ermittelt die Höhe des Existenzminimums eines Erwachsenen, der gemäß § 32 Abs. 4 EStG bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist, nicht bzw. nicht gesondert von anderen Erwachsenen. Das Gesetz selbst sieht in § 32 Abs. 4 EStG vor, dass auch Volljährige unter den dort genannten Voraussetzungen steuerlich als Kind zu berücksichtigen sind. Dass die Voraussetzungen der Berücksichtigung als Kind vorliegen, stellt, wie bereits oben angeführt, keine Ausnahme dar. Nahezu jedes Kind, das das Abitur macht - das ist ein nicht unerheblicher Anteil von Kindern - , ist oder wird kurze Zeit danach volljährig und setzt danach seine Ausbildung fort oder bemüht sich darum. Eine erhebliche Anzahl von Kindern sucht nach Beendigung des Schulbesuchs einen Ausbildungsplatz oder bewirbt sich auf einen Studienplatz. Eine erhebliche Anzahl von Kindern absolvieren nach Beendigung des Schulbesuchs eine Ausbildung oder ein Studium. Eine Ausbildung dauert im Regelfall mindestens zwei, häufig drei Jahre, sodass Kinder in Ausbildung regelmäßig volljährig und gemäß § 32 Abs. 4 EStG als Kind zu berücksichtigen sind. Auch (nahezu) alle Kinder, die studieren, haben das 18. Lebensjahr vollendet. Auch beschäftigungslose erwachsene Kinder sind unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres als Kind zu berücksichtigen. Wenn der Gesetzgeber aber für einen erheblichen Anteil von Erwachsenen die Berücksichtigung als Kind - und entsprechend den Anspruch auf Kindergeld bzw. einen Kinderfreibetrag - vorsieht, ist es nicht folgerichtig, wenn er zur Ermittlung der Höhe des Freibetrages - bzw. zur Ermittlung des hierfür errechneten Durchschnittsbetrages - nur den (niedrigeren) Bedarf von Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zugrunde legt.
Folgerichtig zur Berücksichtigungsfähigkeit und tatsächlichen Berücksichtigung von erwachsenen Kindern gemäß § 32 Abs. 4 EStG wären in die Errechnung des gewichteten Durchschnittsbetrages auch Kinder zumindest bis zum 25. Lebensjahr (selbst unter Außerachtlassung behinderter Kinder, die weit darüber hinaus berücksichtigt werden können) und deren Bedarf einzubeziehen. Da der Gesetzgeber im Existenzminimumbericht einen gesonderten Bedarf von erwachsenen Kindern nicht ermittelt hat (siehe hierzu nachstehend unter cc), wäre bei summarischer Prüfung der im Existenzminimumbericht für Erwachsene festgestellte Regelbedarf - da die überwiegende Mehrzahl der erwachsenen Kinder alleinstehend sind, der Regelbedarf für Alleinstehende - heranzuziehen. Dieser ist im Neunten Existenzminimumbericht für den Veranlagungszeitraum 2014 festgestellt mit € 4.680 (= monatlich € 390).
Die Ermittlung des gewichteten durchschnittlichen monatlichen Regelbedarfs eines Kindes im Sinne des § 32 Abs. 4 EStG ergäbe sich demgemäß unter folgerichtiger Einbeziehung aller nach § § 32 Abs. 4 EStG berücksichtigungsfähiger und auch tatsächlich in erheblichem Umfang berücksichtigter Kinder zumindest bis zum 25. Lebensjahr in Anlehnung an die Übersicht 3 im Existenzminimumbericht wie folgt:
Lebensalter des Kindes | Anzahl der Lebensjahre | Betrag pro Monat in € | Anzahl x Betrag |
---|---|---|---|
bis unter 6 | 6 | 229 | 1.374 |
von 6 bis unter 14 | 8 | 260 | 2.080 |
von 14 bis unter 18 | 4 | 295 | 1.180 |
von 18 bis unter 25 | 7 | 390 | 2.730 |
Summe für steuerlich berücksichtigungsfähige Kinder im Sinne des § 32 Abs. 1, Abs. 4 EStG im Alter von 0 bis unter 25 Jahren (unter Außerachtlassung älterer, behinderter Kinder) | 7.364 | ||
Durchschnittswert je Kinder (Summe / 25) | 295 |
Dies ergibt einen gewichteten durchschnittlichen Regelsatz von jährlich € 3.540, der um € 444 über dem im Neunten Existenzminimumbericht angesetzten durchschnittlichen Regelsatz von € 3.096 liegt. Der nach dem Neunten Existenzminimumbericht anzusetzende steuerliche Freibetrag von € 4.440 müsste damit bei folgerichtiger Ermittlung - wenn schon ein Durchschnittswert und ein einheitlicher Freibetrag für alle steuerlich berücksichtigten Kinder unabhängig vom Alter angesetzt werden soll - für alle Kinder um jährlich € 444 höher sein (zusätzlich zu der nicht umgesetzten Erhöhung um € 72, um die das im Neunten Existenzminimumbericht ermittelte sächliche Existenzminimum den steuerlichen Freibetrag im Veranlagungszeitraum 2014 übersteigt).
bb) Aus dem Existenzminimumbericht geht hervor, das für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr der zur Ermittlung des steuerlichen Freibetrages für das sächliche Existenzminimum angesetzte Regelsatz von monatlich € 258 niedriger ist der jeweilige Regelsatz in der Altersstufe der Kinder von 6 bis unter 14 Jahren (monatlich € 260) und für Kinder von 14 bis unter 18 Jahren (monatlich € 295). Der steuerliche Freibetrag ist bei summarischer Prüfung evident unzureichend, weil im Existenzminimumbericht selbst zuvor ein höherer Regelbedarf für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr als Existenzminimum ermittelt ist und - wenn kein Einkommen erzielt würde - in dieser Höhe (bzw. sogar teilweise um 1 € höher) ein Anspruch auf Sozialleistungen im Veranlagungszeitraum 2014 besteht.
Für die jüngere (1998 geborene) Tochter der Antragstellerin bedeutet dies, dass der im Neunten Existenzminimumbericht angesetzte durchschnittliche Regelsatz von € 3.096 (monatlich € 258) den für ihre Altersgruppe festgestellten Regelsatz von monatlich € 295 (jährlich € 3.540) um jährlich € 444 übersteigt (€ 3.540 ./. € 3.096); insoweit ist das Existenzminimum der Tochter steuerlich nicht freigestellt.
Das BVerfG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Existenzminimum nicht besteuert werden darf. In seiner Entscheidung vom 10. November 1998 zur Höhe der Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG im Veranlagungszeitraum 1987 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 [BVerfG 10.11.1998 - 2 BvL 42/93], [BVerfG 10.11.1998 - 2 BvL 42/93] BStBl II 1999, 174) führt das BVerfG aus, Art. 6 Abs. 1 GG gebiete, bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei zu belassen. Dabei bilde das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden dürfe.
Bereits in seiner Entscheidung vom 25. September 1992 (2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) führt das BVerfG aus, soweit der Gesetzgeber im Sozialhilferecht den Mindestbedarf bestimmt habe, den der Staat bei einem mittellosen Bürger im Rahmen sozialstaatlicher Fürsorge durch Staatsleistungen zu decken hat, dürfe das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum diesen Betrag jedenfalls nicht unterschreiten. Der Steuergesetzgeber müsse dem Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezügen zumindest das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stelle.
Die Begründung in Ziffer 5.1.1 des Neunten Existenzminimumberichts, die sozialhilferechtlichen Regelbedarfe für Kinder seien altersabhängig und könnten eventuell regional verschieden sein, deshalb würden die altersabhängigen Unterschiede für die Ermittlung des steuerfrei zu stellenden Betrages durch die Berechnung eines nach Lebensjahren gewichteten durchschnittlichen Regelbedarfs berücksichtigt, steht im Widerspruch dazu, dass der Bericht selbst die altersabhängigen Unterschiede bei der Ermittlung des Regelbedarfs in der Weise berücksichtigt, dass er für unterschiedliche Altersstufen einen unterschiedlich hohen Regelbedarf feststellt. Dieser nach Altersstufen unterschiedlich hohe Regelbedarf ist bereits eine Typisierung, die von regionalen und individuellen Besonderheiten absieht. Entsprechend besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen für Kinder ab Vollendung des 6. Lebensjahres nicht nur in Höhe des gewichteten durchschnittlichen Regelsatzes, sondern in Höhe des für ihre jeweilige Altersstufe festgestellten Regelbedarfs (bzw. zum Teil 1 € höher). Der altersgestaffelt festgestellte Regelbedarf stellt bereits eine Durchschnittsberechnung unter Außerachtlassung unterschiedlicher Lebenshaltungskosten aufgrund regionaler Unterschiede und individueller Verhältnisse dar. Die weitere Durchschnittsberechnung führt zur Unterschreitung des Existenzminimums.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Typisierung grundsätzlich zulässig. Deren Untergrenze ist jedoch das Existenzminimum. Eine Typisierung, die zu einer steuerlichen Freistellung nur unterhalb des Existenzminimums führt, ist bei summarischer Prüfung nicht verfassungsgemäß. Das BVerfG hat bereits in seiner Entscheidung vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653) ausgeführt, ein einheitlicher Betrag für die steuerliche Freistellung sei zulässig, müsse allerdings so bemessen werden, dass er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecke. Der Gesetzgeber dürfe sich insoweit nicht an einem unteren Grenzwert oder an einem Durchschnittswert orientieren, der in einer größeren Zahl von Fällen nicht ausreichen würde. Er dürfe bei der steuerlichen Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen nicht realitätsfremde Grenzen ziehen (so auch das BVerfG in seiner Entscheidung vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174). Auch in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, BFH/NV 2008, Beilage 3, 228) führt das BVerfG unter Hinweis auf den Beschluss vom 29. Mai 1990 aus, dass der Gesetzgeber bei einer typisierenden Regelung Sorge zu tragen habe, dass typisierende Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken.
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt die Typisierung durch Ansatz des errechneten Durchschnittsbetrages von monatlich € 258 bei summarischer Prüfung nicht, weil sie für die überwiegende Anzahl der Kinder - die Mehrzahl der steuerlich zu berücksichtigenden Kinder ist älter als 6 Jahre - dazu führt, dass eine Besteuerung des Einkommens in Höhe ihres Existenzminimums erfolgt und in einer Höhe, in der ohne Einkommen ein Anspruch auf Sozialleistungen bestünde. Der Gesetzgeber hat durch die Durchschnittsberechnung als Grundlage der Ermittlung des Freibetrages für das sächliche Existenzminimum strukturell in Kauf genommen, dass bei allen Kindern ab dem 6. Lebensjahr eine Besteuerung auch im Bereich des Existenzminimums erfolgt und in einem Einkommensbereich, in dem ohne Einkommen bereits ein Anspruch auf Sozialleistungen bestünde. Dies überschreitet bei summarischer Prüfung die verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen.
Die Feststellung des altersgestaffelten Regelbedarfs eines Kindes in den Altersstufen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und des Regelbedarfs eines Erwachsenen im Existenzminimumbericht selbst belegt, dass ein einheitlicher Durchschnittswert die verschiedenen Bedarfsgruppen nicht realitätsgerecht erfasst. Anders als bezüglich des Preisgefälles auf dem Wohnungsmarkt, auf den das BVerfG in seinem Beschluss vom 25. September 1992 (2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) zum Ansatz eines Freibetrags am unteren Wert verweist, stellt der unterschiedlich hohe Regelbedarf von Kindern in unterschiedlichem Alter und von Erwachsenen keinen Sonder- sondern den Regelfall war, weil jedes lebendige Kind älter und schließlich erwachsen wird und sich dadurch sein Bedarf regelmäßig erhöht. Das BVerfG führt aus, "in einem Sonderfall dieser Art" - des damaligen erheblichen Preisgefälles auf dem Wohnungsmarkt - sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, sich bei der Bemessung des Grundfreibetrags insoweit an einem unteren Wert zu orientieren, wenn er zugleich zur ergänzenden Deckung des Bedarfs nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie etwa ein Wohngeld, zur Verfügung stelle. Beim Abzug des für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr unter ihrem Regelbedarf liegenden Freibetrages für das sächliche Existenzminimum besteht kein Anspruch auf ergänzende Sozialleistungen, sofern nicht das Gesamteinkommen unter den nach dem SGB II oder dem SGB XII maßgeblichen Grenzen liegt. Dann bestünde aber ohnehin einkommensteuerlich kein Anspruch auf den Abzug des steuerlichen Freibetrages, weil das Kindergeld günstiger wäre.
In seiner Entscheidung vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91,93, BStBl II 1994, 909 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88]) legt das BVerfG für die Gegenüberstellung des steuerlichen Kinderfreibetrags und des in einen Freibetrag umgerechneten Kindergeldanspruchs mit dem Existenzminimum eine Typisierung - unter Ansatz eines Durchschnittssatzes des auch nach Altersstufen unterschiedlichen Sozialhilfebedarfs - zugrunde. Bei Richtwerten, wie sie dort nach der Berechnung des Bundesministers zum Vergleich herangezogen würden, könne die Verfassungswidrigkeit einer bestehenden Regelung noch nicht festgestellt werden, wenn diese Richtwerte um weniger als 15 vom Hundert unterschritten würden (vgl. auch BFHE 171, 534 [BFH 16.07.1993 - III R 206/90] <545>). Diese Abweichung sei angesichts der in Rechnung zu stellenden Unsicherheiten der Richtwerte noch hinnehmbar. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei anerkannt, dass bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein könnten. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssten hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betreffe und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei (vgl. BVerfGE 79, 87 [BVerfG 09.11.1988 - 1 BvL 22/84] <100>; st. Rspr.).
Das BVerfG führt in seiner Entscheidung vom 14. Juni 1994 unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 25. September 1992 (2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) allerdings auch aus, dass das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum jedenfalls den Mindestbedarf, den der Gesetzgeber im Sozialrecht festgelegt habe, nicht unterschreiten dürfe.
Das systematische Unterschreiten des zuvor im Existenzminimumbericht selbst ermittelten Existenzminimums für sämtliche Kinder ab dem 6. Lebensjahr stellt keinen Einzelfall dar, sondern betrifft im Bereich des Einkommensteuerrechts sämtliche Steuerpflichtige mit Kindern ab dem 6. Lebensjahr, für die der Abzug des Kinderfreibetrags günstiger ist als das Kindergeld und im Bereich des Solidaritätszuschlages sämtliche Steuerpflichtige mit Kindern, die den Solidaritätszuschlag zahlen. Es betrifft damit nicht nur eine kleine Zahl von Personen, sondern den überwiegenden Anteil der Steuerpflichtigen mit Kindern im Sinne des § 32 EStG. Die Ermittlung des Regelbedarfs nach Altersgruppen stellt bereits eine Ermittlung eines durchschnittlichen Bedarfs dar. Entsprechend besteht Anspruch auf Sozialleistungen nach Maßgabe des altersgestaffelt festgestellten Regelbedarfs. Aus welchen - sachlichen - Gründen eine Unterschreitung des festgestellten sozialhilferechtlichen Mindestbedarfs (Regelsatzes) durch den steuerlichen Freibetrag für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr gerechtfertigt ist, ist für das Gericht bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich. Für erwachsene Kinder unterschreitet zudem der unter Ansatz des durchschnittlichen Regelsatzes von monatlich € 258 sich ergebende Freibetrag (Summe der Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG im Veranlagungszeitraum 2014 € 7.008 = monatlich € 584) um mehr als 15 % den gemäß § 32a EStG für Erwachsene geltenden Grundfreibetrag von € 8.354 (= monatlich 696).
Das BVerfG weist in seiner Entscheidung vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174) zu der nach der Entscheidung des BVerfG vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91,93, BStBl II 1994, 909 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88]) zulässigen Toleranz von 15 % zutreffend darauf hin, dass der Toleranzwert u.a. mit dem Umstand begründet wurde, der Wohnbedarf sei bei den herangezogenen Richtwerten nach der Pro-Kopf-Methode berechnet worden. Dagegen wurde bei der Berechnung der Bedarfswerte des Jahres 1987 - wie auch im Neunten Existenzminimumbericht für den Veranlagungszeitraum 2014 - die Mehrbedarfsmethode zugrunde gelegt. Den Bedarfszahlen lägen damit nicht durchschnittliche Richtwerte, sondern nur der existenznotwendige Mindestbedarf zugrunde. Das BVerfG führt in der Entscheidung vom 10. November 1998 aus, diese Bedarfsgrößen zur Feststellung der Existenzminima seien "jeweils nur statistisch belegte M i n d e s t beträge, die deshalb zwar überschritten, aber nicht mehr unterschritten werden dürfen". Das Gericht folgt dieser Auffassung.
In der Entscheidung vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 [BVerfG 13.02.2008 - 2 BvL 1/06], BFH/NV 2008, Beilage 3, 228 [BFH 05.06.2007 - VII R 30/06]) führt das BVerfG aus, die Grenzen einer zulässigen Typisierung seien hinsichtlich der Beiträge zur privaten Krankenversicherung der Kinder "offensichtlich überschritten", wenn unter Berufung auf die Beitragsfreiheit von ca. 90% aller Kinder aufgrund der Familienversicherung nach § 10 SGB V alle privat krankenversicherten Kinder vollständig "hinwegtypisiert" würden. Das BVerfG hält mithin die unzureichende steuerliche Freistellung des Existenzminimums im Bereich der Krankenversicherungsbeiträge für ca. 10 % der Kinder für so erheblich, dass dies zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung führt.
Eine Grenze von 10 % ist hinsichtlich der Kinder ab Vollendung ihres 6. Lebensjahres weit überschritten. Da sich die Geburtenrate in den letzten Jahren nicht massiv erhöht hat, überwiegt bei den gemäß § 32 EStG zu berücksichtigenden Kindern der Anteil der Kinder, die bereits das 6. Lebensjahr vollendet haben und für die bei der Bemessung des Kinderfreibetrages für das sächliche Existenzminimum ein Betrag angesetzt wird, der unter ihrem sozialhilferechtlichen Mindestbedarf (Regelsatz) liegt. Der nach einem durchschnittlichen Regelsatz bemessene typisierende Kinderfreibetrag deckt deshalb in der überwiegenden Zahl der Fälle den entsprechenden Bedarf nicht ab. Dies ist bei summarischer Prüfung nicht mehr durch eine zulässige Typisierung abgedeckt.
Besondere Gründe, welche die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, die in der Außerachtlassung des Existenzminimums bei der Besteuerung von Steuerpflichtigen mit unterhaltsbedürftigen - gemäß § 32 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden - Kindern ab der Vollendung ihres 6. Lebensjahres liegen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere stellt die Vereinfachung, die sich dadurch ergibt, dass für alle steuerlich zu berücksichtigenden Kinder ein einheitlicher Freibetrag anzusetzen ist, keine ausreichende Rechtfertigung dafür dar, dass Steuerpflichtige Steuern auf Einkommen auch zu zahlen haben, soweit das Existenzminimum ihrer Kinder den steuerlichen Freibetrag übersteigt und auf Einkommen, in dessen Höhe bedürftige Steuerpflichtige bereits einen Anspruch auf Sozialleistungen haben.
Die verfassungsrechtlich gebotene Steuerfreistellung des Existenzminimums ist zur Überzeugung des Gerichts deutlich höher zu bewerten, als die Vereinfachung durch einen einheitlich hohen Kinderfreibetrag, die durch entsprechende Programmierung ausgeglichen werden kann. Die Antragstellerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Geburtsdaten der Kinder gespeichert sind. Ebenso wie das altersbedingte Ende der Berücksichtigung eines Kindes programmmäßig gesteuert zur zeitanteiligen Berücksichtigung (§ 32 Abs. 6 Satz 5 EStG) eines Kinderfreibetrages in einem Veranlagungszeitraum umgesetzt wird, können unterschiedlich hohe, lediglich am Geburtstag des Kindes orientierte Kinderfreibeträge bei der Besteuerung programmmäßig umgesetzt werden. Bei der einzelnen Sachbearbeitung im FA entsteht dadurch kein zusätzlicher Arbeitsaufwand. Bei den - zahlenmäßig geringeren - Fällen, dass das Kind in einem Wohnsitzstaat lebt, in dem die Lebenshaltungskosten niedriger sind, sieht der Gesetzgeber von der Vereinfachung durch einen einheitlichen Freibetrag ab. Für ein nicht nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können gemäß § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 EStG nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaats notwendig und angemessen sind. Sachliche Gründe für die unterschiedliche Anwendung einer Vereinfachungsregel kann das Gericht bei summarischer Prüfung nicht erkennen.
Etwaige fiskalische Gründe oder ein hohes Einkommen der Steuerpflichtigen rechtfertigen eine zu niedrige steuerliche Freistellung des Existenzminimums nicht. Das BVerfG führt in der Entscheidung vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653) unter C III 3 c) aus:
aa) "Die Dringlichkeit einer Haushaltssanierung kommt als Rechtfertigung nicht in Betracht. Der Finanzbedarf des Staates ist nicht geeignet, eine verfassungswidrige Steuer zu rechtfertigen (BVerfGE 6, 55 [BVerfG 17.01.1957 - 1 BvL 4/54] <80>). Auch wenn der Staat auf Einsparungsmaßnahmen angewiesen ist, muß er auf die gerechte Verteilung der Lasten achten.
bb) Eine Regelung, die das Existenzminimum bei der Besteuerung von Steuerpflichtigen mit unterhaltsbedürftigen Kindern außer acht läßt, ist auch nicht mit sozialpolitischen Erwägungen zu rechtfertigen. Das gilt selbst dann, wenn die Regelung lediglich Steuerpflichtige mit überdurchschnittlichem Einkommen trifft."
Diese Ausführungen gelten zur Überzeugung des Gerichts auch in dem Fall, in dem das Gesetz das Existenzminimum der Kinder in der überwiegenden Anzahl der Fälle (für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr) in nicht realitätsgerechter zu niedriger Höhe steuerlich freistellt.
cc) Für volljährige Kinder ergeben sich zusätzlich ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung, weil der Gesetzgeber die einmal in § 32 Abs. 4 EStG getroffene Entscheidung, auch volljährige Kinder unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich für das Kindergeld und den Kinderfreibetrag als Kind zu berücksichtigen, nicht folgerichtig umgesetzt hat.
aaa) Wenn der Gesetzgeber das Existenzminimum für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ermittelt und der Höhe des Freibetrages für Kinder im Sinne des § 32 EStG zugrunde legt, muss er folgerichtig auch das Existenzminimum für gemäß § 32 Abs. 4 EStG zu berücksichtigende Kinder ab Vollendung des 18. Lebensjahres ermitteln. Erwachsene haben einen anderen Bedarf als Kinder. Auch dann, wenn sie sich z.B. in Ausbildung befinden und deshalb steuerlich als Kind zu berücksichtigen sind oder als Beschäftigungslose die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllen, sind sie keine nur etwas größer geratenen Kinder. Dies wird besonders deutlich, wenn auch die Erwachsenen einbezogen werden, die die Voraussetzungen der Berücksichtigung als behindertes Kind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG erfüllen und ein deutlich höheres Lebensalter und damit einen anders gearteten Bedarf haben als minderjährige Kinder. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 (1BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175) zur Ermittlung der Regelsätze nach dem SGB II für Kinder nach einem Prozentsatz des für Erwachsene geltenden Regelsatzes entschieden, diese Methode sei nicht vertretbar. Es führt unter C II 6 a aus: "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Ihr Bedarf, der zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums gedeckt werden muss, hat sich an kindlichen Entwicklungsphasen auszurichten und an dem, was für die Persönlichkeitsentfaltung eines Kindes erforderlich ist. Der Gesetzgeber hat jegliche Ermittlungen hierzu unterlassen. Sein vorgenommener Abschlag von 40 % gegenüber der Regelleistung für einen Alleinstehenden beruht auf einer freihändigen Setzung ohne irgendeine empirische und methodische Fundierung."
Diese Feststellungen gelten zur Überzeugung des Gerichts auch im umgekehrten Fall zur Ermittlung des Bedarfs eines Erwachsenen. Zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums für einen als Kind gemäß § 32 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Erwachsenen hat der Gesetzgeber keine Ermittlungen zur Höhe des Existenzminimums angestellt, sondern wendet den für eine Vergleichsgruppe mit anders geartetem Bedarf - minderjährige Kinder - sich ergebenden Durchschnittsbetrag an. Diese Methode ist bei summarischer Prüfung weder sachgerecht noch folgerichtig und damit nicht mehr vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Der Existenzminimumbericht selbst enthält bereits keine Behauptung dahingehend, dass dieser Durchschnittsbetrag dem Bedarf eines gemäß § 32 Abs. 4 EStG als Kind zu berücksichtigenden Erwachsenen entspreche.
Die Antragstellerin trägt zu Recht vor, dass für ihre volljährige Tochter ein Freibetrag für das sächliche Existenzminimum, der unter dem Regelsatz eines Kindes ab dem Alter von 6 Jahren liegt (angesetzter Durchschnittsbedarf € 258, festgestellter Regelsatz für Kinder von 6 bis unter 14 Jahre bereits € 260, von 14 bis 18 Jahren € 295), offensichtlich unzureichend - und damit bei summarischer Prüfung verfassungswidrig - ist. Der Freibetrag von € 924 gemäß § 33a Abs. 2 EStG kann dabei nicht in die Betrachtung einbezogen werden, weil er der Abgeltung eines zusätzlichen Sonderbedarfs bei auswärtiger Unterbringung dient (vgl. auch BVerfG vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 unter C III 3 b zu § 33a Abs. 2 EStG).
bbb) Der Gesetzgeber hat das Existenzminimum für Erwachsene, die steuerlich nicht als Kind zu berücksichtigen sind, zur Feststellung des verfassungsrechtlich gebotenen Grundfreibetrages ermittelt; hieraus folgt der Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 EStG in Höhe von € 8.354 für den Veranlagungszeitraum 2014. Das Gericht hält es bei summarischer Prüfung für nicht folgerichtig, wenn
- das Existenzminimum zur steuerlichen Freistellung bei eigenem Einkommen eines gemäß § 32 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Kindes im Veranlagungszeitraum mit € 8.354 (Grundfreibetrag) angesetzt wird, bei der gemäß Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen steuerlichen Freistellung seines Existenzminimums bei den Eltern jedoch nur niedrigere Freibeträge in Höhe von zusammen € 7.008 angesetzt werden.
- zwangsläufige Unterhaltsaufwendungen der Eltern für ihr nicht nach § 32 Abs. 4 berücksichtigungsfähiges volljähriges Kind, das keine Einkünfte und Bezüge erzielt und kein Vermögen hat, gemäß § 33a Abs. 1 EStG mit Aufwendungen bis zur Höhe des Grundfreibetrages von € 8.354 im Veranlagungszeitraum 2014 steuerlich freigestellt werden, jedoch für dasselbe Kind, wenn es sich z.B. in Ausbildung befindet, noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und deshalb gemäß § 32 Abs. 4 EStG steuerlich als Kind zu berücksichtigen ist, ihre Aufwendungen nur mit den niedrigeren Freibeträgen gemäß § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von zusammen € 7.008 im Veranlagungszeitraum 2014 steuerlich freigestellt werden. Dies ist zusätzlich deshalb realitätsfremd, weil typisierend bei Kindern, die sich in Ausbildung befinden - mindestens bei studierenden Kindern ohne Ausbildungsvergütung - höhere zwangsläufige Aufwendungen anfallen als bei Kindern, die sich weder in Ausbildung oder in einer Beschäftigung befinden und von den Eltern unterhalten werden.
2.3 Die Vollziehung des Bescheides für 2014 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom ... 2015 ist deshalb aufzuheben:
a) Für die jüngere (1998 geborene) Tochter sind im Bescheid Freibeträge in Höhe von gesamt € 7.008 angesetzt. Hiervon entfallen auf den Freibetrag für das sächliche Existenzminimum € 4.368 und auf den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf € 2.640. Der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum ist bei summarischer Prüfung nach den Ausführungen unter Ziffer II 2 a) dieses Beschlusses um € 72 verfassungswidrig zu niedrig. Zusätzlich ist der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum nach den Ausführungen unter Ziffer II 2.2 b) um weitere € 444 zu niedrig. Mithin sind im summarischen Verfahren zur Aufhebung der Vollziehung für die jüngere Tochter die steuerlichen Freibeträge um € 516 zu erhöhen.
b) Für die ältere (1993 geborene, volljährige) Tochter sind im Bescheid Freibeträge in Höhe von gesamt € 7.008 angesetzt. Da der Existenzminimumbericht das sächliche Existenzminimum von erwachsenen Kindern nicht ermittelt, ist bei summarischer Prüfung das im Bericht für Erwachsene allgemein ermittelte Existenzminimum und der hieraus sich ergebende Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 EStG zugrunde zu legen. Das Gericht folgt insoweit nicht der Berechnung der Antragstellerin, die den Regelsatz für Erwachsene mit dem gewichteten Regelsatz für minderjährige Kinder aus dem Achten Existenzminimumbericht vergleicht, woraus nach ihrer Berechnung die im Veranlagungszeitraum 2014 angesetzten Freibeträge für ihre volljährige Tochter um jährlich € 1.692 zu niedrig seien, da der Neunte Existenzminimumbericht für Erwachsene, die steuerlich gemäß § 32 Abs. 4 EStG als Kind zu berücksichtigen sind, insoweit keinerlei Bedarfsermittlungen enthält. Nach dem Neunten Existenzminimumbericht (vgl. Übersicht 5) beträgt das sächliche Existenzminimum eines alleinstehenden Erwachsenen € 8.352 und für Ehepaare € 14.016 im Veranlagungszeitraum 2014. Der Gesetzgeber hat für den Veranlagungszeitraum 2014 sowohl für Alleinstehende als auch für Ehepaare das Existenzminimum mit der Regelung zum Grundfreibetrag in § 32a Abs. 1 EStG höher (mit jährlich € 8.354 bzw. über die Regelung in § 32a Abs. 5 EStG bei der Zusammenveranlagung für jeden Ehegatten mit 2 x € 8.354) steuerlich freigestellt. Das Gericht hält es bei summarischer Prüfung für verfassungsrechtlich geboten, in gleicher Höhe das Existenzminimum eines Erwachsenen, der gemäß § 32 Abs. 4 EStG als Kind zu berücksichtigen ist, steuerlich freizustellen. Andernfalls läge ein Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gleichbehandlungsgebot und das Gebot der Folgerichtigkeit vor (vgl. die Ausführungen unter II 2.2 b cc bbb dieses Beschlusses). Auch im Hinblick darauf, dass zwangsläufige Unterhaltsaufwendungen der Eltern für ihr nicht nach § 32 Abs. 4 berücksichtigungsfähiges volljähriges Kind, das keine Einkünfte und Bezüge erzielt und kein Vermögen hat, gemäß § 33a Abs. 1 EStG mit Aufwendungen bis zur Höhe des Grundfreibetrages von € 8.354 im Veranlagungszeitraum 2014 steuerlich freigestellt werden, wäre eine steuerliche Freistellung unter der Höhe des Grundfreibetrages für ein nach § 32 Abs. 4 steuerlich zu berücksichtigendes Kind bei summarischer Prüfung verfassungswidrig.
Mithin sind im summarischen Verfahren zur Aufhebung der Vollziehung für die ältere, volljährige Tochter die steuerlichen Freibeträge um € 1.346 (Grundfreibetrag € 8.354 ./. Freibeträge gesamt € 7.008) zu erhöhen.
c) Hieraus ergibt sich folgende Berechnung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlages für Zwecke der Aufhebung der Vollziehung:
Erhöhung der steuerlichen Freistellung für die jüngere Tochter um € 516, für die volljährige Tochter um € 1.346, gesamt € 1.862. Zu versteuerndes Einkommen bislang: € ..., abzüglich Minderung € 1.862 ergibt € .... Die Einkommensteuer hierauf beträgt laut dem interaktiven Abgabenrechner (Lohn- und Einkommensteuer) des Bundesministeriums der Finanzen im Veranlagungszeitraum 2014 € ... statt bislang € ... (Differenz € 782). Da bei der Einkommensteuerfestsetzung bereits die Kinderfreibeträge abgezogen sind, errechnet sich die Minderung des Solidaritätszuschlages unmittelbar aus der Einkommensteuerdifferenz: 5,5 % auf € 782 = € 43,01.
Das Gericht hebt mithin die Vollziehung des Bescheides für 2014 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag auf
- in Höhe von € 782 Einkommensteuer und
- in Höhe von € 43,01 Solidaritätszuschlag.
Den weitergehenden, auf anderen Berechnungen basierenden Antrag der Antragstellerin lehnt das Gericht aus den vorstehenden Gründen zur Ermittlung der im Verfahren der Aufhebung der Vollziehung anzusetzenden Freibeträge ab.
2.4 Soweit die Antragstellerin (ohne zusätzlichen bezifferten Antrag) einwendet, der im Existenzminimumbericht zur Ermittlung der Unterkunftskosten angesetzte Wohnraumbedarf eines Kindes sei gleichheitswidrig zu gering berücksichtigt, weil für eine dreiköpfige "intakte" Familie (Vater, Mutter, ein Kind, unabhängig ob ehelich oder nicht) ein höherer Wohnraumbedarf (60 + 12 = 72 m2, € 5.460 p.a.) als für eine dreiköpfige Alleinerzieherfamilie (Antragstellerin, zwei Kinder - 30 + 12 + 12 m2 = 54 m2, € 4.095) steuerlich freigestellt werde, kann das Gericht im vorliegenden summarischen Verfahren nicht mit der für eine Aufhebung der Vollziehung erforderlichen Sicherheit von der Verfassungswidrigkeit der Höhe des Freibetrages für das sächliche Existenzminimum, soweit dieser auf dem Ansatz der Unterkunftskosten beruht, ausgehen.
Bei summarischer Prüfung liegt es im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, einen unterschiedlichen (auch Wohnraum-) Bedarf zwischen Kindern und Erwachsenden zugrunde zu legen. Welcher Wohnraumbedarf für Alleinerziehende mit Kindern bei der Gewährung von Sozialleistungen als existenznotwendig angesetzt wird und ob bei einem etwaigen sozialleistungsrechtlichen Ansatz eines höheren Bedarfs als im Existenzminimumbericht zugrunde gelegt folgerichtig auch zur steuerlichen Freistellung der höhere Bedarf anzusetzen wäre, übersteigt den Rahmen des vorliegenden summarischen Verfahrens. Soweit volljährige Kinder einen höheren Wohnraumbedarf haben als minderjährige Kinder, ist das durch die Aufhebung der Vollziehung unter Ansatz des Grundfreibetrages gemäß § 32a EStG für die volljährige Tochter der Antragstellerin berücksichtigt.
Soweit die Antragstellerin anmerkt, dass (eigentlich) nicht nur das Existenzminimum, sondern ihre tatsächliche, deutlich höhere Unterhaltsverpflichtung ihren Kindern gegenüber steuerlich berücksichtigt werden müsste, folgt das BVerfG dieser Auffassung nicht. Bereits in seiner Entscheidung vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653) führt das BVerfG unter C III 3 d aus, weder aus Art. 3 Abs. 1 noch aus Art. 6 Abs. 1 GG folge, dass der Gesetzgeber die Unterhaltsleistungen für Kinder in der vollen Höhe des bürgerlichrechtlichen Unterhaltsanspruchs, der sich regelmäßig nach der Lebensstellung der Eltern bestimmt, berücksichtigen müsste. Es sei auch sachlich nicht geboten, die steuerliche Entlastung für kindesbedingte Aufwendungen am bürgerlichrechtlichen Unterhalt auszurichten und sie damit letztlich nach dem sozialen Status der einzelnen Familie zu bestimmen. In seiner Entscheidung vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, BFH/NV 2008, Beilage 3, 228) führt das BVerfG unter Hinweis auf die o.a. Entscheidung des BVerfG vom 29. Mai 1990 aus, aus verfassungsrechtlichen Gründen müssten nur die zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Lebensstandards erforderlichen Aufwendungen berücksichtigt werden, und zwar selbst dann, wenn der Steuerpflichtige faktisch oder rechtlich zu höheren Aufwendungen verpflichtet sei. Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums habe nicht den Sinn, die Kosten eines über dem Sozialhilfeniveau liegenden Lebensstandards über die Einkommensteuer auf die Allgemeinheit zu verteilen. Das Gericht teilt diese Auffassung. Nach den o.a. Entscheidungen des BVerfG ist es verfassungsrechtlich nur geboten, mindestens das Existenzminimum eines Kindes steuerlich freizustellen. Ob und ggf. in welchem Umfang der Gesetzgeber darüber hinaus kindbedingte Belastungen steuerlich freistellt, liegt im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.
Das Gericht lässt nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Beschwerde an den Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.