Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.12.2016, Az.: 7 K 83/16
Verfassungswidriger Abzug eines Freibetrages von 2.184 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes; Verfassungswidriger Abzug eines Freibetrages von 1.320 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes; Verstoß des Kinderfreibetrags gegen Kinderfreibetrag) gegen das Gebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums; Verstoß des Kinderfreibetrags gegen das Gleichbehandlungsgebot; Ansetzung zweier verschiedener Existenzminima für dieselbe Person bei behinderten Menschen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.12.2016
- Aktenzeichen
- 7 K 83/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 40369
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2016:1202.7K83.16.0A
Rechtsgrundlagen
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Das vorlegende Gericht hält die Regelung in § 32 Absatz (Abs.) 6 Sätze 1 bis 3 Einkommensteuergesetz (EStG), nach der bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2014 für jedes zu berücksichtigende Kind der Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 2.184 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1.320 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen werden - diese Beträge verdoppeln sich u.a. bei zusammen veranlagten Ehegatten oder bei einer verwitweten Steuerpflichtigen - für verfassungswidrig. Das vorlegende Gericht setzt deshalb das Verfahren aus und holt gemäß Artikel (Art.) 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ein.
- 2.
Das vorlegende Gericht ist davon überzeugt, dass die in § 32 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 EStG bestimmte Höhe des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum (Kinderfreibetrag) gegen das aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG abzuleitende Gebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums der Steuerpflichtigen und ihrer unterhaltsberechtigten Familie und gegen das Gleichbehandlungsgebot verstößt, weil die typisierende Regelung dieses Freibetrags, dem ein nach Lebensaltern gewichteter Durchschnittsbetrag der sozialrechtlichen Regelsätze für Kinder von der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zugrunde liegt, in einer Vielzahl von Fällen (für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr) den entsprechenden Bedarf (das sächliche Existenzminimum) dieser Kinder nicht abdeckt.
- 3.
Der monatliche sozialrechtliche Regelsatz betrug im Jahr 2014: eines Kindes im Alter bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres EUR 229 eines Kindes im Alter von 6 bis unter 14 Jahren EUR 261eines Kindes im Alter von 14 bis unter 18 Jahren EUR 296eines erwachsenen (volljährigen) Kindes ohne eigenen Haushalt EUR 313eines mit einer anderen erwachsenen Person in einem gemeinsamen Haushalt lebenden erwachsenen Kindes EUR 353 eines erwachsenen Kindes, das einen eigenen Haushalt führt EUR 391. Der von der Bundesregierung im Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2014 (Neunter Existenzminimumbericht) als im Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum in § 32 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 EStG anzusetzende Betrag ist monatlich EUR 258. Dieser (tatsächlich für 2014 im Kinderfreibetrag nicht in voller Höhe berücksichtigte) Betrag wäre zur Überzeugung des vorlegenden Gerichts für alle Kinder ab Vollendung des 6. Lebensjahres evident zu niedrig, da er unter deren sozialrechtlichem Regelbedarf liegt. Er trägt der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen mit älteren Kindern (ab Vollendung des 6. Lebensjahres) gegenüber Steuerpflichtigen ohne Kinder und gegenüber Steuerpflichtigen mit Kindern in einer niedrigeren Altersstufe nicht Rechnung.
- 4.
Das vorlegende Gericht ist davon überzeugt, dass § 32 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 EStG auch deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen, weil sie das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit verletzen, da zur Ermittlung des auch für volljährige Kinder geltenden Kinderfreibetrages der - gegenüber minderjährigen Kindern anders geartete - Bedarf volljähriger Kinder nicht ermittelt worden ist. Das betrifft sowohl die im sozialrechtlichen Regelsatz berücksichtigten laufenden Lebenshaltungskosten als auch den zusätzlich zu berücksichtigenden Bildungs- und Teilhabebedarf.Die Nichtermittlung des Bedarfs volljähriger Kinder steht im Widerspruch dazu, dass das EStG die einkommensteuerliche Berücksichtigung von Kindern auch über das 18. Lebensjahr hinaus vorsieht, wenn die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG vorliegen. Das betrifft z.B. unter 25 Jahre alte volljährige Kinder in der Ausbildung oder auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder - ohne Altersgrenze - volljährige behinderte Kinder mit Eintritt der Behinderung vor dem 25. Lebensjahr, die sich behinderungsbedingt nicht selbst unterhalten können. Kinder, die über das 18. Lebensjahr hinaus einkommensteuerlich zu berücksichtigen sind, sind keine zu vernachlässigende seltene Ausnahme.
- 5.
Das vorlegende Gericht hält es für nicht folgerichtig, wenn bei behinderten Menschen für dieselbe Person zwei verschiedene Existenzminima angesetzt werden: für die Frage, ob sie außerstande sind, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG), wird ihr Existenzminimum mit dem höheren Grundfreibetrag angesetzt, ist dies nicht der Fall, werden sie als Kind mit dem im Kinderfreibetrag geregelten niedrigeren Existenzminimum berücksichtigt.
- 6.
Das vorlegende Gericht hält es für nicht folgerichtig, wenn für dasselbe Kind unterschiedlich hohe Existenzminima angesetzt werden, je nachdem, ob das Kind eigene Einkünfte erzielt (Ansatz des Existenzminimums mit dem höheren Grundfreibetrag), ob es steuerlich nicht als Kind zu berücksichtigen ist, aber ein Abzug der tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen nach § 33 a EStG erfolgt (Abzug bis zur Höhe des höheren Grundfreibetrages) oder ob es steuerlich als Kind bei seinen Eltern zu berücksichtigen ist (Ansatz des Existenzminimums mit dem niedrigeren Kinderfreibetrag).
- 7.
Stellt man die Nichtberücksichtigung des höheren Bedarfs aller Kinder ab Vollendung des 6. Lebensjahres im einheitlichen Kinderfreibetrag dessen Zweck gemäß § 31 EStG - steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes - gegenüber, ergibt sich kein zulässiger Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG. Dadurch wird auch das Kindeswohl unzureichend berücksichtigt.
- 8.
Eine Typisierung zur Vereinfachung der Gesetzesanwendung im Massenverfahren stellt keinen Rechtfertigungsgrund dar, weil ein unter dem sozialrechtlichen Existenzminimum liegendes Existenzminimum nicht besteuert werden darf.
- 9.
Im Neunten Existenzminimumbericht hat die Bundesregierung ausgeführt, dass der für eine verfassungsgerechte Besteuerung für das Jahr 2014 erforderliche Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum EUR 4.440 betragen müsse. Der gesetzliche Freibetrag für das Jahr 2014 beträgt EUR 4.368. Er ist auch dann, wenn die im Existenzminimumbericht vorgenommene Typisierung für verfassungsgemäß erachtet würde, um EUR 72 niedriger als das nach dem Existenzminimumbericht steuerfrei zu stellende Existenzminimum eines Kindes und deshalb nach der Überzeugung des vorlegenden Gerichts verfassungswidrig. Die Unterdeckung ist auch nicht so niedrig, dass sie als geringfügig von den Steuerpflichtigen hinzunehmen ist, zumal die Unterdeckung nicht nur einzelne, sondern sämtliche Steuerpflichtige mit Kindern betrifft, die zumindest Solidaritätszuschlag oder Kirchensteuer zahlen.
Tenor:
Das Verfahren wird ausgesetzt; es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 32 Absatz 6 Sätze 1 bis 3 Einkommensteuergesetz in der für das Jahr 2014 geltenden Fassung verfassungswidrig sind.
Gründe
Sachverhalt
Das Verfahren betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der in § 32 Abs. 6 EStG geregelten Kinderfreibeträge.
Die Klägerin ist verwitwet und alleinerziehende Mutter. Ihre zwei Töchter wurden in den Jahren 1993 und 1998 geboren - waren also im Streitjahr volljährig sowie 15 bis 16 Jahre alt - und befanden sich in Ausbildung. Die Klägerin und ihre Töchter leben im Inland. Die Familienkasse zahlte für die Töchter Kindergeld in Höhe von jeweils € 2.208. Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte u.a. aus selbständiger Arbeit ....
Im Bescheid für 2014 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom ... zog das Finanzamt (FA) für die Töchter Freibeträge in der gemäß § 32 Abs. 6 EStG für das Streitjahr geltenden Höhe von zusammen jeweils € 7.008 ab (€ 4.368 für das sächliche Existenzminimum und € 2.640 für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf). Zusätzlich zog das FA für die 1993 geborene Tochter einen Freibetrag zur Abgeltung des Sonderbedarfs wegen auswärtiger Unterbringung in Höhe von € 924 ab (gemäß § 33a Abs. 2 EStG). Der Abzug der steuerlichen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG war für die Klägerin günstiger als das Kindergeld. Im Gegenzug erhöhte das FA nach §§ 31, 2 Abs. 6 Satz 3 EStG die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte Einkommensteuer um das Kindergeld. Bei der Festsetzung des Solidaritätszuschlages legte es die auf das zu versteuernde Einkommen unter Berücksichtigung von Freibeträgen für zwei Kinder sich ergebende Einkommensteuer als Bemessungsgrundlage zugrunde. In den Erläuterungen im Bescheid vom ... ist aufgeführt, dass die Festsetzungen der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlages gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) vorläufig sind u.a. hinsichtlich der Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG.
Mit Schreiben vom ... legte die Klägerin gegen den Einkommensteuer- und Solidaritätszuschlagsbescheid vom ... Einspruch ein. Sie machte unter Hinweis auf den Neunten Existenzminimumbericht (Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2014 in der vom Bundeskabinett am 7. November 2012 beschlossenen Fassung, Bundestags - BT - Drucksache 17/11425) und den Aufsatz von Haupt/Becker: "Verfassungskonforme Besteuerung von Eltern - Realität oder Trugbild?" (DStR 2015, S. 1529) u.a. geltend, die Kinderfreibeträge in 2014 seien aus mehreren Gründen verfassungswidrig zu niedrig.
Des Weiteren machte die Klägerin geltend, die Besteuerung von Alleinerziehenden sei aufgrund des Begünstigungsausschlusses durch Nichtanwendung des Splitting-Tarifs verfassungswidrig und verwies auf das hierzu beim Bundesfinanzhof (BFH) zum Aktenzeichen III R 62/13 anhängige Revisionsverfahren. Ferner seien im Zusammenhang mit einer ... weitere außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen; insoweit beantragte die Klägerin auch die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (gemäß § 163 AO).
Die Klägerin beantragte ferner, die Vollziehung auszusetzen. Im Aussetzungsverfahren teilte die Oberfinanzdirektion Niedersachsen (OFD) dem FA u.a. mit, nach dem Neunten Existenzminimumbericht der Bundesregierung hätte es nahe gelegen, den für den Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Kinderfreibetrag um € 72 zu erhöhen. Das Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16. Juli 2015 (BGBl. I 2015, S. 1202) enthalte aber keine (rückwirkende) Anhebung des Kinderfreibetrags für den Veranlagungszeitraum 2014. Nach Abstimmung mit MF/BMF (Niedersächsisches Finanzministerium / Bundesministerium der Finanzen) umfasse der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG auch die in dem Aufsatz (Haupt/Becker, a.a.O., DStR 2015, 1529) aufgeworfene Frage, ob es geboten sei, die Höhe des Kinderfreibetrags nach dem Alter der Kinder zu differenzieren, falls eine derartige Differenzierung es erfordern würde, einen höheren als den bisher vorgesehenen Kinderfreibetrag gesetzlich zu bestimmen.
Das FA teilte der Klägerin mit Schreiben vom ... mit, bezüglich der geltend gemachten verfassungswidrigen Besteuerung Alleinerziehender ruhe das Einspruchsverfahren gemäß § 363 Abs. 2 AO. Weitere außergewöhnliche Belastungen seien nach der gesetzlichen Regelung des § ... nicht abzugsfähig. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob es geboten sei, die Höhe des Kinderfreibetrages nach dem Alter der Kinder zu differenzieren, sei durch den im Steuerbescheid 2014 vom ... enthaltenen Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO abgedeckt. Eines Einspruchs bedürfe es insoweit nicht.
Hierzu verwies die Klägerin mit Schreiben vom ... u.a. auf das beim Finanzgericht (FG) München unter dem Aktenzeichen 8 K 2426/15 anhängige Klageverfahren. Bei diesem (noch anhängigen) Verfahren handelt es sich um eine vom Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. (BdSt) unterstützte Musterklage. Mit dem Verfahren will der BdSt grundsätzlich klären lassen, ob der Gesetzgeber hinter dem im Existenzminimumbericht errechneten Bedarf zurückbleiben darf (vgl. die homepage des BdSt > Musterklagen > anhängige Musterklagen des BdSt > Kinderfreibetrag 2014). Die Klägerin machte geltend, in dem beim FG München anhängigen Verfahren sei der Einspruchsführer nicht darauf verwiesen worden, dass sein Einspruch durch den Vorläufigkeitsvermerk abgedeckt sei. Der vom FA gemeinte Vorläufigkeitsvermerk sei für andere Veranlagungszeiträume bestimmt. Er umfasse weder die fehlende Altersstaffelung, noch die besondere Problematik des Jahres 2014, die sich aus der Auslassung der Anpassung des Kinderfreibetrages an die im Neunten Existenzminimumbericht angegebenen gemittelten Existenzminima ergebe.
Mit Teil-Einspruchsbescheid vom ... wies das FA den Einspruch, soweit über ihn entschieden, als unbegründet zurück. Das FA entschied nicht über den Teil des Einspruchs, der die geltend gemachte verfassungswidrige Besteuerung von Alleinerziehenden / Begünstigungsausschluss Splittingtarif, anhängiges Verfahren beim BFH unter Aktenzeichen III R 62/13 betraf. Der Bescheid sei weiterhin vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO, soweit dies im Erläuterungstext des angefochtenen Bescheides ausgeführt sei.
Das FA führte aus, der Einspruch sei zulässig, aber unbegründet. Weitere außergewöhnliche Belastungen seien nach § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht abzuziehen, da der Zinsanteil der Leibrente bereits als Sonderausgaben abgezogen worden sei. Zur Höhe der Kinderfreibeträge legte das FA die gesetzliche Regelung dar. Gemäß Artikel 20 Abs. 3 GG sei die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden. Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 32 Abs. 6 EStG könne eine abweichende und altersgestaffelte Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen nicht erfolgen.
Im Klageverfahren macht die Klägerin - unter Einbeziehung ihres Vortrages im Einspruchsverfahren und im Verfahren wegen Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung (Aktenzeichen 7 V 237/15 des Niedersächsischen Finanzgerichts) geltend:
a) Im November 2012 wurde der Neunte Existenzminimumbericht von der Bundesregierung beschlossen, in welchem für das Jahr 2014 eine Anhebung des Kinderfreibetrages auf € 4.440 vorgesehen war. Diese Anpassung ist erst für 2015 erfolgt, so dass allein aufgrund dieser Tatsache die Kinderfreibeträge für ihre beiden Kinder jeweils um € 72 zu niedrig seien.
Das Versäumnis des zu geringen Kinderfreibetrages 2014 sei vom Gesetzgeber zwar erkannt, aber nicht beseitigt worden. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum "Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags; BT-Drucksache 18/4649" sei in der Öffentlichen Anhörung vom 20. Mai 2015 (Protokoll der 43. Sitzung des Finanzausschusses des Bundestages, Protokoll Nr. 18/43) festgestellt worden, dass aus dem Neunten Existenzminimumbericht hervorgehe, dass der Kinderfreibetrag das steuerlich zu verschonende Existenzminimum eines Kinder für das Jahr 2014 nicht mehr vollständig abdecke und gefragt worden, ob sich aus dieser Unterdeckung eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit für eine rückwirkende Anhebung des Kinderfreibetrags für 2014 ergäbe. In der Anhörung hätten Brandt (Richter des VIII. Senats des BFH und Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages) und Wieland (Professor für Öffentliches Recht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer) ausgeführt, dass es auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG eindeutig verfassungswidrig sei, wenn die Erhöhung nicht komme.
b) zur altersunabhängigen Ausgestaltung des Kinderfreibetrages:
Der Kinderfreibetrag sei in der einfachgesetzlichen Regelung altersunabhängig ausgestaltet, obwohl die sozialrechtlichen Regelbedarfe für Kinder altersabhängig seien und mit zunehmendem Lebensalter des Kindes stiegen.
Nach der im Neunten Existenzminimumbericht angeführten Rechtsprechung des BVerfG dürfe der Gesetzgeber zwar einen einheitlichen steuerlichen Freibetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen festlegen. Dieser Betrag müsse aber so bemessen werden, dass er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecke (Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl. II 1990, 653). Der Gesetzgeber dürfe sich nicht an einem unteren Grenzwert oder an einem Durchschnittswert orientieren, der in einer größeren Zahl von Fällen nicht ausreichen würde.
Der Gesetzgeber berücksichtige nicht die Vorgabe des BVerfG aus dessen Beschluss vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl. II 1999, 174), nach dem eine in nicht allen Fällen ausreichende einkommensteuerliche Berücksichtigung der existenznotwendigen Mindestaufwendungen für den Kindesunterhalt nicht mit der Notwendigkeit einer gesetzlichen Typisierung zu rechtfertigen sei.
Für die Sozialhilfe werde nach der im Neunten Existenzminimumbericht aufgeführten Altersstaffelung tatsächlich differenziert. Gleichlautende Regelbedarfe seien gemäß § 28 Sozialgesetzbuch (SGB) XII i.V.m. § 8 RBEG (Regelbedarfsermittlungsgesetz vom 24. März 2011, BGBl. I 2011, S. 453) i.V.m. § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2014 (Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2014, RBSFV 2014) festgestellt und würden damit für Sozialhilfeleistungen zugrunde gelegt.
Davon abweichend werde mit der Durchschnittsberechnung "über alles" der Regelbedarf von Kindern zwischen 14 bis 17 Jahren - und damit im Streitjahr 2014 schon der Regelbedarf ihrer jüngeren noch nicht volljährigen Tochter - steuerlich nicht freigestellt. Der Regelbedarf ihrer im Jahr 2014 16-jährigen Tochter sei mit 12 x 295 € = 3.540 € anzusetzen, tatsächlich würden jedoch noch nicht einmal 3.096 (Neunter Existenzminimumbericht), sondern nur 2.988 € (Achter Existenzminimumbericht) berücksichtigt. Damit würden für diese Tochter im Streitjahr 2014 nicht das maßgebende sächliche Existenzminimum, sondern nur 552 € weniger berücksichtigt.
Ihre ältere Tochter wurde im Jahr 2014 21 Jahre alt, war also das ganze Jahr volljährig. Sie falle damit heraus aus dem Berechnungsschema. Für ihre volljährige, in Ausbildung befindliche Tochter steuerlich lediglich ein Existenzminimum zu berücksichtigen, das deutlich unter dem der 14 - 17 jährigen liege, sei offensichtlich nicht ausreichend und verfassungswidrig. In den Existenzminimumberichten sei jeweils ausgeführt, dass nach § 32 EStG "im Regelfall lediglich Kinder bis unter 18 Jahren berücksichtigt werden", was wohl verborgen ausdrücken solle, dass volljährige Kinder eine Ausnahme seien, für die die Nichtfreistellung ihres Existenzminimums als "Kollateralschaden" im Interesse unseres einfachen Steuerrechtes hinnehmbar wäre. Dass volljährige Kinder die Ausnahme seien, entspreche jedoch nicht der gesellschaftlichen Realität. Im Jahr 2012 hätten 36,7 % aller Schüler die Schule mit der allgemeinen Hochschulreife bzw. Fachhochschulreife abgeschlossen, lediglich 30 % der 18-jährigen finanzierten ihren Lebensunterhalt überwiegend durch eigene Erwerbstätigkeit, bei den 20-jährigen seien es rd. 50 %, den 24-jährigen 60 %. Alle anderen seien steuerrechtlich Kinder und damit keine Exoten. Der einzig sachgerechte Ansatz sei hier ebenfalls mindestens der Regelsatz für einen erwachsenen Alleinstehenden (im Jahr 2014: € 4.680).
Berücksichtigt sei ihre ältere Tochter in 2014 lediglich mit dem gewichteten Satz für 2012/2013 in Höhe von 12 x 249 € = 2.988 €, und damit um 1.692 € zu niedrig.
Für ihre Töchter wäre für 2014 ein höherer Sozialhilfesatz gezahlt worden, als steuerlich als Existenzminimum berücksichtigt wurde.
Das BVerfG habe schon im Jahr 1992 (Beschluss vom 25. September 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl. II 1993, 413) unter C.3 ausgeführt, das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum dürfe den vom Gesetzgeber im Sozialhilferecht bestimmten Mindestbedarf nicht unterschreiten.
Gegen diese verfassungsrechtliche Vorgabe werde bei der Bemessung des Kinderfreibetrags für Kinder ab 14 Jahren klar verstoßen. Die Vorgabe des BVerfG "Dieser Betrag muss allerdings so bemessen werden, dass er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdeckt" werde klar verfehlt.
Aus a) ergebe sich eine zu hoch festgesetzte Steuer in Höhe von Einkommensteuer ... € und Solidaritätszuschlag ... €.
Aus b) ergebe sich, dass die Steuer mindestens zu hoch festgesetzt sei in Höhe von Einkommensteuer ... € und Solidaritätszuschlag ... €. Mindestens, da es ohnehin nicht ausreichend sei, nur das Existenzminimum zu berücksichtigen anstatt ihre tatsächliche Unterhaltsverpflichtung, die deutlich höher liege.
Der zu niedrige Freibetrag könne auch nicht mit Gründen der Praktikabilität gerechtfertigt werden. In den Steuerveranlagungen würden die Geburtstage der Kinder erfasst, in der maschinellen Bescheiderstellung wäre eine altersentsprechende Berücksichtigung problemlos möglich. Sofern dem Gesetzgeber ein einheitlicher Freibetrag wichtig sei, stünde es ihm frei, diesen verfassungsgemäß so zu wählen, dass damit eine "ausreichende einkommensteuerliche Berücksichtigung der existenznotwendigen Mindestaufwendungen für den Kindesunterhalt" in allen Fällen möglich sei, d.h. der Freibetrag müsste dann mindestens in Höhe des Regelbedarfs der 14 - 18 jährigen Kinder dotiert sein.
Der Auffassung des FA, es bedürfe aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks keines Einspruchs, sei nicht zuzustimmen. Es sei nicht sicher, dass ein Vorläufigkeitsvermerk, der für andere, vorhergehende Kalenderjahre bestimmt war, auch das Kalenderjahr 2014 mit abdecke. Es werde ergänzend bezweifelt, dass der Vorläufigkeitsvermerk, wie behauptet, die fehlende Altersstaffelung der Kinderfreibeträge mit abdecke.
In dem vom BdSt unterstützten, beim FG München anhängigen Musterverfahren werde lediglich geltend gemacht, dass der Kinderfreibetrag nach dem Neunten Existenzminimumbericht bereits für das Jahr 2014 von 4.368 € um 72 € auf 4.440 € hätte erhöht werden müssen. Weder in jenem Klageverfahren noch in dem Verfahren, welches den Vorläufigkeitsvermerk begründen solle, gehe es um die fehlende Altersstaffelung des Kinderfreibetrages und die absolut unzureichende Berücksichtigung von volljährigen Kindern.
Die Klägerin weist ferner darauf hin, dass der für die Ermittlung der Unterkunftskosten im Existenzminimumbericht zugrunde gelegte Wohnraumbedarf eines Kindes gleichheitswidrig zu gering bemessen sei. Für das Existenzminimum werde eine notwendige Wohnfläche von 30 m2 für Alleinstehende und 60 m2 für Paare berücksichtigt. Für Kinder würden - unabhängig davon, ob sie im intakten Elternhaus oder bei Alleinerziehenden leben - 12 m2 als angemessen angesehen. Damit werde für eine dreiköpfige "intakte" Familie (Vater, Mutter, Kind, unabhängig ob ehelich oder nicht) ein Wohnbedarf von 60 + 12 = 72 m2 (5.460 € p.a.) als existenznotwendig von der Steuer freigestellt, für die dreiköpfige Alleinerzieherfamilie (Klägerin, 2 Kinder) demgegenüber nur 30 + 12 + 12 = 54 m2 ( 4.095 €).
Es sei nicht erkennbar, worin tragfähige Unterschiede für einen unterschiedlichen - als existenznotwendig angesehenen - Wohnraumbedarf zwischen einer 16-jährigen Tochter und erst recht nicht einer 21-jährigen Tochter und einer erwachsenen (Ehe-)Frau liegen könnten, die es rechtfertigten, für die Töchter von einem geringeren Wohnraumbedarf (40 % des Bedarfs) auszugehen. Der Existenzminimumbericht gebe hierfür keine Anhaltspunkte, es seien auch keine ersichtlich. Insoweit verstoße diese Differenzierung ohne tragfähige Gründe gegen Artikel 3 GG.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid dahingehend zu ändern, die Steuer unter Berücksichtigung der Berechnungen des Niedersächsischen Finanzgerichts im Beschluss zum Verfahren zur Aufhebung der Vollziehung vom 16. Febr. 2016 AZ 7 V 237/15 um € 782 Einkommensteuer und € 43,01 Solidaritätszuschlag niedriger festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest und verweist auf den Teil-Einspruchsbescheid.
Das vorlegende Gericht hatte im Verfahren der Klägerin wegen Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung (Aktenzeichen 7 V 237/15 des Niedersächsischen Finanzgerichts) mit Beschluss vom 16. Februar 2016 die Vollziehung in Höhe von € 782 Einkommensteuer und € 43,01 Solidaritätszuschlag aufgehoben (und den weiter gehenden Antrag abgelehnt). Hiergegen hat das FA die vom Gericht zugelassene Beschwerde eingelegt und beantragt, den AdV-Beschluss des FG insoweit aufzuheben, als das FG dem Antrag auf AdV über die Berücksichtigung eines um € 72 je Kind erhöhten Kinderfreibetrages hinaus entsprochen hat. Der BFH hat diesem Antrag mit Beschluss vom 21. Juli 2016 entsprochen (Aktenzeichen V B 37/16, BFH/NV 2016, 1487 [BFH 21.07.2016 - V B 37/16]). Der BFH hat dies im Kern damit begründet, einer Steuerpflichtigen, die so viel verdiene, dass der Abzug des Kinderfreibetrages günstiger sei, als die Gewährung des Kindergeldes, sei es im Hinblick auf den Geltungsanspruch eines formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zuzumuten, den Ausgang der Hauptsache abzuwarten. Es fehle das erforderliche besondere berechtigte Interesse an der Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung. Zur Frage, ob materiell-rechtlich Zweifel, ggf. ernstliche Zweifel, an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung bestehen, hat sich der BFH nicht geäußert. Das Gericht hat die Akte des Verfahrens wegen Aufhebung der Vollziehung (Aktenzeichen 7 V 237/15 des Niedersächsischen Finanzgerichts) zum vorliegenden Verfahren beigezogen.
Rechtsgrundlagen und Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts
Das vorlegende Gericht hält die Regelung in § 32 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums vom 22. Dezember 2009 (Wachstumsbeschleunigungsgesetz, BGBl. I 2009, 3950) für verfassungswidrig. Die Höhe des in dieser Norm bestimmten, für die Veranlagungszeiträume 2010 bis einschließlich 2014 geltenden Kinderfreibetrages für das sächliche Existenzminimum eines Kindes ist zur Überzeugung des vorlegenden Gerichts verfassungswidrig zu niedrig. Das Verfahren ist deshalb gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen.
I.
Vorschriften des EStG zur Berücksichtigung von Kindern und zur einkommensteuerlichen Freistellung des Existenzminimums der Steuerpflichtigen und ihrer Familie
Bestimmung, wer Kind im Sinne des EStG ist:
§ 32 Abs. 1 EStG bestimmt, welche Personen in Bezug auf die Steuerpflichtigen Kinder (im Sinne des EStG) sind:
(1) Kinder sind 1. im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder, 2.Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).
Vorrangregelung:
§ 32 Abs. 2 EStG regelt, bei welchen von mehreren in Betracht kommenden Personen ein Kind vorrangig zu berücksichtigen ist:
(2) 1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.
Voraussetzungen der einkommensteuerlichen Berücksichtigung eines Kindes:
§ 32 Abs. 3 bis 5 EStG bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine Person, die gemäß § 32 Abs. 1 und 2 EStG ein Kind der Steuerpflichtigen ist, einkommensteuerlich zu berücksichtigen ist.
Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres werden gemäß § 32 Abs. 3 EStG ohne weitere Voraussetzungen berücksichtigt:
Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.
Für die Berücksichtigung ist es - anders als für den Anspruch auf Kindergeld - unerheblich, welchen Aufenthaltsstatus der oder die Steuerpflichtigen haben, bei denen das Kind zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu die einschränkenden Regelungen in § 62 EStG und die hierzu beim BVerfG unter den Aktenzeichen 2 BvL 9/14 - 2 BvL 14/14 anhängigen Vorlagebeschlüsse des vorlegenden Gerichts vom 19. und 21. August 2013) und wo das Kind einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (vgl. die einschränkenden Regelungen in § 63 EStG).
Die Berücksichtigung von Kindern ab Vollendung des 18. Lebensjahres regeln § 32 Abs. 4 und 5 EStG. Zusammengefasst sind danach als Kinder zu berücksichtigen:
-beschäftigungslose, bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchende gemeldete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres
-Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres:
-- in Berufsausbildung (hierzu gehört auch der Besuch von Schulen und Universitäten)
-- in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung von Wehr- oder Zivildienst oder einer Tätigkeit als Entwicklungshelfer
-- ausbildungsplatzsuchende Kinder
-- Kinder, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr oder einen anerkannten Freiwilligendienst absolvieren
-- ohne jede Altersgrenze (d.h. grundsätzlich bis zum Versterben der letzten in Betracht kommenden Steuerpflichtigen, bei der das Kind zu berücksichtigen ist): behinderte Kinder, die sich behinderungsbedingt nicht selbst unterhalten können, wenn die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Die Regelung des § 32 Abs. 4 EStG in der für das Streitjahr 2014 geltenden Fassung lautet:
1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es
1. noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2. noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a) für einen Beruf ausgebildet wird oder
b) sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d) ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes oder einen Freiwilligendienst im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 zur Einrichtung von "Erasmus+", dem Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, und zur Aufhebung der Beschlüsse Nr. 1719/2006/EG, Nr. 1720/2006/EG und Nr. 1298/2008/EG (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 50) oder einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes oder einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "weltwärts" im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) oder einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) oder einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes leistet oder
3. wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Nach der früheren gesetzlichen Regelung (Fassung bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2006) lag die Altersgrenze gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG bei der Vollendung des 27., nicht des 25. Lebensjahres. Die Absenkung der Altersgrenze in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG von zuvor 27 auf 25 Jahre ist nach der Rechtsprechung des BFH im Hinblick auf die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers nicht verfassungswidrig (BFH Urteil vom 17. Juni 2010 III R 35/09, Bundessteuerblatt Teil II - BStBl. II - 2011, 176, ebenso Urteil vom 11. April 2013, III R 83/09, BFH/NV - 2013, 1174, Urteil vom 28. Mai 2013, XI R 44/11, BFH/NV 2013, 1409). Das BVerfG hat die gegen das Urteil vom 17. Juni 2010 eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluss vom 22. Oktober 2012, 2 BvR 2875/10, juris-Entscheidungsdienst).
Ebenfalls kam es nach der früheren gesetzlichen Regelung (Fassung bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2006) für die Berücksichtigung behinderter Kinder darauf an, dass die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist. § 52 Abs. 40 EStG (Anwendungsvorschriften) enthalten Übergangsregelungen insbesondere für behinderte Kinder, die bereits im Veranlagungszeitraum 2006 das 24. Lebensjahr vollendeten bzw. die im Veranlagungszeitraum 2005 das 25. oder 26. Lebensjahr vollendeten und für Kinder, die im Veranlagungszeitraum 2007 wegen einer vor Vollendung ihres 25. Lebensjahres eingetretenen Behinderung außerstande waren, sich selbst zu unterhalten; bei diesen Kindern kommt es zusammen gefasst darauf an, ob die Behinderung vor Vollendung ihres 26. bzw. 27. Lebensjahres eingetreten ist.
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enthält eine Einschränkung für Kinder, die bereits eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen haben:
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.
§ 32 Abs. 5 EStG enthält Regelungen zur Verlängerung der Berücksichtigungszeit über das 25. Lebensjahr hinaus für Kinder, die den gesetzlichen Grundwehr- oder Zivildienst oder ähnliche Dienste geleistet haben:
1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das
1.den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.sich an Stelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Abs. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 bis 10 gilt entsprechend.
Die vorstehenden Regelungen zur Berücksichtigung von Kindern gelten auch aktuell (mit geringen Änderungen z.B. zur Berücksichtigung von Kindern nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 d EStG).
Art und Weise der einkommensteuerlichen Berücksichtigung als Kind:
Die Art und Weise der Berücksichtigung als Kind richtet sich nach der in § 31 EStG (Familienleistungsausgleich) bestimmten Günstigerregelung. Im laufenden Kalenderjahr wird das Kindergeld (soweit auch die zusätzlichen, den Anspruch einschränkenden Voraussetzungen der §§ 62 und 63 EStG vorliegen) als Steuervergütung gezahlt. Bei der Einkommensteuerveranlagung wird geprüft, ob für die Steuerpflichtigen das Kindergeld günstiger ist oder der Abzug der kindbezogenen, in § 32 Abs. 6 EStG geregelten Freibeträge. Ergibt sich durch den Abzug der Freibeträge eine höhere Steuerminderung als das Kindergeld, werden die Freibeträge abgezogen und das gezahlte Kindergeld wird wiederum einkommensteuererhöhend gegengerechnet (§ 31 Satz 4 EStG, § 2 Abs. 6 Satz 3 EStG).
§ 31 EStG in der seit dem 1. Januar 2009 bis aktuell geltenden Fassung lautet:
1Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung wird im gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 oder durch Kindergeld nach Abschnitt X bewirkt. 2Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie. 3Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt. 4Bewirkt der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum die nach Satz 1 gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig und werden deshalb bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 vom Einkommen abgezogen, erhöht sich die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum; bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt. 5Satz 4 gilt entsprechend für mit dem Kindergeld vergleichbare Leistungen nach § 65. 6 Besteht nach ausländischem Recht Anspruch auf Leistungen für Kinder, wird dieser insoweit nicht berücksichtigt, als er das inländische Kindergeld übersteigt.
§ 2 Abs. 6 Satz 3 EStG bestimmt:
3Wird das Einkommen in den Fällen des § 31 um die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 gemindert, ist der Anspruch auf Kindergeld nach Abschnitt X der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen.
Das Kindergeld ist im X. Abschnitt des EStG geregelt.
Die kindbezogenen Freibeträge sind in § 32 Abs. 6 EStG geregelt. Grundlage der Höhe dieser Freibeträge (als auch des in § 32a Abs. 1 EStG geregelten Grundfreibetrages für die Steuerpflichtigen selbst) sind die seit dem Jahr 1996 alle zwei Jahre von der Bundesregierung vorzulegenden bzw. vorgelegten Berichte über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern (Existenzminimumberichte).
§ 32 Abs. 6 EStG bestimmt den Abzug von zwei Beträgen: dem Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) - dessen Höhe ist zur Überzeugung des Gerichts verfassungswidrig zu niedrig - und dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes. § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG bestimmt die Höhe dieser Freibeträge für einen Elternteil (bzw. für eine Steuerpflichtige, bei der das Kind zu berücksichtigen ist). § 32 Abs. 6 Sätze 2 und 3 EStG regeln, bei welchen Steuerpflichtigen diese Beträge zu verdoppeln sind. Die Regelung bewirkt, dass im Ergebnis für ein einkommensteuerlich zu berücksichtigendes Kind (entweder bei einer oder bei zwei Steuerpflichtigen) die verdoppelten Beträge des § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG berücksichtigt werden.
Im Streitjahr 2014 betrugen die verdoppelten Beträge - unverändert seit dem Veranlagungszeitraum 2010 -Kinderfreibetrag € 4.368Betreuungs- Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag € 2.640.
Nach § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG sind die Freibeträge nicht - typisiert - stets in gleicher Höhe abzuziehen. Vielmehr sind sie anzupassen bzw. zu mindern auf den Betrag, der nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat des Kindes notwendig und angemessen ist. Dies weicht ab von den kindergeldrechtlichen Regelungen; nach EU-Recht für Kinder z.B. mit dauerhaftem Wohnsitz und Lebensmittelpunkt im EU-Ausland zu zahlendes Kindergeld wird auch dann in voller Höhe des deutschen Kindergeldes gezahlt, wenn es nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaats des Kindes eine deutlich höhere Kaufkraft hat als im Inland (ggf. unter Anrechnung des ausländischen, in aller Regel deutlich niedrigeren Kindergeldes).
Nach § 32 Abs. 5 EStG sind die Freibeträge nicht - typisiert - für den gesamten Veranlagungszeitraum abzuziehen, sondern zeitanteilig zu ermäßigen, wenn die Voraussetzungen der Berücksichtigung als Kind nicht im gesamten Veranlagungszeitraum vorliegen (Monatsprinzip).
§ 32 Abs. 6 Sätze 6 bis 11 EStG regeln die Möglichkeiten der Übertragung der Freibeträge auf andere ebenfalls berechtigte Steuerpflichtige.
§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 2014 geltenden Fassung lautet:
1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 2 184 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 320 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn
1.der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.
Für die nachfolgenden und zukünftigen Veranlagungszeiträume betragen die in § 32 Abs. 6 EStG bestimmten (verdoppelten) Freibeträge:
2015
Kinderfreibetrag € 4.512
Betreuungs- Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag unverändert € 2.640
2016
Kinderfreibetrag € 4.608
Betreuungs- Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag unverändert € 2.640
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vom 20. Dezember 2016 (BGBl. I 2016, 3000) ist die (zukünftige) Anhebung der (verdoppelten) Freibeträge beschlossen worden auf:
2017
Kinderfreibetrag € 4.716
Betreuungs- Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag unverändert € 2.640
2018
Kinderfreibetrag € 4.788
Betreuungs- Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag unverändert € 2.640.
Dieser Erhöhung liegt der 11. Existenzminimumbericht vom 2. November 2016 (BT-Drucksache 18/10220) zugrunde; die Berechnungsmethode in diesem Existenzminimumbericht entspricht der der vorhergehenden Existenzminimumberichte. Die Erhöhungen setzen mithin (nur) das um, was nach Feststellung der Bundesregierung in den Existenzminimumberichten als für eine verfassungsgerechte Steuerfreistellung des Existenzminimums erforderlich ist, ohne darüber hinausgehende steuerliche Entlastungen.
Anwendung der einkommensteuerlichen Regelung der kindbezogenen Freibeträge für andere Gesetze: Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer
Anders als bei der Einkommensteuer werden bei der Festsetzung des Solidaritätszuschlags und der als Zuschlag zur Einkommensteuer erhobenen Kirchensteuer stets die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG mindernd berücksichtigt, d.h. auch dann, wenn einkommensteuerlich das Kindergeld für die Steuerpflichtigen günstiger ist.
§ 51 a EStG (Festsetzung und Erhebung von Zuschlagsteuern) bestimmt in Abs. 2, dass bei der Festsetzung und Erhebung von Steuern, die nach der Einkommensteuer bemessen werden (Zuschlagsteuern) Bemessungsgrundlage die Einkommensteuer ist, die abweichend von § 2 Abs. 6 EStG unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre.
Gemäß § 3 Abs. 2 Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolzG) ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 EStG unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre. Entsprechendes gilt bereits beim Lohnsteuerabzug gemäß § 3 Abs. 2a SolzG.
Nach den Kirchensteuergesetzen (KiStG) der Länder können die Kirchensteuern u.a. als Zuschlag zur Einkommensteuer bzw. in einem Vomhundertsatz der Einkommensteuer erhoben werden; zur Berechnung der Einkommensteuer ist § 51a EStG in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden (für Niedersachsen: § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, andere Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften - Kirchensteuerrahmengesetz KiStRG; für die anderen Bundesländer gelten entsprechende Regelungen).
Geschichtliche Entwicklung der Regelungen zum Kinderfreibetrag und zum Kindergeld
Überwiegend erfolgte die Berücksichtigung der kindbedingten Lasten in einem dualen System durch Gewährung von Kindergeld einerseits und daneben der steuerlichen Berücksichtigung eines Kindes andererseits. Bereits im Preußischen Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 1891 wurde für jedes nicht selbständig zu veranlagende Familienmitglied unter 14 Jahren von dem steuerpflichtigen Einkommen des Haushaltungsvorstands, sofern dieses 3.000 Mark nicht überstieg, ein Betrag von 50 Mark in Abzug gebracht. Auch nachfolgend wurden Kinderfreibeträge (teilweise mit einem festen Betrag, teilweise begrenzt durch Mindest- und Höchstbeträge mit einem bestimmten Prozentsatz des Einkommens) abgezogen. Auch nach dem Krieg wurden im Einkommensteuergesetz der Bundesrepublik Deutschland Kinderfreibeträge abgezogen, wobei sich teilweise die Freibeträge für das zweite und nachfolgende Kinder erhöhten.
Das Kindergeld wurde (in der Zeit nach 1945) seit der Einführung durch das Kindergeldgesetz vom 13.11.1954 (BGBl. I 1954, 333) zur Förderung der Familie gezahlt. Nachfolgend wurde es durch das Kindergeldkassengesetz vom 18.07.1961 und sodann das Bundeskindergeldgesetz (BKGG, Gesetz vom 14.04.1964) geregelt. In der ehemaligen DDR wurde Kindergeld aufgrund des Gesetzes über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau vom 27.09.1950 neben Kinderfreibeträgen gewährt.
Mit dem Gesetz zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleichs und der Sparförderung (Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 BGBl. I 1974, 1769) wurde für die Zeit ab 1975 der Kinderlastenausgleich umfassend neu geregelt. Die Kinderfreibeträge (und weitere kindesbedingten Steuerermäßigungen) wurden abgeschafft und stattdessen ausschließlich ein vom Elterneinkommen unabhängiges, für das zweite und weitere Kinder der Höhe nach steigendes, Kindergeld nach dem BKGG gewährt. Für die Zeit ab 1983 kehrte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982, BGBl. I 1982, 1857) zu einem dualen System des Kinderlastenausgleichs zurück. Von 1983 an wurde in § 32 Abs. 8 EStG ein - mit DM 432 geringer - einkommensteuerlicher Kinderfreibetrag wieder eingeführt und das Kindergeld bei höheren Elterneinkommen gekürzt.
Das BVerfG entschied mit Beschluss vom 12. Juni 1990, dass § 32 Abs. 8 des EStG in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 für die Veranlagungszeiträume 1983, 1984 und 1985 mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar war (1 BvL 72/86, BVerfGE 82, 198 [BVerfG 12.06.1990 - 1 BvL 72/86], BStBl. II 1990, 664). Ferner entschied das BVerfG mit Beschluss vom 29. Mai 1990, dass § 10 Abs. 2 des BKGG in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 in der Zeit bis 31. Dezember 1985 mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar war, weil das gekürzte Kindergeld zusammen mit dem Kinderfreibetrag der durch den Unterhalt von Kindern bedingten Minderung der Leistungsfähigkeit nicht ausreichend Rechnung trug (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl. II 1990, 653).
Infolge der Entscheidung des BVerfG fügte der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Förderung von Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen im Beitrittsgebiet sowie zur Änderung steuerrechtlicher und anderer Vorschriften (Steueränderungsgesetz 1991 - vom 24. Juni 1991 BGBl. I 1991, 1322) mit § 54 EStG eine Sondervorschrift zum Abzug des Kinderfreibetrags für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1985 ein, die auf am 28. Juni 1991 noch nicht bestandskräftige Steuerfestsetzungen und auf nach dem 28. Mai 1990 bestandskräftig gewordene Steuerfestsetzungen mit Antrag des Steuerpflichtigen innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats, in dem das Steueränderungsgesetz 1991 vom 24. Juni 1991 verkündet wurde, anzuwenden war. Der (auf beide Elternteile entfallende, d.h. gesamte) Kinderfreibetrag betrug demnach DM 2.432 für das erste Kind, DM 1.832 für das zweite Kind und DM 432 für jedes weitere Kind.
Durch das Gesetz zur leistungsfördernden Steuersenkung und zur Entlastung der Familie (Steuersenkungsgesetz) 1986/1988 vom 26. Juni 1985 (BGBl. I 1985, 1153) wurde das bis 1974 geltende duale System des Kinderlastenausgleichs vollständig wieder eingeführt. Mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1986 wurde in § 32 Abs. 6 EStG der Kinderfreibetrag auf DM 1.242 je Elternteil (verdoppelt DM 2.484) angehoben. Dieser Freibetrag (verdoppelt DM 2.484) galt auch in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis einschließlich 1989.
Mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1990 wurde der (verdoppelte) Kinderfreibetrag angehoben auf DM 3.024 und galt in dieser Höhe auch für die nachfolgenden Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1991.
Mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1992 wurde der (verdoppelte) Kinderfreibetrag angehoben auf DM 4.104 und galt in dieser Höhe auch für die nachfolgenden Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1995.
Das BVerfG entschied mit Beschluss vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl. II 1999, 174), dass § 32 Abs. 6 EStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes 1986/1988 vom 26. Juni 1985 in seiner Anwendung auf den Veranlagungszeitraum des Jahres 1987 mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar war, als danach Eltern mit einem Kind nur einen Kinderfreibetrag von zusammen 2.484 Deutsche Mark beanspruchen konnten.
Infolge der Entscheidungen des BVerfG fügte der Gesetzgeber in der Neufassung des EStG vom 8. Oktober 2009 (BGBl. I 2009, 3366) mit § 53 EStG eine Sondervorschrift zur Steuerfreistellung des Existenzminimums eines Kindes in den Veranlagungszeiträumen 1983 bis 1995 ein. Danach waren in den Veranlagungszeiträumen 1983 bis 1995 in Fällen, in denen die Einkommensteuer noch nicht formell bestandskräftig oder hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge vorläufig festgesetzt war, für jedes bei der Festsetzung berücksichtigte Kind folgende Beträge als Existenzminimum des Kindes steuerfrei zu belassen:
1983 | DM 3.732 |
1984 | DM 3.864 |
1985 | DM 3.924 |
1986 | DM 4.296 |
1987 | DM 4.416 |
1988 | DM 4.572 |
1989 | DM 4.752 |
1990 | DM 5.076 |
1991 | DM 5.388 |
1992 | DM 5.676 |
1993 | DM 5.940 |
1994 | DM 6.096 |
1995 | DM 6.168. |
Durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl. I 1995, 1250) wurde der Familienleistungsausgleich nochmals neu geregelt. Mit Wirkung ab 1. Januar 1996 ist das Kindergeldrecht im Wesentlichen Teil des Einkommensteuerrechts; durch das Jahressteuergesetz 1996 wurden die Vorschriften zum "Familienleistungsausgleich" § 31 EStG und die Vorschriften über das Kindergeld im X. Abschnitt des EStG (§§ 62 ff. EStG) neu eingefügt. Für das Kindergeld nach dem BKGG verbleibt ein quantitativ kleiner - im vorliegenden Streitfall nicht einschlägiger - Anwendungsbereich (z.B. Anspruch von Vollwaisen auf Kindergeld für sich selbst).
Der (verdoppelte) Kinderfreibetrag gemäß § 32 Abs. 6 EStG erhöhte sich auf (monatlich DM 522 entsprechend jährlich) DM 6.264. Für die Veranlagungszeiträume 1997 bis einschließlich 1999 erhöhte sich der (verdoppelte) Freibetrag auf (monatlich DM 576 entsprechend jährlich) DM 6.912.
Das BVerfG entschied mit Beschluss vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl. II 1999, 182), dass die gesetzlichen Regelungen in § 33c Abs. 1 bis 4 EStG (nach denen Kinderbetreuungskosten nur von Alleinstehenden unter weiteren Voraussetzungen abgezogen werden konnten) und § 32 Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 7 EStG in den für die ab Veranlagungszeitraum 1983 geltenden Fassungen mit Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG insoweit unvereinbar waren, als die in ehelicher Gemeinschaft lebenden, unbeschränkt steuerpflichtigen Eltern vom Abzug der Kinderbetreuungskosten wegen Erwerbstätigkeit und von der Gewährung des Haushaltsfreibetrags ausgeschlossen waren. Das BVerfG verpflichtete den Gesetzgeber zu einer Neuregelung bis zum 1. Januar 2000 hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Kinderbetreuungskosten und bis spätestens 1. Januar 2002 hinsichtlich der Gewährung eines Haushaltsfreibetrags.
Zur Umsetzung dieser Entscheidung sah die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs zum 1. Januar 2000 in der Fassung des Gesetzes zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2552) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2000 erstmals den Abzug zweier Freibeträge in § 32 Abs. 6 EStG vor: nämlich des Freibetrages für das sächliche Existenzminimum (Kinderfreibetrag) in der bisherigen Höhe von (verdoppelt) DM 6.912 und erstmals eines - zusätzlichen - Betreuungsfreibetrages für Kinder unter 16 Jahren und für ältere, behinderte Kinder im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG in Höhe von (verdoppelt) 3.024 DM (mit Sonderregelung für behinderte Kinder, die nur deshalb nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt wurden, weil ihr sächliches Existenzminimum bei vollstationärer Unterbringung durch Eingliederungshilfe abgedeckt war - dann Betreuungsfreibetrag von verdoppelt DM 1.080). Der Betreuungsfreibetrag wurde in die Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG einbezogen. Das Kindergeld wurde für erste und zweite Kinder von 250 DM im Jahr 1999 auf 270 DM zum 1. Januar 2000 angehoben, für dritte und weitere Kinder blieb es unverändert bei 300 DM bzw. 350 DM. Dadurch erhöhte sich der Anteil derjenigen Steuerpflichtigen, bei denen die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums nicht durch das Kindergeld, sondern erst durch Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG bewirkt wurde. Gleichzeitig wurden die meisten Familien nur durch das erhöhte Kindergeld entlastet. Eine wegen dieser Auswirkungen erhobene Verfassungsbeschwerde nahm das BVerfG mit Beschluss vom 6. Mai 2004 (2 BvR 1375/03, BVerfGK 3, 208, DStRE 2004, 1345) nicht zur Entscheidung an.
Die vorstehende im Veranlagungszeitraum 2000 geltende Regelung des § 32 Abs. 6 EStG galt auch im Veranlagungszeitraum 2001.
Durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16. August 2001 (BGBl. I 2001, 2074) wurde mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2002 neben dem Freibetrag für das sächliche Existenzminimum ein zusätzlicher Freibetrag für den für sämtliche Kinder zu berücksichtigenden Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (nunmehr ohne Altersbegrenzung) eingeführt. Der Kinderfreibetrag wurde angehoben auf jährlich (verdoppelt) € 3.648; der (verdoppelte) Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf betrug € 2.160.
Diese Freibeträge galten in dieser Höhe auch für die nachfolgenden Veranlagungszeiträume 2003 bis einschließlich 2008.
Durch das Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen vom 22. Dezember 2008 (Familienleistungsgesetz, BGBl. I 2008, 2955) wurde der (verdoppelte) Kinderfreibetrag mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 erhöht auf € 3.864; der Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsfreibetrag betrug unverändert € 2.160.
Durch das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums vom 22. Dezember 2009 (Wachstumsbeschleunigungsgesetz, BGBl. I 2009, 3950) wurden mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 der (verdoppelte) Kinderfreibetrag erhöht auf € 4.368 und der (verdoppelte) Betreuungs- Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag auf € 2.640.
In dieser Höhe galten die Freibeträge unverändert auch für die Veranlagungszeiträume 2011 bis einschließlich 2014, also auch in dem im vorliegenden Verfahren betroffenen Veranlagungszeitraum 2014.
Zur Höhe der Freibeträge in den nachfolgenden und zukünftigen Veranlagungszeiträumen 2015 bis einschließlich 2018 wird auf die obige Darstellung (unter: Art und Weise der einkommensteuerlichen Berücksichtigung als Kind) verwiesen.
Weitere einkommensteuerliche Regelungen zur Berücksichtigung der kindbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit
Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen
Von den Steuerpflichtigen für ihre (einkommensteuerlich zu berücksichtigenden) Kinder getragene Beiträge zu Krankenversicherungen (im Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherungen) und zu Pflegeversicherungen sind als Sonderausgaben abziehbar. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstaben a) und b) und Satz 2 EStG werden die von Steuerpflichtigen im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung getragenen eigenen Beiträge eines Kindes, für das ein Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld besteht, zu Krankenversicherungen, soweit diese zur Erlangung eines durch das SGB XII bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind und sofern auf die Leistungen ein Anspruch besteht und die Beiträge zu gesetzlichen Pflegeversicherungen als eigene Beiträge der Steuerpflichtigen behandelt. Übersteigen die gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstaben a) und b) EStG abzugsfähigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherungen den in § 10 Abs. 4 EStG geregelten Höchstbetrag für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen, sind sie gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG dennoch in voller Höhe abzuziehen, wobei jedoch ein Abzug weiterer Vorsorgeaufwendungen (nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a EStG: z.B. Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen mit Leistungsanspruch über den nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstaben a und b EStG begünstigten Leistungsumfang hinaus, Beiträge zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit, zu Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, zu Unfall- und Haftpflichtversicherungen) ausscheidet.
Der nicht durch Höchstbeträge beschränkte Abzug der von den Steuerpflichtigen getragenen Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen (mit gesetzlichem Leistungsumfang) nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kinder ist aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125) in das Gesetz aufgenommen worden. Allerdings führt der in § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG im Gegenzug bestimmte Wegfall der Abzugsmöglichkeit für andere Vorsorgeaufwendungen angesichts der Höhe der von sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern getragenen Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bereits bei einem niedrigeren durchschnittlichen Einkommen dazu, dass sich z.B. die (zwangsläufig zu leistenden) Pflichtbeiträge zur Arbeitslosenversicherung oder die (sinnvollen) Beiträge z.B. zu Haftpflichtversicherungen nicht mehr steuermindernd auswirken. Die Regelung führt ferner dazu, dass Steuerpflichtige, die für ihre Kinder Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zur Erlangung der Basisabsicherung tragen und deren Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung deswegen den Höchstbeitrag zum Abzug allgemeiner Vorsorgeaufwendungen übersteigen, weniger an allgemeinen Vorsorgeaufwendungen abziehen können, als Steuerpflichtige ohne Kinder, weil ihre Beiträge schneller den Höchstbeitrag überschreiten (vgl. Englisch, "Subjektives Nettoprinzip und Familienbesteuerung" in: Jachmann -Hrsg.- des DStJG-Bandes 37, Erneuerung des Steuerrechts, 2014, S. 159 ff., 178/179).
Betreuungskosten
Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG sind zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens € 4.000 je Kind für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt der Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (unter weiteren, in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG geregelten Voraussetzungen) als Sonderausgaben abzugsfähig. Tatsächliche Aufwendungen zur Kinderbetreuung sind nach der Rechtsprechung des BVerfG steuerlich (nicht zwingend vollständig, jedoch dem Grunde nach und zusätzlich zu den gesetzlichen Freibeträgen) zu berücksichtigen.
Der Abzug eines Teils von Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG ist mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2012 in das Gesetz aufgenommen worden. Zuvor waren mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2006 in entsprechender Höhe Kinderbetreuungskosten gemäß § 4f EStG (ab dem Veranlagungszeitraum 2009: gemäß § 9c Abs. 1 EStG) wie Betriebsausgaben bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit, gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4f EStG (ab dem Veranlagungszeitraum 2009: gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 9c Abs. 1 EStG) wie Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und nicht erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG (ab dem Veranlagungszeitraum 2009: gemäß § 9c Abs. 2 EStG) als Sonderausgaben abziehbar. Zuvor (bis einschließlich des Veranlagungszeitraumes 2005) war die Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten als außergewöhnliche Belastung in § 33c EStG geregelt.
Soweit in den Betreuungsleistungen Kosten für Dienstleistungen enthalten sind, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind, ermäßigt sich die tarifliche EStG auf Antrag nach Maßgabe der Regelungen in § 35a EStG (Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen).
Schulgeld
Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sind 30 % des Entgelts, dass die Steuerpflichtige für ein Kind, für das sie Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld hat, für dessen Besuch einer Schule in freier Trägerschaft oder einer überwiegend privat finanzierten Schule entrichtet, (unter weiteren, in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG geregelten Voraussetzungen) als Sonderausgaben abzuziehen. Studiengebühren für den Besuch von Universitäten und anderen Hochschulen sind nicht nach dieser Regelung begünstigt.
Außergewöhnliche Belastungen
Diese sind in § 33 EStG geregelt. § 33 Abs. 1 EStG lautet:
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
Zu den im Sinne von § 33 Abs. 1 EStG zwangsläufigen Aufwendungen gehören auch Aufwendungen, die Steuerpflichtige zwangsläufig für ihre unterhaltsberechtigten bzw. einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kinder tragen. § 32 Abs. 2 Satz 1 EStG bestimmt:
Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
Die in § 33 Abs. 3 EStG geregelte Höhe der zumutbaren Belastung, bis zu der sich zwangsläufige Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 1 und 2 EStG steuerlich nicht auswirken, ist umso niedriger, je mehr Kinder die Steuerpflichtigen haben; als Kinder zählen gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 EStG die, für die die Steuerpflichtigen einen Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld haben.
Übertragung des Behindertenpauschbetrages
Gemäß § 33b EStG können behinderte Menschen, Hinterbliebene und Pflegepersonen wegen ihres behinderungs- oder pflegebedingten Mehrbedarfs anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG (Abzug außergewöhnlicher Belastung, soweit sie die zumutbare Belastung übersteigen) einen (nach dem Grad der Behinderung gestaffelten) Pauschbetrag geltend machen. Steht der Behinderten-Pauschbetrag oder der Hinterbliebenen-Pauschbetrag einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld hat, so wird gemäß § 33b Abs. 5 EStG der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt.
Ausbildungsfreibetrag
Zur Abgeltung des Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindlichen, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes, für das Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld besteht, kann die Steuerpflichtige gemäß § 33a Abs. 2 EStG einen Freibetrag in Höhe von 924 Euro je Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen. Der Freibetrag ist ggf. nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates des Kindes auf den notwendigen und angemessenen Betrag zu ermäßigen. Der Abzug ist gemäß § 33a Abs. 3 EStG (zeitanteilig nach Monaten) nur für Kalendermonate zulässig, für die die Voraussetzungen vorliegen.
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
Gemäß § 24b EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Fassung können allein stehende Steuerpflichtige einen Entlastungsbetrag in Höhe von € 1.308 im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht.
Die Regelung wurde aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvR 1057, 2 BvR 1226, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216) mit Wirkung erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2004 in das Gesetz aufgenommen. Ziel des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende ist es, die höheren Kosten für die eigene Lebens- bzw. Haushaltsführung der sog. echten Alleinerziehenden abzugelten, die einen gemeinsamen Haushalt nur mit ihren Kindern und keiner anderen erwachsenen Person führen, die tatsächlich oder finanziell zum Haushalt beiträgt (vgl. Anwendungsschreiben des BMF zu § 24b EStG vom 29. Oktober 2004 IV C 4 - S 2281 - 515/04 BStBl. I 2004, 1042).
§ 24b EStG wurde durch Artikel 1 des Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16. Juli 2015 (BGBl. 2015, 1202, BStBl. I 2015, 566) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2015 geändert. Der Entlastungsbetrag bei einem berücksichtigungsfähigen Kind wurde auf € 1.908 angehoben, für jedes weitere berücksichtigungsfähige Kind erhöht er sich um jeweils € 240.
Einkommensteuerliche Regelungen zur Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen selbst und sonstiger Personen, die die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen mindern
Steuerpflichtige selbst: Grundfreibetrag
Das Existenzminimum der Steuerpflichtigen selbst wird durch die Regelungen zum Grundfreibetrag in § 32a EStG (Einkommensteuertarif) einkommensteuerlich freigestellt. Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach dem zu versteuernden Einkommen. Sie beträgt gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG im Veranlagungszeitraum 2014 für zu versteuernde Einkommen bis € 8.354 (Grundfreibetrag) € 0. In besonderen Fällen gelten gesonderte Regelungen (§§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c EStG, z.B. der Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG bei erhöhter Leistungsfähigkeit durch steuerfrei bezogene Leistungen).
Grundlage der Höhe des Grundfreibetrags sind die seit dem Jahr 1996 alle zwei Jahre von der Bundesregierung vorzulegenden bzw. vorgelegten Berichte über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern (Existenzminimumberichte).
Für die nachfolgenden Veranlagungszeiträume beträgt der in § 32a Abs. 1 EStG bestimmte Grundfreibetrag:
2015 | € 8.472 |
2016 | € 8.652. |
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vom 20. Dezember 2016 (BGBl. I 2016, 3000) ist die (zukünftige) Anhebung des Grundfreibetrages beschlossen worden auf:
2017 | € 8.820 |
2018 | € 9.000. |
Die Besteuerung des Einkommens bis zur Höhe des Grundfreibetrags mit einer Einkommensteuer von null Euro gilt unabhängig davon, wie alt der oder die Steuerpflichtige ist. Das heißt, auch bei einem einkommensteuerlich bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigenden Steuerpflichtigen wird bei der Besteuerung dieses Steuerpflichtigen bzw. Kindes selbst dessen Existenzminimum mit dem Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 EStG (im Streitjahr 2014 € 8.354) bemessen und einkommensteuerlich freigestellt.
Bei Zusammenveranlagung: doppelter Grundfreibetrag, zusätzlich Progressionsminderung durch Splitting-Verfahren
Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, beträgt gemäß § 32a Abs. 5 EStG die tarifliche Einkommensteuer (vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c EStG) das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens nach Absatz 1 ergibt (Splitting-Verfahren). § 32a Abs. 6 EStG regelt die Anwendung des Splitting-Verfahrens für verwitwete Steuerpflichtige im ersten Jahr nach dem Tod des Ehegatten und für Steuerpflichtige mit aufgelöster Ehe bei Heirat des bisherigen Ehegatten, wenn auch insoweit die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG (Wahlrecht zwischen Einzel- und Zusammenveranlagung) vorliegen. Die Verdoppelung des sich nach § 32a Abs. 1 EStG ergebenden Steuerbetrags für die Hälfte des gemeinsam erzielten zu versteuernden Einkommens beinhaltet, dass der Grundfreibetrag doppelt (d.h. je einmal pro Ehe- oder Lebenspartner) berücksichtigt wird. Zusätzlich ergibt sich bei unterschiedlich hohen zu versteuernden Einkommen der Ehe- oder Lebenspartner eine Einkommensteuerminderung durch die aus der für den Steuersatz maßgeblichen Halbierung des gemeinsam erzielten zu versteuernden Einkommens folgende Minderung der Progression.
Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen
Aufwendungen für Vorsorgeaufwendungen und sonstige Sonderausgaben sowie außergewöhnliche Belastungen der Steuerpflichtigen selbst sind nach den vorstehend angeführten §§ 10 und 33 ff. EStG abzugsfähig.
Berücksichtigung sonstiger Personen, die die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen mindern
§ 33a EStG regelt die außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen. Nach § 33a Abs. 1 EStG sind (aufgrund einer Unterhaltspflicht oder Einkommensanrechnung zwangsläufige) Aufwendungen der Steuerpflichtigen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer Person, die nicht einkommensteuerlich als Kind zu berücksichtigen ist, als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Die Höhe der nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG maximal abzugsfähigen Aufwendungen entspricht dem in § 32a Abs. 1 EStG geregelten Grundfreibetrag.
§ 33a Abs. 1 EStG (Höchstbetrag der abzugsfähigen Aufwendungen in der für den Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Fassung) lautet:
1Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8 354 Euro im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. 2Der Höchstbetrag nach Satz 1 erhöht sich um den Betrag der im jeweiligen Veranlagungszeitraum nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 für die Absicherung der unterhaltsberechtigten Person aufgewandten Beiträge; dies gilt nicht für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die bereits nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 anzusetzen sind. 3Der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt ist eine Person, wenn bei ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden. 4Voraussetzung ist, dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat und die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt; ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne von § 90 Absatz 2 Nummer 8 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberücksichtigt. 5Hat die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge, so vermindert sich die Summe der nach Satz 1 und Satz 2 ermittelten Beträge um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 624 Euro im Kalenderjahr übersteigen, sowie um die von der unterhaltenen Person als Ausbildungshilfe aus öffentlichen Mitteln oder von Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche Mittel erhalten, bezogenen Zuschüsse; zu den Bezügen gehören auch steuerfreie Gewinne nach den §§ 14, 16 Absatz 4, § 17 Absatz 3 und § 18 Absatz 3, die nach § 19 Absatz 2 steuerfrei bleibenden Einkünfte sowie Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen, soweit sie die höchstmöglichen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 übersteigen. 6Ist die unterhaltene Person nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, so können die Aufwendungen nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person notwendig und angemessen sind, höchstens jedoch der Betrag, der sich nach den Sätzen 1 bis 5 ergibt; ob der Steuerpflichtige zum Unterhalt gesetzlich verpflichtet ist, ist nach inländischen Maßstäben zu beurteilen. 7Werden die Aufwendungen für eine unterhaltene Person von mehreren Steuerpflichtigen getragen, so wird bei jedem der Teil des sich hiernach ergebenden Betrags abgezogen, der seinem Anteil am Gesamtbetrag der Leistungen entspricht. 8Nicht auf Euro lautende Beträge sind entsprechend dem für Ende September des Jahres vor dem Veranlagungszeitraum von der Europäischen Zentralbank bekannt gegebenen Referenzkurs umzurechnen.
Auch für die nachfolgenden Veranlagungszeiträume entspricht der Höchstbetrag der abzugsfähigen Aufwendungen gemäß § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG dem jeweiligen in § 32a Abs. 1 EStG bestimmten Grundfreibetrag.
§§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, 32a Abs. 1, 32 Abs. 6 EStG: zwei unterschiedlich hohe Existenzminima für dieselbe Person
Ein behindertes Kind ist im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn seine Einkünfte und Bezüge nicht ausreichen, um seinen allgemeinen existenznotwendigen Lebensbedarf zuzüglich seines behinderungsbedingten Mehrbedarfs zu decken (vgl. die Dienstanweisung des Bundeszentralamts für Steuern - BZSt - zum Kindergeld nach dem EStG, herunterzuladen über die website des BZSt - DAFamEStG -). Gemäß der Regelung in Ziffer A 19.4 Abs. 2 der DAFamEStG (Stand 2016, für den Veranlagungszeitraum 2014 in gleicher Weise in der DAFamEStG vom 1. Juli 2014, BStBl. I 2014, 917, Ziffer A 18.4) ist als allgemeiner Lebensbedarf der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG anzusetzen. Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG wird das Existenzminimum der behinderten Person mit der Höhe des in § 32a Abs. 1 EStG bestimmten Grundfreibetrages angesetzt, der behinderungsbedingte Mehrbedarf entweder in Höhe der in § 33b EStG geregelten Behindertenpauschbeträge oder in seiner konkreten Höhe. Dies beruht auf der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Entscheidungen vom 15. Oktober 1999 VI R 40/98, BStBl. II 2000, 75 und VI R 182/98, BStBl. II 2000, 79).
Ergibt die Prüfung, dass die Einkünfte und Bezüge der behinderten Person behinderungsbedingt nicht ausreichen, ihr mit dem Grundfreibetrag zuzüglich des behinderungsbedingten Mehrbedarfs bemessenes Existenzminimum zu decken, ist diese bei der Steuerpflichtigen als Kind zu berücksichtigen. Für die bei der Steuerpflichtigen bestehende kindbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit wird das Existenzminimum derselben behinderten Person sodann mit einem niedrigeren Freibetrag in Höhe der in § 32 Abs. 6 EStG geregelten kindbedingten Freibeträge angesetzt. Das heißt, dass nach der gesetzlichen Regelung für dieselbe Person einkommensteuerlich zwei unterschiedlich hohe Existenzminima angesetzt werden.
Sozialrechtliche Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums
Die Sozialhilfe umfasst gemäß § 8 Nr. 1 SGB XII u.a. Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 bis 40 SGB XII). § 27 Abs. 1 SGB XII bestimmt die Leistungsberechtigten für die Hilfe zum Lebensunterhalt; diese ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. Zum Bestimmung des notwendigen Lebensunterhalts bestimmt § 27a SGB XII (notwendiger Lebensunterhalt, Regelbedarfe und Regelsätze) in den Absätzen 1 bis 3 (Fassung gültig vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2015, ergänzt zu zeitanteiligen Leistungen mit Wirkung ab 1. Januar 2016 in Abs. 3):
(1) Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche. Für Schülerinnen und Schüler umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch die erforderlichen Hilfen für den Schulbesuch.
(2) Der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Absatz 1 mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt ergibt den monatlichen Regelbedarf. Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt, die bei Kindern und Jugendlichen altersbedingte Unterschiede und bei erwachsenen Personen deren Anzahl im Haushalt sowie die Führung eines Haushalts berücksichtigen.
(3) Zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 ergeben, sind monatliche Regelsätze als Bedarf anzuerkennen. Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
§ 27a Abs. 4 SGB XII bestimmt die Festlegung eines vom Regelsatz abweichenden individuellen Bedarfs im Einzelfall.
Die Anlage zu § 28 SGB XII bestimmt, welcher Regelbedarfsstufe eine Person zuzuordnen ist und die Höhe der zugehörigen Regelsätze. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 sind die Regelungen zur Zuordnung zu den Regelbedarfsstufen teilweise geändert.
In der für den Veranlagungszeitraum 2014 maßgeblichen Fassung lautet die Vorschrift:
Anlage (zu § 28) Regelbedarfsstufen nach § 28 in Euro
gültig ab | Regel- bedarfsstufe 1 | Regel- bedarfsstufe 2 | Regel- bedarfsstufe 3 | Regel- bedarfsstufe 4 | Regel- bedarfsstufe 5 | Regel- bedarfsstufe 6 |
1. Januar 2011 | 364 | 328 | 291 | 287 | 251 | 215 |
1. Januar 2012 | 374 | 337 | 299 | 287 | 251 | 219 |
1. Januar 2013 | 382 | 345 | 306 | 289 | 255 | 224 |
1. Januar 2014 | 391 | 353 | 313 | 296 | 261 | 229 |
Regelbedarfsstufe 1:
Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt; dies gilt auch dann, wenn in diesem Haushalt eine oder mehrere weitere erwachsene Personen leben, die der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind.
Regelbedarfsstufe 2:
Für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen.
Regelbedarfsstufe 3:
Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt.
Regelbedarfsstufe 4:
Für eine leistungsberechtigte Jugendliche oder einen leistungsberechtigten Jugendlichen vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.
Regelbedarfsstufe 5:
Für ein leistungsberechtigtes Kind vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres.
Regelbedarfsstufe 6:
Für ein leistungsberechtigtes Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Für den - neben dem Regelbedarf gesondert zu berücksichtigenden - Bedarf von Kindern und Jugendlichen bestimmt § 34 SGB XII (Bedarfe für Bildung und Teilhabe, im Veranlagungszeitraum 2014 geltende Fassung):
(1) 1Bedarfe für Bildung nach den Absätzen 2 bis 7 von Schülerinnen und Schülern, die eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen, sowie Bedarfe von Kindern und Jugendlichen für Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft nach Absatz 6 werden neben den maßgebenden Regelbedarfsstufen gesondert berücksichtigt. 2Leistungen hierfür werden nach den Maßgaben des § 34a gesondert erbracht.
(2) 1Bedarfe werden bei Schülerinnen und Schülern in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für
1.Schulausflüge und
2.mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
2Für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen, gilt Satz 1 entsprechend.
(3) Bedarfe für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf werden bei Schülerinnen und Schülern für den Monat, in dem der erste Schultag liegt, in Höhe von 70 Euro und für den Monat, in dem das zweite Schulhalbjahr beginnt, in Höhe von 30 Euro anerkannt.
(4) 1Für Schülerinnen und Schüler, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, sie aus dem Regelbedarf zu bestreiten. 2Als zumutbare Eigenleistung gilt in der Regel ein Betrag in Höhe von 5 Euro monatlich.
(5) Für Schülerinnen und Schüler wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.
(6) 1Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Mehraufwendungen berücksichtigt für
1. Schülerinnen und Schüler und
2.Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
2Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird. 3In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.
(7) 1Für Leistungsberechtigte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres wird ein Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10 Euro monatlich berücksichtigt für
1. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.die Teilnahme an Freizeiten.
2Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im begründeten Ausnahmefall nicht zugemutet werden kann, diese aus dem Regelbedarf zu bestreiten.
Das SGB II regelt die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Höhe der Leistungen nach dem SGB II orientiert sich an den Leistungen nach dem SGB XII. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II (Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts) wird der Regelbedarf in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Die sozialrechtlichen Regelsätze sind danach für Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII und nach dem SGB II gleich. § 28 SGB II (Bedarfe für Bildung und Teilhabe) bezieht zusätzlich in den anzuerkennenden Bedarf ausdrücklich den Bedarf auch von jungen Erwachsenen ein. Bedarfe für Bildung werden nach § 28 SGB II nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).
Ermittlung der steuerfrei zu stellenden Beträge durch die Existenzminimumberichte
Grundlage der Höhe des einkommensteuerlichen Grundfreibetrages und des Kinderfreibetrages sind die seit dem Jahr 1996 alle zwei Jahre von der Bundesregierung vorzulegenden bzw. vorgelegten Berichte über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern.
Der erste Existenzminimumbericht vom 2. Februar 1995 (BT-Drucksache 13/381) verweist zum Anlass des Berichts auf den Beschluss des Deutschen Bundestags vom 20. Januar 1994. Danach hatte die Bundesregierung bis zum 31. Dezember 1994 einen Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien vorzulegen (Verweis auf BT-Drucksache 12/6329 vom 2. Dezember 1993 sowie Plenarprotokoll der 205. Sitzung vom 20. Januar 1994, S. 17773). Ab dem zweiten Existenzminimumbericht (vom 17. Dezember 1997, BT-Drucksache 13/9561) verweisen die Existenzminimumberichte zum Anlass des Berichts auf den Beschluss des Deutschen Bundestags vom 2. Juni 1995 (BT-Drucksache 13/1558 vom 31. Mai 1995 und Plenarprotokoll 13/42 vom 2. Juni 1995). In diesem Beschluss ist zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 unter A. a) ausgeführt, dass aufgrund des Beschlusses des BVerfG vom 25. September 1992 das Existenzminimum von der Einkommensteuer freigestellt werden soll. Der Beschluss des BVerfG vom 25. September 1992 (2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl. II 1993, 413) betrifft die Verfassungswidrigkeit der steuerlichen Regelungen des Grundfreibetrags und des allgemeinen Tariffreibetrags - existenznotwendiger Bedarf als Untergrenze für Zugriff durch Einkommensteuer - rückwirkende Korrektur nicht geboten - Pflicht zur Neuregelung von Veranlagungszeitraum 1996 an (zitiert nach juris-Entscheidungsdienst).
Zur rechtlichen Ausgangslage geben die Existenzminimumberichte auszugsweise Rechtsprechung des BVerfG wieder.
In dem vorliegend streitbefangenen Veranlagungszeitraum 2014 hat der Gesetzgeber das nach dem Neunten Existenzminimumbericht für das Jahr 2014 steuerfrei zu stellende sächliche Existenzminimum eines Kindes in der Regelung zum Kinderfreibetrag in § 32 Abs. 6 EStG nicht in vollem Umfang freigestellt (sächliches Existenzminimum, d.h. erforderlicher steuerlicher Kinderfreibetrag € 4.440, nicht angepasster Kinderfreibetrag gemäß § 32 Abs. 6 EStG € 4.368). Hieraus ergibt sich die - nur den Veranlagungszeitraum 2014 betreffende - von der Klägerin als verfassungswidrig gerügte Unterdeckung um € 72.
Bis auf eine geringfügige Unterdeckung im ersten Berichtsjahr 1996 (steuerfrei zu stellendes Kinderexistenzminimum laut erstem Existenzminimumbericht DM 6.288, Kinderfreibetrag gemäß § 32 Abs. 6 EStG DM 6.264) hat der Gesetzgeber in allen übrigen Veranlagungszeiträumen die Höhe der Kinderfreibeträge mindestens in Höhe des in den Existenzminimumberichten festgestellten sächlichen Existenzminimums eines Kindes bestimmt.
Erstmals im Dritten Existenzminimumbericht über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien für das Jahr 2001 (vom 4. Januar 2000, BT-Drucksache 14/1926) ist aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 BVerfGE 99, 216 BStBl. II 1999, 182) ausgeführt (Ziffer 5.3 des Berichts), dass die Leistungsfähigkeit der Eltern über den existenziellen Sachbedarf und den erwerbsbedingten Betreuungsbedarf des Kindes hinaus generell durch den Betreuungsbedarf gemindert ist. Dieser sei deshalb im Steuerrecht zusätzlich zum sächlichen Existenzminimum zu berücksichtigen. Danach werde zum 1. Januar 2000 ein Betreuungsfreibetrag von jährlich DM 3.024 für jedes Kind bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres für ein Elternpaar eingeführt. Darüber hinaus müsse nach der Rechtsprechung des BVerfG im Rahmen des steuerlichen Kinderexistenzminimums auch der Erziehungsbedarf berücksichtigt werden. Hierzu zählten die allgemeinen Kosten, die Eltern aufzubringen haben, um ihrem Kind eine Entwicklung zu ermöglichen, die es zu einem verantwortlichen Leben in der Gesellschaft befähigt. Insoweit habe das BVerfG dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 1. Januar 2002 eingeräumt. Entsprechend ist im Vierten Existenzminimumbericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2003 (BT-Drucksache 14/7765, neu) ausgeführt (Ziffer 5.2 des Berichts), dass zum 1. Januar 2002 die fristgerechte Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung (BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 BVerfGE 99, 216 BStBl. II 1999, 182) zur Berücksichtigung des Erziehungsbedarfs für ein Kind erfolge. Hierbei werde der bisherige Betreuungsfreibetrag um eine Erziehungskomponente erweitert. An die Stelle des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs trete bei volljährigen Kindern der Ausbildungsbedarf, sodass der neue Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf von jährlich € 2.160 sowohl für minderjährige als auch für volljährige Kinder in Anspruch genommen werden könne. Darüber hinaus könnten Erwerbstätige mit Kindern unter 14 Jahren bis zu € 1.500 der nachgewiesenen und € 1.548 übersteigenden Betreuungskosten steuerlich geltend machen. Zur Abgeltung des Sonderbedarfs volljähriger Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden und auswärtig untergebracht sind, könne außerhalb des Familienleistungsausgleichs ein Freibetrag von (maximal) jährlich € 924 abgezogen werden (es handelt sich um die Regelung in § 33a Abs. 2 EStG).
Erstmals ab dem Achten Existenzminimumbericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2012 (vom 21.11.2008, BT-Drucksache 16/11065) wurden aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG der für Kinder spezifisch ermittelte Bedarf zugrunde gelegt und dabei auch deren Bedarf für Bildung und Teilhabe einbezogen.
Mit Wirkung dem Veranlagungszeitraum 2010 wurde durch das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums vom 22. Dezember 2009 (Wachstumsbeschleunigungsgesetz, BGBl. I 2009, 3950) der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf von jährlich € 2.160 auf € 2.640 erhöht. Im Neunten Existenzminimumbericht für das Jahr 2014 ist wie bereits zuvor ausgeführt, dass an die Stelle des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs bei volljährigen Kindern der Ausbildungsbedarf trete, sodass dieser Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf sowohl für minderjährige als auch für volljährige Kinder in Anspruch genommen werden könne. Darüber hinaus könnten (außerhalb des Existenzminimums; vgl. BVerfGE 112, 268 [BVerfG 16.03.2005 - 2 BvL 7/00] [282]) seit 2002 erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten steuerlich geltend gemacht werden. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 wurde die Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten neu geregelt (vgl. Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011, BGBl. I S. 2131). Ohne nach erwerbsbedingten und nicht erwerbsbedingten Aufwendungen zu unterscheiden können für alle Kinder unter 14 Jahren oder behinderte Kinder zwei Drittel der nachgewiesenen Betreuungskosten von höchstens 6 000 Euro (maximal also 4 000 Euro) als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden. Damit profitierten mehr Familien von dieser steuerlichen Regelung.
Errechnung des steuerlichen Kinderfreibetrags nach den Existenzminimumberichten
Die Errechnung des steuerlichen Kinderfreibetrags nach den Existenzminimumberichten ist ein mehrstufiges Verfahren. Der Neunte Existenzminimumbericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2014 führt unter Ziffer 3 - Zusammensetzung des Sozialhilfebedarfs - u.a. aus:
"Eine Grundlage der Bemessung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums ist nach den oben genannten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts der sozialhilferechtliche Mindestbedarf.
Der notwendige Lebensunterhalt im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII setzt sich ohne Sonder- oder Mehrbedarfe aus den folgenden Komponenten zusammen:
- Regelbedarfe ..., die insbesondere Leistungen für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie für persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens umfassen,
- Für Kinder Bildungs- und Teilhabebedarfe, sofern sie typische Bedarfspositionen darstellen ...,
- Kosten der Unterkunft (Bruttokaltmiete und vergleichbare Aufwendungen für Haus- oder Wohnungseigentum) sowie
- Heizkosten (einschließlich der Kosten für Warmwasserbereitung).
Neben diesen Komponenten sind Aufwendungen für den Erwerb eines Versicherungsschutzes für den Krankheits- und Pflegefall auf sozialhilferechtlich gewährtem Leistungsniveau eine weitere Komponente des sozialhilferechtlichen Mindestbedarfs."
In den Übersichten 2 und 5 stellt der Bericht das sächliche Existenzminimum von Erwachsenen im Veranlagungszeitraum 2014 für Alleinstehende mit € 8.352 und Ehepaare mit € 14.016 dar. Der Grundfreibetrag eines Erwachsenen nach § 32a EStG beträgt für den Veranlagungszeitraum € 8.354 bzw. verdoppelt € 16.708 bei der Zusammenveranlagung gemäß § 32a Abs. 5 EStG.
Zu Umfang und Höhe des Existenzminimums von Kindern führt der Bericht in Ziffer 5.1, 5.1.1 u.a. aus:
"Dem sächlichen Existenzminimum von Kindern liegen grundsätzlich die gleichen Komponenten zugrunde wie dem von Erwachsenen. Hinzukommen Bildungs- und Teilhabeleistungen, sofern sie typische Bedarfspositionen abdecken.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss dem Gesetzgeber zugestanden werden, die steuerliche Entlastung für einen Einkommensbetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen Bundesgebiet einheitlich festzulegen (vgl. BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] [111 f.]). Für jedes Kind einer Familie wird daher das Existenzminimum gleich hoch angesetzt.
Die sozialhilferechtlichen Regelbedarfe für Kinder sind altersabhängig und können eventuell regional verschieden sein. Daher werden die altersabhängigen Unterschiede für die Ermittlung des steuerfrei zu stellenden Betrages durch die Berechnung eines nach Lebensjahren gewichteten durchschnittlichen Regelbedarfes berücksichtigt. Mögliche regionale Unterschiede sind - wie bei Erwachsenen - derzeit nicht relevant."
In der Übersicht 3 legt der Bericht den sozialhilferechtlichen Regelbedarf eines minderjährigen Kindes für den Veranlagungszeitraum 2014 zugrunde. Dieser Regelbedarf ist altersabhängig festgestellt.
Der Regelbedarf im Jahr 2014 beträgt danach monatlich
für Kinder bis unter 6 Jahre | € 229 (Jahresbetrag € 2.748) |
für Kinder von 6 bis unter 14 Jahre | € 260 (Jahresbetrag € 3.120) |
für Kinder von 14 bis unter 18 Jahre | € 295 (Jahresbetrag € 3.540). |
Der Gesetzgeber hat mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 die sozialhilferechtlichen Regelsätze für die Gewährung von Sozialleistungen (Grundsicherung) gemäß §§ 8 Nr. 1 SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) i.V.m. § 27a Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 28 SGB XII (Ermittlung der Regelbedarfe) und der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung (RBSFV) 2014 (zum Teil um 1 € höher) festgesetzt mit:
für Kinder bis unter 6 Jahre (Regelbedarfsstufe 6) | € 229 |
für Kinder von 6 bis unter 14 Jahre (Regelbedarfsstufe 5) | € 261 |
für Kinder von 14 bis unter 18 Jahre (Regelbedarfsstufe 4) | € 296. |
Für den Kinderfreibetrag: gewichtete Durchschnittsberechnung, die für alle Kinder ab sechs Jahren zu einem niedrigeren Satz als dem sozialhilferechtlichen Regelsatz und dem Bedarf für Bildung und Teilhabe führt
Für die Ermittlung des steuerlichen Freibetrages erfolgt im Bericht abweichend vom altersgestaffelt festgestellten sozialhilferechtlichen Regelbedarf eine "Ermittlung des gewichteten durchschnittlichen monatlichen Regelbedarfs eines Kindes für 2014", in dem der monatliche Regelbedarfsbetrag der jeweiligen Altersstufe mit der Anzahl der Lebensjahre der jeweiligen Altersstufen multipliziert und die sich daraus ergebende Gesamtsumme dann durch 18 geteilt wird. Hieraus errechnet sich ein Durchschnittswert von € 258 pro Kind; dies entspricht einem Jahresbetrag von € 3.096 (12 x € 258).
Der zur Ermittlung des steuerlichen Kinderfreibetrags angesetzte Bedarf eines Kindes ist damit für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr niedriger als der sozialhilferechtliche Regelbedarf: für Kinder von 6 bis 14 Jahren um jährlich € 24 (Jahresbetrag Regelbedarf 12 x € 260 = € 3.120 ./. steuerlicher Freibetrag € 3.096 = Differenz € 24), für Kinder von 14 bis unter 18 Jahren um jährlich € 444 (Jahresbetrag Regelbedarf 12 x € 295 = € 3.540 ./. € steuerlicher Freibetrag 3.096 = Differenz € 444). Für jüngere Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres ist er um jährlich € 348 höher (Jahresbetrag Regelsatz 12 x € 229 = € 2.748, höherer steuerlicher Freibetrag € 3.096 = Differenz 348).
Für Erwachsene, die steuerlich gemäß § 32 Abs. 4 EStG als Kind zu berücksichtigen sind, enthält der Bericht keine gesonderte Ermittlung ihres Regelbedarfs. Auch insoweit setzt der Bericht für die Bemessung des steuerlichen Kinderfreibetrages den Durchschnittswert für Kinder von 0 bis 18 Jahren von € 258 monatlich an.
Der zur Ermittlung des steuerlichen Kinderfreibetrags angesetzte Bedarf eines Erwachsenen, der gemäß § 32 EStG steuerlich als Kind zu berücksichtigen ist, ist damit um € 1.584 niedriger als der für den Grundfreibetrag nach § 32a EStG angesetzte sozialhilferechtliche Regelbedarf eines alleinstehenden Erwachsenen (für den Grundfreibetrag angesetzter Regelsatz € 4.680 ./. steuerlicher Kinderfreibetrag € 3.096 = Differenz € 1.584).
Der Bericht verweist auf die Berechnung der Bund-/Länder-Kommission, die das BVerfG im Beschluss vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl. II 1990, 653) herangezogen habe. Dieser Ansatz gehe im Übrigen auch mit § 32 EStG konform - wonach im Regelfall lediglich Kinder bis unter 18 Jahren berücksichtigt werden - und gewährleiste dadurch eine typisierende Betrachtung. Folglich werde für 2014 bei Kindern ein durchschnittlicher Regelbedarf von € 3.096 (€ 258/Monat) in Ansatz gebracht.
In der Übersicht 4 erfolgt eine Ermittlung des gewichteten durchschnittlichen monatlichen Betrages für Bildung und Teilhabe eines Kindes für 2014.
Dabei wird für Schulausstattung für Kinder im Lebensalter von 6 bis unter 18 Jahren ein Betrag von jährlich € 100 (monatlich 1/12 tel von € 100) angesetzt, für Schul- und Kita-Ausflüge für Kinder im Lebensalter von 3 bis unter 18 jährlich € 36 (monatlich € 3) und für gesellschaftliche Teilhabe für alle Kinder bis unter 18 ein Betrag von jährlich € 120 (monatlich € 10). Diese Beträge werden mit der Anzahl der Lebensjahre der jeweiligen Altersstufen multipliziert und die sich daraus ergebende Gesamtsumme dann durch 18 geteilt. Hieraus errechnet sich ein Durchschnittswert von monatlich € 19 (entsprechend jährlich € 228) pro Kind für alle Kinder bis unter 18 Jahren.
Die Durchschnittsberechnung hat zur Folge, dass der bei der Ermittlung des Kinderfreibetrages angesetzte Bedarf für Bildung und Teilhabe für Kinder im Alter von 6 bis unter 18 Jahren unter dem im Bericht für diese Altersstufe angesetzten Bedarf liegt. Für Kinder im Alter von 6 bis unter 18 Jahren beträgt Ihr Bedarf für Bildung und Teilhabe laut Bericht jährlich € 100 für Schulausstattung, € 36 (12 Monate à € 3) für Schul- und Kita-Ausflüge und € 120 (12 Monate à € 10) für gesellschaftliche Teilhabe; dies ergibt gesamt jährlich € 256 gegenüber dem angesetzten errechneten Durchschnittsbetrag von jährlich € 228.
Die Beträge für Schulausstattung (jährlich € 100) und für gesellschaftliche Teilhabe (monatlich € 10, jährlich € 120) entsprechen dem nach § 34 SGB XII für diese Aufwendungen anzuerkennenden Bedarf. Der Bedarf für Schul- und Kitaausflüge ist nach § 34 Abs. 2 SGB XII in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen und für die Ermittlung des steuerlichen Freibetrages pauschaliert mit monatlich € 3 bzw. jährlich € 36. Die weiteren nach § 34 Abs. 4, 5 und 6 SGB XII (entsprechend § 28 SGB II) anzuerkennenden (tatsächlichen) Bedarfe (Aufwendungen zur Schülerbeförderung, soweit sie eine zumutbare Eigenleistung von in der Regel monatlich € 5 übersteigen, Aufwendungen für eine schulische Angebote ergänzende angemessene, geeignete und zusätzlich erforderliche Lernförderung und Aufwendungen für die Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung) sind in der Ermittlung des steuerlichen Freibetrags nicht berücksichtigt (auch nicht mit einem typisierten Betrag).
Für Erwachsene, die steuerlich gemäß § 32 Abs. 4 EStG als Kind zu berücksichtigen sind, enthält der Bericht keine gesonderte Ermittlung ihres Bedarfs für Bildung und Teilhabe (z.B. für Ausbildungs- und Studienkosten). Auch insoweit setzt der Bericht für die Bemessung des steuerlichen Kinderfreibetrages den errechneten Durchschnittswert für Kinder von 6 bis unter 18 Jahren (für die Schulausstattung), für Kinder von 3 bis unter 18 Jahren (für Schul- und Kita-Ausflüge) und für gesellschaftliche Teilhabe (von 0 bis unter 18 Jahren) von € 19 bzw. jährlich € 228 an.
Der im 9. Existenzminimumbericht für das Jahr 2014 mit dem Durchschnittsbetrag von jährlich € 228 berücksichtigte Bedarf für Bildung und Teilhabe wurde erstmals im Achten Existenzminimumbericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2012 angesetzt. Die Berücksichtigung dieses Bedarfs ist zurück zu führen auf die Entscheidung des BVerfG zur Ermittlung der Regelsätze nach dem SGB II vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175), nach der der spezifische Bedarf von Kindern nicht mit einem pauschalen Prozentsatz des Regelsatzes eines Erwachsenen bemessen werden darf und nach der u.a. der Bedarf von Kindern für Bildung und Teilhabe zusätzlich gesondert zu berücksichtigen ist.
Seit der erstmaligen Berücksichtigung für den Veranlagungszeitraum 2012 ist die Höhe des für den Bildungs- und Teilhabebedarfs angesetzten Betrages unverändert. Auch im 10. Existenzminimumbericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimum von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2016 (vom 30. Januar 2015, BT-Drucksache 18/3893) und im 11. Existenzminimumbericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimum von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2018 (vom 2. November 2016, BT-Drucksache 18/10220) wird der Bedarf für Bildung und Teilhabe unverändert mit dem errechneten Durchschnittswert von € 19 monatlich bzw. jährlich € 228 angesetzt.
Für die Ermittlung der kindbedingten Unterkunftskosten legt der Neunte Existenzminimumbericht für das Jahr 2014 unter 5.1.3 einen pro Kind als angemessen angesehenen durchschnittlichen zusätzlichen Mehrbedarf von 12 qm zugrunde. Die Kosten der Unterkunft eines Kindes werden dabei nicht nach der Pro-Kopf-Methode, sondern nach der Mehrbedarfsmethode (Ermittlung des zusätzlichen Mehrbedarfs pro Kind) zugrunde gelegt.
Dies ist zurück zuführen auf die Entscheidung des BVerfG zur partiellen Verfassungswidrigkeit des Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 6 EStG vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl. II 1999, 174), nach der Wohnbedarf nicht nach der Pro-Kopf-Methode, sondern nach dem Mehrbedarf zu ermitteln ist.
Der in der Übersicht 3 errechnete durchschnittliche Regelbedarf von € 3.096 und der in der Übersicht 4 errechnete durchschnittliche Betrag für Bildung und Teilhabe eines Kindes von € 228, Unterkunfts- und Heizkosten gehen sodann in Ziffer 6.1 des Berichts, Übersicht 5 in die Darstellung der steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminima und der entsprechenden einkommensteuerlichen Freibeträge (in Euro) ein. Unter Ansatz von Aufwendungen für Bildung und Teilhabe mit € 228, Kosten der Unterkunft mit € 912 und Heizkosten mit € 204 ergibt sich nach dem Bericht ein sächliches Existenzminimum eines Kindes im Veranlagungszeitraum 2014 mit € 4.440, welches dem gesetzlichen steuerlichen Freibetrag von € 4.368 gegenüber gestellt wird.
Der Bericht führt sodann aus:
"Die vorgenannten Existenzminima stellen statistisch belegte Mindestbeträge dar. Höhere steuerliche Freibeträge sind im Wege politischer Entscheidungen möglich. Für zusammen veranlagte Ehepaare ergibt sich die Freibetragshöhe aus § 32a Absatz 5 EStG.
Im Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression hat die Bundesregierung bereits die Erhöhung des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum eines Erwachsenen (Grundfreibetrag) ab dem Veranlagungszeitraum 2013 um 126 Euro auf 8 130 Euro und ab 2014 um weitere 224 Euro auf 8 354 Euro vorgeschlagen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/8683). Die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Anhebung des Grundfreibetrags ab 2013 wird hiermit bestätigt. Erst ab dem Veranlagungszeitraum 2014 ist auch eine Erhöhung des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) erforderlich. Auch dies wird die Bundesregierung rechtzeitig gesetzgeberisch auf den Weg bringen."
In Ziffer 6.4 führt der Bericht aus, "dass mit den geltenden steuerlichen Regelungen und den noch vorgesehenen Gesetzesänderungen in den Jahren 2013 und 2014 den verfassungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der steuerfrei zu stellenden Existenzminima von Erwachsenen und Kindern entsprochen wird."
Ermittlung des steuerlichen Grundfreibetrags nach den Existenzminimumberichten - keine gewichtete Durchschnittsberechnung, sondern Ansatz mit dem höchsten in Betracht kommenden Wert
Zur Ermittlung der steuerlich freizustellenden Beträge des sächlichen Existenzminimums für Steuerpflichtige (soweit es nicht um die Steuerfreistellung von Personen geht, die bei einer anderen Steuerpflichtigen als Kind zu berücksichtigen sind), legen die Existenzminimumberichte zur Bemessung des Grundfreibetrages (§ 32a Abs. 1 EStG) abweichend vom Verfahren zur Ermittlung des Kinderfreibetrages den höchsten in Betracht kommenden sozialhilferechtlichen Bedarf eines Erwachsenen einheitlich für alle Steuerpflichtigen zugrunde: der sozialhilferechtlich gebotene Regelsatz eines Alleinstehenden Erwachsenen (Regelsatzstufe 1 gemäß der Anlage zu § 28 SGB XII) beträgt im Veranlagungszeitraum monatlich € 390 (bzw. jährlich 12 x € 390 = € 4.680, vgl. Ziffer 4.1.1 letzter Absatz des Neunten Existenzminimumberichts). Nach der Anlage 1 zu § 28 SGB XII beträgt der Anspruch ab dem 1. Januar 2014 monatlich € 391. Der Existenzminimumbericht stellt fest, dass bei Ehepaaren (Regelsatzstufe 2 gemäß Anlage 1 zu § 28 SGB XII der sozialhilferechtlichen Regelsatz € 8.448 betrage.
In der Übersicht 2 stellt der neunte Existenzminimumbericht dar, das steuerfrei zu stellende sächliche Existenzminimum von Erwachsenen betrage für Alleinstehende im Veranlagungszeitraum 2014 € 8.352 und für Ehepaare € 14.016.
Tatsächlich sind für Erwachsene nach den sozialhilferechtlichen Regelsätzen noch niedrigere Regelsätze in Abhängigkeit von der Regelbedarfsstufe möglich. Für Erwachsene gelten gemäß Anlage 1 zu § 28 SGB XII die Regelbedarfsstufe 1 (Alleinstehende oder Alleinerziehende, die einen eigenen Haushalt führen), die Regelbedarfsstufe 2 (für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen) und die Regelbedarfsstufe 3 (für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt) vor, und zwar mit jeweils niedrigerem Regelsatz. Der Regelsatz für erwachsene Leistungsberechtigte, die zur Regelbedarfsstufe 3 gemäß der Anlage 1 zu § 28 SGB XVII gehören, beträgt im Veranlagungszeitraum 2014 monatlich € 313 (entsprechend jährlich € 3.756).
Anders als zur Ermittlung des Kinderfreibetrages nehmen die Existenzminimumberichte für Erwachsene keine Durchschnittsberechnung oder irgendwie gewichtete Durchschnittsberechnung - z.B. unter Zugrundelegung der Regelsätze für die drei in Betracht kommenden Regelbedarfsstufen - vor, sondern setzen den Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 EStG unter Zugrundelegung des höchsten in Betracht kommenden Regelsatzes für Alleinstehende einheitlich als Bedarf für alle Erwachsenen an. Dies gilt (entgegen dem in der Übersicht 2 des Neunten Existenzminimumberichts dargestellten niedrigeren sächlichen Existenzminimum von Ehegatten) auch für Ehegatten durch den Ansatz des verdoppelten für Alleinstehende geltenden Grundfreibetrages durch die Anwendung des Splitting-Verfahrens nach § 32a Abs. 5 EStG.
Das bedeutet, dass der Gesetzgeber für den Grundfreibetrag sowohl den höchsten in Betracht kommenden Regelsatz der steuerlichen Freistellung zugrunde legt, als auch bei Ehegatten über den sozialhilferechtlichen Bedarf hinaus eine steuerliche Freistellung vornimmt, bei der Bemessung des Kinderfreibetrages jedoch einen möglichst niedrigen Betrag errechnet, in dessen Bemessung systematisch noch nicht einmal der Bedarf sämtlicher einkommensteuerlich zu berücksichtigender Kinder einbezogen ist. Gründe für die unterschiedlichen Verfahren zur steuerlichen Freistellung im Rahmen des Grundfreibetrages einerseits und des Kinderfreibetrages andererseits sind in den Existenzminimumberichten nicht dargelegt.
Kinderfreibeträge für die Veranlagungszeiträume 2015 und 2016 und zukünftig: kein auslaufendes Recht, keine andere Methode der Ermittlung der Existenzminima
Durch das Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16. Juli 2015 wurde der seit dem Veranlagungszeitraum 2010 geltende (verdoppelte) Kinderfreibetrag in § 32 Abs. 6 EStG von € 4.368 angehoben für den Veranlagungszeitraum 2015 auf € 4.512 und für den Veranlagungszeitraum 2016 auf € 4.608. Der Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsfreibetrag beträgt unverändert € 2.640. Dem liegt der 10. Existenzminimumbericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2016 (vom 30. Januar 2015, BT-Drucksache 18/3893) zugrunde, der die für die Jahre 2015 und 2016 nach Auffassung der Bundesregierung steuerfrei zu stellenden Existenzminima angibt.
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vom 20. Dezember 2016 (BGBl. I 2016, 3000) ist die (zukünftige) Anhebung des (verdoppelten) Kinderfreibetrages beschlossen worden für den Veranlagungszeitraum 2017 auf € 4.716 und für den Veranlagungszeitraum 2018 auf € 4.788. Der Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsfreibetrag beträgt unverändert € 2.640. Dem liegt der 11. Existenzminimumbericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2018 (vom 2. November 2016, BT-Drucksache 18/10220) zugrunde, der die für die Jahre 2017 und 2018 nach Auffassung der Bundesregierung steuerfrei zu stellenden Existenzminima angibt.
Die Ermittlung des kindbedingten Existenzminimums unter Ansatz des gewichteten durchschnittlichen monatlichen Regelbedarfs von Kindern bis unter 18 Jahren und des gewichteten durchschnittlichen monatlichen Betrages für Bildung und Teilhabe von Kindern bis unter 18 Jahren erfolgt im 10. und im 11. Existenzminimumbericht methodisch unverändert wie in den vorangegangenen Existenzminimumberichten. Ebenfalls wird der Bedarf von Erwachsenen, die einkommensteuerlich als Kind zu berücksichtigen sind, weiterhin nicht ermittelt, sondern mit dem vorstehenden gewichteten Durchschnittsbetrag für minderjährige Kinder bis unter 18 Jahren angesetzt.
Die Erhöhungen des Kinderfreibetrag in § 32 Abs. 6 EStG setzen (nur) das um, was nach Feststellung der Bundesregierung in den Existenzminimumberichten als für eine verfassungsgerechte Steuerfreistellung des Existenzminimums erforderlich ist, ohne darüber hinausgehende steuerliche Entlastungen.
Rechtsprechung des BVerfG zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums und zur Typisierung der steuerlich abzugsfähigen Beträge
Der Beschluss des BVerfG vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl. II 1990, 653) betrifft die Verfassungsmäßigkeit der im Haushaltsbegleitgesetz 1983 eingeführten Kürzung des Kindergeldes nach dem Bundeskindergeldgesetz für Besserverdienende und der Vorschriften über die Berechnung des dafür maßgeblichen Einkommens. Leitsatz 2 des Beschlusses fasst zusammen:
"Bei der Einkommensbesteuerung muß ein Betrag in Höhe des Existenzminimums der Familie steuerfrei bleiben; nur das darüber hinausgehende Einkommen darf der Besteuerung unterworfen werden."
Das BVerfG führt in der Entscheidung aus, der Staat müsse dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Dieses verfassungsrechtliche Gebot folge aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG. Ebenso wie der Staat nach diesen Verfassungsnormen verpflichtet sei, dem mittellosen Bürger diese Mindestvoraussetzungen erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern, dürfe er dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zu diesem Betrag - dem Existenzminimum - nicht entziehen. Aus den genannten Verfassungsnormen, zusätzlich aber auch aus Art. 6 Abs. 1 GG, folge ferner, dass bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben müsse.
Die Steuerfreiheit des Familienexistenzminimums wirke sich auch auf die Besteuerung eines Einkommens aus, das dieses Existenzminimum übersteigt. Das Existenzminimum müsse dem Steuerpflichtigen nicht nur nach Abzug der Steuern erhalten bleiben. Der Gesetzgeber dürfe auch nur das darüber hinausgehende Einkommen der Besteuerung unterwerfen, weil andernfalls Familien mit unterhaltsbedürftigen Kindern gegenüber den sonstigen Familien, gegenüber kinderlosen Ehepaaren und gegenüber kinderlosen Alleinstehenden benachteiligt werden würden.
Das BVerfG führt unter C III 3 a) der Entscheidung aus:
"Prüfungsmaßstab ist insoweit Art. 3 Abs. 1 GG, wobei die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Grundsatzentscheidung für den Schutz der Familie mit zu beachten ist (vgl. BVerfGE 13, 290 [BVerfG 24.01.1962 - 1 BvL 32/57] <296 f., 298>; 75, 348 <357>).
Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; st. Rspr.). Daraus folgt für das Gebiet des Steuerrechts, daß die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet werden muß. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist (vgl. BVerfGE 61, 319 <343 f.> m.w.N.). Die für den Steuerpflichtigen unvermeidbare Sonderbelastung durch Unterhaltsverpflichtungen mindert seine Leistungsfähigkeit und darf ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vom Gesetzgeber nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. zuletzt BVerfGE 68, 143 [BVerfG 17.10.1984 - 1 BvR 527/80] <152 f.>).
Auch Unterhaltsaufwendungen für Kinder sind danach grundsätzlich keine Aufwendungen im privaten Bereich, die nach der Grundregel des § 12 Nr. 1 EStG steuerlich als allgemeine Kosten der Lebensführung nicht abzugsfähig sind; vielmehr muß berücksichtigt werden, daß durch diese Aufwendungen die steuerliche Leistungsfähigkeit gemindert wird. Beim Kindesunterhalt folgt diese Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips zusätzlich aus den grundlegenden Entscheidungen der Verfassung in Art. 1 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Der Staat, der die Würde des Menschen als höchsten Rechtswert anerkennt (vgl. BVerfGE 45, 187 [BVerfG 21.06.1977 - 1 BvL 14/76] <227> m.w.N.) und Ehe und Familie dem besonderen Schutz des Staates anheimgegeben hat, darf Kinder und private Bedürfnisbefriedigung nicht auf eine Stufe stellen und danach auf die Mittel, die für den Lebensunterhalt von Kindern unerläßlich sind, nicht in gleicher Weise zugreifen wie auf finanzielle Mittel, die zur Befriedigung beliebiger Bedürfnisse eingesetzt werden. Er muß die Entscheidung der Eltern zugunsten von Kindern achten und darf den Eltern im Steuerrecht nicht etwa die "Vermeidbarkeit" von Kindern in gleicher Weise entgegenhalten wie die Vermeidbarkeit sonstiger Lebensführungskosten."
Zur Höhe der steuerlich zu berücksichtigenden Minderung der Leistungsfähigkeit führt das BVerfG unter C III 3 b) aus:
"Der Höhe nach muß der Staat bei der Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit den Unterhaltsaufwand für Kinder des Steuerpflichtigen in dem Umfang als besteuerbares Einkommen außer Betracht lassen, in dem die Unterhaltsaufwendungen zur Gewährleistung des Existenzminimums der Kinder erforderlich sind.
Das folgt mittelbar aus den Erwägungen, die es gebieten, das Existenzminimum der Familie steuerfrei zu lassen (s.o. C III 2). Soweit das Einkommen der Familie benötigt wird, um ihr die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten, ist es - unabhängig vom sozialen Status der Familie - nicht disponibel und kann nicht Grundlage der steuerlichen Leistungsfähigkeit sein. Wird die Besteuerung für Kinderlose und Steuerpflichtige mit Kindern nach einem einheitlichen Tarif vorgenommen, so werden die letzteren gegenüber den ersteren benachteiligt, wenn von ihrem Einkommen der Unterhaltsaufwand für Kinder nicht wenigstens in Höhe des Existenzminimums abgezogen wird; denn sie werden dadurch im Ergebnis einer höheren Steuerbelastung unterworfen als kinderlose Ehepaare oder Alleinstehende, weil sie bei gleichem Ausgangseinkommen die gleiche Steuerlast tragen wie Kinderlose, obwohl ihr Einkommen in Höhe des Existenzminimums der Kinder gebunden ist und ihnen daher insoweit nicht zur freien Verwendung zur Verfügung steht.
Das Gebot, Unterhaltsaufwendungen für Kinder mindestens in Höhe des Existenzminimums von der Besteuerung auszunehmen, entspricht im Ergebnis dem Grundsatz, daß der Gesetzgeber bei der steuerlichen Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen nicht realitätsfremde Grenzen ziehen darf (vgl. BVerfGE 66, 214 [BVerfG 22.02.1984 - 1 BvL 10/80] <223>; 68, 143 <153>). Es wird im übrigen nicht dadurch berührt, daß die öffentliche Hand allgemeine Förderungsleistungen für Kinder, insbesondere als Träger des Schul-, Bildungs- und Ausbildungssystems, erbringt (vgl. dazu BVerfGE 43, 108 [BVerfG 23.11.1976 - 1 BvR 150/75] <121>). Diese Leistungen wirken sich dahin aus, daß der Unterhaltsaufwand der Eltern geringer ist, als er es wäre, wenn sie für diese Einrichtungen selbst sorgen oder solche Einrichtungen gegen ein marktwirtschaftliches Entgelt in Anspruch nehmen müßten. Für die Frage, wie das Existenzminimum steuerlich zu berücksichtigen ist, sind jedoch die Tatsache und der Umfang dieser Förderungsleistungen ohne Bedeutung."
Zur Höhe der steuerlichen Freistellung führt das BVerfG unter C III 3 c) am Ende und d) aus, jenseits des verfassungsrechtlich gebotenen Freibetrages in Höhe des Existenzminimums von Kindern sei der Gesetzgeber allerdings frei, soziale Gesichtspunkte verstärkt zu berücksichtigen und dabei insbesondere Bezieher höherer Einkommen steuerlich stärker zu belasten.
Das Existenzminimum könne bei der Besteuerung aus Gründen der Praktikabilität in einem einheitlichen Betrag berücksichtigt werden, der von Verfassungs wegen auch nicht zwingend nach Altersgruppen gestaffelt werden müsse.
Zur Bemessung eines einheitlichen Betrages führt das BVerfG unter C III 3 d) aus:
"Dieser Betrag muß allerdings so bemessen werden, daß er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdeckt. Da das Existenzminimum regional verschieden sein kann, darf sich der Gesetzgeber insoweit nicht an einem unteren Grenzwert oder an einem Durchschnittswert orientieren, der in einer größeren Zahl von Fällen nicht ausreichen würde."
Andererseits folge weder aus Art. 3 Abs. 1 noch aus Art. 6 Abs. 1 GG, dass der Gesetzgeber die Unterhaltsleistungen für Kinder in der vollen Höhe des bürgerlichrechtlichen Unterhaltsanspruchs, der sich regelmäßig nach der Lebensstellung der Eltern bestimmt (vgl. BGH, NJW 1980, S. 1686 [BGH 23.04.1980 - IVb ZR 527/80] <1689>; 1983, S. 1429), berücksichtigen müsste. Eine individuelle Bemessung des Entlastungsbetrages nach den Umständen des Einzelfalles scheide schon deshalb aus, weil dadurch das Besteuerungsverfahren unverhältnismäßig erschwert würde. Es sei aber auch sachlich nicht geboten, die steuerliche Entlastung für kindesbedingte Aufwendungen am bürgerlichrechtlichen Unterhalt auszurichten und sie damit letztlich nach dem sozialen Status der einzelnen Familie zu bestimmen (vgl. auch BVerfGE 43, 108 [BVerfG 23.11.1976 - 1 BvR 150/75] <121, 123>).
Der Beschluss des BVerfG vom 25. September 1992 (2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl. II 1993, 413) betrifft u.a. die Frage, ob die Grundfreibeträge für die Veranlagungszeiträume 1978 bis 1984, 1986, 1988 und 1991 mit dem Grundgesetz vereinbar waren. Die Leitsätze der Entscheidung lauten:
"1. Dem der Einkommensteuer unterworfenen Steuerpflichtigen muß nach Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld von seinem Erworbenen soviel verbleiben, als er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und - unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG - desjenigen seiner Familie bedarf (Existenzminimum).
2. Die Höhe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums hängt von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem in der Rechtsgemeinschaft anerkannten Mindestbedarf ab. Der Steuergesetzgeber muß dem Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezügen zumindest das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt.
3. Bei einer gesetzlichen Typisierung ist das steuerlich zu verschonende Existenzminimum grundsätzlich so zu bemessen, daß es in möglichst allen Fällen den existenznotwendigen Bedarf abdeckt, kein Steuerpflichtiger also infolge einer Besteuerung seines Einkommens darauf verwiesen wird, seinen existenznotwendigen Bedarf durch Inanspruchnahme von Staatsleistungen zu decken."
Das BVerfG vergleicht in dem Beschluss die Höhe der durchschnittlichen Sozialhilfeleistungen eines Erwachsenen mit der Höhe des Grundfreibetrages. Es stellt fest, dass der durchschnittliche Sozialhilfebedarf jeweils deutlich über dem Grundfreibetrag lag, damit die steuerlichen Freibeträge dem verfassungsrechtlichen Gebot, das Existenzminimum von der Einkommensteuer freizustellen, nicht gerecht wurden und deshalb verfassungswidrig waren. Zur Höhe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums führt das BVerfG unter C I 3 aus:
"Die Höhe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums hängt von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem in der Rechtsgemeinschaft anerkannten Mindestbedarf ab. Diesen einzuschätzen ist Aufgabe des Gesetzgebers. Soweit der Gesetzgeber jedoch im Sozialhilferecht den Mindestbedarf bestimmt hat, den der Staat bei einem mittellosen Bürger im Rahmen sozialstaatlicher Fürsorge durch Staatsleistungen zu decken hat (vgl. BVerfGE 40, 121 <133>), darf das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum diesen Betrag jedenfalls nicht unterschreiten. Der Steuergesetzgeber muß dem Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezügen zumindest das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt."
Das BVerfG stellt fest, dass das Sozialrecht (damals) den individuellen Bedarf des einzelnen Bedürftigen nach den Verhältnissen des Einzelfalls berücksichtigte. Diese Rechtslage hat sich insofern geändert, als das SGB II und das SGB XII grundsätzlich von einem einheitlichen Regelbedarf - für Kinder altersabhängig gestaffelt - ausgehen. Das BVerfG führt aus, die Erfassung des existenzsichernden Aufwands im Einkommensteuerrecht in einem für alle Einkommensteuerpflichtigen einheitlichen Betrag sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Im Rahmen einer solchen Typisierung sei das Existenzminimum allerdings grundsätzlich so zu bemessen, dass es in möglichst allen Fällen den existenznotwendigen Bedarf abdecke, kein Steuerpflichtiger also infolge einer Besteuerung seines Einkommens darauf verwiesen werde, seinen existenznotwendigen Bedarf durch Inanspruchnahme von Staatsleistungen zu decken. Bestehe hingegen - wie damals auf dem Wohnungsmarkt - ein erhebliches Preisgefälle für existenznotwendige Aufwendungen, so erfasse ein einheitlicher Durchschnittswert die verschiedenen Bedarfsgruppen nicht realitätsgerecht. In einem Sonderfall dieser Art sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, sich bei der Bemessung des Grundfreibetrags insoweit an einem unteren Wert zu orientieren, wenn er zugleich zur ergänzenden Deckung des Bedarfs nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie etwa ein Wohngeld, zur Verfügung stellte. Daneben wäre es von Verfassungs wegen auch nicht ausgeschlossen, wenn der Steuergesetzgeber - wie beim betrieblichen Aufwand - den Bedarf individuell oder gruppenbezogen erfasste.
Der Beschluss des BVerfG vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91,93, BStBl. II 1994, 909) wird in Ziffer 5.1 des Existenzminimumberichts angeführt dazu, dass es zulässig sei, die steuerliche Entlastung für einen Einkommensbetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen Bundesgebiet einheitlich festzulegen. Der Beschluss betrifft die Kürzung des Kindergeldes für Besserverdienende nach § 10 Abs. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in den Jahren 1983 bis 1987. Die damalige Rechtslage weicht von der heutigen Regelung insofern ab, als damals sowohl ein (nach dem Jahreseinkommen gestaffelter) Anspruch auf Kindergeld als auch zusätzlich auf einen Kinderfreibetrag bestand. Da in den Streitjahren 1986 und 1987 wie in den vorangegangenen Jahren die steuerliche Entlastung einerseits durch den damaligen Kinderfreibetrag von 2.484 DM je Kind, daneben aber durch das Kindergeld bewirkt werden sollte, rechnete das BVerfG für die verfassungsrechtliche Prüfung der Kürzungsregelung des § 10 Abs. 2 BKGG das gekürzte Kindergeld in einen fiktiven Kinderfreibetrag um und stellte diesen dann zusammen mit den gesetzlichen Kinderfreibeträgen dem Betrag des Existenzminimums gegenüber.
Zur Höhe des in den Vergleich einzustellenden Existenzminimums hält das BVerfG die Bildung eines Durchschnittssatzes aus den unterschiedlichen Sätzen des im Sozialhilferecht anerkannten Bedarfs für zulässig. Das BVerfG führt unter C II 1 c) der Entscheidung aus:
"Die Höhe des in den Vergleich einzustellenden Existenzminimums für Kinder hängt nicht nur von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen, sondern auch von dem nach den gesellschaftlichen Anschauungen anzunehmenden Mindestbedarf ab. Bei der Ermittlung des damit nicht exakt vorgegebenen Betrages des Existenzminimums muß dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum eingeräumt werden (vgl. BVerfGE 82, 60 <93 f.>; 87, 153 <170 f.>). Entscheidende Bedeutung für die Bemessung des steuerlich zu berücksichtigenden Existenzminimums kommt dabei der Bemessung der Sozialhilfeleistungen zu, die gerade dieses Existenzminimum gewährleisten sollen, verbrauchsbezogen ermittelt und regelmäßig den veränderten Lebensverhältnissen angepasst werden (vgl. BVerfGE 82, 60 <94>). Das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum darf jedenfalls den Mindestbedarf, den der Gesetzgeber im Sozialrecht festgelegt hat, nicht unterschreiten (vgl. BVerfGE 87, 153 <170 f.>).
Da einerseits dem Gesetzgeber zugestanden werden muß, die steuerliche Entlastung in Höhe des Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen Bundesgebiet einheitlich festzulegen (BVerfGE 82, 60 <91>), andererseits aber die Leistungen der Sozialhilfe weder für alle in Betracht kommenden Altersstufen der Kinder noch in allen Bundesländern einheitlich sind, muß für den Vergleich aus den unterschiedlichen Sätzen ein Durchschnittssatz des im Sozialhilferecht anerkannten Bedarfs gebildet werden (vgl. BVerfGE 82, 60 <94>; 87, 153 <173>). Es bestehen keine Bedenken, insoweit - wenigstens im Sinne von Richtwerten - die Ergebnisse der Berechnung, die der Bundesminister für Familie und Senioren im vorliegenden Verfahren vorgelegt hat, in den Vergleich einzustellen."
In der der Entscheidung zugrundeliegenden Bedarfsberechnung ist der Wohnraumbedarf eines Kindes pauschaliert nach der pro-Kopf-Methode angesetzt, was zum Ansatz eines höheren Bedarfes als bei der im Existenzminimumbericht angewandten Mehrbedarfsmethode führt.
Das BVerfG führt weiter aus, der Betrag des zur Deckung des Existenzminimums objektiv erforderlichen Aufwands lasse sich nicht strikt mit dem Ergebnis einer Berechnung des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs nach einer bestimmten Methode gleichsetzen. Die Ergebnisse solcher Berechnungen hingen von einer Reihe von Ausgangswerten ab, die zum Teil pauschaliert werden müssten und bei denen auch die tatsächlichen Grundlagen nicht immer genau festgestellt werden könnten. Bei der Ermittlung des Existenzminimums für Kinder werde dies besonders deutlich bei der Berechnung des für Wohnung und Heizung anzusetzenden Betrages. Auch ergäben sich Unsicherheiten bei der Bildung eines gewichteten Durchschnitts aus der Frage, welche Altersgruppen bei der Berechnung des Kindesbedarfs berücksichtigt werden. So gehe der Bundesminister von Kindern bis zu 18 Jahren aus, während beispielsweise der Bundesfinanzhof Kinder bis zum 21. Lebensjahr in die Berechnung einbeziehe (Vorlagebeschluss des BFH vom 16. Juli 1993, III R 206/90, BFHE 171, 534 <540>, BStBl. II 1993, 755). Hieraus werde deutlich, dass sich der durchschnittliche jährliche Sozialhilfebedarf nur annäherungsweise ermitteln lasse und dass demgemäß eine solche Berechnung nur einen Richtwert, nicht aber eine strikte Vorgabe für die Bemessung des Existenzminimums darstellen könne (vgl. auch Beschluss des BVerfG vom 25.09.1992 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 <173>).
Das BVerfG führt unter C II 1 d aa) und bb) aus:
"Dem Gesetzgeber muß daher bei der Festlegung des Entlastungsbetrags ein gewisser Einschätzungsspielraum zugebilligt werden. Bei der nachträglichen Kontrolle der von ihm getroffenen Regelung am Maßstab einer pauschalen Berechnung des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs müssen die Ungenauigkeiten berücksichtigt werden, die mit einer solchen Berechnung verbunden sind. Die gesetzliche Regelung kann danach erst dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn die Unterschreitung der zum Vergleich herangezogenen Richtwerte ein Ausmaß erreicht, das selbst unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers und der in Betracht kommenden Ungenauigkeiten der Berechnung nicht mehr vertretbar erscheint.
Wo diese Grenze zu ziehen ist, hängt insbesondere vom Ausmaß der Unsicherheit ab, die der zum Vergleich herangezogenen Berechnung des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs anhaftet. Ein allgemeiner Grenzwert lässt sich danach nicht für alle in Betracht kommenden Vergleichsberechnungen aufstellen. Jedenfalls kann aber bei Richtwerten, wie sie hier nach der Berechnung des Bundesministers zum Vergleich herangezogen werden, die Verfassungswidrigkeit einer bestehenden Regelung noch nicht festgestellt werden, wenn diese Richtwerte um weniger als 15 vom Hundert unterschritten werden (vgl. auch BFHE 171, 534 [BFH 16.07.1993 - III R 206/90] <545>). Diese Abweichung ist angesichts der in Rechnung zu stellenden Unsicherheiten der Richtwerte noch hinnehmbar.
Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist ferner zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber vor besonderen Schwierigkeiten steht, wenn er die nach dem Grundsatz der horizontalen Steuergleichheit gebotene Entlastung nicht ausschließlich durch einen Kinderfreibetrag schafft, sondern den Weg einer aus Kindergeld und (geringerem) Kinderfreibetrag kombinierten Entlastung wählt. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein können. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 79, 87 [BVerfG 09.11.1988 - 1 BvL 22/84] <100>; st. Rspr.)."
Das BVerfG führt sodann aus, dieser Grundsatz könne allerdings nicht dazu führen, dass der Gesetzgeber eine Regelung treffen könne, die die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen in Höhe des Existenzminimums nur für Steuerpflichtige mit niedrigen Spitzensteuersätzen gewährleiste. Dem Gesetzgeber könne insoweit nur ein geringer Pauschalierungsspielraum eingeräumt werden, denn er hätte eine Ungleichbehandlung für alle Betroffenen ohne weiteres dadurch vermeiden können, dass er das Existenzminimum mit einem entsprechenden Kinderfreibetrag im Einkommensteuerrecht berücksichtigte und das Kindergeld nur als ergänzende Sozialleistung ausgestaltete (vgl. BVerfGE 82, 60 <97>). Ebenso wie der Gesetzgeber verpflichtet sei, den Betrag des Existenzminimums so zu bemessen, dass er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf decke (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 87, 153 <172>), müsse er ihn auch möglichst allen Steuerpflichtigen in gleicher Weise zugute kommen lassen. Er dürfe danach die horizontale Steuergleichheit auch bei Spitzenverdienern allenfalls in geringem Umfang vernachlässigen. Es sei ihm aber nicht jede Pauschalierung verwehrt.
Der Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 [BVerfG 10.11.1998 - 2 BvL 42/93], BStBl. II 1999, 174) betrifft die Höhe der Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG im Veranlagungszeitraum 1987. Die Leitsätze der Entscheidung lauten:
"1. Art 6 Abs 1 GG gebietet, bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei zu belassen:
a) Dabei bildet das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden darf.
b) Das einkommensteuerliche Existenzminimum ist für alle Steuerpflichtigen - unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz - in voller Höhe von der Einkommensteuer freizustellen.
c) Der Wohnbedarf ist nicht nach der Pro-Kopf-Methode, sondern nach dem Mehrbedarf zu ermitteln."
Das BVerfG führt unter C I der Entscheidung aus:
Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fordert das Grundgesetz, daß existenznotwendiger Aufwand in angemessener, realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freigestellt wird. Das Sozialhilferecht bietet eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene: Das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum darf den Betrag, den der Staat einem Bedürftigen im Rahmen staatlicher Fürsorge gewährt, jedenfalls nicht unterschreiten.
1. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist der aus Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG sich ergebende Grundsatz, dass der Staat dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen muß, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird (vgl. BVerfGE 82, 60<85>). Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (vgl. BVerfGE 87, 153 <169>). Art. 6 Abs. 1 GG gebietet darüber hinaus, daß bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben muß (vgl. BVerfGE 82, 198 [BVerfG 12.06.1990 - 1 BvL 72/86] <207>). ...
3. Die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden existenzsichernden Aufwendungen müssen nach dem tatsächlichen Bedarf - realitätsgerecht - bemessen werden (vgl. BVerfGE 66, 214 [BVerfG 22.02.1984 - 1 BvL 10/80] <223>; 68, 143 <153>; 82, 60<88>). Dessen Untergrenze ist durch die Sozialhilfeleistungen konkretisiert, die das im Sozialstaat anerkannte Existenzminimum gewährleisten sollen, verbrauchsbezogen ermittelt und auch regelmäßig den veränderten Lebensverhältnissen angepasst werden. Mindestens das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt, muß er auch dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen belassen (vgl. BVerfGE 87, 153 <171>; 91, 93 <111>).
Das BVerfG setzt sich mit der in der Entscheidung des 1. Senats des BVerfG (vom 14. Juni 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91,93, BStBl. II 1994, 909) angenommenen Toleranzgrenze von 15 %, um die das steuerlich zugrunde gelegte Existenzminimum das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum unterschreiten dürfe, auseinander. Das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum bilde die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden dürfe. Der Erste Senat des BVerfG habe einen Toleranzwert von 15 % u.a. mit dem Umstand begründet, der Wohnbedarf sei bei den dort herangezogenen R i c h t w e r t e n nach der Pro-Kopf- Methode berechnet worden und nicht nach den niedrigeren Werten, die lediglich den notwendigen Mehrbedarf an Wohnraum berücksichtigen (BVerfGE 91, 93 <113 ff.> unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Bundesministeriums für Familie und Senioren, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts <BVerwGE 79, 17, 20> und auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs <BFHE 171, 534, 539 ff.>). Die Bedarfsberechnung nach der Pro-Kopf-Methode gelange zu tendenziell erhöhten Werten, die eine 15 %ige Toleranz rechtfertigen könnten. Im Grundsatz aber fordere auch der Erste Senat eine Berücksichtigung des Existenzminimums "möglichst in allen Fällen" in präzisen, realitätsgerechten Grenzen (BVerfGE 91, 93 <115>).
Bei der Berechnung der Bedarfswerte des Jahres 1987 werde jedoch (wie auch im Existenzminimumbericht für den Veranlagungszeitraum 2014) nicht die Pro-Kopf-Methode, sondern die Mehrbedarfsmethode zugrunde gelegt. Den Bedarfszahlen lägen nicht durchschnittliche Richtwerte (so BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] <112>), sondern nur der existenznotwendige Mindestbedarf zugrunde. Das BVerfG führt aus:
Diese Bedarfsgrößen zur Feststellung der Existenzminima sind jeweils nur statistisch belegte M i n d e s t beträge, die deshalb zwar überschritten, aber nicht mehr unterschritten werden dürfen (vgl. Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien vom Jahr 1996, BT-Drucksache 13/381, S. 4).
Die Unterschreitung von statistisch ermittelten Mindestbeträgen lasse sich auch nicht durch die Aufgabe rechtfertigen, Bedarfszahlen für die Zukunft festzulegen, ohne die künftige Entwicklung sicher voraussagen zu können. Der existenznotwendige Bedarf sei nämlich in der Bundesrepublik in den vergangenen 50 Jahren regelmäßig gestiegen, nicht gesunken (Statistisches Jahrbuch 1994, S. 662). Die Anpassung des einkommensteuerlichen Existenzminimums habe mit diesen Steigerungsraten regelmäßig nicht Schritt gehalten. Deswegen wäre allenfalls ein - vorsorgliches oder kompensierendes - Überschreiten der Mindestwerte geboten.
Eine in nicht allen Fällen ausreichende einkommensteuerliche Berücksichtigung der existenznotwendigen Mindestaufwendungen für den Kindesunterhalt sei nicht mit der Notwendigkeit einer gesetzlichen Typisierung zu rechtfertigen. Jede gesetzliche Regelung müsse zwar verallgemeinern (vgl. BVerfGE 82, 126 <151>; 96, 1 <6>), dürfe sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und müsse insbesondere nicht allen Besonderheiten des Einzelfalls jeweils durch Sonderregelungen Rechnung tragen. Bei der verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung der existenznotwendigen Mindestaufwendungen für den Kindesunterhalt seien aber keine einzelfallbedingten Besonderheiten tatbestandlich aufzunehmen und gegebenenfalls zu typisieren; vielmehr sei ein für alle gleicher Bedarf in den einkommensteuerlichen Bedarfstatbeständen aufzunehmen. Das Gebot, "bei allen Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz die existenznotwendigen Mindestaufwendungen für Kinderunterhalt in der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen", folge auch aus dem Grundsatz der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 84, 239 [BVerfG 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89] <271>; 87, 153 <170>; 93, 121 <136>).
Der Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl. II 1999, 182) betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar war, dass in ehelicher Gemeinschaft lebende Eltern von dem Recht, Kinderbetreuungskosten wegen Erwerbstätigkeit als außergewöhnliche Belastungen von der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage abzuziehen, sowie von der Gewährung eines Haushaltsfreibetrags ausgeschlossen wurden. Das BVerfG hat hierzu entschieden, dass die Leistungsfähigkeit von Eltern über den existentiellen Sachbedarf und den erwerbsbedingten Betreuungsbedarf des Kindes hinaus generell durch den Betreuungsbedarf und durch einen Erziehungsbedarf gemindert wird, die einkommensteuerlich unbelastet bleiben müssen, ohne dass danach unterschieden werden dürfe, in welcher Weise dieser Bedarf gedeckt wird. Soweit das Familienexistenzminimum sich nach personenbezogenen Daten wie Familienstand, Anzahl der Kinder und Alter bestimmt, müsse nach dem rechtsstaatlichen Gebot der Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit dieser Tatbestand so gefasst werden, dass die bloße Angabe dieser Daten die Anwendung des Gesetzes möglich mache (Leitsatz 3 der Entscheidung).
Das BVerfG führt zur gebotenen steuerlichen Freistellung des Existenzminimums, zur zusätzlich gebotenen steuerlichen Verschonung des Betreuungsbedarfs als Bestandteil des kindbedingten Existenzminimums und zur ebenfalls zusätzlichen Pflicht des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern unter B I 3 und 4 aus:
a) Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG folgt das verfassungsrechtliche Gebot, dass der Staat das Einkommen dem Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei belassen muß, als es Mindestvoraussetzung eines menschenwürdigen Daseins ist - "Existenzminimum" - (vgl. BVerfGE 82, 60 <85>). Bei der Besteuerung einer Familie gilt dies - unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG - für das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder (vgl. BVerfGE 82, 60 <85>; 87, 153<169>). Bei der Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit muß der Staat daher den Unterhaltsaufwand für Kinder des Steuerpflichtigen in dem Umfang als besteuerbares Einkommen außer Betracht lassen, in dem dieses zur Gewährleistung des Existenzminimums der Kinder erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 60 <87>). Dieses Existenzminimum wird nach dem Bedarf, nicht nach einem tatsächlichen Aufwand bemessen (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 87, 153 <170>). Darüber hinausgreifend betont das Gericht, daß der Kindesunterhalt nicht mit der privaten Bedürfnisbefriedigung rechtlich gleichgestellt werden, der Steuergesetzgeber deshalb auf die Mittel, die zur Pflege und Erziehung der Kinder unerlässlich sind, nicht in der Weise zugreifen dürfe wie auf finanzielle Mittel, die zur Befriedigung beliebiger Bedürfnisse eingesetzt werden (vgl. BVerfGE 82, 60 <87>; 84, 348 <359 f.>; 87, 1 <38>; 87, 153 <170>).
Die Leistungsfähigkeit von Eltern wird demnach, über den existentiellen Sachbedarf und den erwerbsbedingten Betreuungsbedarf des Kindes hinaus, generell durch den Betreuungsbedarf gemindert. Dieser Betreuungsbedarf ist als Bestandteil des kindbedingten Existenzminimums steuerlich zu verschonen. Steuerpflichtige mit Kindern sind wegen ihrer Betreuungspflichten, die ihre Arbeitskraft oder ihre Zahlungsfähigkeit beanspruchen, im Vergleich zu Steuerpflichtigen ohne Kinder steuerlich weniger leistungsfähig. Würde dieser auf der elterlichen Pflicht zur Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beruhende Bedarf bei der Bemessung der Einkommensteuer außer Betracht gelassen, wären die Eltern gegenüber kinderlosen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Leistungsfähigkeit nicht durch die Erfüllung elterlicher Pflichten gemindert wird. Das Gebot der horizontalen Gleichheit (vgl. BVerfGE 82, 60 <89 f.>) wäre verletzt.
b) Der Betreuungsbedarf muß als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums (vgl. BVerfGE 82, 60 <85>; 87, 153 <169 ff.>) einkommensteuerlich unbelastet bleiben, ohne daß danach unterschieden werden dürfte, in welcher Weise dieser Bedarf gedeckt wird. Das Einkommensteuergesetz hat den Betreuungsbedarf eines Kindes stets zu verschonen, mögen die Eltern das Kind persönlich betreuen, mögen sie eine zeitweilige Fremdbetreuung des Kindes, z.B. im Kindergarten, pädagogisch für richtig halten oder mögen sich beide Eltern für eine Erwerbstätigkeit entscheiden und deshalb eine Fremdbetreuung in Anspruch nehmen.
4. Neben der Pflicht, die von den Eltern im Dienst des Kindeswohls getroffenen Entscheidungen anzuerkennen und daran keine benachteiligenden Rechtsfolgen zu knüpfen, ergibt sich aus der Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 1 GG auch die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. Die Kinderbetreuung ist eine Leistung, die auch im Interesse der Gemeinschaft liegt und deren Anerkennung verlangt (vgl. BVerfGE 87, 1 <38 f.>; 88, 203 <258 f.>). Der Staat hat dementsprechend dafür Sorge zu tragen, daß es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden. Der Staat muß auch Voraussetzungen schaffen, daß die Wahrnehmung der familiären Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen führt, daß eine Rückkehr in eine Berufstätigkeit ebenso wie ein Nebeneinander von Erziehung und Erwerbstätigkeit für beide Elternteile einschließlich eines beruflichen Aufstiegs während und nach Zeiten der Kindererziehung ermöglicht und daß die Angebote der institutionellen Kinderbetreuung verbessert werden (vgl. BVerfGE 88, 203 <260>).
Der Beschluss des BVerfG vom 16. März 2005 (2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 [BVerfG 16.03.2005 - 2 BvL 7/00], BFH/NV 2005, Beilage 4, 356 [BFH 30.06.2004 - VII B 257/02]) betrifft die Verfassungswidrigkeit der Abzugsbeschränkung der (damals nach § 33 c EStG als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen) Kinderbetreuungskosten allein erziehender Elternteile durch die Anrechnung einer zumutbaren Belastung § 33 Abs. 3 EStG.
Das BVerfG führt unter C I 2 aus:
2. Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit begrenzt. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden ("horizontale" Steuergerechtigkeit), während (in "vertikaler" Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss (vgl. BVerfGE 82, 60 <89>; 99, 246 <260>; 105, 73 <125 f.>). Der Gleichheitssatz gebietet es daher auch, Bezieher höherer Einkommen im Vergleich zu Beziehern gleich hoher Einkommen gleich zu besteuern; eine verminderte Leistungsfähigkeit durch eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind muss auch in diesem Vergleich sachgerecht berücksichtigt werden (BVerfGE 99, 246 [BVerfG 10.11.1998 - 2 BvL 42/93] <260>).
a) Für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit kommt es nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund für Aufwendungen an, sondern jedenfalls auch auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits (BVerfGE 107, 27 <49>). Die Berücksichtigung privat veranlassten Aufwands - auch jenseits der Grenze des zu verschonenden Existenzminimums - steht nicht ohne weiteres zur Disposition des Gesetzgebers (BVerfGE 107, 27 <49>). Dieser hat die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassen, auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen, wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen sind (BVerfGE 107, 27 <49>). Der Staat darf folglich auf die Mittel, die für den Unterhalt von Kindern unerlässlich sind, bei der Besteuerung nicht in gleicher Weise zugreifen wie auf Mittel, die der Bürger zur Befriedigung beliebiger anderer Bedürfnisse einsetzen kann (BVerfGE 107, 27 <49>; vgl. BVerfGE 82, 60 <86 f.>; 89, 346 <353>, 99, 216 <233> m.w.N.).
b) Auch bei der steuerlichen Behandlung von Unterhaltskosten ist die grundsätzliche Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Bei der Ordnung solcher Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (BVerfGE 78, 214<226 f.> m.w.N.; 82, 126 <151 f.>; 99, 280 <290>; 105, 73 <127>; vgl. auch BVerfGE 96, 1 [BVerfG 10.04.1997 - 2 BvL 77/92] <6>). Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 84, 348 [BVerfG 08.10.1991 - 1 BvL 50 /86] <359> m.w.N.; 99, 280 <290>; 105, 73 <127>). Allerdings darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. BVerfGE 27, 142 [BVerfG 07.10.1969 - 2 BvR 555/67] <150>). Das gilt insbesondere bei der steuerlichen Berücksichtigung zwingender Unterhaltsverpflichtungen (vgl. BVerfGE 66, 214 [BVerfG 22.02.1984 - 1 BvL 10/80] <223>; 68, 143 <153>).
3. Das Grundgesetz gebietet, das Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie steuerlich zu verschonen (BVerfGE 82, 60 <85 f.>; 82, 198 <206 f.>; 87, 153 <169 f.>; 99, 216<232 ff.>; 99, 246 <259 ff.>). Der existenznotwendige Bedarf bildet so die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer und ist in angemessener und realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freizustellen (vgl. BVerfGE 66, 214 [BVerfG 22.02.1984 - 1 BvL 10/80] <223>; 68, 143 <153>; 82, 60 <88>; 99, 246 <259 f.>; stRspr).
Der Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, DStR 2008, 604 [BVerfG 13.02.2008 - 2 BvL 1/06], BFH/NV 2008, Beilage 3, 228 [BFH 05.06.2007 - VII R 30/06]) betrifft die Berücksichtigung von privaten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderaufwendungen mit Hinblick auf die Steuerfreiheit des Existenzminimums (insbesondere auch für Steuerpflichtige mit Kindern).
Das BVerfG führt unter D I aus:
"1. Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist das aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitende Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Einem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (vgl. BVerfGE 82, 60 <85 f., 94>; 87, 153 <169 f.>; 99, 246 <259>; 107, 27 <48>; 112, 268 <281>; stRspr).
2. Die somit von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums sind vom Steuergesetzgeber nach dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu bemessen (vgl. BVerfGE 66, 214 [BVerfG 22.02.1984 - 1 BvL 10/80] <223>; 68, 143 <153>; 82, 60 <88>; 99, 246 <260>; 112, 268 <280 f.>). In einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis hierzu steht die Befugnis des Gesetzgebers, bei der Ordnung der steuerrechtlichen Massenverfahren die Vielzahl der Einzelfälle in einem Gesamtbild zu erfassen und auf dieser Grundlage typisierende Regelungen zu treffen (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>; 99, 280 <290>; 105, 73 <127>; 112, 268 <280 f.>). Im Bereich der Steuerfreiheit des Existenzminimums hat er dabei allerdings Sorge zu tragen, dass typisierende Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 87, 153 <172>).
3. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ist der Gesetzgeber außerdem an das Gebot hinreichender Folgerichtigkeit gebunden. Er hat danach eine einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen. Ausnahmen hiervon bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 99, 280<290>; 105, 73 <126>; 107, 27 <46 f.>; stRspr)."
Unter D IV 2. a) führt das BVerfG aus, es sei zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung - Evidenzkontrolle - der Entlastungswirkung von § 10 EStG nicht erforderlich, in allen Einzelheiten statistische Ermittlungen über den Beitragsumfang einzelner Gruppen von privat krankheitskosten- und pflegepflichtversicherten Personen anzustellen. Ob die Entlastungswirkung von § 10 EStG den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werde, lasse sich aufgrund einer Evidenzkontrolle (vgl. BVerfGE 82, 60 <91 f.>) beantworten. Danach könne eine dem Umfang nach hinreichende steuerliche Freistellung der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlichen Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a in Verbindung mit § 10 Abs. 3 EStG nicht festgestellt werden.
Das BVerfG führt unter D IV 3. aus:
Die in § 10 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 EStG für Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegepflichtversicherungen niedergelegten Höchstbeträge sind auch nicht aus legitimen Erwägungen einer gesetzgeberischen Typisierung im Massenverfahren gerechtfertigt.
a) Der Gesetzgeber ist auch im Bereich der Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen zu typisierenden Lösungen befugt. ...
Darüber hinaus darf der Gesetzgeber die naheliegenden Schlussfolgerungen aus der Gesetzgebungsgeschichte des § 10 Abs. 3 EStG ziehen. Zwar ist dem Bundesfinanzhof darin zu folgen, dass ein einheitlicher Höchstbetrag für alle Steuerpflichtigen, wie ihn das Einkommensteuerrecht etwa im Grundfreibetrag und im Kinderfreibetrag kennt, im Hinblick auf die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ausscheidet - jedenfalls sofern man nicht einen aus fiskalischer Sicht illusorisch hohen Betrag wählt. Das heißt aber nicht, dass der Gesetzgeber alle möglichen Versicherungskonstellationen im Einzelnen in § 10 EStGauszudifferenzieren hat. Hier sind vielmehr eine Reihe unterschiedlicher Typisierungs- und Pauschalierungsmethoden denkbar.
b) Es ist dem Gesetzgeber jedoch verwehrt, die von ihm durch das sozialhilferechtlich garantierte Versorgungsniveau selbst statuierte Sachgesetzlichkeit dadurch zu durchbrechen, dass er bei der Berücksichtigung entsprechender Versicherungsbeiträge der Steuerpflichtigen Grenzen zieht, die durch vernünftige Typisierungserwägungen nicht mehr zu begründen sind. Dabei ist zu beachten, dass typisierende Regelungen im Bereich des Existenzminimums in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 87, 153 <172>).
aa) Diese Grenzen sind im vorliegenden Fall hinsichtlich der Beiträge zur privaten Krankenversicherung der Kinder offensichtlich überschritten, wenn unter Berufung auf die Beitragsfreiheit von ca. 90% aller Kinder aufgrund der Familienversicherung nach § 10 SGB V alle privat krankenversicherten Kinder vollständig "hinwegtypisiert" werden.
bb) Sie sind aber auch hinsichtlich der Kranken- und Pflegepflichtversicherungsbeiträge der Steuerpflichtigen selbst überschritten. Die im Höchstbetrag von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a in Verbindung mit § 10 Abs. 3 EStG enthaltene Typisierung ist ungeachtet der dabei gegebenen Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers nachvollziehbar auszurichten an den existenznotwendigen Kranken- und Pflegeversicherungsaufwendungen der Steuerpflichtigen. Eine derart begründete Typisierungsentscheidung hat der Gesetzgeber bisher nicht getroffen.
Zur Höhe der gebotenen steuerlichen Freistellung führt das BVerfG unter D III 3 a) u.a. aus:
"Im Bereich des sächlichen Existenzminimums hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Steuergesetzgeber die relevanten Leistungsbestandteile des sozialhilferechtlich anerkannten Mindestbedarfs in einem statistisch ermittelten einheitlichen Betrag quantifizieren darf. Dabei sind einer Orientierung an einem bundeseinheitlichen Mittelwert, der in einer größeren Anzahl von Fällen nicht ausreichen würde, Grenzen gesetzt (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 87, 153 <172>; 99, 246 <260 ff.>). Die einschlägigen Regelungen hierzu befinden sich derzeit in § 32 Abs. 6 EStG (Kinderfreibetrag) sowie in § 32a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 EStG(Grundfreibetrag), wo jeweils ein bundeseinheitlicher Wert für alle Steuerpflichtigen festgelegt wird."
Das BVerfG führt aus, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums gewährleiste dem Steuerpflichtigen einen Schutz des Lebensstandards nicht auf Sozialversicherungs-, sondern nur auf Sozialhilfeniveau. Deshalb lasse sich aus dem Gebot der Folgerichtigkeit nicht allgemein ableiten, dass der Steuerpflichtige unter dem Gesichtspunkt der "Zwangsläufigkeit" jedenfalls Ausgaben bis zur Höhe der Pflichtsozialversicherungsbeiträge von der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage abziehen können müsse. Es sei zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Entlastungswirkung von § 10 EStG nicht erforderlich, in allen Einzelheiten statistische Ermittlungen über den Beitragsumfang einzelner Gruppen von privat krankheitskosten- und pflegepflichtversicherten Personen anzustellen. Ob die Entlastungswirkung von § 10 EStG den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werde, lasse sich aufgrund einer Evidenzkontrolle (vgl. BVerfGE 82, 60 <91 f.>) beantworten.
Danach könne eine dem Umfang nach hinreichende steuerliche Freistellung der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlichen Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a in Verbindung mit § 10 Abs. 3 EStG nicht festgestellt werden. Für die Evidenzkontrolle könne allerdings nicht - wie das Bundesministerium der Finanzen vortrage - auf den durchschnittlichen, über alle Risiken, Altersstufen und Anbieter gemittelten Versicherungsaufwand nach dem vom Verband der privaten Krankenversicherung e.V. veröffentlichten jährlichen Zahlenbericht abgestellt werden.
Das BVerfG stellt fest, dass durch die damalige Regelung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 3 EStG eine hinreichende steuerliche Entlastung offensichtlich nicht gewährleistet war. Es sei dem Gesetzgeber verwehrt, die von ihm durch das sozialhilferechtlich garantierte Versorgungsniveau selbst statuierte Sachgesetzlichkeit dadurch zu durchbrechen, dass er bei der Berücksichtigung entsprechender Versicherungsbeiträge der Steuerpflichtigen Grenzen ziehe, die durch vernünftige Typisierungserwägungen nicht mehr zu begründen seien. Dabei sei zu beachten, dass typisierende Regelungen im Bereich des Existenzminimums in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdeckten (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 87, 153 <172>).
Diese Grenzen seien hinsichtlich der Beiträge zur privaten Krankenversicherung der Kinder offensichtlich überschritten, wenn unter Berufung auf die Beitragsfreiheit von ca. 90% aller Kinder aufgrund der Familienversicherung nach § 10 SGB V alle privat krankenversicherten Kinder vollständig "hinwegtypisiert" würden.
Der Beschluss des BVerfG vom 13.10.2009 (2 BvL 3/05, BVerfGE 124, 282, BFH/NV 2010, 148 [BVerfG 13.10.2009 - 2 BvL 3/05]) betrifft die Hinzurechnung des Kindergeldes nach der Günstigerberechnung gemäß § 31 EStG und die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Verschonung des Existenzminimums der Steuerpflichtigen und ihrer unterhaltsberechtigten Familie.
Das BVerfG führt unter B I aus:
1. Die verfassungsrechtliche Beurteilung hat in erster Linie auszugehen von dem aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitenden Gebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt (vgl. BVerfGE 107, 27 <48>; 120, 125 <154 f.>; siehe auch BVerfGE 99, 216 <232 ff.>; stRspr).
Die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums sind vom Steuergesetzgeber nach dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu bemessen (vgl. BVerfGE 66, 214<223>; 112, 268 <281>; stRspr). In einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis hierzu steht die Befugnis des Gesetzgebers, bei der Ordnung der steuerrechtlichen Massenverfahren die Vielzahl der Einzelfälle in einem Gesamtbild zu erfassen und auf dieser Grundlage typisierende Regelungen zu treffen. Im Bereich der Steuerfreiheit des Existenzminimums hat er dabei allerdings Sorge zu tragen, dass typisierende Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>; 120, 125 <155>; stRspr).
2. Der Gesetzgeber ist außerdem an den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), insbesondere in dessen Ausprägungen im Bereich des Steuerrechts, gebunden. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird im Steuerrecht, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet werden muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden; Ausnahmen bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (zum Ganzen vgl. BVerfGE 116, 164 [BVerfG 21.06.2006 - 2 BvL 2/99] <180 f.>; BVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07, 2/07, 1/08, 2/08 -, NJW 2009, S. 48 <49>; stRspr).
Maßstab der verfassungsrechtlichen Überprüfung: Evidenzkontrolle
Eine verfassungsrechtliche Überprüfung von steuerlichen oder sozialhilferechtlichen Beträgen erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG (nur) durch eine Evidenzkontrolle einschließlich der Überprüfung des zur Ermittlung der gesetzlichen Beträge angewendeten Verfahrens.
Das BVerfG führt in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175) zur Unvereinbarkeit der Regelleistungen nach dem SGB II mit dem Grundgesetz unter C I u.a. aus, dem Gesetzgeber komme Gestaltungsspielraum bei den unausweichlichen Wertungen zu, die mit der Bestimmung der Höhe des Existenzminimums verbunden seien und bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums. Dieser umfasse die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und sei zudem von unterschiedlicher Weite: Er sei enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiere, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehe. Zur Konkretisierung des Anspruchs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen. Abweichungen von der vom Gesetzgeber hierfür gewählten Methode bedürften allerdings der sachlichen Rechtfertigung. Das dergestalt gefundene Ergebnis sei zudem fortwährend zu überprüfen und weiter zu entwickeln.
Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspreche eine zurückhaltende Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung durch das BVerfG. Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaube, beschränke sich - bezogen auf das Ergebnis - die materielle Kontrolle darauf, ob die Leistungen evident unzureichend seien. Entsprechend prüfte das BVerfG, ob die damals geltenden Sätze "offensichtlich unzureichend" waren (vgl. ebenso die Entscheidung des BVerfG vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, BVerfGE 132, 134 zur Höhe der Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz). Jenseits dieser Evidenzkontrolle überprüfe das BVerfG, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen seien. Das BVerfG setze sich dabei nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers, sondern überprüfe lediglich die gesetzgeberischen Festlegungen zur Berechnung von grundgesetzlich nicht exakt bezifferbaren, aber grundrechtlich garantierten Leistungen. Ließen sich diese nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stünden sie mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (Beschluss des BVerfG zur Ermittlung des existenzsichernden Regelbedarfs nach dem SGB II und dem SGB XII vom 23. Juli 2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13, BVerfGE 137, 34).
Im Beschluss vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 [BVerfG 13.02.2008 - 2 BvL 1/06], BFH/NV 2008, Beilage 3, 228 [BFH 05.06.2007 - VII R 30/06]) führt das BVerfG unter D I 2. a) aus, es sei zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung - Evidenzkontrolle - der Entlastungswirkung von § 10 EStG nicht erforderlich, in allen Einzelheiten statistische Ermittlungen über den Beitragsumfang einzelner Gruppen von privat krankheitskosten- und pflegepflichtversicherten Personen anzustellen. Ob die Entlastungswirkung von § 10 EStG den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werde, lasse sich aufgrund einer Evidenzkontrolle (vgl. BVerfGE 82, 60 <91 f.>) beantworten.
Zu dem zur Begründung der gesetzlichen Regelung zugrunde gelegten Durchschnittsbetrag führt das BVerfG unter D IV 2. aus:
b) Für die Evidenzkontrolle kann allerdings nicht - wie das Bundesministerium der Finanzen vorträgt - auf den durchschnittlichen, über alle Risiken, Altersstufen und Anbieter gemittelten Versicherungsaufwand nach dem vom Verband der privaten Krankenversicherung e.V. veröffentlichten jährlichen Zahlenbericht abgestellt werden, wonach sich für die Krankheitskostenversicherung (Vollversicherung) jährliche Beiträge für 1997 von 3.254 DM pro Person bzw. 6.508 DM für Ehegatten ergeben. Dies ergibt sich schon daraus, dass zu den vollversicherten Personen im Sinne des herangezogenen Zahlenberichts auch die große Gruppe der Beamten gehört, die in speziellen Beihilfetarifen mit im Durchschnitt deutlich niedrigeren Beiträgen versichert sind und bei denen gerade aus diesem Grunde auch der Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe a EStG gekürzt wurde.
c) Betrachtet man hingegen beispielhaft die von den Klägern des Ausgangsverfahrens aufgewendeten Beiträge, so zeigt sich, dass eine hinreichende steuerliche Entlastung offensichtlich nicht gewährleistet ist.
Weitere Rechtsprechung, Verwaltungsanweisungen und Äußerungen aus der Steuerrechtswissenschaft / Fachliteratur zur Höhe des Kinderfreibetrages und zur steuerlichen Freistellung des kindbedingten Existenzminimums
Zu der Frage, ob der Kinderfreibetrag im vorliegend betroffenen Veranlagungszeitraum 2014 durch die Unterdeckung gegenüber dem im Neunten Existenzminimumbericht als für eine verfassungsgerechte Besteuerung erforderlich gehaltenen Freibetrag um € 72 verfassungswidrig ist, sind keine höchst- oder untergerichtlichen Entscheidungen ersichtlich. Diese Frage ist auch nicht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht.
Ebenfalls sind keine höchst- oder untergerichtlichen Entscheidungen zu der Frage ersichtlich, ob die fehlende Altersstaffelung bzw. die Errechnung eines nach Lebensaltern gewichteten durchschnittlichen Existenzminimums ohne Ermittlung und unter Außerachtlassung des Bedarfs volljähriger Kinder verfassungswidrig ist. Diese Frage ist auch nicht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht.
Der BFH hat im Vorlagebeschluss an das BVerfG vom 14. Dezember 2005 (X R 20/04, BStBl. II 2006, 312) zur Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG - des der Höhe nach begrenzten Abzugs von Aufwendungen zur Krankenversicherung und der Begrenzung unabhängig davon, ob unterhaltsberechtigte Kinder vorhanden sind - dargelegt, nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG liefere der "Warenkorb" der Sozialhilfe (sog. Sozialhilfebedarf) den vom Gesetzgeber anerkannten Maßstab zur Bemessung eines realitätsgerechten Grundbedarfs. Er führt unter B VII 4 der Entscheidung aus:
Prüfungsmaßstäbe sind sowohl Art. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des GG (Art. 20 GG), der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und --soweit es um die steuerliche Berücksichtigung kindbedingter Unterhaltspflichten geht-- der Schutz der Ehe und Familie (Art. 6 GG). ...
b) Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (zusammenfassend Beschluss in BVerfGE 99, 246, 259 f., BStBl II 1999, 174, m.w.N.; neuestens BVerfG-Beschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, DStR 2005, 911, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 [BFH 30.06.2004 - VII B 257/02]) fordert das GG, dass existenznotwendiger Aufwand in angemessener, realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freigestellt wird. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist der sich aus Art. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ergebende Grundsatz, dass der Staat dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen muss, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer, die über-, aber nicht unterschritten werden darf. Mindestens das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln als Sozialhilfe zur Verfügung stellt, muss er auch dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbseinkünften belassen (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 87, 153, 171; vom 14. Juni 1994 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, 111; in BVerfGE 99, 246, 260 [BVerfG 10.11.1998 - 2 BvL 42/93], BStBl II 1999, 174).
Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in Gestalt des subjektiven Nettoprinzips verlangt ferner, dass unvermeidbare Ausgaben, die in der privaten Sphäre anfallen, die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer mindern.
Aus den genannten Verfassungsnormen, zusätzlich aber auch aus Art. 6 Abs. 1 GG, folgt zudem, dass bei der Besteuerung der Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben muss (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 82, 60, 85, BStBl II 1990, 653; vgl. Wernsmann, StuW 1998, 317 ff., 323 f.).
Mit der Art und Weise der Ermittlung des Existenzminimums als Grundlage des Kinderfreibetrages setzt sich der Beschluss (naturgemäß, da es um eine andere Norm ging) nicht auseinander.
Der Beschluss des BFH vom 19. März 2014 (III B 74/13, BFH/NV 2014, 1032) betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Grundfreibetrages und der kindbedingten Freibeträge des § 32 Abs. 6. Der BFH hat die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung zurück gewiesen. Es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Existenzminimum im Veranlagungszeitraum 2011 in ausreichender Höhe durch den Grundfreibetrag und die Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG berücksichtigt worden sei.
Was die Steuerfreiheit des Existenzminimums der Kinder des Steuerpflichtigen angehe, gestehe das BVerfG (Beschluss vom 14. Juni 1994 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, BStBl. II 1994, 909, unter C.II.1.c, m.w.N.) dem Gesetzgeber einerseits zu, die steuerliche Entlastung in Höhe des Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen Bundesgebiet einheitlich festzulegen, erkenne andererseits aber, dass die Leistungen der Sozialhilfe weder für alle in Betracht kommenden Altersstufen der Kinder noch in allen Bundesländern einheitlich sind. Daraus folgere es, dass für den Vergleich aus den unterschiedlichen Sätzen ein Durchschnittssatz des im Sozialhilferecht anerkannten Bedarfs gebildet werden müsse. Die Kriterien für die Ermittlung des sozialhilferechtlichen Mindestbedarfs habe das BVerfG in seinem Beschluss vom 10. November 1998 2 BvL 42/93 (BVerfGE 99, 246, BStBl. II 1999, 174) dahingehend weiter präzisiert, dass der Wohnbedarf des Kindes nicht nach der Pro-Kopf-Methode, sondern nach dem Mehrbedarf zu ermitteln sei. Darüber hinaus und im Einzelnen setzt sich die Entscheidung mit der Berechnungsmethode durch die gewichtete Durchschnittsberechnung ohne Einbeziehung und Ermittlung des Bedarfs volljähriger Kinder nicht auseinander.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Finanzverwaltung angewiesen, in Rechtsbehelfsverfahren gegen die Festsetzung der Einkommensteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer für den Veranlagungszeitraum 2014 gestellten Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO, § 69 Abs. 2 FGO) zu entsprechen, soweit unter Berücksichtigung eines um 72 Euro erhöhten Kinderfreibetrags je Kind die Steuer herabzusetzen wäre und im Übrigen die Voraussetzungen des § 361 AO oder des § 69 FGO erfüllt sind (BMF, 11.04.2016, IV A 3-S 0338/07/10010, BStBl. I 2016, 450).
Friedrich Loschelder führt in Schmidt (Kommentar zum EStG, 35. Aufl. 2016, § 32 Anm. 4) zur Verfassungsmäßigkeit unter Hinweis auf den Neunten Existenzminimumbericht und Rechtsprechung des BVerfG aus:
"Bezugsgröße für die steuerl Freistellung des Existenzminimums von Kindern ist der im Sozialhilferecht anerkannte Mindestbedarf; dieser darf nicht unterschritten werden ... Nach dem 9. Existenzminimumbericht v. 7.11.12 hätte der Kinderfreibetrag für VZ 2014 auf wenigstens 4440 € angehoben werden müssen ...; eine (rückwirkende) Umsetzung wurde zwar zunächst angekündigt, ist aber tatsächlich nicht erfolgt. ... Kritik: Die BReg verhält sich widersprüchl. Als Autorin des 9. Existenzminimumberichts hat sie selbst festgestellt, dass der für VZ 2014 geltende Kinderfreibetrag von 4368 € um 72 € zu niedrig ist ... Nunmehr wird unter Hinweis auf BFH III B 74/13 DStRE 14, 917 [BFH 19.03.2014 - III B 74/13] vorgebracht, dass die Berechnung des Freibetrags möglicherweise fehlerhaft erfolgt sei (so die finanzpolitische Sprecherin der Union, s FAZ vom 9.5.15, S 21). Wer sich dennoch auf den 9. Existenzminimumbericht berufen möchte, muss überlegen, ob er den Rechtsweg beschreitet. ... Bemerkenswert ist zudem, dass die BReg im 10. Existenzminimumbericht selbst noch einmal darauf hinweist, dass die ermittelten Existenzminima ohnehin nur statistisch belegte Mindestbeträge darstellen und dass höhere steuerl Freibeträge im Wege politischer Entscheidung mögl sind ... Umso unverständlicher ist das Verhalten in Bezug auf den VZ 2014 ... krit auch Haupt/Becker DStR 15, 1529: Vorgaben des BVerfG werden verfehlt".
Nach Hartmut Pust in Littmann/Bitz/Pust (Kommentar zum EStG, Loseblatt, § 32 Anm. 101 bis 107, Stand August 2015) könne einerseits der Bedarf für Bildung und Teilhabe, der in die Berechnung des sächlichen Existenzminimums einfließe, für das Jahr 2014 auch dem Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung zugeordnet werden. Andererseits sei es fraglich, ob als sächliches Kinderexistenzminimum für die Kinder im Alter zwischen 18 und 25 Jahren ein höherer Betrag, nämlich der sozialhilferechtliche Regelsatz für einen allein stehenden Erwachsenen, hätte berücksichtigt werden müssen.
Rainer Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach (Kommentar zum EStG, Loseblatt, Jahreskommentierung 2016 zu § 32 JK 16 E 3, Stand April 2016) vertritt im Hinblick auf die nicht vollständige gesetzliche Umsetzung des Neunten Existenzminimumberichts die Ansicht, dass dabei auch die Vermeidung einer rückwirkenden Kindergeldanhebung für 2014 und die damit verbundenen Haushaltswirkungen eine wichtige Rolle gespielt haben dürften. Bezüglich der Annahme, es ergäbe sich beim geltenden Kinderfreibetrag noch keine Unterdeckung, wenn man den Bedarf für die Bildungs- und Teilhabeleistungen aus dem sächlichen Existenzminimum ausklammern würde, sei Folgendes zu bedenken: Eine grundlegende Änderung der Berechnungsmethode habe der Gesetzgeber gleichwohl nicht durchgeführt. Vielmehr sei er für die Jahre 2015 und 2016 wieder zu der bereits vor 2014 praktizierten, an die Existenzminimumberichte angebundenen Einrechnung der Bildungs- und Teilhabeleistungen in das sächliche Kinderexistenzminimum zurückgekehrt. Dies könne bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des für 2014 geltenden Kinderfreibetrags im Hinblick auf das vom BVerfG postulierte Folgerichtigkeitsgebot problematisch sein. Fraglich sei auch, ob der seit 2010 unverändert gebliebene Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in 2014 ausreichend bemessen sei, wenn dieser (nur) für dieses Jahr zusätzlich auch Bildungs- und Teilhabeleistungen abdecken solle.
Nach Heiko Haupt und Reina Becker (Verfassungskonforme Besteuerung der Eltern - Realität oder Trugbild?, DStR 2015, S. 1529, 1532 ff.) habe das BVerfG die vereinfachende Möglichkeit eines einheitlichen Kinderfreibetrags (über alle Altersstufen) erkennbar an Gründe der Praktikabilität geknüpft und unter den Vorbehalt gestellt, dass er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecke. Diese klare Vorgabe werde vom Gesetzgeber verfehlt. Es erscheine merkwürdig, dass sich die Bundesregierung zur Rechtfertigung der altersübergreifenden Durchschnittsbetrachtung auf das BVerfG berufe, dabei aber nicht berücksichtige, dass das BVerfG einer groben Typisierung deutliche Grenzen gesetzt habe. Im Einzelnen wird dies von den Autoren für verschiedene Kinder-Altersstufen und insbesondere für volljährige Kinder ausgeführt. Der Kinderfreibetrag unterschreite das Existenzminimum von größeren Kindern und sei verfassungswidrig. Noch gravierender sei der Verstoß gegen die verfassungsrechtlich vorgegebene Freistellung des Existenzminimums bei steuerlich zu berücksichtigenden volljährigen Kindern.
Jan-Hendrik Kister setzt sich in einer Anmerkung (EFG 2016, S. 662) mit dem Beschluss des vorlegenden Gerichts vom 16. Februar 2016 zur Aufhebung der Vollziehung (Aktenzeichen 7 V 237/15, EFG 2016, 656) auseinander. Er meint, die von ihm besprochene Entscheidung entspreche nicht der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Fachliteratur. Die altersunabhängige Ermittlung des Kinderfreibetrags nach Durchschnittssätzen sei in der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH nicht beanstandet worden, obwohl der Kinderfreibetrag für ältere Kinder im direkten Vergleich unterhalb der Sozialhilfesätze lag. Dabei sei - soweit ersichtlich - nicht problematisiert worden, ob und in welchem Umfang die Sätze für Erwachsene bezüglich der Berücksichtigung volljähriger Kinder in die Ermittlung einzubeziehen seien. Diesbezüglich erscheine die Argumentation des Gerichts nachvollziehbar, weil in der Tat nicht erkennbar sei, warum für volljährige Personen niedrigere Werte anzusetzen sein sollten als im Bereich des Sozialhilferechts. Vollständig überzeuge die im Beschluss vorgenommene Berechnung des Gerichts allerdings nicht. Sie unterstelle durch die Einbeziehung von weiteren sieben Jahren in der Durchschnittssatzberechnung typisierend, dass für alle Kinder bis zur Vollendung des 25. Jahres ein Kinderfreibetrag gewährt werde. Außerdem beziehe der Neunte Existenzminimumbericht in die Berechnung des sächlichen Existenzminimums auch Aufwendungen für Bildung und Teilhabe ein, die bereits vom Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf umfasst würden. Daher müsse dieser Freibetrag in die Prüfung mit einbezogen werden und hätte möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt.
Johanna Hey betont in Tipke/Lang (Steuerrecht, 22. Auflage 2015, S. 307 ff., 316) mit Hinweis auf einen Beschluss des Deutschen Juristentages von 1988 (57. Deutscher Juristentag, Sitzungsbericht 214), dass sich in der Steuerrechtswissenschaft die Lehre vom subjektiven Nettoprinzip durchgesetzt hat; der Beschluss des Deutschen Juristentages lautet:
"Der Einkommensteuer unterliegt nur der Teil des Erwerbseinkommens, der für den Steuerpflichtigen disponibel ist. Die unvermeidbaren Aufwendungen für die eigene Existenzsicherung und den Unterhalt der Familienangehörigen müssen deshalb von der Besteuerung freigestellt sein. Erst auf das sich danach ergebende zu versteuernde Einkommen ist der Tarif anzuwenden. Die Degressionswirkung bei steuermindernden Abzügen ist keine Steuervergünstigung, sondern die systemnotwendige Kehrseite der Progression bei den steuerbegründenden Zuflüssen".
Diesen Konsens der Juristen habe - so Hey - das BVerfG mit mehreren Entscheidungen nachdrücklich bestätigt. Das Maß der Einkommensteuer müsse auf allen Einkommensebenen richtig geeicht sein. Auch der Einkommensmillionär habe indisponibles Einkommen, das für die Steuerzahlung nicht zur Verfügung stehe. Ein Einkommensmillionär mit Kindern sei weniger leistungsfähig als ein kinderloser Einkommensmillionär. Die Steuerfreiheit des Existenzminimums verlange nach klaren Regeln. Das bestehende Konglomerat der privaten Abzüge schreie nach einer Fundamental-Reform, die das Recht ordne und zugleich durchgreifend vereinfache. Das Existenzminimum des Kindes sei durch einen sozialhilferechtlich bestimmten Kinderfreibetrag steuerfrei zu stellen.
Joachim Englisch fasst seinen Beitrag "Subjektives Nettoprinzip und Familienbesteuerung" (in: Jachmann -Hrsg.- des DStJG-Bandes 37, Erneuerung des Steuerrechts, 2014, S. 159 ff., 203 f.) wie folgt zusammen:
"Das subjektive Nettoprinzip bezieht seinen rechtsethischen, verfassungskräftigen Gehalt im Kern aus dem sozialstaatlich fundierten und eigentumsrechtlich reflektierten Prinzip der Besteuerung gemäß der individuellen Befähigung zur solidarischen Lastentragung im staatlich verfassten Gemeinwesen, wie es im Leistungsfähigkeitsprinzip seinen Ausdruck findet. Da nach verfassungsrechtlicher Wertung das Recht auf Befriedigung des Eigenbedarfs bzw. die Verantwortung für die Abdeckung des familiären Bedarfs hinsichtlich der auf die Existenzsicherung verwendeten Einkommensbestandteile der Gemeinwohlverantwortung uneingeschränkt vorgeht, unterliegt das dafür verwendete Einkommen in diesem Kernbereich privatnütziger Erwerbsbetätigung ausnahmsweise keiner Sozialbindung i.S.d. Art. 14 Abs. 2 GG. Folglich muss es durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage aus der darin abgebildeten Maßgröße der Befähigung zur solidarischen Lastentragung ausgeschieden werden. Jenseits der Abdeckung und Absicherung eines existenziellen Bedarfs ist indes Zurückhaltung hinsichtlich der Zuordnung weitergehender Aufwendungskategorien zum subjektiven Nettoprinzip angezeigt. Insbesondere der bloße Umstand, dass Aufwendungen nach verfassungsrechtlicher oder gar nur einfachgesetzlicher Wertung indisponibel sind, genügt hierfür nicht.
Legt man diese Maßstäbe an das geltende Einkommensteuerrecht an, so erweist sich dieses unbeschadet einiger in den letzten zwanzig Jahren erzielter - ganz überwiegend vom BVerfG erzwungener - Fortschritte unverändert als in Teilen reformbedürftig. Verfassungsrechtlich zu beanstandende Abweichungen vom subjektiven Nettoprinzip sind insbesondere im Recht der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen einschließlich der damit zusammenhängenden Privatabzüge, ferner auf dem Gebiet der Familienbesteuerung vornehmlich bei der steuerlichen Berücksichtigung des Betreuungsaufwands für Kinder zu verzeichnen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber zwar bei der Berücksichtigung familiärer Bindungen des Steuerpflichtigen nach hier in Übereinstimmung mit dem BVerfG vertretener Ansicht im Ausgangspunkt ein weitergehendes Gestaltungsermessen, als ihm dies das überwiegende steuerrechtswissenschaftliche Schrifttum zugestehen will. Bei der Wahrnehmung dieses Ermessens sind aber verfassungsrechtliche Vorgaben und namentlich der allgemeine Gleichheitssatz und das ihm zu entnehmende Folgerichtigkeitsgebot zu beachten. Das geltende, wertungswidersprüchliche Konglomerat unterschiedlicher Abzugsfähigkeit von Unterhaltsaufwendungen genügt diesen Anforderungen nicht. Insofern besteht auch auf diesem Feld steuerpolitischer Handlungsbedarf; besonders naheliegend erscheint insofern ein Übergang zu einem allgemeinen, typisierenden Familien-Realsplitting".
II.
Entscheidungserheblichkeit der Vorlage
Die Klage ist abzuweisen, wenn § 32 Abs. 6 EStG verfassungsgemäß ist. Ist § 32 Abs. 6 EStG verfassungswidrig, kommt zumindest in Betracht, dass eine Neuregelung zu einem Anspruch auf Abzug höherer kindbedingter Freibeträge oder sonstwie zu einer zusätzlichen Berücksichtigung der kindbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit führen könnte.
Eine Entscheidungserheblichkeit liegt bereits mit "der bei bloßer Unvereinbarkeitserklärung notwendig werdenden weiteren Aussetzung des Verfahrens durch das Finanzgericht bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber" vor (st. Rspr. BVerfG-Beschluss vom 29. September 1998, 2 BvL 64/93, BVerfGE 99, S. 69, 77, NJW 1999, S. 3112 mit weiteren Nachweisen). Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber den Verfassungsverstoß in einer die Klägerin begünstigenden Weise auflöst (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17. April 2008, 2 BvL 4/05, BVerfGE 121, S. 108, 115 f., DStRE 2008, S. 1206). Erforderlich und zugleich ausreichend ist, "dass die Verfassungswidrigerklärung der Norm dem Kläger des Ausgangsverfahrens die Chance offen hält, eine für ihn günstige Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen. Die Entscheidungserheblichkeit ist damit in der Regel schon dann zu bejahen, wenn der Gesetzgeber den Gleichheitsverstoß auf verschiedenen Wegen heilen kann und eine der dem Gesetzgeber möglichen Entscheidungsvarianten den - bis dahin weiter ausgesetzten - Prozess in Richtung einer für den betroffenen Grundrechtsträger günstigen Entscheidung beeinflusst. Dabei spielt es keine Rolle, dass im Falle einer Unvereinbarerklärung das Bundesverfassungsgericht gemäß § 35 BVerfGG die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann" (st. Rspr. BVerfG, Beschluss vom 17. April 2008, 2 BvL 4/05, BVerfGE 121, S. 108, 116, DStRE 2008, S. 1206 mit weiteren Nachweisen). Eine grundrechtskonforme Regelung vermag der Gesetzgeber etwa in der Form zu erreichen, als er Regelungen über den Abzug höherer Kinderfreibeträge für das sächliche Existenzminimum oder andere - bei ihrer Anwendung für die Klägerin günstigere - Regelungen trifft.
Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das Finanzgericht liegen vor.
Der Einspruch ist zulässig
Die Voraussetzungen der AO für einen zulässigen Einspruch (Einspruchsfrist § 355 AO, Form der Einlegung des Einspruchs § 357 AO) gegen den Bescheid des FA für 2014 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom ... sind erfüllt. Die Klägerin hat mit dem beim FA am ... eingegangenen Schreiben rechtzeitig, nämlich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids vom ..., schriftlich Einspruch "gegen den Einkommensteuer-/Solz-Bescheid 2014 vom ... " eingelegt.
Der Einspruch der Klägerin war zulässig. Insbesondere fehlt ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO im Bescheid für 2014 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag steht nicht entgegen. Zwar hat das FA in den Erläuterungen aufgeführt, dass die Festsetzungen der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlages u.a. hinsichtlich der Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG vorläufig sind gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO. Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, kann sie gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig festgesetzt werden. Diese Regelung ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO auch anzuwenden, wenn die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ist.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Vorläufigkeitsvermerk, der sich nicht ausdrücklich auf bestimmte im Einzelnen genannte Verfahren bezieht, "nicht beschränkt auf die zum Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung anhängigen Verfahren" (Urteil vom 30. September 2010 III R 39/08, BStBl. II 2011, 11). Der BFH führt in der Entscheidung unter B II 1 b) aus: nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO "ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Vorläufigkeit, dass die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand (mindestens) eines Verfahrens bei dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ist. Hat sich das Verfahren, das Anlass für die vorläufige Festsetzung war, in welcher Weise auch immer erledigt, bleibt der Tatbestand des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO gleichwohl erfüllt, wenn inzwischen ein anderes einschlägiges Verfahren anhängig geworden ist." (Unterstreichung durch das Gericht)
Die Frage, ob die Höhe des Kinderfreibetrages gemäß § 32 Abs. 6 EStG für den Veranlagungszeitraum 2014 mit höherrangigem Recht (dem Grundgesetz) vereinbar ist, ist - soweit ersichtlich - bislang nicht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Europäischen Gerichtshof, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht. Die Existenzminimumberichte gehen zutreffend unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG davon aus, dass regelmäßig (alle zwei Jahre) das Existenzminimum festzustellen und entsprechend das Existenzminimum steuerfrei zu stellen ist. Verfahren, die die Höhe des Kinderfreibetrages für andere (vorangegangene) Jahre betreffen, können deshalb keine Aussagekraft zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 32 Abs. 6 EStG für den Veranlagungszeitraum 2014 haben.
Ob der Kinderfreibetrag im Veranlagungszeitraum 2014 um € 72 zu niedrig ist, kann in den anhängigen höchstrichterlichen Verfahren nicht geklärt werden
Für den Veranlagungszeitraum 2014 liegt der Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum um € 72 unter dem vom Gesetzgeber im Neunten Existenzminimum (nach Durchschnittsberechnung) ermittelten Existenzminimum. In allen anderen Veranlagungszeiträumen seit Beginn der Erstellung der Existenzminimumberichte (bis auf eine geringfügige Unterdeckung im ersten Berichtszeitraum 1996) ist der Gesetzgeber bisher den Vorgaben der Existenzminimumberichte gefolgt, d.h. hat die Höhe des Kinderfreibeträge für das sächliche Existenzminimum mindestens in Höhe des in den Existenzminimumberichten ermittelten Existenzminimums bestimmt. Die Frage, ob die - nur im Veranlagungszeitraum 2014 relevante - Unterdeckung des Kinderfreibetrages um € 72 gegenüber dem laut Existenzminimumbericht frei zu stellenden Kinderfreibetrags verfassungsgemäß ist, ist soweit ersichtlich bislang nicht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Europäischen Gerichtshof, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht. Das hierzu vom BdSt unterstützte Musterverfahren ist noch beim FG München anhängig (Aktenzeichen 8 K 2426/15).
In dem beim BFH anhängigen Revisionsverfahren zum Aktenzeichen III R 1/09 (welches der BFH im Hinblick auf die zum Aktenzeichen 2 BvR 288/10 anhängige Verfassungsbeschwerde ausgesetzt hat) kann nicht vorgreiflich geklärt werden, ob die Unterdeckung im Veranlagungszeitraum 2014 mit der verfassungsrechtlich gebotenen Steuerfreistellung des Existenzminimums vereinbar ist, weil im Revisionsverfahren III R 1/09 die Streitjahre 2000 bis 2004 betroffen sind, in denen es keine Unterdeckung des sächlichen Kinderfreibetrags im Vergleich zu den in den jeweiligen Existenzminimumberichten festgestellten Existenzminima gab. Die beim BVerfG zum Aktenzeichen 2 BvR 288/10 (vorgehend BFH-Urteil vom 18. November 2009, X R 34/07, BFHE 227,99, BStBl. II 2010, 414) anhängige Verfassungsbeschwerde betrifft das Streitjahr 2005 und zudem nicht die Verfassungsmäßigkeit des Kinderfreibetrages gemäß § 32 Abs. 6 EStG, sondern des Grundfreibetrages gemäß § 32 a EStG. Die Frage, ob das Zurückbleiben des Kinderfreibetrags für den Veranlagungszeitraum 2014 hinter den Vorgaben des Existenzminimumberichts verfassungswidrig ist, ist für die beim BFH und BVerfG anhängigen Verfahren daher nicht entscheidungserheblich.
Ob der Bedarf für Bildung und Teilhabe in verfassungsgemäßem Umfang berücksichtigt ist, kann in den anhängigen höchstrichterlichen Verfahren nicht geklärt werden
Ob es verfassungsgemäß ist, dass der Bedarf volljähriger Kinder für Bildung und Teilhabe wie beim Regelsatz mit einem gewichteten Durchschnittsbetrag von monatlich € 19 (jährlich € 228) für minderjährige Kinder angesetzt wird, kann ebenfalls nicht in den vorgenannten anhängigen höchstrichterlichen Verfahren geklärt werden, weil die Berücksichtigung dieses aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom des BVerfG zur Ermittlung der Regelsätze nach dem SGB II vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175) zusätzlich zum Regelbedarf in die Ermittlung des Freibetrages für das sächliche Existenzminimum einzubeziehenden Bedarfs erstmals im Achten Existenzminimumbericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2012 erfolgt.
Ob die Bemessung des Freibetrags unter Zugrundelegung der Durchschnittsberechnung verfassungsgemäß ist, ist nicht Gegenstand eines anhängigen Verfahrens
Des Weiteren ist - soweit ersichtlich - bislang kein höchstrichterliches Verfahren zu der Frage anhängig, ob die Bemessung des steuerlichen Freibetrages nach einem errechneten Durchschnittsbetrag - der für alle Kinder ab 6 Jahren unter dem (altersgestaffelt) festgestellten Existenzminimum liegt - und ob die Gewährung des Freibetrages für volljährige Kinder, ohne dass deren Bedarf bzw. deren Existenzminimum ermittelt worden ist, mit den Anforderungen der Verfassung vereinbar ist.
Das FA hat deshalb zutreffend im Teil-Einspruchsbescheid den Einspruch als zulässig erachtet.
Die Klage ist zulässig
Die Voraussetzungen einer zulässigen Klage (Klagefrist § 47 Finanzgerichtsordnung - FGO -, Inhalt der Klageschrift § 65 FGO) liegen vor. Der Teil-Einspruchsbescheid datiert vom .... Er wurde laut Vermerk des FA am ... zur Post gegeben. Gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt er als am Montag, dem ... (der dritte Tag nach Aufgabe zur Post war ein Samstag, deshalb nach der Rechtsprechung des BFH Verlängerung auf Montag) bekanntgegeben. Die einmonatige Klagefrist lief damit am ... ab. Die Klage ist am ... bei Gericht eingegangen und somit rechtzeitig. Die Klageschrift enthält die gemäß § 65 FGO erforderlichen Angaben. Die aktuelle ladungsfähige Anschrift der Klägerin steht fest.
Der Klägerin steht materiell-rechtlich der Abzug der kindbezogenen Freibeträge zu sowohl bei der Einkommensteuer ...
Die Klägerin ist im Streitjahr 2014 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, weil sie im Inland einen Wohnsitz hat (§ 1 Abs. 1 EStG).
Die 1998 geborene Tochter der Klägerin ist im Sinne des Einkommensteuerrechts ihr Kind, weil sie im ersten Grad mit ihr verwandt ist (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Sie ist im gesamten Streitjahr 2014 einkommensteuerlich als Kind zu berücksichtigen, weil sie in allen Kalendermonaten des Jahres 2014 noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte (§ 32 Abs. 3 EStG).
Die 1993 geborene Tochter der Klägerin ist im Sinne des Einkommensteuerrechts ihr Kind, weil sie im ersten Grad mit ihr verwandt ist (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Sie ist im gesamten Streitjahr 2014 einkommensteuerlich als Kind zu berücksichtigen, weil sie in allen Kalendermonaten des Jahres 2014 das 18. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hatte und für einen Beruf ausgebildet wurde (§ 32 Abs. 4 Nr. 2 a EStG).
Der Klägerin stand für ihre beiden Töchter im Streitjahr Kindergeld zu (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 63 Abs. 1 Nr. Sätze 1 und 2 EStG). Die nach § 31 Satz 1 EStG gebotene steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums ihrer Kinder einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung wurde durch den Anspruch auf Kindergeld nicht vollständig bewirkt, weil die Minderung der Einkommensteuer nach Abzug der in § 32 Abs. 6 EStG bestimmten Freibeträge höher ist als das Kindergeld.
Das FA hat deshalb zu Recht gemäß § 31 EStG bei der Veranlagung der Klägerin zur Einkommensteuer im Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2014 die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG vom Einkommen abgezogen und die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum erhöht.
Bei der Veranlagung der Klägerin zur Einkommensteuer waren deshalb gemäß § 31 EStG i.V.m. § 32 Abs. 6 EStG für ihre beiden Töchter jeweils ein Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abzuziehen. Gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Fassung betragen der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) € 2.184 und der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes € 1.320. Diese Beträge waren gemäß § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG zu verdoppeln, weil der andere Elternteil der Kinder der Klägerin verstorben ist. Nach der für das Streitjahr geltenden gesetzlichen Regelung waren mithin je Kind ein Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) von € 4.368 und ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes € 2.640 (zusammen € 7.008) abzuziehen.
Das FA hat deshalb zutreffend gemäß § 31 EStG bei der Einkommensteuerveranlagung der Klägerin im Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2014 die Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG (für beide Kinder zusammen € 14.016) vom Einkommen abgezogen und die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum erhöht.
... als auch bei der Festsetzung des Solidaritätszuschlages
Ebenfalls hat das FA zu Recht als Bemessungsgrundlage für die Festsetzung des Solidaritätszuschlages die Einkommensteuer angesetzt, die sich nach dem zu versteuernden Einkommen unter Berücksichtigung von Freibeträgen für zwei Kinder in Höhe von € 14.016 ergibt.
Bei Anwendung der Regelung des § 32 Abs. 6 EStG und der Regelung des § 3 Abs. 2 SolzG hat die Klägerin im Streitzeitraum materiell-rechtlich keinen Anspruch auf Abzug höherer als der darin bestimmten Freibeträge.
Ein Abzug höherer Freibeträge durch verfassungskonforme Auslegung ist nicht möglich
Eine verfassungskonforme Auslegung des § 32 Abs. 6 EStG, die zu einem Anspruch der Klägerin auf Abzug höherer Freibeträge führen würde, ist nicht möglich, weil die gesetzliche Regelung die Höhe der abzuziehenden Freibeträge eindeutig bestimmt.
Ein Abzug höherer Freibeträge aus Billigkeitsgründen ist nicht möglich
Der Abzug höherer als der gesetzlich bestimmten Freibeträge aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) ist ebenfalls ausgeschlossen. Gemäß § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Entscheidung über eine Festsetzung aus Billigkeitsgründen ist eine Entscheidung zur Vermeidung unbilliger Härten, die sich im Einzelfall (ausnahmsweise) ergeben.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist "sachlich unbillig ... die Festsetzung oder Einziehung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint .... Sachliche Gründe sind danach gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage --hätte er sie geregelt-- im Sinne der beantragten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte .... Dagegen rechtfertigen Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestandes bewusst in Kauf genommen hat, einen Billigkeitserlass nicht, sondern sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben" (BFH-Urteil vom 25.01.1996, IV R 91/94, BFHE 180,61, BStBl. II 1996, 289 mit umfangreichen weiteren Nachweisen).
Der Gesetzgeber hat bewusst durch die Regelungen in § 32 Abs. 6 EStG die Höhe der bei der Einkommensteuerveranlagung und gemäß § 3 Abs. 2 SolzG bei der Festsetzung des Solidaritätszuschlages abzuziehenden bzw. zu berücksichtigenden Freibeträge bestimmt. Die Höhe dieser Freibeträge betrifft nicht einen ausnahmsweise vorliegenden, vom Gesetzgeber nicht bedachten Einzelfall, sondern alle Steuerpflichtige mit einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern. Der Gesetzgeber hat ebenfalls bewusst die nach dem Neunten Existenzminimumbericht bereits für den Veranlagungszeitraum 2014 gebotene Anhebung des Kinderfreibetrages um € 72 erst mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2015 vorgenommen; dies betrifft wiederum nicht einen ausnahmsweise vorliegenden, vom Gesetzgeber nicht bedachten Einzelfall, sondern alle Steuerpflichtige mit im Veranlagungszeitraum 2014 einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern. Die Voraussetzungen des Abzuges von der gesetzlichen Regelung abweichender höherer Freibeträge aus Billigkeitsgründen liegen deshalb nicht vor.
Bedeutung auch für die Zukunft, kein auslaufendes Recht
Es handelt sich nicht um auslaufendes Recht. Die Ermittlung des kindbedingten Existenzminimums unter Ansatz des gewichteten durchschnittlichen monatlichen Regelbedarfs als auch des gewichteten durchschnittlichen monatlichen Betrages für Bildung und Teilhabe von Kindern bis unter 18 Jahren erfolgt im Zehnten und im Elften Existenzminimumbericht methodisch unverändert wie in den vorangegangenen Existenzminimumberichten. Ebenfalls wird der Bedarf von Erwachsenen, die einkommensteuerlich als Kind zu berücksichtigen sind, weiterhin nicht ermittelt, sondern mit den gewichteten Durchschnittsbeträgen für minderjährige Kinder angesetzt. Die Erhöhungen des Kinderfreibetrages in § 32 Abs. 6 EStG für die Veranlagungszeiträume 2017 und 2018 setzen die in den Existenzminimumberichten getroffenen Feststellungen um.
III.
Verfassungsrechtliche Beurteilung des vorlegenden Gerichts
Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Höhe des Kinderfreibetrages in § 32 Abs. 6 EStG - sowohl in dem für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Veranlagungszeitraum 2014 als auch in anderen Veranlagungszeiträumen und zukünftig - verfassungswidrig zu niedrig ist, weil die Bemessung des Freibetrages in einem nicht sachgerechten Verfahren erfolgt, die Regelung - in vielfacher Weise - nicht folgerichtig ist, zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung und strukturell in der überwiegenden Zahl der Steuerpflichtigen mit Kindern zu evident unzureichenden Freibeträgen führt. Sie verstößt gegen das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleitete Gebot der horizontalen Steuergleichheit und verletzt damit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 GG. Auch der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Familie und das Elternrecht in seiner Schutz- und Förderdimension (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG) sind verletzt. Der existenznotwendige Bedarf bildet die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer und ist in angemessener und realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freizustellen. Dem entspricht die Höhe des Kinderfreibetrages in § 32 Abs. 6 EStG im Veranlagungszeitraum 2014 (sowie aufgrund des nicht sachgerechten Verfahrens zur Ermittlung des Existenzminimums auch in anderen Veranlagungszeiträumen) nicht.
Die oben dargestellte Entwicklung der gesetzlichen Regelungen ergibt, dass der Gesetzgeber häufig erst aufgrund von Entscheidungen des BVerfG die kindbedingten Lasten in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang steuerlich berücksichtigt hat. Dies zeigen die aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG eingeführten Sondervorschriften zur Erhöhung der Kinderfreibeträge in § 54 EStG für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1985 und (für 1983 bis 1985 nochmals) in § 53 EStG für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1995, die Vorschriften zur Einführung des Betreuungsfreibetrages ab dem Veranlagungszeitraum 2000 und des Freibetrages für den nach der Rechtsprechung des BVerfG bei allen Kindern zusätzlich zum Kinderfreibetrag ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Kosten zu berücksichtigenden Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf ab dem Veranlagungszeitraum 2002, die Einführung des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende in § 24b EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2004, die Ermittlung eines spezifischen Bedarfs eines Kindes aufgrund der Entscheidung des BVerfG zur Ermittlung der Regelsätze nach dem SGB II (erstmals im Achten Existenzminimumbericht für das Jahr 2012) sowie die Einbeziehung des Bedarfs von Kindern für Bildung und Teilhabe (ebenfalls erstmals im Achten Existenzminimumbericht für das Jahr 2012).
Das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs. 1 GG verlangt, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln und wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 16. März 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, DStR 2005, 958; vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180, DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 30, DStR 2007, S. 235; vom 15. Januar 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, S. 1, 29, DStRE 2008, S. 1003; vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, S. 400, 416, DStR 2010, S. 1721; vom 7. Februar 2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, S. 240, 252 f., NJW 2012, S. 1711; vom 19. Juni 2012, 2 BvR 1397/09, FamRZ 2012, S. 1472; vom 18. Juli 2012, 1 BvL 16/11, NJW 2012, S. 2722; vom 7. Mai 2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, Rn. 73 ff., juris). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 9. Dezember 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08 , BVerfGE 122, S. 210, 230, DStR 2008, S. 2460; vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, S. 1, 17, DStR 2010, S. 434; vom 7. Februar 2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, S. 240, 252 f., NJW 2012, S. 1711; vom 7. Mai 2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, Rn. 73 ff., juris). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2467/07, BVerfGE 126, S. 400, 416; vom 7. Juli 2009, 1 BvR 1164/07, BVerfGE 124, S. 199, 218, NJW 2010, S. 1439; vom 19. Juni 2012, 2 BvR 1397/09, FamRZ 2012, S. 1472; Beschluss vom 18. Juli 2012, 1 BvL 16/11, NJW 2012, S. 2722).
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG-Beschluss vom 16. März 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, DStR 2005, 958 unter Hinweis auf BVerfGE 98, 365 <385>; stRspr). Art. 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz, der untersagt, Eltern oder alleinerziehende Elternteile gegenüber Kinderlosen schlechter zu stellen (BVerfG-Beschluss vom 16. März 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, DStR 2005, 958 unter Hinweis auf BVerfGE 99, 216 <232>).
Aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG-Beschlüsse BVerfGE 88, 87 <96>; 101, 54 <101>; 107, 27 <45>, vom 16. März 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, DStR 2005, 958 m.w.N.; vom 15. Januar 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, S. 1, 29, DStRE 2008, 1003; vom 14. Oktober 2008, 1 BvR 2310/06, BVerfGE 122, S. 39, 52, NJW 2009, S. 209; vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, S. 1, 17, DStR 2010, S. 434; vom 7. Februar 2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, S. 240, 253, NJW 2012, S. 1711; Beschluss vom 18. Juli 2012, 1 BvL 16/11, NJW 2012, S. 2722; vom 7. Mai 2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, Rn. 75, juris). Nähere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall der allgemeine Gleichheitssatz verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche präzisieren (vgl. BVerfGE 75, 108 [BVerfG 08.04.1987 - 2 BvR 909/82] <157>; 93, 319 <348 f.>; 110, 412 <432>).
Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, S. 1, 44, DStRE 2008, 1003; vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, S. 1, 17 f., DStR 2010, S. 434) verlangt eine gesetzliche Ausstattung der Steuer, die den Steuergegenstand in den Blick nimmt und mit Rücksicht darauf eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Steuerschuldners sicherstellt. Die Besteuerung nach der (wirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit ist ein grundsätzliches Gebot der Steuergerechtigkeit. Dies gilt insbesondere für die Einkommensteuer (BVerfG-Beschluss vom 23. November 1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, S. 108, 120, DStR 1977, 51 m. w. N.; Urteil vom 3. November 1982, 1 BvR 620/78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79, 1 BvR 363/80, BVerfGE 61, S. 319, 343 f.; Beschlüsse vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, S. 60, 86, BStBl. II 1990, S. 653; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 30, DStR 2007, S. 235). Denn das moderne Einkommensteuerrecht ist auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt (BVerfG-Beschlüsse vom 17. Januar 1957, 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, S. 55, 67, NJW 1957, 417; vom 14. April 1959, 1 BvL 23/57, 1 BvL 34/57, BVerfGE 9, S. 237, 243; Urteil vom 24. Januar 1962, 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, S. 290, 297, NJW 1962, 437; Beschlüsse vom 3. April 1962, 1 BvL 35/57, BVerfGE 14, S. 34, 41; vom 2. Oktober 1969, 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, S. 58, 64; vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333, 339, BStBl. II 1972, S. 408; vom 2. Oktober 1973, 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, S. 66, 72, BStBl. II 1973, S. 878; vom 11. Oktober 1977, 1 BvR 343/73, 1 BvR 83/74, 1 BvR 183/75, 1 BvR 428/75, BVerfGE 47, S. 1, 29, BStBl. II 1978, S. 174). Der Gesetzgeber hat es als "das Prinzip der Steuergerechtigkeit" bezeichnet, wonach jeder Bürger "nach Maßgabe seiner finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit Steuern zu belasten" ist (BT-Drs. 7/1470 vom 9. Januar 1974, S. 211 f.).
Das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit wie das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzen die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (BVerfG-Urteil vom 6. März 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73, 125, BStBl. II 2002, S. 618; Beschlüsse vom 4. Dezember 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, S. 27, 46, DStR 2003, S. 633; vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, S. 412, 433; vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180, DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 30, DStR 2007, S. 235; vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, S. 400, 416 f., DStR 2010, S. 1721; Beschluss vom 18. Juli 2012, 1 BvL 16/11, NJW 2012, S. 2722). Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet werden muss (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 4. Dezember 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, S. 27, 47, DStR 2003, S. 633; vom 16. März 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, S. 268, 279, DStR 2005, S. 958 jeweils mit weiteren Nachweisen; vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180, DStR 2006, S. 1316). Ausnahmen von dem geltenden Gebot gleicher Besteuerung bei gleicher finanzieller Leistungsfähigkeit bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 30. September 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, S. 88, 95, DStR 1998, S. 1743; vom 11. November 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, S. 280, 290, BStBl. II 1999, S. 502; Urteil vom 6. März 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73, 126, BStBl. II 2002, S. 618; Beschlüsse vom 4. Dezember 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, S. 27, 47, BStBl. II 2003, S. 534; vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180 f., DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 31, DStR 2007, S. 235; vom 15. Januar 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, S. 1, 45, DStRE 2008, S. 1003; vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, S. 1, 17 f., DStR 2010, S. 434; vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, S. 400, 416 f., DStR 2010, S. 1721; Beschluss vom 18. Juli 2012, 1 BvL 16/11, NJW 2012, S. 2722).
Eine sachliche Rechtfertigung kann insbesondere durch ein nichtfiskalisches Förderungs- oder Lenkungsziel aus Gründen des Allgemeinwohls (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 22. Juni 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121, 147, BStBl. II 1995, S. 655; vom 11. November 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, S. 280, 296, BStBl. II 1999, S. 502; Urteil vom 6. März 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73, 112, BStBl. II 2002, S. 618; Beschluss vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 182, DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 31, DStR 2007, S. 235), durch Vereinfachungs- und Typisierungszwecke (BVerfG-Beschlüsse vom 8. Oktober 1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, S. 348, 359, NJW 1992, S. 423 mit weiteren Nachweisen; vom 11. November 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, S. 280, 290, BStBl. II 1999, S. 502; Urteil vom 6. März 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73, 127, BStBl. II 2002, S. 618; Beschlüsse vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 182 f., DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 31, DStR 2007, S. 235) oder eine beabsichtigte Kompensation von Vor- und Nachteilen (Hey, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 3 Rn. 129 mit weiteren Nachweisen) erfolgen.
Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 [BVerfG 07.11.2006 - 1 BvL 10/02] <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Dem Gesetzgeber kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 99, 165 [BVerfG 10.11.1998 - 1 BvL 50/92] <178>; 106, 166 <175 f.>; 111, 176 <184>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich allerdings aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 111, 176 <184>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78, BVerfG vom 7. Februar 2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, 240, vom 6. Juli 2004, 1 BvL 4/97, BVerfGE 111,160, vom 6. Juli 2004, 1 BvR 2515/95, BVerfGE 111,176).
Im Fall der Ungleichbehandlung von Personengruppen besteht regelmäßig eine strenge Bindung des Gesetzgebers an die Erfordernisse des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; dies gilt auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten (nur) mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (vgl. BVerfGE 101, 54 <101>; 103, 310 <319>; 110, 274 <291>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 -, juris, Rn. 55).
Eine Norm verletzt danach den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn durch sie eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 84, 197 <199>; 100, 195 <205>; 107, 205 <213>; 109, 96 <123>; 110, 274 <291>; 124, 199 <219 f.>; 126, 400 <418>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 -, juris, Rn. 56; stRspr, BVerfG vom 7. Februar 2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, 240). Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liegt dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe unterschiedlich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125).
Der BFH legt in seinem Vorlagebeschluss an das BVerfG zum begrenzten Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben (vom 14. Dezember 2005 X R 20/04 BStBl. II 2006, 312) unter B VII 4 d und f die Rechtsprechung des BVerfG dar:
d) Die für die einkommensteuerliche Lastengleichheit maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip. Für den Bereich des subjektiven Nettoprinzips ist das Verfassungsgebot der Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner Familie zu beachten (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27, 48, BStBl II 2003, 534 [BVerfG 04.12.2002 - 2 BvR 400/98] - doppelte Haushaltsführung). Auch Bezieher höherer Einkommen müssen je nach Einkommen gleich hoch besteuert werden; eine verminderte Leistungsfähigkeit durch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind muss dementsprechend bei allen Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz sachgerecht berücksichtigt werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 99, 246, 260 ff. [BVerfG 10.11.1998 - 2 BvL 42/93], BStBl II 1999, 174). ...
f) Bei der verfassungsrechtlich gebotenen einkommensteuerrechtlichen Freistellung des Familienexistenzminimums, der differenzierenden Würdigung und Berücksichtigung auch von Aufwendungen jenseits des Existenzminimums, jedoch innerhalb der grundrechtlich geschützten Sphäre privater Lebensführung (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27, 49, BStBl II 2003, 534), sowie bei der grundsätzlichen Ausrichtung der Steuerbelastung an der wirtschaftlichen bzw. finanziellen Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 82, 60, 86, BStBl II 1990, 653) unterliegt der Gesetzgeber tendenziell strikteren Bindungen als bei sozialhilferechtlichen Regelungen zur Förderung der Familie (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, 436, m.w.N.; in DStR 2005, 911, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260). Dabei bildet das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden darf (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 99, 246 [BVerfG 10.11.1998 - 2 BvL 42/93], BStBl II 1999, 174; in DStR 2005, 911, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260). Die besondere Belastungssituation der Eltern muss berücksichtigt werden (ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. Beschlüsse vom 3. April 2001 1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242, 257, 263; vom 3. April 2001 1 BvR 1681/94, 1 BvR 2491/94, 1 BvR 24/95, BVerfGE 103, 271). Der Staat darf auf die Mittel, die für den Unterhalt von Kindern unerlässlich sind, bei der Besteuerung nicht in gleicher Weise zugreifen wie auf Mittel, die der Bürger zur Befriedigung beliebiger anderer Bedürfnisse einsetzen kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 [BVerfG 04.12.2002 - 2 BvR 400/98]). Es geht hier um die Erfüllung und Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags des Art. 6 Abs. 1 GG mit der Zielsetzung, die im Vergleich mit Kinderlosen verminderte finanzielle Leistungsfähigkeit der Familie teilweise auszugleichen (vgl. BVerfG-Beschluss in DStR 2005, 911 [BVerfG 11.01.2005 - 2 BvR 167/02], BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 [BFH 30.06.2004 - VII B 257/02]).
Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung, ob die Höhe der steuerlichen Freibeträge die Minderung der Leistungsfähigkeit in Höhe der Existenzminima der Kinder zutreffend berücksichtigt, ist demnach, ob der Gesetzgeber die existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, bemessen hat und ob die sich daraus ergebenden Beträge nicht "offensichtlich unzureichend" sind.
Die Höhe der tatsächlichen (zivilrechtlichen) Unterhaltslasten der Klägerin ist von Verfassungs wegen nicht zu berücksichtigen
Die steuerliche Berücksichtigung der kindbezogenen Lasten erfolgt (bzw. soll erfolgen) in der Weise, dass das Existenzminimum des Kindes steuerlich freizustellen ist. Demgegenüber wird bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten oder Lebenspartnern (und in den in § 32a Abs. 6 EStG geregelten Sonderfällen) die Einkommensteuer nach dem Splitting-Verfahren ermittelt. Das Splitting-Verfahren nimmt den die zivilrechtliche Ausgestaltung der Ehe bestimmenden Grundgedanken der Ehe als einer Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs auf (vgl. BFH Beschluss vom 29. September 2016 III R 62/13 juris-Entscheidungsdienst, unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 7. Mai 2013 zur Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses eingetragener Lebenspartner vom Ehegattensplitting im Einkommensteuerrecht, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377, DStR 2013, 1228 [BVerfG 07.05.2013 - 2 BvR 909/06]). Über die Steuerfreistellung des Existenzminimums hinaus gewährleistet der Gesetzgeber durch das Splitting-Verfahren die verfassungsrechtlich geschützte Entscheidungsfreiheit der Eheleute, ihre ehelichen Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse ohne steuerliche Nachteile zu gestalten; dies führt in erheblichem Umfang zu entsprechend geringeren Einkommensteuern.
Für die steuerliche Berücksichtigung der kindbedingten Lasten ist es jedoch (nur) erforderlich, das Existenzminimum eines Kindes steuerlich freizustellen (BFH Beschluss vom 29. September 2016 III R 62/13 unter Hinweis auf den BVerfG Beschluss vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110,412). Eine über die Abzugsmöglichkeit von Betreuungskosten hinausgehende, dem Splitting-Verfahren vergleichbare Förderung der Entscheidungsfreiheit insbesondere für ältere Kinder - unabhängig davon, ob sie bei beiden oder nur einem Elternteil leben - fehlt. Für die auch von wirtschaftlichen Gesichtspunkten getragene Entscheidung, z.B. ob das Kind eine längerdauernde, ggf. auswärtige und teure Ausbildung (Studium) absolvieren kann oder besser schneller selbst Geld verdient, fehlen im Wesentlichen bis auf den sehr geringen Freibetrag für auswärtige Unterbringung über das Existenzminimum hinausgehende steuerliche Entlastungen.
Der Gesetzgeber hat im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit trotz der im Hinblick auf das Generationenproblem gesellschaftlich erwünschten höheren Kinderzahl die systematisch unterschiedliche Berücksichtigung der ehelichen bzw. partnerschaftlichen Lebensverhältnisse und der Lebensverhältnisse von Eltern (-teilen) mit Kindern nicht geändert. Die unterschiedlichen Regelungen und die damit zum Ausdruck kommenden Wertungen liegen im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, weil es sich um ungleiche Sachverhalte handelt.
Das vorlegende Gericht hat deshalb nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen zu prüfen, ob die kindbezogenen Freibeträge der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung der Klägerin entsprechen.
Jedoch hält die gesetzliche Regelung unter Zugrundelegung des Prüfmaßstabes des BVerfG einer Evidenzkontrolle nicht stand
Das Verfahren zur Ermittlung des Kinderfreibetrages in § 32 Abs. 6 EStG ist zur Überzeugung des vorlegenden Gerichts nicht folgerichtig, willkürlich durch die nicht näher begründete Art und Weise der Errechnung eines nach Lebensaltern gewichteten Durchschnittssatzes, es ist durch die dadurch strukturell bewirkte Überschreitung des sozialrechtlichen Existenzminimums in einer kleineren Anzahl von Fällen und die Unterschreitung des sozialrechtlichen Existenzminimums in der Mehrzahl der Fälle nicht sachgerecht und führt strukturell in einer Vielzahl von Fällen zu evident zu niedrigen Freibeträgen und (mit zunehmendem Alter der Kinder steigenden) ungleichen und damit zu einer verfassungswidrigen Besteuerung von Steuerpflichtigen mit älteren bzw. volljährigen Kindern gegenüber Steuerpflichtigen mit jüngeren Kindern oder ohne Kindern.
Der steuerliche Freibetrag ist für alle Kinder ab dem sechsten Lebensjahr evident zu niedrig, weil er den sozialrechtlichen typisierten Regelsatz und den sozialrechtlichen typisierten Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe unterschreitet
Aus dem Neunten Existenzminimumbericht geht hervor, das für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr der zur Ermittlung des steuerlichen Freibetrages für das sächliche Existenzminimum gewichtet durchschnittlich errechnete angesetzte Regelsatz von monatlich € 258 niedriger ist der jeweilige Regelsatz in der Altersstufe der Kinder von 6 bis unter 14 Jahren (monatlich € 260) und für Kinder von 14 bis unter 18 Jahren (monatlich € 295). Der steuerliche Freibetrag ist evident unzureichend, weil im Existenzminimumbericht selbst zuvor ein höherer Regelbedarf für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr als Existenzminimum ermittelt ist und - wenn kein Einkommen erzielt würde - in dieser Höhe (bzw. sogar teilweise um 1 € höher) ein Anspruch auf Sozialleistungen im Veranlagungszeitraum 2014 besteht.
Für die jüngere (1998 geborene) Tochter der Klägerin bedeutet dies, dass der im Neunten Existenzminimumbericht angesetzte durchschnittliche Regelsatz von € 3.096 (monatlich € 258) den für ihre Altersgruppe festgestellten sozialrechtlichen Regelsatz von monatlich € 295 (jährlich € 3.540) um jährlich € 444 unterschreitet (€ 3.540 ./. € 3.096); insoweit ist das Existenzminimum der Tochter steuerlich nicht freigestellt.
Zusätzlich geht aus dem Neunten Existenzminimumbericht hervor, dass für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr der zur Ermittlung des steuerlichen Freibetrages für Bildung und Teilhabe gewichtet durchschnittlich errechnete und angesetzte Bedarf von monatlich € 19 bzw. jährlich € 228 niedriger ist der jeweilige Bedarf in der Altersstufe der Kinder von 6 bis unter 18 Jahren (jährlich € 100 für Schulausstattung, 12 x € 3 = € 36 für Schulausflüge und 12 x € 10 = € 120 für gesellschaftliche Teilhabe, zusammen € 256 jährlich). Der steuerliche Freibetrag ist evident unzureichend, weil im Existenzminimumbericht selbst zuvor ein typisierter höherer Bedarf für Bildung und Teilhabe für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr als existenznotwendiger Bedarf ermittelt ist und - wenn kein Einkommen erzielt würde - in dieser Höhe ein Anspruch auf Sozialleistungen im Veranlagungszeitraum 2014 besteht.
Für die jüngere (1998 geborene) Tochter der Klägerin bedeutet dies, dass der im Neunten Existenzminimumbericht angesetzte Bedarf für Bildung und Teilhabe von € 228 den für alle Kinder ab dem 6. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr festgestellten sozialrechtlichen Bedarf von jährlich € 256 um jährlich € 28 übersteigt (€ 256 ./. € 228). Auch insoweit ist das Existenzminimum der Tochter steuerlich nicht freigestellt.
Der steuerliche Freibetrag ist für alle volljährigen Kinder nicht in einem sachgerechten Verfahren ermittelt und evident zu niedrig, weil er den Bedarf eines volljährigen Kindes nicht ermittelt, sondern mit dem Durchschnittswert für minderjährige Kinder ansetzt und den sozialrechtlichen Regelsatz für volljährige Kinder (einschließlich des darin enthaltenen Anspruchs auf Leistungen für Bildung und Teilhabe) unterschreitet
In den Existenzminimumberichten hat der Gesetzgeber den Bedarf volljähriger, steuerlich als Kind zu berücksichtigender Personen nicht gesondert ermittelt, sondern legt für diese den errechneten gewichteten Durchschnittssatz für minderjährige Kinder zugrunde. In den Existenzminimumberichten (Ziffer 5.1.1. vorletzter Absatz des Neunten Existenzminimumberichts) ist hierzu ausgeführt, der Ansatz des Durchschnittswertes für Kinder im Alter bis unter 18 Jahren gehe "im Übrigen auch mit § 32 EStG konform - wonach im Regelfall lediglich Kinder bis unter 18 Jahren berücksichtigt werden - und gewährleistet dadurch eine typisierende Betrachtung".
Diese Würdigung steht im Widerspruch dazu, dass nach der gesetzlichen Regelung in § 32 Abs. 4 auch volljährige Kinder unter den dortigen Voraussetzungen steuerlich für das Kindergeld und den Kinderfreibetrag als Kind zu berücksichtigen sind. Sie trägt ferner den tatsächlichen Umständen nicht ausreichend Rechnung.
Das systematische Unterschreiten des zuvor im Existenzminimumbericht selbst aufgeführten sozialhilferechtlichen Existenzminimums für sämtliche Kinder ab dem 6. Lebensjahr stellt keinen Einzelfall dar, sondern betrifft im Bereich des Einkommensteuerrechts sämtliche Steuerpflichtige mit Kindern ab dem 6. Lebensjahr, für die der Abzug des Kinderfreibetrags günstiger ist als das Kindergeld und im Bereich des Solidaritätszuschlages sämtliche Steuerpflichtige mit Kindern, die den Solidaritätszuschlag zahlen. Es betrifft damit nicht nur eine kleine Zahl von Personen, sondern den überwiegenden Anteil der Steuerpflichtigen mit Kindern im Sinne des § 32 EStG. Der sozialhilferechtliche Regelbedarf nach Altersgruppen stellt bereits einen für die jeweiligen Altersgruppen durchschnittlichen (Mindest-)Bedarf dar.
Dass Kinder über das 18. Lebensjahr hinaus steuerlich als Kind zu berücksichtigen sind, ist bei einer sehr hohen Anzahl von Kindern der Fall
Dass Kinder über das 18. Lebensjahr hinaus die Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 EStG erfüllen, ist bei einer sehr hohen Anzahl von Kindern der Fall. Auch nach der (inzwischen teilweise wieder rückgängig gemachten) Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre beendet bereits eine erhebliche Anzahl von Kindern ihre schulische Ausbildung nach Vollendung des 18. Lebensjahres (u.a. auch dann, wenn sie eine Klasse wiederholt oder ein Auslandsjahr absolviert haben). Dass Kinder, die eine betriebliche oder (fach-) schulische Ausbildung oder ein Studium absolvieren, diese nicht bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres abgeschlossen haben, ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Dass Kinder, die ein freiwilliges soziales Jahr oder eine sprachliche Ausbildung im Rahmen eines Au pair Aufenthaltes im Ausland absolvieren, mindestens 18 Jahre oder älter sind, ist ebenfalls keine Ausnahme, sondern die Regel. Dass bei Kindern, die von Geburt an behindert sind und sich deswegen nicht unterhalten können, diese Umstände auch über das 18. Lebensjahr hinaus fortdauern, ist ebenfalls keine Ausnahme, sondern der Regelfall; dies hat zur Folge, dass diese erwachsenen Menschen, wenn sie keine ausreichenden eigenen Einkünfte und Bezüge und kein ausreichendes Vermögen zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts und ihres behinderungsbedingten Mehrbedarfs erzielen, im Regelfall sehr viele Jahre, auch Jahrzehnte, über das 18. als auch über das 25. Lebensjahr hinaus steuerlich als Kind zu berücksichtigen sind.
Nach dem vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Statistischen Jahrbuch Deutschland und Internationales für das Jahr 2016 gab es im Jahr 2014 insgesamt 1.358.550 Auszubildende und im Jahr 2015 1.336.155 Auszubildende (Ziffern 3.5.1 und 3.5.2 des Jahrbuchs, S. 89/90). Nach den Statistischen Jahrbüchern für die Jahre 2014 und 2015 (Ziffern 3.5.1) gab es im Jahr 2012 1.429.977 Auszubildende und im Jahr 2013 1.391.886 Auszubildende. Das Alter der Auszubildenden ist nicht angegeben. Angesichts dessen, dass auch Abiturienten Ausbildungen absolvieren und eine Ausbildung in der Regel mindestens zwei Jahre (für Abiturienten) bzw. drei Jahre dauert, ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Auszubildenden volljährig ist. Da Ausbildungen in der Regel nach Beendigung der Schule und bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres absolviert werden, sind diese Auszubildenden steuerlich als Kind zu berücksichtigen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG.
Im Wintersemester 2014/2015 gab es in Deutschland nach dem Statistischen Jahrbuch für das Jahr 2015 insgesamt 2.694.579 Studierende an Hochschulen im Inland (Ziffer 3.6.1 des Jahrbuchs), davon 428.064 Studienanfänger/innen im ersten Hochschulsemester. Im Wintersemester 2013/2014 gab es nach dem Statistischen Jahrbuch für das Jahr 2014 (Ziffer 3.6.1) in Deutschland insgesamt 2.613.168 Studierende, davon 437.455 Studienanfänger/innen im ersten Hochschulsemester. Im Wintersemester 2015/16 waren es nach dem Statistischen Jahrbuch für das Jahr 2016 (Ziffer 3.6.1) 2.755.408 Studierende an Hochschulen im Inland, davon 431.319 Studienanfänger/innen im ersten Hochschulsemester. Auch nach der Verkürzung der Gymnasialzeit ist davon auszugehen, dass Studierende mindestens ab dem zweiten Studiensemester volljährig sind. Nach Abzug eines gewissen Unsicherheitsabschlages für Studierende, die wegen Überschreitung der gesetzlichen Altersgrenze von 25 Jahren nicht mehr zu berücksichtigen sind, verbleiben mindestens gut 2 Millionen volljährige Studierende, die steuerlich gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG als Kind zu berücksichtigen sind. Hinzu kommen rund 113.000 deutsche Studierende im Ausland (das Jahrbuch für das Jahr 2016 gibt insoweit die Zahlen des Jahres 2013 an, Ziffer 3.6.2. S. 92).
Bezüglich schwerbehinderter Menschen gibt das Statistische Jahrbuch für das Jahr 2016 Jahrbuch die Daten per 31.12.2013 (vorläufige Ergebnisse auf Grundlage des Zensus 2011, Zensusdaten mit dem Stand vom 10.4.2014) wieder. Insgesamt gab es am 31.12.2013 7.548.965 schwerbehinderte Menschen. Davon waren 169.226 minderjährig, 120.515 in der Altersgruppe 18 - 25, die übrigen älter. Da behinderte Menschen steuerlich als Kind zu berücksichtigen sind, wenn die Behinderung vor dem 25. (für Ältere: vor dem 26. bzw. 27.) Lebensjahr eingetreten ist und sie sich behinderungsbedingt nicht selbst unterhalten können, lässt sich nach den Angaben im Jahrbuch der Umfang der davon Betroffenen Volljährigen nicht genau bestimmen. Mindestens dürfte ein überwiegender Teil der behinderten Menschen in der Altersgruppe 18 bis 25 betroffen sein (wobei diejenigen, die sich selbst unterhalten können oder bereits in der Anzahl der Auszubildenden oder Studierenden enthalten sind, herauszurechnen wären). Auch ein nicht unerheblicher Teil der Menschen, die älter als 25 sind, kann sich behinderungsbedingt nicht selbst unterhalten und die Behinderung ist vor Vollendung ihres 25. (bzw. bei Älteren: 26. oder 27.) Lebensjahres eingetreten. Zur Ermittlung deren Anteils im Schätzungswege kann die Zahl der behinderten Menschen mit einer angeborenen Behinderung - da sich deren Behinderung in der Regel im Laufe des Lebens nicht zurück bildet - angesetzt werden abzüglich eines Abschlages für diejenigen, die sich selbst unterhalten können; dies geht davon aus, dass sich die Anzahl der Menschen mit angeborenen Behinderungen per 31.12.2013 gegenüber den Vorjahren nicht erhöht hat. Eine angeborene Behinderung bestand per 31.12.2013 bei 298.308 Menschen. Das Gericht legt zugrunde, dass bei (vorsichtiger) Schätzung auch im Veranlagungszeitraum 2014 mindestens rund 300.000 (rund 100.000 in der Altersgruppe 18 bis 25 und rund 200.000 über 25-jährige) volljährige behinderte Menschen steuerlich gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG als Kind zu berücksichtigen waren.
Hinzu kommen Volljährige, die aus anderen Gründen gemäß § 32 Abs. 4 EStG steuerlich als Kind zu berücksichtigen sind, z.B. arbeitsuchend Gemeldete bis zur Vollendung ihres 21. Lebensjahres (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG), Ausbildungsplatzsuchende bis zur Vollendung ihres 25. Lebensjahres (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG) oder wegen einer Übergangszeit zu Berücksichtigende (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG) oder Volljährige, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr absolvieren (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG).
Der Gesetzgeber hat die gesetzliche Regelung zur Berücksichtigung volljähriger Kinder nicht folgerichtig umgesetzt, weil er den Bedarf volljähriger Kinder nicht ermittelt hat
Die Regelung des § 32 Abs. 4 EStG, nach der auch Volljährige steuerlich als Kind zu berücksichtigen sein können, hat der Gesetzgeber in der Bestimmung der für diese Kinder anzusetzenden Freibeträge nicht folgerichtig umgesetzt. Da nach der gesetzlichen Regelung als auch tatsächlich eine erhebliche Anzahl von Kindern - strukturell nahezu alle, die eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren oder sich behinderungsbedingt nicht unterhalten können -, über die Vollendung ihres 18. Lebensjahres steuerlich als Kind zu berücksichtigen sind, kann die vermeintliche Berücksichtigung eine Kindes im Regelfall nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres die Bemessung des Bedarfs von erwachsenen Kindern mit dem minderjähriger Kinder im Alter von null bis unter 18 Jahren nicht rechtfertigen und ist weder folgerichtig noch sachgerecht.
Wenn der Gesetzgeber das Existenzminimum für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ermittelt und der Höhe des Freibetrages für Kinder im Sinne des § 32 EStG zugrunde legt, muss er folgerichtig auch das Existenzminimum für gemäß § 32 Abs. 4 EStG zu berücksichtigende Kinder ab Vollendung des 18. Lebensjahres ermitteln.
Dies betrifft nicht nur die mit dem Regelsatz gemäß § 27a SGB XII umfassten Bedarfe u.a. für Ernährung, Kleidung, Körperpflege und dergleichen, sondern auch den Bedarf für Bildung und Teilhabe. Weder den laufenden mit dem Regelsatz abgedeckten Bedarf hat der Gesetzgeber für steuerlich als Kinder zu berücksichtigende Erwachsene ermittelt, noch deren spezifischen Ausbildungs- und Teilhabebedarf. Für Erwachsene, auch wenn sie steuerlich als Kinder zu berücksichtigen sind, ist sozialhilferechtlich der Bedarf für Bildung und Teilhabe einschließlich der gesellschaftlichen Teilhabe in die höheren Regelsätze für Erwachsene einbezogen.
Diese höheren Regelsätze legt der Existenzminimumbericht jedoch nicht zugrunde, sondern den errechneten Durchschnittssatz des Regelsatzes für Minderjährige. Welchen spezifischen Bedarf für Ausbildung und Teilhabe steuerlich als Kinder zur berücksichtigende Erwachsene haben, hat der Gesetzgeber nicht ermittelt. So sind die Ausbildungskosten von Auszubildenden und Studierenden (z.B. Schul- und Studiengebühren, Ausbildungsmaterialien, Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte, die sozialrechtlich nach § 28 SGB XII als Bedarf zu berücksichtigen sind) weder ermittelt, noch in die Ermittlung des hierfür angesetzten Bedarfs einbezogen.
Erwachsene haben einen anderen Bedarf als Kinder. Auch dann, wenn sie sich z.B. in Ausbildung befinden und deshalb steuerlich als Kind zu berücksichtigen sind oder als Beschäftigungslose die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllen, sind sie keine nur etwas größer geratenen Kinder. Dies wird besonders deutlich, wenn auch die Erwachsenen einbezogen werden, die die Voraussetzungen der Berücksichtigung als behindertes Kind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG erfüllen und ein deutlich höheres Lebensalter und damit einen anders gearteten Bedarf haben als minderjährige Kinder.
Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 (1BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175) zur Ermittlung der Regelsätze nach dem SGB II für Kinder nach einem Prozentsatz des für Erwachsene geltenden Regelsatzes entschieden, diese Methode sei nicht vertretbar. Es führt unter C II 6 a aus: "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Ihr Bedarf, der zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums gedeckt werden muss, hat sich an kindlichen Entwicklungsphasen auszurichten und an dem, was für die Persönlichkeitsentfaltung eines Kindes erforderlich ist. Der Gesetzgeber hat jegliche Ermittlungen hierzu unterlassen. Sein vorgenommener Abschlag von 40 % gegenüber der Regelleistung für einen Alleinstehenden beruht auf einer freihändigen Setzung ohne irgendeine empirische und methodische Fundierung."
Diese Feststellungen gelten zur Überzeugung des Gerichts auch im umgekehrten Fall zur Ermittlung des Bedarfs eines Erwachsenen. Zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums für einen als Kind gemäß § 32 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Erwachsenen hat der Gesetzgeber keine Ermittlungen zur Höhe des Existenzminimums angestellt, sondern wendet den für eine Vergleichsgruppe mit anders geartetem Bedarf - minderjährige Kinder - sich ergebenden Durchschnittsbetrag an. Diese Methode ist weder sachgerecht noch folgerichtig und damit nicht mehr vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Der Existenzminimumbericht selbst enthält bereits keine Behauptung dahingehend, dass dieser Durchschnittsbetrag dem Bedarf eines gemäß § 32 Abs. 4 EStG als Kind zu berücksichtigenden Erwachsenen entspreche.
Die Klägerin trägt zu Recht vor, dass für ihre volljährige Tochter ein Freibetrag für das sächliche Existenzminimum, der unter dem Regelsatz eines Kindes ab dem Alter von 6 Jahren liegt (angesetzter Durchschnittsbedarf € 258, festgestellter Regelsatz für Kinder von 6 bis unter 14 Jahre bereits € 260, von 14 bis 18 Jahren € 295), offensichtlich unzureichend - und damit zur Überzeugung des vorlegenden Gerichts verfassungswidrig - ist. Der Freibetrag von € 924 gemäß § 33a Abs. 2 EStG kann dabei nicht in die Betrachtung einbezogen werden, weil er der Abgeltung eines zusätzlichen Sonderbedarfs bei auswärtiger Unterbringung dient (vgl. auch BVerfG vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 unter C III 3 b zu § 33a Abs. 2 EStG).
Selbst bei Ansatz eines gewichteten Durchschnittsbetrages ist das Verfahren zur Ermittlung des gewichteten Durchschnittsbetrages nicht sachgerecht und nicht folgerichtig
Nach der gesetzlichen Regelung in § 32 Abs. 4 EStG werden in erheblichem Umfang Erwachsene steuerlich als Kind berücksichtigt. Daher wären für eine folgerichtige und sachgerechte Ermittlung des steuerlich frei zu stellenden Existenzminimums - eine zulässige Typisierung durch die im Existenzminimumbericht verwendete gewichtete Durchschnittsrechnung unterstellt - auch die Bedarfe von als Kindern zu berücksichtigenden Personen mindestens im Alter bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einzubeziehen. Da der spezifische Bedarf volljähriger Kinder nicht ermittelt ist und für Erwachsene sozialhilferechtlich höhere Bedarfe als für Minderjährige zugrunde gelegt werden, wäre der im Existenzminimumbericht für Erwachsene festgestellte Regelbedarf - da die überwiegende Mehrzahl der erwachsenen Kinder alleinstehend sind, der Regelbedarf für Alleinstehende - heranzuziehen. Dieser ist im Neunten Existenzminimumbericht für den Veranlagungszeitraum 2014 dargelegt mit € 4.680 (= monatlich € 390).
Die Ermittlung des gewichteten durchschnittlichen monatlichen Regelbedarfs eines Kindes im Sinne des § 32 Abs. 4 EStG ergäbe sich demgemäß unter folgerichtiger Einbeziehung aller nach § § 32 Abs. 4 EStG berücksichtigungsfähiger und auch tatsächlich in erheblichem Umfang berücksichtigter Kinder zumindest bis zum 25. Lebensjahr in Anlehnung an die Übersicht 3 in Ziffer 5.1.1 des Existenzminimumberichts wie folgt:
Lebensalter des Kindes | Anzahl der Lebensjahre | Betrag € pro Monat | Anzahl x Betrag |
bis unter 6 | 6 | 229 | 1.374 |
von 6 bis unter 14 | 8 | 260 | 2.080 |
von 14 bis unter 18 | 4 | 295 | 1.180 |
von 18 bis unter 25 | 7 | 390 | 2.730 |
Summe für steuerlich berücksichtigungsfähige Kinder im Sinne des § 32 Abs. 1, Abs. 4 EStG im Alter von 0 bis unter 25 Jahren (unter Außerachtlassung älterer, behinderter Kinder) | 7.364 | ||
Durchschnittswert je Kinder (Summe / 25) | 295 |
Dies ergibt einen gewichteten durchschnittlichen Regelsatz von jährlich € 3.540, der um € 444 über dem im Neunten Existenzminimumbericht angesetzten durchschnittlichen Regelsatz von € 3.096 liegt. Der nach dem Neunten Existenzminimumbericht anzusetzende steuerliche Freibetrag von € 4.440 müsste damit bei folgerichtiger Ermittlung - wenn schon ein Durchschnittswert und ein einheitlicher Freibetrag für alle steuerlich berücksichtigten Kinder unabhängig vom Alter angesetzt werden soll - für alle Kinder um jährlich € 444 höher sein (zusätzlich zu der nicht umgesetzten Erhöhung um € 72, um die das im Neunten Existenzminimumbericht ermittelte sächliche Existenzminimum den steuerlichen Freibetrag im Veranlagungszeitraum 2014 übersteigt).
Die Einwendungen von Kister in seiner Anmerkung zum Beschluss des vorlegenden Gerichts im Verfahren der Aufhebung der Vollziehung (EFG 2016, 656) treffen nicht zu. Durch die Einbeziehung des Bedarfs volljähriger Kinder in die - nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ohnehin nicht sachgerechte und zu verfassungswidrigem Ergebnis führende - gewichtete Durchschnittberechnung würde nicht typisierend unterstellt, dass für alle Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ein Kinderfreibetrag gewährt wird, weil in die gewichtete Durchschnittsberechnung nicht die (tatsächliche) Anzahl der Kinder in der jeweiligen Lebensaltersstufe, sondern die Anzahl der zu den jeweiligen Stufen gehörenden Lebensjahre einbezogen wird. Kister führt aus, das Ergebnis des Beschlusses dürfte jedenfalls weitgehend der h.M. in Rechtsprechung und Literatur nicht entsprechen. Diese Würdigung ist unzutreffend, weil - wie der Autor zutreffend ausführt - bislang nicht problematisiert worden ist, ob und in welchem Umfang die Sätze für Erwachsene bei der Berücksichtigung volljähriger Kinder in die Ermittlung einzubeziehen sind; deshalb gibt es insoweit keine h.M. in Rechtsprechung und Literatur. Dass durch die gewichtete Durchschnittsberechnung das steuerliche Existenzminimum für alle Kinder ab Vollendung ihres sechsten Lebensjahres unter ihrem sozialhilferechtlichen Anspruch liegt, ist in der Rechtsprechung nicht und in der Literatur weitgehend nicht problematisiert worden.
Der Ansatz zweier verschiedener Existenzminima für dieselbe Person ist nicht folgerichtig
Der Gesetzgeber hat das Existenzminimum für Erwachsene, die steuerlich nicht als Kind zu berücksichtigen sind, zur Feststellung des verfassungsrechtlich gebotenen Grundfreibetrages ermittelt; hieraus folgt der Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 EStG in Höhe von € 8.354 für den Veranlagungszeitraum 2014.
Das Gericht hält es für nicht folgerichtig und einen Wertungswiderspruch, wenn
- das Existenzminimum zur steuerlichen Freistellung bei eigenem Einkommen eines gemäß § 32 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Kindes im Veranlagungszeitraum mit € 8.354 (Grundfreibetrag) angesetzt wird, bei der gemäß Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen steuerlichen Freistellung seines Existenzminimums bei den Eltern jedoch nur niedrigere Freibeträge in Höhe von zusammen € 7.008 angesetzt werden.
Das Gericht hält es für nicht folgerichtig und einen Wertungswiderspruch, wenn
- bei der Berücksichtigung behinderter Erwachsener für dieselbe Person - in derselben Norm - zwei unterschiedlich hohe Existenzminima angesetzt werden.
Für die Prüfung, ob ein behinderter Erwachsener außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und deshalb als behindertes Kind ist im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen ist, wird das Existenzminimum mit der Höhe des in § 32a Abs. 1 EStG bestimmten Grundfreibetrages (zuzüglich des behinderungsbedingten Mehrbedarfs) bemessen. Ergibt die Prüfung, dass die Einkünfte und Bezüge der behinderten Person behinderungsbedingt nicht ausreichen, ihr mit dem Grundfreibetrag zuzüglich des behinderungsbedingten Mehrbedarfs bemessenes Existenzminimum zu decken, ist diese bei der Steuerpflichtigen als Kind zu berücksichtigen. Für die bei der Steuerpflichtigen bestehende kindbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit wird das Existenzminimum derselben behinderten Person sodann mit einem niedrigeren Freibetrag in Höhe der in § 32 Abs. 6 EStG geregelten kindbedingten Freibeträge angesetzt. Das ist zur Überzeugung des vorlegenden Gerichts nicht folgerichtig.
Erwägungen des Gesetzgebers und einen sachlichen Grund zur Rechtfertigung dafür, dass das Existenzminimum derselben Person für § 32 Abs. 4 höher und in Abs. 6 EStG niedriger bemessen wird, kann das Gericht nicht ersehen.
Die Möglichkeit der Übertragung des Behindertenpauschbetrages nach § 33 b Abs. 5 EStG rechtfertigt die niedrigere Bemessung des Existenzminimums im Fall der steuerlichen Berücksichtigung als Kind nicht, weil der Behindertenpauschbetrag nur den zusätzlichen, von der Steuerpflichtigen getragenen behinderungsbedingten Mehrbedarf des Kindes abdecken soll und keinen Ausgleich für das mit dem Kinderfreibetrag steuerlich frei zu stellende allgemeine Existenzminimum eines Kindes darstellt.
Die Berücksichtigung eines höheren Existenzminimums bei unterhaltsbedürftigen volljährigen Kindern, die steuerlich nicht als Kind zu berücksichtigen sind, als bei steuerlich zu berücksichtigenden Kindern ist nicht folgerichtig
Das Gericht hält es für nicht folgerichtig und einen Wertungswiderspruch, wenn
- zwangsläufige Unterhaltsaufwendungen der Eltern für ihr nicht nach § 32 Abs. 4 berücksichtigungsfähiges volljähriges Kind, das keine Einkünfte und Bezüge erzielt und kein Vermögen hat, gemäß § 33a Abs. 1 EStG mit Aufwendungen bis zur Höhe des Grundfreibetrages von € 8.354 im Veranlagungszeitraum 2014 steuerlich freigestellt werden, jedoch für dasselbe Kind, wenn es sich z.B. in Ausbildung befindet, noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und deshalb gemäß § 32 Abs. 4 EStG steuerlich als Kind zu berücksichtigen ist, die Aufwendungen der Eltern nur mit den niedrigeren Freibeträgen gemäß § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von zusammen € 7.008 im Veranlagungszeitraum 2014 steuerlich freigestellt werden. Dies ist zusätzlich deshalb realitätsfremd, weil typisierend bei Kindern, die sich in Ausbildung befinden - mindestens bei studierenden Kindern ohne Ausbildungsvergütung - höhere zwangsläufige Aufwendungen anfallen als bei Kindern, die sich weder in Ausbildung oder in einer Beschäftigung befinden und von den Eltern unterhalten werden.
Zwar ist die Regelung in § 33a EStG mit der steuerlichen Freistellung durch die in § 32 Abs. 6 EStG geregelten Freibeträge nicht vollständig vergleichbar, da es sich bei dem Abzug der zwangsläufigen Unterhaltsaufwendungen in Höhe des Grundfreibetrages um einen Höchstbetrag handelt, der voraussetzt, dass die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt und durch deren Einkünfte und Bezüge gemindert wird und weil nur tatsächliche Unterhaltsleistungen abzugsfähig sind. Dennoch ist es zur Überzeugung des vorlegenden Gerichts nicht folgerichtig, wenn das Existenzminimum von gegenüber den Steuerpflichtigen in gleicher Höhe Unterhaltsberechtigten unterschiedlich hoch bemessen wird, je nachdem, ob sie steuerlich als Kind zu berücksichtigen sind oder nicht. Erwägungen des Gesetzgebers und Rechtsfertigungsgründe für diese Ungleichbehandlung kann das Gericht nicht ersehen.
Keine sachlichen Rechtsfertigungsgründe für die ungleichen Verfahren und die ungleiche Typisierung zur Bemessung des Existenzminimums beim Grundfreibetrag und beim Kinderfreibetrag, keine folgerichtige Bemessung der Freibeträge
Beim Grundfreibetrag legt der Gesetzgeber im Rahmen der Typisierung des steuerlich frei zu stellenden Existenzminimums den höchsten in Betracht kommenden Regelsatz für Alleinstehende zugrunde. Ferner gewährt er eine darüber hinaus gehende steuerliche Freistellung durch Ansatz des verdoppelten Grundfreibetrages für Ehepaare entgegen dem für Ehepaare im Existenzminimumbericht festgestellten niedrigeren Existenzminimum. Beim Kinderfreibetrag nimmt er dagegen eine gewichtete Durchschnittsberechnung vor, die den Bedarf volljähriger Kinder weder ermittelt noch einbezieht und zu einer steuerlichen Freistellung führt, die für alle Kinder ab Vollendung ihres sechsten Lebensjahres unter deren sozialhilferechtlich definiertem Existenzminimum liegt. Das beinhaltet vielfache Ungleichheiten, die zur Überzeugung des Gerichts das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG verletzen.
Das notwendige Existenzminimum der Steuerpflichtigen und ihrer Familienmitglieder ist nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG für alle Steuerpflichtigen steuerlich freizustellen. Eine ungleiche Regelung bedarf eines besonderen Rechtsfertigungsgrundes. Derartige Gründe für die unterschiedlichen Verfahren der Typisierung beim Grundfreibetrag einerseits und beim Kinderfreibetrag andererseits sind weder in den Existenzminimumberichten noch sonst dargelegt und nicht ersichtlich. Das Gericht hält es für nicht folgerichtig, wenn für die Bemessung der steuerlich frei zustellenden Beträge unterschiedliche Verfahren zur Typisierung angewendet werden, ohne dass dies sachliche Gründe gebieten.
Die steuerliche Freistellung darf das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum nicht unterschreiten
Das BVerfG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Existenzminimum nicht besteuert werden darf. In seiner Entscheidung vom 10. November 1998 zur Höhe der Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG im Veranlagungszeitraum 1987 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 [BVerfG 10.11.1998 - 2 BvL 42/93], BStBl. II 1999, 174) führt das BVerfG aus, Art. 6 Abs. 1 GG gebiete, bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei zu belassen. Dabei bilde das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden dürfe.
Bereits in seiner Entscheidung vom 25. September 1992 (2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl. II 1993, 413) führt das BVerfG aus, soweit der Gesetzgeber im Sozialhilferecht den Mindestbedarf bestimmt habe, den der Staat bei einem mittellosen Bürger im Rahmen sozialstaatlicher Fürsorge durch Staatsleistungen zu decken hat, dürfe das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum diesen Betrag jedenfalls nicht unterschreiten. Der Steuergesetzgeber müsse dem Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezügen zumindest das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stelle.
Die Begründung in Ziffer 5.1.1 des Neunten Existenzminimumberichts, die sozialhilferechtlichen Regelbedarfe für Kinder seien altersabhängig und könnten eventuell regional verschieden sein, deshalb würden die altersabhängigen Unterschiede für die Ermittlung des steuerfrei zu stellenden Betrages durch die Berechnung eines nach Lebensjahren gewichteten durchschnittlichen Regelbedarfs berücksichtigt, steht im Widerspruch dazu, dass der Bericht selbst die altersabhängigen Unterschiede bei der Ermittlung des Regelbedarfs in der Weise berücksichtigt, dass er für unterschiedliche Altersstufen einen unterschiedlich hohen Regelbedarf feststellt.
Die im Existenzminimumbericht selbst dargelegte Feststellung des sozialhilferechtlichen altersgestaffelten Regelbedarfs eines Kindes in den Altersstufen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und des Regelbedarfs eines Erwachsenen belegt, dass ein einheitlicher Durchschnittswert die verschiedenen Bedarfsgruppen nicht realitätsgerecht erfasst. Anders als bezüglich des Preisgefälles auf dem Wohnungsmarkt, auf den das BVerfG in seinem Beschluss vom 25. September 1992 (2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl. II 1993, 413) zum Ansatz eines Freibetrags am unteren Wert verweist, stellt der unterschiedlich hohe Regelbedarf von Kindern in unterschiedlichem Alter und von Erwachsenen keinen Sonder- sondern den Regelfall war, weil jedes lebendige Kind älter und schließlich erwachsen wird und sich dadurch sein Bedarf regelmäßig erhöht. Das BVerfG führt aus, "in einem Sonderfall dieser Art" - des damaligen erheblichen Preisgefälles auf dem Wohnungsmarkt - sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, sich bei der Bemessung des Grundfreibetrags insoweit an einem unteren Wert zu orientieren, wenn er zugleich zur ergänzenden Deckung des Bedarfs nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie etwa ein Wohngeld, zur Verfügung stelle. Beim Abzug des für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr unter ihrem Regelbedarf liegenden Freibetrages für das sächliche Existenzminimum besteht hingegen kein Anspruch auf ergänzende Sozialleistungen, sofern nicht das Gesamteinkommen unter den nach dem SGB II oder dem SGB XII maßgeblichen Grenzen liegt. Dann bestünde aber ohnehin einkommensteuerlich kein Anspruch auf den Abzug des steuerlichen Freibetrages, weil das Kindergeld günstiger wäre.
Der BFH führt in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Grund- und des Kinderfreibetrags im Jahr 2011 unter Ziffer 2 b bb) 2 der Entscheidungsgründe zwar aus, aus der Rechtsprechung des BVerfG ergebe sich inzident, dass die Ermittlung des Mindestbedarfs im Achten Existenzminimumbericht unter Berücksichtigung eines nach Lebensjahren gewichteten durchschnittlichen Regelbedarfs, in den nur minderjährige Kinder einbezogen werden und unter Außerachtlassung regionaler Unterschiede, methodisch nicht zu beanstanden sei. Er setzt sich jedoch nicht mit dem - in der Entscheidung nicht explizit dargestellten und problematisierten - Ergebnis dieser Ermittlung auseinander, dass nämlich der so ermittelte bzw. errechnete Mindestbedarf tatsächlich für die überwiegende Zahl der Kinder, für die die Ermittlung erfolgt, nämlich für alle Kinder ab Vollendung ihres sechsten Lebensjahres, zu einem Betrag führt, der (mit zunehmendem Alter steigend) unter ihrem sozialhilferechtlichen Existenzminimum liegt.
Die sozialhilferechtlichen Regelsätze sind bereits Typisierungen des durchschnittlichen Bedarfs
Der nach Altersstufen unterschiedlich hohe sozialhilferechtliche Regelbedarf ist bereits eine Typisierung, die von regionalen und individuellen Besonderheiten absieht. Die sozialhilferechtlichen Regelsätze stellen eine Durchschnittsberechnung unter Außerachtlassung unterschiedlicher Lebenshaltungskosten aufgrund regionaler Unterschiede und individueller Verhältnisse dar. Entsprechend besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen für Kinder ab Vollendung des 6. Lebensjahres nicht nur in Höhe eines gewichteten durchschnittlichen Regelsatzes, sondern gemäß der Anlage 1 zu § 28 SGB XII in Höhe des für ihre jeweilige Altersstufe festgestellten tatsächlichen durchschnittlichen Regelbedarfs (bzw. zum Teil 1 € höher).
Sozialhilferechtlich bestimmte Existenzminima sind bereits Mindestbeträge, die sowohl sozialhilferechtlich und folgerichtig auch steuerlich zugrunde zu legen sind.
Steuerpflichtige mit Kindern ab Vollendung des sechsten Lebensjahres werden gegenüber Steuerpflichtigen mit jüngeren Kindern ungleich behandelt, weil das Existenzminimum der älteren Kinder steuerlich niedriger freigestellt wird als bei jüngeren Kindern. Die Ungleichbehandlung steigt mit zunehmendem Alter der Kinder. Das verletzt das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG und das Grundrecht auf Schutz der Familie in Art. 6 Abs. 1 GG
Der Teil des Einkommens, der in Höhe des Existenzminimums eines Kindes steuerlich frei gestellt ist, steht nicht nur den Steuerpflichtigen, sondern der gesamten Familie - insbesondere auch den Kindern, an deren Vorhandensein die steuerliche Freistellung anknüpft - zur Verfügung. Wird bei Steuerpflichtigen mit Kindern unter dem 6. Lebensjahr ein über dem sozialhilferechtlich festgestellten Existenzminimum liegender Teil des Einkommens steuerfrei gestellt, bei anderen Steuerpflichtigen mit Kindern ab Vollendung des 6. Lebensjahres oder gar volljährigen Kindern hingegen nur ein erheblich niedrigerer Teil des Einkommens als ihr sozialhilferechtlich festgestelltes Existenzminimum, benachteiligt das im Ergebnis nicht nur die Steuerpflichtigen, sondern auch die Kinder, weil dann insgesamt für die Familie weniger Einkommen zur Verfügung steht. Damit sind das Grundrecht auf Schutz der Familie gemäß Art 6 Abs. 1 GG und das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs. 1 GG betroffen.
Eine trotz ungleicher Sachverhalte - altersgestaffelt unterschiedlich hohe Existenzminima und damit unterschiedliche Leistungsfähigkeit - fehlende Differenzierung bedarf eines besonderen Rechtfertigungsgrundes, dabei ist einzubeziehen, dass die Regelung nicht nur die Eltern, sondern auch das Wohl der Kinder betrifft. Auch aus Sicht des Kindes ist von Bedeutung, ob die verminderte Leistungsfähigkeit seiner Eltern steuerlich in voller Höhe oder nur zum Teil berücksichtigt bzw. steuerfrei gestellt wird, weil nur das nach Abzug der Steuer verbleibende Einkommen der Familie und damit auch dem Kind zu Gute kommen kann.
Ein Rechtfertigungsgrund für die unterschiedlich hohe steuerliche Freistellung des sozialrechtlichen Existenzminimums der Kinder ist nicht ersichtlich
Rechtfertigungsgründe und Erwägungen des Gesetzgebers dafür, dass bei Steuerpflichtigen mit jüngeren Kindern das Existenzminimum eines Kindes (bis zum Alter von unter sechs Jahren) über den Umfang des sozialrechtlichen Existenzminimums hinaus steuerlich freigestellt wird, bei Steuerpflichtigen mit älteren oder erwachsenen Kindern jedoch nur in einem niedrigeren, das sozialrechtliche Existenzminimum unterschreitenden Umfang, sind nicht ersichtlich. In den Existenzminimumberichten wird zwar angegeben, eine Typisierung sei zulässig. Es wird jedoch nicht ausgeführt, aus welchen Gründen die Durchschnittsberechnung in der gewählten Art und Weise erfolgt. Es ist nicht ersichtlich, warum bei der Durchschnittsberechnung eine Gewichtung nach Lebensaltersstufen erfolgt. Auch andere Grundlagen einer Durchschnittsberechnung sind denkbar (die allerdings zu höheren Freibeträgen führen würden), z.B. eine Gewichtung nach der Anzahl der Kinder pro Lebensaltersstufe oder Ansatz des Bedarfs im Umfang des sozialrechtlichen Bedarfs eines Kindes im mittleren Alter von sechs bis dreizehn Jahren. Es wird lediglich unter Hinweis auf die o.a. Entscheidungen des BVerfG angegeben, eine Typisierung mit einem einheitlichen Betrag für sämtliche Kinder sei zulässig. Zur Art und Weise der Typisierung im Bereich des Regelsatzes als auch bei den Aufwendungen für Bildung und Teilhabe und aus welchen Gründen eine Typisierung mit der Folge einer Unterschreitung der steuerlichen Freistellung gegenüber dem sozialrechtlichen Existenzminimum für alle Steuerpflichtigen mit Kindern ab dem vollendeten sechsten Lebensjahr und damit für eine Vielzahl von betroffenen Steuerpflichtigen erfolgen soll, enthalten die Existenzminimumberichte als auch die Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren keine Ausführungen. Die Anwendung des nach Lebensaltern gewichteten Durchschnittsatzes sowohl im Bereich des Regelsatzes als auch bei den Aufwendungen für Bildung und Teilhabe führt strukturell zur Unterschreitung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums bei allen Kindern ab dem sechsten Lebensjahr und dazu, dass nur bei Steuerpflichtigen mit jüngeren Kindern deren sozialhilferechtliches Existenzminimum (bzw. ein darüber hinaus gehender Betrag) steuerlich frei gestellt wird.
Mit zunehmendem Alter der Kinder steigt das Ausmaß dieser Ungleichbehandlung zu Lasten derjenigen Steuerpflichtigen, bei denen die steuerliche Berücksichtigung des Kindes erfolgt.
Erwägungen des Gesetzgebers und einen sachlichen Rechtfertigungsgrund für diese Ungleichbehandlung legen weder die Existenzminimumberichte noch die Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren dar.
Die grundsätzlich zulässige Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers rechtfertigt die nicht vollständige steuerliche Freistellung des Existenzminimums für Kinder ab dem sechsten Lebensjahr nicht
Der Neunte Existenzminimumbericht führt zur Typisierung in Ziffer 5.1 aus:
Dem sächlichen Existenzminimum von Kindern liegen grundsätzlich die gleichen Komponenten zugrunde wie dem von Erwachsenen. Hinzukommen Bildungs- und Teilhabeleistungen, sofern sie typische Bedarfspositionen abdecken.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss dem Gesetzgeber zugestanden werden, die steuerliche Entlastung für einen Einkommensbetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen Bundesgebiet einheitlich festzulegen (vgl. BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] [111 f.]). Für jedes Kind einer Familie wird daher das Existenzminimum gleich hoch angesetzt.
Die im Existenzminimumbericht in Bezug genommene Entscheidung des BVerfG vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, BStBl. II 1994, 909) rechtfertigt zur Überzeugung des vorlegenden Gerichts eine Typisierung, die für den überwiegenden Teil der Kinder ab Vollendung des 6. Lebensjahres zu einer steuerlichen Freistellung nur unterhalb ihres sozialhilferechtlichen Existenzminimums führt, nicht. Die Entscheidung des BVerfGE vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, BStBl. II 1994, 909) ist ergangen zu einer anderen Rechtslage. Die Entscheidung betraf die Kürzung des Kindergeldes für Besserverdienende in den Jahren 1983 bis 1987. Damals waren die Kinderfreibeträge im Einkommensteuerrecht abgeschafft und es wurde lediglich ein bis auf einen Sockelbetrag der Höhe nach vom Jahreseinkommen abhängiges Kindergeld gezahlt. Gemäß § 31 EStG werden hingegen durch die Günstigerberechnung entweder Kindergeld als Steuervergütung gewährt oder, wenn dies günstiger ist, die Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG abgezogen. Ferner lag der Entscheidung des BVerfG vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, BStBl. II 1994, 909) ein anders geartetes Verfahren der Ermittlung des Existenzminimums eines Kindes zugrunde, weil der Wohnraumbedarf eines Kindes damals nach der Pro-Kopf-Methode - und damit höher - anstelle der im Existenzminimumbericht angewendeten Mehrbedarfs-Methode angesetzt wurde.
Das BVerfG setzt sich in seinem Beschluss vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl. II 1999, 174) mit der in der Entscheidung des BVerfG vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91,93, BStBl. II 1994, 909) angenommenen Toleranzgrenze von 15 %, um die das steuerlich zugrunde gelegte Existenzminimum das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum unterschreiten dürfe, auseinander. Es legt dar, das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum bilde die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden dürfe. Der Erste Senat des BVerfG habe einen Toleranzwert von 15 % u.a. mit dem Umstand begründet, der Wohnbedarf sei bei den dort herangezogenen R i c h t w e r t e n nach der Pro-Kopf- Methode berechnet worden und nicht nach den niedrigeren Werten, die lediglich den notwendigen Mehrbedarf an Wohnraum berücksichtigen. Die Bedarfsberechnung nach der Pro-Kopf- Methode gelange zu tendenziell erhöhten Werten, die eine 15 %ige Toleranz rechtfertigen könnten. Im Grundsatz aber fordere auch der Erste Senat eine Berücksichtigung des Existenzminimums "möglichst in allen Fällen" in präzisen, realitätsgerechten Grenzen (BVerfGE 91, 93 <115>).
Bei der Berechnung der Bedarfswerte des Jahres 1987 werde jedoch (wie auch im Existenzminimumbericht für den Veranlagungszeitraum 2014) nicht die Pro-Kopf-Methode, sondern die Mehrbedarfsmethode zugrunde gelegt. Den Bedarfszahlen lägen nicht durchschnittliche Richtwerte (so BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] <112>), sondern nur der existenznotwendige Mindestbedarf zugrunde. Das BVerfG führt aus:
Diese Bedarfsgrößen zur Feststellung der Existenzminima sind jeweils nur statistisch belegte M i n d e s t beträge, die deshalb zwar überschritten, aber nicht mehr unterschritten werden dürfen (vgl. Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien vom Jahr 1996, BT-Drucksache 13/381, S. 4).
Das vorlegende Gericht teilt die Auffassung des BVerfG in dessen Beschluss vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl. II 1999, 174) und ist der Überzeugung, dass auch unter Einbeziehung der im Neunten Existenzminimumbericht unter Ziffer 5.1 in Bezug genommenen Entscheidung des BVerfG vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, BStBl. II 1994, 909) die vorgenommene Typisierung nicht verfassungsgemäß ist.
Zur Bemessung im Rahmen einer Typisierung führt der Neunte Existenzminimumbericht zur rechtlichen Ausgangslage unter Ziffer 2 (Seite 2 r.Sp. 2. Absatz) aus:
Im Einkommensteuerrecht wird hingegen (Anmerkung: gegenüber dem Sozialrecht) der existenzsichernde - anders als der erwerbssichernde - sächliche Aufwand in typisierender Form berücksichtigt. Daher können die zuvor genannten individuellen Sonder- oder Mehrbedarfe nicht mitberücksichtigt werden. Diese wegen der Abwicklung im Massenverfahren notwendige Generalisierung ist verfassungsrechtlich zulässig. Im Rahmen einer solchen Typisierung sind die zu berücksichtigenden Komponenten aber so zu bemessen, dass die steuerlichen Regelungen in möglichst allen Fällen den existenznotwendigen Bedarf abdecken, kein Steuerpflichtiger also infolge der Besteuerung seines Einkommens darauf verwiesen wird, seinen existenznotwendigen Bedarf durch Inanspruchnahme von Staatsleistungen zu sichern (vgl. BVerfGE 120, 125 [155] und 99, 246 [261]).
Das vorlegende Gericht ist der Überzeugung, dass die durch die errechneten Durchschnittswerte und fehlende Ermittlung und Einbeziehung des Bedarfs volljähriger Kinder erfolgte Typisierung den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Typisierung nicht entspricht.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist eine Typisierung steuerlicher Freibeträge grundsätzlich zulässig und im Verfahren der Einkommensteuerfestsetzung als einem Massenverfahren geboten.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist jedoch das Existenzminimum die Untergrenze der Typisierung. Eine Typisierung, die zu einer steuerlichen Freistellung nur unterhalb des Existenzminimums führt, ist nicht verfassungsgemäß. Das BVerfG hat bereits in seiner - zur Rechtfertigung des Durchschnittswertes in Ziffer 5.1.1 vorletzter Absatz des Neunten Existenzminimumberichts angeführten - Entscheidung vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl. II 1990, 653) ausgeführt, ein einheitlicher Betrag für die steuerliche Freistellung sei zulässig, müsse allerdings so bemessen werden, dass er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecke. Der Gesetzgeber dürfe sich insoweit nicht an einem unteren Grenzwert oder an einem Durchschnittswert orientieren, der in einer größeren Zahl von Fällen nicht ausreichen würde. Er dürfe bei der steuerlichen Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen nicht realitätsfremde Grenzen ziehen (so auch das BVerfG in seiner Entscheidung vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl. II 1999, 174). Auch in seinen Entscheidung vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, BFH/NV 2008, Beilage 3, 228, DStR 2008, 604) und vom 13. Oktober 2009 (2 BvL 3/05, BVerfGE 124, 282, BFH/NV 2010, 148) führt das BVerfG unter Hinweis auf die Beschlüsse vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl. II 1990, 653), vom 25. September 1992 (2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 <172>) und vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, BFH/NV 2008, Beilage 3, 228, DStR 2008, 604), BFH/NV 2008, Beilage 3, 228 [BFH 05.06.2007 - VII R 30/06], DStR 2008, 604) aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG der Gesetzgeber bei einer typisierenden Regelung Sorge zu tragen habe, dass typisierende Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken.
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt die Typisierung durch Ansatz des errechneten Durchschnittsbetrages von monatlich € 258 nicht, weil sie für die überwiegende Anzahl der Kinder dazu führt, dass eine Besteuerung des Einkommens in Höhe ihres Existenzminimums erfolgt und in einer Höhe, in der ohne Einkommen ein Anspruch auf Sozialleistungen bestünde. Der Gesetzgeber hat durch die Durchschnittsberechnung als Grundlage der Ermittlung des Freibetrages für das sächliche Existenzminimum strukturell in Kauf genommen, dass bei allen Kindern ab dem 6. Lebensjahr eine Besteuerung auch im Bereich des Existenzminimums erfolgt und in einem Einkommensbereich, in dem ohne Einkommen bereits ein Anspruch auf Sozialleistungen bestünde. Dies überschreitet die verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen.
Das Gericht teilt die Auffassung der Klägerin, dass im Falle eines einheitlichen, vom Alter des Kindes unabhängigen Freibetrag dieser sich aus verfassungsrechtlichen Gründen nach dem höheren Existenzminimum für ältere Kinder bemessen muss, damit nicht strukturell in einer Vielzahl von Fällen der existenznotwendige Bedarf nicht abgedeckt ist.
In seiner in Ziffer 5.1 des Neunten Existenzminimumberichts angeführten Entscheidung vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91,93 BStBl. II 1994, 909) legt das BVerfG für die Gegenüberstellung des steuerlichen Kinderfreibetrags und des in einen Freibetrag umgerechneten Kindergeldanspruchs mit dem Existenzminimum eine Typisierung - unter Ansatz eines Durchschnittssatzes des auch nach Altersstufen unterschiedlichen Sozialhilfebedarfs - zugrunde. Bei Richtwerten, wie sie dort nach der Berechnung des Bundesministers zum Vergleich herangezogen würden, könne die Verfassungswidrigkeit einer bestehenden Regelung noch nicht festgestellt werden, wenn diese Richtwerte um weniger als 15 vom Hundert unterschritten würden (vgl. auch BFHE 171, 534 [BFH 16.07.1993 - III R 206/90] <545>). Diese Abweichung sei angesichts der in Rechnung zu stellenden Unsicherheiten der Richtwerte noch hinnehmbar. In der Rechtsprechung des BVerfG sei anerkannt, dass bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein könnten. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssten hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betreffe und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei (vgl. BVerfGE 79, 87 [BVerfG 09.11.1988 - 1 BvL 22/84] <100>; st. Rspr.).
Das BVerfG führt in seiner Entscheidung vom 14. Juni 1994 unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 25. September 1992 (2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl. II 1993, 413) allerdings auch aus, dass das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum jedenfalls den Mindestbedarf, den der Gesetzgeber im Sozialrecht festgelegt habe, nicht unterschreiten dürfe.
Das BVerfG setzt sich in seiner Entscheidung vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl. II 1999, 174) mit der nach der Entscheidung des BVerfG vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91,93, BStBl. II 1994, 909) zulässigen Toleranz von 15 % auseinander. Es weist zutreffend darauf hin, dass der Toleranzwert u.a. mit dem Umstand begründet wurde, der Wohnbedarf sei bei den herangezogenen Richtwerten nach der Pro-Kopf-Methode berechnet worden. Dagegen wurde bei der Berechnung der Bedarfswerte des Jahres 1987 - wie auch im Neunten Existenzminimumbericht für den Veranlagungszeitraum 2014 - die Mehrbedarfsmethode zugrunde gelegt. Den Bedarfszahlen lägen damit nicht durchschnittliche Richtwerte, sondern nur der existenznotwendige Mindestbedarf zugrunde. Das BVerfG führt in der Entscheidung vom 10. November 1998 aus, diese Bedarfsgrößen zur Feststellung der Existenzminima seien "jeweils nur statistisch belegte M i n d e s t beträge, die deshalb zwar überschritten, aber nicht mehr unterschritten werden dürfen". Das Gericht folgt dieser Auffassung.
In der Entscheidung vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, BFH/NV 2008, Beilage 3, 228 [BFH 05.06.2007 - VII R 30/06]) führt das BVerfG aus, die Grenzen einer zulässigen Typisierung seien hinsichtlich der Beiträge zur privaten Krankenversicherung der Kinder "offensichtlich überschritten", wenn unter Berufung auf die Beitragsfreiheit von ca. 90% aller Kinder aufgrund der Familienversicherung nach § 10 SGB V alle privat krankenversicherten Kinder vollständig "hinwegtypisiert" würden. Das BVerfG hält mithin die unzureichende steuerliche Freistellung des Existenzminimums im Bereich der Krankenversicherungsbeiträge für ca. 10 % der Kinder für so erheblich, dass dies zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung führt.
Eine Grenze von 10 % ist hinsichtlich des Anteils der gemäß § 32 EStG zu berücksichtigenden Kinder, die bereits das 6. Lebensjahr vollendet haben und für die bei der Bemessung des Kinderfreibetrages für das sächliche Existenzminimum ein Betrag angesetzt wird, der unter ihrem sozialhilferechtlichen Mindestbedarf (Regelsatz) liegt, weit überschritten. Der nach einem durchschnittlichen Regelsatz bemessene typisierende Kinderfreibetrag deckt deshalb in der überwiegenden Zahl der Fälle den entsprechenden Bedarf nicht realitätsgerecht ab. Dies ist nicht mehr durch eine zulässige Typisierung abgedeckt.
Eine gesetzliche Typisierung, die auch den Bedarf Volljähriger abgelten soll und für weit über 2 Millionen (siehe oben, Darlegung der Angaben der Statistischen Jahrbücher, geschätzt: mindestens 2.5 Millionen) als Kind zu berücksichtigender Volljähriger deren Bedarf weder ermittelt noch in die Bemessung einbezieht, ist kein sachgerechtes Verfahren und führt, da für Volljährige der niedrigere gewichtet errechnete Durchschnittsbedarf Bedarf Minderjähriger angesetzt wird, zu einem Kinderfreibetrag, der evident unzureichend ist.
Besondere Gründe, welche die aus der Typisierung folgende Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere stellt die Vereinfachung, die sich dadurch ergibt, dass für alle steuerlich zu berücksichtigenden Kinder ein einheitlicher Freibetrag anzusetzen ist, keine ausreichende Rechtfertigung dafür dar, dass Steuerpflichtige Steuern auf Einkommen auch zu zahlen haben, soweit das Existenzminimum ihrer Kinder den steuerlichen Freibetrag übersteigt und auf Einkommen, in dessen Höhe bedürftige Steuerpflichtige bereits einen Anspruch auf Sozialleistungen haben.
Die verfassungsrechtlich gebotene Steuerfreistellung des Existenzminimums und die gleichmäßige Gewährung einer Begünstigung für Steuerpflichtige mit Kindern ist zur Überzeugung des Gerichts deutlich höher zu bewerten, als die Vereinfachung durch einen einheitlich hohen Kinderfreibetrag, die durch entsprechende Programmierung ausgeglichen werden kann. Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Geburtsdaten der Kinder gespeichert sind. Ebenso wie das altersbedingte Ende der Berücksichtigung eines Kindes im Laufe eines Jahres oder der sonstige Wegfall der Voraussetzungen zur Berücksichtigung als Kind im Laufe eines Jahres programmmäßig gesteuert zur zeitanteiligen Berücksichtigung (§ 32 Abs. 6 Satz 5 EStG) eines Kinderfreibetrages in einem Veranlagungszeitraum umgesetzt werden, können unterschiedlich hohe, lediglich am Geburtstag des Kindes orientierte Kinderfreibeträge bei der Besteuerung programmmäßig umgesetzt werden. Bei der einzelnen Sachbearbeitung im Finanzamt entsteht dadurch kein zusätzlicher Arbeitsaufwand.
Bei den - zahlenmäßig geringeren - Fällen, dass das Kind in einem Wohnsitzstaat lebt, in dem die Lebenshaltungskosten niedriger sind, sieht der Gesetzgeber von der Vereinfachung durch einen einheitlichen Freibetrag ab. Für ein nicht nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können gemäß § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 EStG nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaats notwendig und angemessen sind. Sachliche Gründe für die unterschiedliche Anwendung einer Vereinfachungsregel kann das Gericht nicht erkennen.
Etwaige fiskalische Gründe oder ein hohes Einkommen der Steuerpflichtigen rechtfertigen eine zu niedrige steuerliche Freistellung des Existenzminimums nicht. Das BVerfG führt in der Entscheidung vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl. II 1990, 653) unter C III 3 c) aus:
aa) "Die Dringlichkeit einer Haushaltssanierung kommt als Rechtfertigung nicht in Betracht. Der Finanzbedarf des Staates ist nicht geeignet, eine verfassungswidrige Steuer zu rechtfertigen (BVerfGE 6, 55 [BVerfG 17.01.1957 - 1 BvL 4/54] <80>). Auch wenn der Staat auf Einsparungsmaßnahmen angewiesen ist, muß er auf die gerechte Verteilung der Lasten achten.
bb) Eine Regelung, die das Existenzminimum bei der Besteuerung von Steuerpflichtigen mit unterhaltsbedürftigen Kindern außer acht lässt, ist auch nicht mit sozialpolitischen Erwägungen zu rechtfertigen. Das gilt selbst dann, wenn die Regelung lediglich Steuerpflichtige mit überdurchschnittlichem Einkommen trifft."
Diese Ausführungen gelten zur Überzeugung des Gerichts auch in dem Fall, in dem das Gesetz das Existenzminimum der Kinder in der überwiegenden Anzahl der Fälle (für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr) in nicht realitätsgerechter zu niedriger Höhe steuerlich freistellt.
Unabhängig von der Art und Weise der Ermittlung des Existenzminimums in den Existenzminimumberichten ist der Kinderfreibetrag im Veranlagungszeitraum 2014 verfassungswidrig zu niedrig
Der Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum ist im Veranlagungszeitraum 2014 um jährlich € 72 zu niedrig. Dies ist evident, weil schon aus dem Neunten Existenzminimumbericht hervorgeht, dass der Freibetrag nicht wie in den Vorjahren € 4.368, sondern € 4.440 betragen müsste. Der Neunte Existenzminimumbericht führt in Ziffer 6.1 aus, ab dem Veranlagungszeitraum 2014 sei auch eine Erhöhung des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) erforderlich. Die Bundesregierung werde dies rechtzeitig gesetzgeberisch auf den Weg bringen. In Ziffer 6.4. führt der Bericht aus, "dass mit den geltenden steuerlichen Regelungen und den noch vorgesehenen Gesetzesänderungen in den Jahren 2013 und 2014 den verfassungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der steuerfrei zu stellenden Existenzminima von Erwachsenen und Kindern entsprochen wird." (Markierung durch das Gericht). An die selbst getroffenen Feststellungen und Vorgaben hat sich der Gesetzgeber nicht gehalten und es - im Hinblick auf die Äußerungen in Ziffer 6.4. des Existenzminimumberichts - sehenden Auges hingenommen, dass der Kinderfreibetrag für 2014 nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (vgl. zur Erforderlichkeit der Anhebung auch Loschelder in Schmidt, Kommentar zum EStG 35. Aufl. 2016 § 32 EStG Anm. 4).
Aus welchen - sachlichen - Gründen von der im Neunten Existenzminimumbericht selbst für verfassungsmäßig geboten erachteten und angekündigten Anhebung des Kinderfreibetrages für den Veranlagungszeitraum abgesehen wurde, ist nicht ersichtlich. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort vom 16. Januar 2015 (BT-Drucksache 18/3767) auf eine Anfrage der Abgeordneten Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 25. November 2014 zur steuerlichen Entlastung von Familien und der aus dem Neunten Existenzminimumbericht verfassungsrechtlich gebotenen, bislang unterbliebenen Anpassung der Kinderfreibeträge und des Kindergeldes für den Veranlagungszeitraum 2014 (BT-Drucksache 18/3335) erklärt, die Bundesregierung habe nach einem Beschluss des Deutschen Bundestages alle zwei Jahre über die Entwicklung der steuerfrei zu stellenden Existenzminima von Erwachsenen und Kindern zu berichten (BT-Drucksache 13/1558). In Kürze werde der Zehnte Existenzminimumbericht vorgelegt. Anschließend werde zu prüfen sein, in welcher Form diesem Ergebnis Rechnung getragen werde. Die Umsetzung einer im Hinblick auf das steuerfrei zu stellende Existenzminimum eines Kindes erforderlichen Anpassung des Kinderfreibetrages werde in zeitlicher Hinsicht gewährleisten, dass das Kinderexistenzminimum in den betroffenen Veranlagungsjahren steuerlich verschont werde.
In den Gesetzentwürfen der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags) vom 27. März 2015 (BT-Drucksache 122/15) und vom 20. April 2015 (BT-Drucksache 18/4649) führt die Bundesregierung unter A. Problem und Ziel lediglich aus, dass nach dem Zehnten Existenzminimumbericht vom 30. Januar 2015 (BT-Drucksache 18/3893) in den Veranlagungsjahren 2015 und 2016 sowohl beim Grundfreibetrag (derzeit 8.354 Euro) als auch beim Kinderfreibetrag (derzeit 4.368 Euro) Erhöhungsbedarf bestand. Unter B. Lösung wird ausgeführt, mit dem Gesetz werde die verfassungsrechtlich gebotene Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags für die Jahre 2015 und 2016 entsprechend den Vorgaben des Zehnten Existenzminimumberichts sichergestellt. Zu der nach dem Neunten Existenzminimumbericht als verfassungsrechtlich geboten angekündigten Erhöhung des Kinderfreibetrages für den Veranlagungszeitraum 2014 enthalten die Gesetzentwürfe keine Ausführungen.
Die Stellungnahme des Bundesrates hierzu vom 8. Mai 2015 (BT-Drucksache 122/15) problematisiert die erst ab dem Veranlagungszeitraum 2015 vorgesehene Anhebung des Kinderfreibetrages nicht, entsprechend ist dies auch in der Gegenäußerung des Bundesregierung hierzu vom 26. Mai 2015 (BT-Drucksache 18/5011) nicht der Fall. Auch die Beschlussempfehlung und der Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu den Gesetzentwürfen vom 17. Juni 2015 (BT-Drucksache 18/5244) enthalten keine Äußerungen bezüglich des Veranlagungszeitraums 2014.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags (BT-Drucksache 18/4649) vorgesehene Anhebung des Kinderfreibetrages erst ab dem Veranlagungszeitraum 2015 wurden in der öffentlichen Anhörung der 43. Sitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 20. Mai 2015 von den befragten Sachverständigen ausdrücklich erklärt, worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat (vgl. das Protokoll der Anhörung Nr. 18/43). Die Sachverständigen haben dabei u.a. geäußert, dass es nicht folgerichtig (und damit verfassungswidrig) sei, wenn die Freibeträge regelmäßig nach Maßgabe der Feststellungen in den Existenzminimumberichten angepasst werden und dies nur für den Veranlagungszeitraum 2014 nicht erfolge. Das Gericht teilt diese Auffassung. Die geäußerten Bedenken sind soweit ersichtlich nicht weiter problematisiert und berücksichtigt worden. Aus welchen sachlichen Gründen nur für den Veranlagungszeitraum 2014 abweichend vom Existenzminimumbericht der Kinderfreibetrag nicht auf das selbst als verfassungsrechtlich geboten festgestellte Maß angehoben wurde, ist nicht ersichtlich.
Die unterbliebene Erhöhung des Kinderfreibetrages um € 72 kann nicht als geringfügig vernachlässigt werden.
Die unterbliebene Erhöhung des Kinderfreibetrages für den Veranlagungszeitraum 2014 um € 72 kann zur Überzeugung des Gerichts auch nicht als geringfügig vernachlässigt werden. Die vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 14. Juni 1994 (1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, BStBl. II 1994, 909) für zulässig gehaltene Unterschreitung eines Richtwertes um 15 % kann nach der Entscheidung des BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl. II 1999, 174) nicht auf die vorliegende vom damaligen Verfahren abweichende Methode der Ermittlung des Existenzminimums bezogen werden. Die nach den Existenzminimumberichten anzusetzenden steuerlichen Freibeträge stellen nach dieser Entscheidung und den weiteren o.a. Entscheidungen des BVerfG bereits Mindestbeträge dar, die zwar überschritten, aber nicht mehr unterschritten werden dürfen.
Andere Regelungen zur Berücksichtigung kindbedingter Lasten beseitigen die Verfassungswidrigkeit der zu niedrigen Kinderfreibeträge nicht
In die Prüfung, ob die in § 32 Abs. 6 EStG normierten Kinderfreibeträge verfassungsgemäß sind, kann der ebenfalls nach § 32 Abs. 6 EStG abzuziehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf eines Kindes nicht einbezogen werden. Eine Saldierung des Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf zum Ausgleich eines verfassungswidrig zu niedrigen Kinderfreibetrages ist nicht zulässig. Ebenso wie der Kinderfreibetrag ist der Abzug eines Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf nicht beliebig, sondern entspricht dem verfassungsrechtlichen Gebot zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums.
Der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf ist nicht gegenzurechnen
Das BVerfG legt in seiner Entscheidung vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl. II 1999, 182) dar, dass die Leistungsfähigkeit von Eltern über den existentiellen Sachbedarf und den erwerbsbedingten Betreuungsbedarf des Kindes hinaus generell durch den Betreuungsbedarf gemindert wird. Dieser Betreuungsbedarf sei als Bestandteil des kindbedingten Existenzminimums steuerlich zu verschonen. Steuerpflichtige mit Kindern seien wegen ihrer Betreuungspflichten, die sie beanspruchen, im Vergleich zu Steuerpflichtigen ohne Kinder steuerlich weniger leistungsfähig. Würde dieser auf der elterlichen Pflicht zur Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beruhende Bedarf bei der Bemessung der Einkommensteuer außer Betracht gelassen, wären die Eltern gegenüber kinderlosen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Leistungsfähigkeit nicht durch die Erfüllung elterlicher Pflichten gemindert wird. Das Gebot der horizontalen Gleichheit wäre verletzt.
Der Betreuungsbedarf müsse als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums einkommensteuerlich unbelastet bleiben, ohne dass danach unterschieden werden dürfte, in welcher Weise dieser Bedarf gedeckt wird. Das Einkommensteuergesetz habe den Betreuungsbedarf eines Kindes stets zu verschonen, mögen die Eltern das Kind persönlich betreuen, mögen sie eine zeitweilige Fremdbetreuung des Kindes, z.B. im Kindergarten, pädagogisch für richtig halten oder mögen sich beide Eltern für eine Erwerbstätigkeit entscheiden und deshalb eine Fremdbetreuung in Anspruch nehmen.
Der vom Gesetzgeber aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl. II 1999, 182) eingeführte Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfs soll die steuerliche Freistellung dieses Bedarfs bewirken. Die Existenzminimumberichte führen zutreffend aus, dass an die Stelle des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs bei volljährigen Kindern der Ausbildungsbedarf tritt, sodass dieser Freibetrag auch für volljährige Kinder in Anspruch genommen werden kann. Der Kinderfreibetrag soll dagegen die Steuerfreistellung des sächlichen und damit eines anders gearteten Teils des notwendigen Existenzminimums des Kindes bewirken. Deshalb ist im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung eine Saldierung des Kinderfreibetrages mit dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf nicht zulässig.
Auch bei einer Saldierung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf mit dem Kinderfreibetrag wäre die Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt
Auch wenn - insbesondere für volljährige Kinder, bei denen nach Ziffer 5.3. des Neunten Existenzminimumberichts an die Stelle des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs der Ausbildungsbedarf tritt - der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Gänze mit dem Kinderfreibetrag saldiert und die Summe der verfassungsrechtlichen Prüfung zugrunde gelegt würde, bleibt das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums nicht sachgerecht, nicht folgerichtig und wären die saldierten Freibeträge evident zu niedrig, weil der Gesetzgeber den spezifischen Bedarf Volljähriger sowohl hinsichtlich des mit dem Regelsatz abgedeckten sächlichen Existenzminimums als auch hinsichtlich des existenznotwendigen Ausbildungsbedarfs nicht ermittelt, sondern mit dem Durchschnittswert minderjähriger Kinder angesetzt hat und - unabhängig davon - weil der Gesamtbetrag (im Veranlagungszeitraum 2014 beide Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG: € 4.368 plus € 2.640, zusammen € 7.008) noch unter dem für alle Steuerpflichtigen für die Steuerfreistellung ihres Existenzminimums geltenden Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 EStG von (im Veranlagungszeitraum 2104) € 8.354 liegt.
Auch wegen der Einbeziehung von Aufwendungen für Bildung und Teilhabe in den Kinderfreibetrag ist der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf nicht gegenzurechnen ...
Die in die Ermittlung des sächlichen Existenzminimums für den Kinderfreibetrag einbezogenen Aufwendungen für Bildung und Teilhabe sind gegenüber dem nach der Entscheidung des BVerfG 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl. II 1999, 182) steuerlich frei zu stellenden Betreuungs- und Erziehungsbedarf anders geartete Aufwendungen, die durch den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf nicht umfasst sind. Das BVerfG führt aus, dass die allgemeine Minderung der Leistungsfähigkeit der Eltern, dadurch dass sie ihre Kinder betreuen und sie erziehen müssen, steuerlich zu berücksichtigen ist. Das BVerfG führt aus, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit z.B. durch die Beanspruchung der Arbeitskraft oder der Zahlungsfähigkeit der Eltern und durch die Entscheidung, wie sie ihr familiäres Leben planen und ihre Erziehungsverantwortung erfüllen, unabhängig von den tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen sind. Es handelt sich um eine nicht mit konkreten Aufwendungen und Kosten zu bemessende Minderung der Leistungsfähigkeit.
Die im Kinderfreibetrag einbezogenen Aufwendungen für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe sollen dagegen konkrete Sachkosten abdecken, nämlich Aufwendungen für Schulausstattung, für Schul- und Kita-Ausflüge und für gesellschaftliche Teilhabe, d.h. für die Teilnahme an Freizeitgestaltungen wie insbesondere die Mitgliedschaft in Vereinen (vgl. Ziffer 5.1.2 des Neunten Existenzminimumberichts). Diese (bereits typisierten) Sachkosten sind deshalb nicht schon mit dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf abgedeckt. Hiervon geht auch der Existenzminimumbericht selbst nicht aus, da er diesen Bedarf ausdrücklich in die Ermittlung des dem Kinderfreibetrag zugrunde zu legenden sächlichen Existenzminimums einbezieht. Eine Kürzung des sächlichen Existenzminimums um den im Kinderfreibetrag berücksichtigten Bedarf für Bildung und Teilhabe, weil dieser (fiktiv) im Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf enthalten sei, ist deshalb (entgegen der Auffassung von Kister, EFG 2016, 656 und den Ausführungen von Pust, Littmann/Bitz/Pust, Kommentar zum EStG, Loseblatt, § 32 Anm. 101 bis 107, Stand August 2015) nicht zulässig.
Unabhängig davon wäre nicht erkennbar, mit welchem Umfang die existenznotwendigen Aufwendungen für Bildung und Teilhabe im Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf enthalten sind, weil die Existenzminimumberichte insoweit keine transparenten und nachvollziehbaren Erläuterungen enthalten.
Das vorlegende Gericht hält es darüber hinaus für nicht folgerichtig und für nicht zulässig, von dem vom Gesetzgeber selbst gewählten Verfahren - dass den Bedarf für Bildung und Teilhabe zur Ermittlung des durch den Kinderfreibetrag abzudeckenden sächlichen Existenzminimums heranzieht und daneben den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf vorsieht - ohne transparente und nachvollziehbare Ermittlung des tatsächlichen Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfs abzuweichen, um die gesetzliche Regelung im Ergebnis zu halten. Die Einbeziehung des Bedarfs für Bildung und Teilhabe in den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf wäre zusätzlich dann nicht folgerichtig und widersprüchlich, wenn der Bedarf für Bildung und Teilhabe nur zur Rechtfertigung der für den Veranlagungszeitraum 2014 unterbliebenen Erhöhung des Kinderfreibetrages um € 72 herangezogen würde, wohingegen in den vorangegangenen und nachfolgenden Veranlagungszeiträumen der Kinderfreibetrag unter Einbeziehung des Bedarfs für Bildung und Teilhabe festgesetzt wurde (vgl. Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach Kommentar zum EStG, Loseblatt, Jahreskommentierung 2016 zu § 32 JK 16 E 3, Stand April 2016)
... und der Kinderfreibetrag wäre für Kinder ab dem 14. Lebensjahr und volljährige Kinder zu niedrig
Auch wenn für Kinder in der Altersstufe ab 14 der nach der gewichteten Durchschnittsberechnung errechnete Bedarf für Bildung und Teilhabe von jährlich € 228 (der um € 28 niedriger ist als der für diese Altersgruppe tatsächlich sozialhilferechtlich typisiert zugrunde gelegte Bedarf von jährlich € 256, vgl. die Übersicht 4 in Ziffer 5.1.2 des Neunten Existenzminimumberichts) als bereits mit dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf abgedeckt gelten würde, läge der um den Betrag von € 228 geminderte im Neunten Existenzminimumbericht angesetzte für erforderlich gehaltene steuerliche Freibetrag noch unter dem in den Regelsätzen typisierten sozialhilferechtlichen Bedarf für diese Altersstufe: der Regelsatzbedarf für Kinder von 14 bis unter 18 beträgt im Jahr 2014 monatlich € 295 = jährlich € 3.540 (vgl. die Übersicht 3 in Ziffer 5.1.1 des Neunten Existenzminimumberichts). Der Ermittlung des erforderlichen steuerlichen Freibetrags zugrunde gelegt ist aufgrund der gewichteten Durchschnittsberechnung ein Betrag von monatlich € 258 = jährlich € 3.096. Wird von der Differenz zwischen € 3.540 (sozialhilferechtlicher Regelbedarf ohne Bedarf für Bildung und Teilhabe) der im Neunten Existenzminimumbericht angesetzte Betrag von € 3.096 abgezogen, ergeben sich nicht durch den steuerlichen Freibetrag frei gestellte € 444. Werden diese um vermeintlich im Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf enthaltene € 228 gekürzt, verbleibt noch eine Unterdeckung, d.h. eine fehlende steuerliche Freistellung des sächlichen Existenzminimums eines Kindes in der Altersstufe von 14 bis unter 18 Jahren in Höhe von jährlich € 216 (€ 444 ./. € 228). Diese Unterdeckung kann zur Überzeugung des vorlegenden Gerichts nicht als geringfügig vernachlässigt werden.
Entsprechend wäre auch bei der gedanklichen Abgeltung des Bildungs- und Teilhabebedarfs durch den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf die Unterdeckung bei erwachsenen Kindern noch höher, wenn für volljährige Kinder der Regelsatz für Erwachsene zugrunde gelegt würde.
Auch die anderen Regelungen zur Berücksichtigung kindbedingter Lasten können dieVerfassungswidrigkeit des zu niedrigen Kinderfreibetrages nicht im Saldierungswege beseitigen
Auch die anderen Regelungen zur Berücksichtigung kindbedingter Lasten können die Verfassungswidrigkeit des zu niedrigen Kinderfreibetrages nicht im Saldierungswege beseitigen. Der Neunte Existenzminimumbericht führt in Ziffer 2 (Seite 2 r.Sp. 2. Absatz) zur rechtlichen Ausgangslage zutreffend aus, dass die steuerlichen Freibeträge die sozialhilferechtlich auszugleichenden individuellen Sonder- und Mehrbedarfe und die kindbezogenen, tatsächlichen Aufwendungen zum Erwerb eines Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes auf einem sozialhilfegleichen Absicherungsniveau nicht berücksichtigen (vgl. Ziffer 5.2 des Neunten Existenzminimumberichts).
Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung zur Absicherung im Umfange der Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind nach der Entscheidung des BVerfG vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125) als existenznotwendiger, nicht mit dem Kinderfreibetrag oder dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf abgedeckter Aufwand zusätzlich zu berücksichtigen.
Nach § § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Fassung sind zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens € 4.000 je Kind für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt der Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (unter weiteren, in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG geregelten Voraussetzungen) als Sonderausgaben abzugsfähig. Die teilweise Abzugsfähigkeit dieser tatsächlichen Aufwendungen hat nach der Entscheidung des BVerfG vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl. II 1999, 182) zusätzlich sowohl zu der von den tatsächlichen Kosten unabhängigen Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs (mit dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) als auch des sächlichen Existenzminimums (mit dem Kinderfreibetrag) zu erfolgen. Zudem gleicht der Abzug nur tatsächlich entstandene, zusätzliche Kosten, die nicht bei allen Steuerpflichtigen mit Kindern anfallen, aus und erfolgt nur bei Vorliegen der zusätzlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG (u.a. nur im Rahmen einer Altersgrenze bis zum vollendeten 14. Lebensjahr oder bei einem behinderungsbedingt zu berücksichtigenden Kind).
Die gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG als Sonderausgaben teilweise abzugsfähigen Aufwendungen für Schulgeldgleichen ebenfalls nur einen Teil tatsächlich entstandener, zusätzlicher Kosten, die nicht bei allen Steuerpflichtigen mit Kindern anfallen, aus und der Abzug erfolgt nur, soweit die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG (z.B. bezüglich der Art der Schulen) vorliegen.
Der nach § 33 EStG mögliche Abzug außergewöhnlicher Belastungen setzt bereits nach dem Inhalt der Norm voraus, dass es sich um zusätzliche außergewöhnliche Belastungen handelt, die nicht bei allen Steuerpflichtigen mit Kindern anfallen und entsprechend nicht im Kinderfreibetrag mit abgedeckt sind. Die mit zunehmender Anzahl der Kinder sinkende zumutbare Belastung trägt der dadurch bedingten geminderten Leistungsfähigkeit im Fall zusätzlicher außergewöhnlicher Belastungen Rechnung und betrifft nur Steuerpflichtige, bei denen entsprechende Aufwendungen anfallen.
Auch der Behindertenpauschbetrag gemäß § 33 b EStG und dessen mögliche Übertragung auf die Steuerpflichtigen, bei denen die behinderte Person steuerlich als Kind zu berücksichtigen ist, decken nicht das allgemeine Existenzminimum, das der Kinderfreibetrag steuerlich freistellen soll, ab, sondern berücksichtigen nur den zusätzlichen von der Steuerpflichtigen getragenen behinderungsbedingten Mehrbedarf.
Der gemäß § 33a Abs. 2 EStG abzugsfähige Ausbildungsfreibetrag bei auswärtiger Unterbringung eines Kindes deckt bereits nach dem Wortlaut der Norm einen Sonderbedarf ab, der nicht im Kinderfreibetrag berücksichtigt ist. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom BVerfG vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60) unter C III 3 b) ausgeführt, Erleichterungen, die der Staat in einzelner Hinsicht Eltern mit unterhaltsbedürftigen Kindern im Steuerrecht (als sogenannte Kinderadditive) und in anderen Gesetzen gewähre, seien für die Frage, wie das Existenzminimum steuerlich zu berücksichtigen sei, ohne Bedeutung. Solche Regelungen beträfen nicht den allgemeinen Grundbedarf des Kindes. Soweit danach ein besonderer Bedarf des Kindes ausgeglichen oder ein entsprechender Aufwand der Steuerpflichtigen berücksichtigt werde, wie etwa durch die Ausbildungsfreibeträge nach § 33a Abs. 2 EStG, könnten diese Kosten nicht zusätzlich im Rahmen des allgemeinen Unterhaltsaufwands angesetzt werden. Derartige punktuelle Erleichterungen entbänden den Gesetzgeber nicht von der Pflicht, der Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit, die durch den allgemeinen Aufwand der Kinder entstehe, steuerlich zu berücksichtigen.
Der gemäß § 24b EStG abzuziehende Entlastungsbetrag für Alleinerziehende soll nur den nicht bei allen Steuerpflichtigen mit Kindern, sondern nur bei Alleinerziehenden entstehenden Mehraufwand steuerlich berücksichtigen. Ziel des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende ist es, die höheren Kosten für die eigene Lebens- bzw. Haushaltsführung der sog. echten Alleinerziehenden abzugelten, die einen gemeinsamen Haushalt nur mit ihren Kindern und keiner anderen erwachsenen Person führen, die tatsächlich oder finanziell zum Haushalt beiträgt (vgl. Anwendungsschreiben des BMF zu § 24b EStG vom 29. Oktober 2004 IV C 4 - S 2281 - 515/04 BStBl. I 2004, 1042). Diese Kosten sind damit nicht durch den Kinderfreibetrag abgegolten und der Abzugsbetrag kann nicht mit einem zu niedrigen Kinderfreibetrag saldiert werden.
Im Übrigen hält es das Gericht schon vom Grundsatz her für nicht zulässig, einen verfassungswidrig zu niedrigen Freibetrag damit zu rechtfertigen, dass den Steuerpflichtigen aufgrund anderer Freibeträge oder anderer Regelungen Steuerentlastungen gewährt werden.
Bei Steuerpflichtigen mit jüngeren Kindern bis einschließlich des fünften Lebensjahres wird deren durch das Sozialhilferecht als Untergrenze für die erforderliche steuerliche Freistellung festgelegtes Existenzminimum in einem höheren Umfang steuerlich freigestellt als bei Steuerpflichtigen mit älteren Kindern (ab Vollendung des sechsten Lebensjahres) oder gar volljährigen Kindern. Steuerpflichtige mit Kindern ab Vollendung des sechsten Lebensjahres oder gar volljährigen Kindern werden damit sowohl gegenüber Steuerpflichtigen ohne Kinder als auch gegenüber Steuerpflichtigen mit jüngeren Kindern bis einschließlich des fünften Lebensjahres benachteiligt, weil sie Steuern auf Einkommen im Bereich des Existenzminimums ihrer Kinder zahlen müssen. Die ungleiche Besteuerung steigt mit zunehmendem Alter des Kindes. Ein sachlicher Rechtsfertigungsgrund für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Die ungleiche Besteuerung benachteiligt die gesamte Familie und damit auch die Kinder, weil das nach der Besteuerung verbleibende Einkommen nicht nur den Steuerpflichtigen, sondern der gesamten Familie und damit auch den Kindern für die Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung steht.
Das BVerfG weist in seiner Entscheidung zur Unvereinbarkeit der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mit dem Grundgesetz (vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, BVerfGE 132, 134) unter Ziffer C I 1 e) darauf hin, dass bei allen Regelungen das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist:
Zu den Regeln über das Existenzminimum, die in Deutschland gelten, gehört auch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 (IPwskR, in Kraft getreten am 3. Januar 1976, UNTS Bd. 993, S. 3; BGBl II 1976, S. 428), dem der Deutsche Bundestag mit Gesetz vom 23. November 1973 (BGBl II S. 1569) zugestimmt hat. Der Pakt statuiert in Art. 9 ein Recht auf Soziale Sicherheit und in Art. 15 Abs. 1 Buchstabe a das Menschenrecht auf Teilnahme am kulturellen Leben. Zudem gilt insoweit das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (KRK; UNTS Bd. 1577, S. 3; BGBl II 1992, S. 122, in Kraft getreten am 2. September 1990, für die Bundesrepublik Deutschland am 5. April 1992, BGBl II S. 990), das in Deutschland seit 15. Juli 2010 vorbehaltlos gilt (BGBl II 2011, S. 600). Art. 3 KRK verpflichtet dazu, bei allen Regelungen das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen, ..., und schließlich Art. 28 KRK ein Menschenrecht von Kindern auf Bildung statuiert.
Erfolgt eine Besteuerung im Bereich des Existenzminimums von Kindern, wird entgegen den vorstehenden Anforderungen das Kindeswohl gleichheitswidrig und unzureichend berücksichtigt, weil dann Steuerpflichtigen mit älteren Kindern (ab Vollendung des sechsten Lebensjahres) weniger für den Lebensunterhalt der gesamten Familie einschließlich der Kinder zur Verfügung steht als Steuerpflichtigen ohne Kindern oder Steuerpflichtigen mit jüngeren Kindern.
Das vorlegende Gericht ist deshalb davon überzeugt, dass die Bestimmung der Höhe des Kinderfreibetrages in § 32 Abs. 6 EStGArt. 3 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs. 1 GG verletzt und verfassungswidrig ist.