Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 17.11.1998, Az.: 3 A 29/97
Anspruch auf Rückübertragung von Grundstücken nach dem Vermögensgesetz (VermG) ; Mit der Auflösung der Realgemeinde Dellien einhergehende Enteignung ihres Grundeigentums ; Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage; Gesetz über die Aufhebung von Sonderrechten an Gemeindevermögen von 1948 ; Wiedergutmachung vermögensentziehender oder vermögensbeeinträchtigender Unrechtsmaßnahmen; Vermögensverlust als teilungsbedingtes Unrecht ; Anspruchsberechtigung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 17.11.1998
- Aktenzeichen
- 3 A 29/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 11328
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:1998:1117.3A29.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 VermG
- § 1 Abs. 8 a) VermG
Verfahrensgegenstand
Rückübertragung von Grundvermögen nach dem Vermögensgesetz,
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Auflösung der Realgemeinden in Mecklenburg und der damit einhergehende Vermögensverlust insbesondere an ihren Grundstücken läßt sich weder als Enteignung auf besatzungsrechtlicher Grundlage verstehen noch als eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage.
- 2
Die Enteignung und Auflösung der Realverbände in Mecklenburg ist keine Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1a VermG, da es eine teilungsunabhängige Entscheidung des damaligen Landes gewesen ist und der Vermögensverlust kein teilungsbedingtes Unrecht darstellt.
In der Verwaltungsrechtssache
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ...
den Richter am Verwaltungsgericht ...
den Richter am Verwaltungsgericht ... sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rückübertragung von Grundstücken der 1948 aufgelösten Realgemeinde Dellien.
Die Realgemeinde Dellien bestand nach dem 2. Weltkrieg aus 18 bis 20 Mitgliedern (nach einem Schreiben der Landesregierung Mecklenburg vom 19. März 1949 bestand sie aus 18 Mitgliedern), die rund 45 ha Wald und 8 ha Weide, Wiese und Acker besaß. Auf dem Grundbuchblatt 91 beim Amtsgericht Neuhaus waren allerdings auch Wasser- und Wegeflächen verzeichnet.
Am 29. April 1948 erging im Lande Mecklenburg ein Gesetz über die Aufhebung von Sonderrechten an Gemeindevermögen. Nach § 1 des Gesetzes werden die im Land Mecklenburg bestehenden Realgemeinden mit Inkrafttreten des Gesetzes mit der Wirkung aufgelöst, daß sämtliche Rechte aus der Mitgliedschaft an solchen Gemeinschaften erlöschen, das Vermögen geht auf die politische Gemeinde als Gesamtrechtsnachfolgerin über. Nach § 4 des Gesetzes sind grundsätzlich keine Entschädigungen zu gewähren, lediglich in Ausnahmefällen kann das Ministerium nach billigem Ermessen eine Entschädigung festsetzen. Nach der Durchführungsverordnung war für jede Gemeinde zu ermitteln, welche Grundstücke auf die politische Gemeinde übergehen, die Feststellung erfolgte durch spezielle Kommissionen. Die Beschlüsse der Kommissionen konnten mit Beschwerde an den Gemeindeausschuß des Kreistages angefochten werden, wogegen wiederum Beschwerde beim Kommunalausschuß des Landtages zulässig war.
Im Zuge des Auflösungsverfahrens im Jahre 1949 gab es Streitigkeiten über ein Waldstück von rd. 42 ha. Aus dem in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Schriftwechsel geht hervor, daß 17 Realgemeindemitglieder mit der Übertragung dieser Flächen auf die politische Gemeinde nicht einverstanden waren, weil sie selbst als natürliche Personen und nicht die Realgemeinde nach einem Kaufvertrag von 1850 Eigentümer des Waldes geworden seien, und der Kaufpreis nach bestimmten Anteilen von ihnen aufgebracht worden sei. Die Beschwerde wurde vom Kommunalausschuß des Landtages am 2. März 1950 zurückgewiesen.
Auf Antrag des Rates des Kreises Hagenow vom 26. Mai 1950 wurde schließlich auf dem Grundbuchblatt 91 von Dellien die politische Gemeinde Dellien am 10. Juli 1950 als Eigentümerin der Flächen eingetragen, die zuvor im Eigentum der Realgemeinde gestanden hatten.
Mit Schreiben vom 18. Juli 1991 beantragte "die Gemeinde Dellien" die Rückübertragung der Realgemeindeflächen.
Im Rahmen der Anhörung meldete sich die Gemeinde Amt Neuhaus als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Gemeinde Dellien. Sie trug vor, antragsberechtigt seien die Rechtsnachfolger der ehemaligen Realgemeinde. Sie legte eine Vollmacht vor, die von insgesamt 20 Personen unterschrieben worden ist. Die Gemeinde Amt Neuhaus führte aus, es handele sich nicht um eine Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, da die Grundbucheintragung erst 1950 erfolgt sei. Die Grundstücke seien zurückzugeben.
Am 14. Oktober 1996 erließ das beklagte Amt gegenüber der Gemeinde Amt Neuhaus den angefochtenen Bescheid, mit dem das Amt den Antrag auf Rückübertragung des Grundbesitzes der ehemaligen Realgemeinde Dellien ablehnte. Der Antrag auf Rückübertragung sei unzulässig. Die Gemeinde Amt Neuhaus sei weder aufgrund Gesetzes noch aufgrund Hoheitsaktes Rechtsnachfolgerin der Realgemeinde Dellien. Ein Anspruch der Mitglieder der ehemaligen Realgemeinde Dellien bestehe ebenfalls nicht, da diese als natürliche Personen nicht vormalige Eigentümer des Grundbesitzes gewesen seien. Antragsteller könne danach nur der Rechtsnachfolger der juristischen Person Realgemeinde sein. Darüber hinaus sei die Rückgabe deswegen ausgeschlossen, weil es sich um eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage gehandelt habe. Die Abschaffung der Realgemeinden habe wegen der angestrebten "demokratischen" Gesellschaftsordnung dem erklärten Willen der Besatzungsmacht entsprochen. Deswegen sei es auch nicht entscheidungserheblich, ob die Enteignung vor oder nach dem 7. Oktober 1949 umgesetzt worden sei.
Nach Zustellung des Bescheides am 18. Oktober 1996 ist am 12. November 1996 Klage erhoben worden. Als Kläger werden in der Klageschrift bezeichnet die "Rechtsnachfolger der Mitberechtigten an der ehemaligen Realgemeinde Dellien". Das Verwaltungsgericht Greifswald, das die Sache mit Beschluß vom 19. Februar 1997 an das Verwaltungsgericht Lüneburg verwiesen hat, hat als Klägerin sogleich eingetragen "Gemeinde Amt Neuhaus". In der mündlichen Verhandlung am 17. November 1998 ist klargestellt worden, daß die im Rubrum aufgeführten Personen Kläger sind.
Die Kläger tragen vor: Sie hätten einen Anspruch auf Rückübertragung des Grundbesitzes. Dieser sei nicht auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden. Zum einen sei der Restitutionsausschluß in § 1 Abs. 8 Ziff. a) VermG verfassungswidrig. Es verstoße gegen die Verfassung, die Rückübertragung von Grundbesitz aus dem Geltungsbereich des Vermögensgesetzes herauszunehmen, nur weil die Enteignung in der Zeit von 1945 bis 1949 stattgefunden habe. Zum anderen sei die Enteignung erst 1950 durch Umschreibung des Grundbuches vorgenommen worden, so daß sie außerhalb der Verantwortung der Besatzungsmacht erfolgt sei. Enteignungen auf der Grundlage des Gesetzes von 1948 seien nur im Gebiet der jetzigen Gemeinde Amt Neuhaus vorgenommen worden, da es nur hier Realgemeinden gegeben habe.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 1996 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die im geschlossenen Grundbuch von Dellien, Blatt 91, eingetragenen Grundstücke auf die Rechtsnachfolger der Mitberechtigten an der ehemaligen Realgemeinde Dellien zurückzuübertragen,
hilfsweise,
die Antragsberechtigung der Rechtsnachfolger der Mitberechtigten an der ehemaligen Realgemeinde Dellien festzustellen und festzustellen, daß bei Ablehnung des Rückübertragungsantrages der Anwendungsbereich des Gesetzes über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz) gegeben ist.
Das beklagte Amt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es entgegnet: Die Klage sei unzulässig, da sie nicht erkennen lasse, welche Personen im einzelnen Kläger seien. Den Personen fehle es zudem an der Klagebefugnis, da sie nicht Adressaten des Bescheides seien. Zudem bestehe ein Anspruch auf Rückübertragung deshalb nicht, weil die Enteignung auf besatzungsrechtlicher Grundlage beruht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage kann keinen Erfolg haben. Sie ist unbegründet. Ein Anspruch auf Rückübertragung der Grundstücke der ehemaligen Realgemeinde Dellien besteht nicht.
Nach § 3 Vermögensgesetz - VermG - sind Vermögenswerte, die Maßnahmen iSd § 1 VermG unterlagen und in Volkseigentum überführt wurden, an die Berechtigten zurückzuübertragen. Die Voraussetzungen zur Anwendung dieser Vorschriften liegen nicht vor.
1.
Der Anspruch auf Rückübertragung scheitert allerdings nicht an § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG. Danach gilt das Gesetz nicht für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage.
Die Auflösung der Realgemeinde Dellien hat ihre Grundlage im Gesetz des Landes Mecklenburg über die Aufhebung von Sonderrechten an Gemeindevermögen vom 29. April 1948 (RBl. S. 77). § 1 des Gesetzes lautet auszugsweise:
"Die Im Land Mecklenburg in einer Reihe von Gemeinden bestehenden Realgemeinden und sonstige Miteigentumsgemeinschaften am Gemeindeland und Grundeigentumsgemeinschaften öffentlich-rechtlicher Art werden mit Inkrafttreten dieses Gesetzes mit der Wirkung aufgelöst, daß sämtliche Rechte aus der Mitgliedschaft an solchen Gemeinschaften erlöschen. Das Vermögen geht auf die politische Gemeinde als Gesamtrechtsnachfolgerin über."
Die mit der Auflösung der Realgemeinde Dellien einhergehende Enteignung ihres Grundeigentums ist nicht auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage vorgenommen worden, auch wenn nicht verkannt werden darf, daß 1948 das Land Mecklenburg noch unter sowjetischer Besatzung stand, da die DDR erst am 7. Oktober 1949 gegründet worden ist.
a)
Zur Geschichte und zum Zweck des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ist auszuführen: Schon in der sog. TASS-Erklärung vom 27. März 1990 hat die sowjetische Regierung die Rechtmäßigkeit und Legitimität bestimmter in der Zeit von 1945 bis 1949 mit Einwilligung oder auf Beschluß der sowjetischen Seite getroffenen Maßnahmen betont und dagegen protestiert, die so entstandenen Eigentumsverhältnisse in der DDR in Frage zu stellen. Die Erklärung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Unter Berücksichtigung ihrer Rechte und ihrer Verantwortung in den deutschen Angelegenheiten tritt die Sowjetunion für die Wahrung der Gesetzlichkeit der Eigentumsverhältnisse in der DDR ein, und sie ist gegen die Versuche, die Vermögensverhältnisse in der DDR im Falle der Bildung der Währungs- und Wirtschaftsunion mit der BRD sowie im Falle des Entstehens eines einheitlichen Deutschlandes in Frage zu stellen. Das setzt voraus, daß beide deutsche Staaten im Prozeß ihrer Annäherung und Vereinigung davon ausgehen, daß die 1945 bis 1949 von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland verwirklichten Wirtschaftsmaßnahmen gesetzmäßig waren. Absolut unannehmbar wären eventuelle Versuche, die Rechte der gegenwärtigen Besitzer von Grund und Boden und anderen Vermögenswerten in der DDR in Abrede zu stellen, die seinerzeit mit Einwilligung oder auf Beschluß der sowjetischen Seite, die sich dabei von der Erklärung der Niederlage Deutschlands, vom Potsdamer Abkommen und von anderen vierseitigen Beschlüssen leiten ließen, erworben wurden".
In Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 15. Juni 1990, die Bestandteil des Einigungsvertrages ist (Art. 41 Abs. 1 EV), ist dann auch bestimmt:
"Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945-1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen. Die Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis".
Der Normzweck der Vorschriften besteht demnach darin, von der Gesamtverantwortung der sowjetischen Besatzungsmacht umfaßte Enteignungen keiner Rechtmäßigkeitskontrolle durch deutsche Gerichte zu unterziehen. Die Sowjetunion soll hinsichtlich der von ihr als Besatzungsmacht zu verantwortenden Enteignungen von den mit einer Restitution verbundenen Unrechtsvorwürfen freigestellt bleiben (vgl. hierzu u.a. BVerwG, Urt. v. 13.02.1995 - 7 C 53.94 -, Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 38; Urt. v. 30.11.1995 - 7 C 69.94 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 58).
b)
Die Auflösung der Realgemeinden in Mecklenburg und der damit einhergehende Vermögensverlust insbesondere an ihren Grundstücken läßt sich weder als Enteignung auf besatzungsrechtlicher Grundlage verstehen noch als eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage.
aa)
Eine Enteignung auf besatzungsrechtlicher Grundlage ist nur dann gegeben, wenn sie entweder auf rechtsetzender Tätigkeit der Besatzungsmacht selbst beruht oder auf rechtsetzender Tätigkeit deutscher Stellen, wenn der Enteignungsakt von der Besatzungsmacht vollständig vorgeschrieben war - sog. indirektes oder verdecktes Besatzungsrecht - (Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, Vermögensgesetz, Kommentar, Stand: August 1997, § 1 Rn 183). Eine besatzungsrechtliche Grundlage für die Auflösung ist erkennbar nicht gegeben.
bb)
Eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage liegt ebenfalls nicht vor.
(1)
Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage sind solche, die formal auf der Basis von Gesetzen und sonstigen Hoheitsakten deutscher Stellen vorgenommen worden sind, die aber auf Anregungen oder Wünsche der Besatzungsmacht zurück gingen oder sonst ihrem generellen oder im Einzelfall geäußerten Willen entsprachen. Die zum Restitutionsausschluß führende Verantwortung der Sowjetunion setzt also nicht notwendigerweise voraus, daß diese die Enteignungen im Einzelfall geprüft und gebilligt hat, vielmehr reicht es zur Anwendung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG und zum Restitutionsausschluß aus, daß die Sowjetunion mit der Enteignungsmaßnahme deutscher Stellen einverstanden war. Der Restitutionsausschluß beruht demnach auf der Verantwortung der sowjetischen Besatzungsmacht. Deren Verantwortung hat jedoch Grenzen. Es muß deshalb zum Restitutionsausschluß ein objektiver Zurechnungszusammenhang zwischen der Enteignung und der Verantwortung der Besatzungsmacht bestehen (BVerwG, Urt. v. 13.02.1995, a.a.O.). Fehlt es im Hinblick auf die Verantwortung der Besatzungsmacht an einem Zurechnungszusammenhang, so widerspricht die Rückgabe des Vermögenswertes nicht dem Zweck des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG, weil es dann von vornherein keine Grundlage für Unrechtsvorwürfe gegenüber der ehemaligen Besatzungsmacht gibt (BVerwG, Urt. v. 30.11.1995, a.a.O.; Urt. v. 13.02.1995, a.a.O.). Von einer Verantwortung der Besatzungsmacht für eine Enteignung kann nicht schon - gleichsam im Wege einer "Automatik" - dann ausgegangen werden, wenn die Besatzungsmacht die Enteignung im Sinne eines passiven Gewährenlassens lediglich hingenommen und stillschweigend geduldet hat. Allerdings muß hier differenziert werden: Stützt sich eine konkrete Enteignungsmaßnahme auf eine dem Willen der Besatzungsmacht entsprechende und damit besatzungshoheitliche Grundlage, ist aber von dieser Grundlage nicht gedeckt, bleibt es bei der einen Zurechnungszusammenhang begründenden Verantwortlichkeit der Besatzungsmacht, solange diese in dem betreffenden Einzelfall nicht aufgrund ihrer obersten Hoheitsgewalt ausdrücklich mißbilligend und korrigierend tätig wurde, und zwar selbst dann, wenn die deutschen Stellen die geschaffenen Enteigungsgrundlagen willkürlich angewendet haben. Im umgekehrten Fall kann es sein, daß die deutschen Stellen ohne besatzungshoheitliche Grundlage eine Enteignung durchgeführt haben. Entscheidend ist auch hier, inwieweit die Besatzungsmacht die getroffene Maßnahme zu verantworten hatte. Dementsprechend können unbeschadet eines Enteignungsverbotes Äußerungen, Verlautbarungen oder sonstige Handlungen der Besatzungsmacht dazu führen, daß dieser eine Enteignung zuzurechnen ist (BVerwG Urt. v. 13.02.1997 - 7 C 50.95 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 104). Mit anderen Worten greift der Restitutionsausschluß nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG nicht schon dann ein, wenn eine Enteignung innerhalb der Zeit von 1945 bis 1949 stattgefunden hat. Der Restitutionsausschluß der genannten Vorschrift greift nach den gemachten Ausführungen vielmehr dann nicht ein, wenn sich keine Anhaltspunkte für die Beteiligung der sowjetischen Militäradministration - SMA - an den Enteignungen finden (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfG, Urt. v. 23.04.1991 - 1 BvR 1170 u.a./90 -, NJW 1991 S. 1597, 1598 [BVerfG 23.04.1991 - 1 BvR 1170/90]; Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR - RVI -, Stand: Januar 1998, § 1 Rn 370, 374).
(2)
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall:
Das Gesetz des Landes Mecklenburg über die Aufhebung von Sonderrechten an Gemeindevermögen ist von Befehlen und Anordnungen der SMA weder vorgezeichnet noch hat das Gesetz sonst dem objektiv geäußerten Willen, etwaigen Anregungen, Verlautbarungen oder Wünschen der Besatzungsmacht entsprochen. Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte.
Insbesondere ist das Gesetz keine Folge der Bodenreform im damaligen Besatzungsgebiet. Maßnahmen im Rahmen einer "demokratischen Bodenreform" wurden bereits 1945 von der KPD gefordert. Im Lande Mecklenburg wurde am 5. September 1945 die Verordnung über die Bodenreform erlassen (Amtsbl. d. Landes 1946 S. 14). In Artikel 1 Abs. 1 der Verordnung wird der Zweck der Bodenreform wie folgt umrissen:
"Sie soll die Liquidierung des feudalen, junkerlichen und Großgrundbesitzes gewährleisten und der Herrschaft der Junker und Großgrundbesitzer ein Ende bereiten, da diese Herrschaft immer ein Hauptpfeiler der Reaktion und des Faschismus in unserem Lande und eine Hauptquelle der Aggression und der Eroberungskriege war, die sich gegen andere Völker richtete. Die Bodenreform soll den jahrhundertealten Traum der landlosen und landarmen Bauern auf Übergabe des Gutslandes in ihr Eigentum verwirklichen".
Nach Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung sollten Bauernhöfe mit weniger als 5 ha vergrößert werden, neue Bauernhöfe sollten geschaffen werden, Land sollte an Umsiedler und Flüchtlinge zugeteilt werden. Artikel II der Verordnung ordnete deshalb die entschädigungslose Enteignung des gesamten land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes von Kriegsverbrechern, Naziführern usw. an; auch wurden Großgrundbesitzer mit Flächen von über 100 ha enteignet. Damit die Bauern die Herbstbestellung 1945 rechtzeitig durchführen konnten, sollte die Bodenreform bis Oktober 1945 durchgeführt sein (Art. IV Abs. 4, a.a.O.). Die Enteignungen nach der Bodenreform stützten sich auf keine vorher erlassene Anordnung der SMAD. Die Regelungen sind jedoch durch den SMAD-Befehl Nr. 110 vom 22. Oktober 1945, und damit nachträglich, für "gesetzkräftig" erklärt und damit ausdrücklich bestätigt und gebilligt worden. Damit ist die Bodenreform als Maßnahme auf besatzungshoheitlicher Grundlage einzuordnen (BVerfG, a.a.O.).
Das Gesetz über die Aufhebung von Sonderrechten an Gemeindevermögen hat mit einer Bodenreform nichts zu tun. Schon der Aspekt, daß das Gesetz über die Aufhebung erst im April 1948 erlassen wurde, die Bodenreform jedoch noch im Jahre 1945 zum Abschluß gebracht werden sollte, spricht dagegen, daß die Auflösung und Enteignung der Realgemeinden in irgend einem Zusammenhang mit der Bodenreform steht. Weiter war Gemeindeland und der Grundbesitz der Genossenschaften ausdrücklich von der Aufteilung im Rahmen der Bodenreform ausgenommen worden (Art. 1 Abs. 5 Buchst. c der Verordnung), und Realgemeinden sind genossenschaftlich organisiert, sie sind Genossenschaften öffentlichen Rechtes (vgl. Thomas/Tesmer, Das Niedersächsische Realverbandsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 1996, § 1 Anm. 5.2, § 2 Anm. 1.1). Letztlich ist auch nicht erkennbar, daß einer der Zwecke verwirklicht werden sollte, die in der Verordnung über die Bodenreform genannt sind, insbesondere sollte kein Land für die Bauernschaft gewonnen werden. Der Zweck des Gesetzes von 1948 war ein anderer. Es sollten "Sonderrechte" an Gemeindevermögen aufgehoben werden, es waren gemeinderechtliche, kommunalrechtliche und keine bodenpolitischen Zwecke. Wenn das beklagte Amt eine Erklärung des Landes Thüringen von 1947 zitiert, wonach die Besserstellung der Realgemeinden nicht mehr mit der damals angestrebten demokratischen Gesellschaftsordnung in Einklang gebracht werden konnte, die die gleichen Rechte für alle Gemeindemitglieder vorgesehen habe, so bestätigt dies in besonderer Weise, daß es sich um eine Maßnahme mit gemeinderechtlichem Charakter gehandelt hat, denn das Vermögen der Realgenossenschaften mußte nicht gesondert vergesellschaftet werden, da es bereits genossenschaftlich organisiert war.
Weitere Anhaltspunkte dafür, daß die Auflösung von Realgemeinden und ihre damit einhergehende Enteignung insbesondere an Grund und Boden auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgten, sind nicht gegeben. Es ist weder vorgetragen noch in irgendeiner Weise erkennbar, daß die Auflösung der Realgemeinden etwa wie die Enteignung von Teilen der Wirtschaft und die demokratische Bodenreform von 1945 von der Besatzungsmacht sonst in irgendeiner Weise angeregt oder gewünscht worden wäre. Auch fehlt eine dem SMAD-Befehl Nr. 110 entsprechende Regelung, die eine Verantwortung der Besatzungsmacht für die Maßnahme begründen könnte.
Ein Restitutionsausschluß nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ist damit nicht gegeben. Auf eine Kausalität zwischen dem Willen der Besatzungsmacht und der Enteignung kann letztlich nicht verzichtet werden. Wollte man allein deshalb, weil das Gesetz 1948 zur Zeit der sowjetischen Besatzung erlassen worden ist, einen Restitutionsausschluß iSd § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG annehmen, hätte das die Konsequenz, dem Lande Mecklenburg für die Zeit bis zur Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 die Souveränität abzusprechen, in eigener Verantwortung durch eigenverantwortliche Gesetze die Zukunft des Landes und der Republik zu gestalten.
2.
Ein Rückübertragungsanspruch ergibt sich nicht aufgrund der generellen Anspruchsnorm des § 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG. Die letztgenannte Vorschrift betrifft entschädigungslose Enteignungen, die zur Begründung von Volkseigentum geführt haben. Die Enteignung und Auflösung des Realverbandes ist keine Maßnahme iSd § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG gewesen.
Das Vermögensgesetz soll solche der DDR (oder wie hier einem Land, das später Teil der DDR geworden ist) zuzurechnenden vermögensentziehenden oder vermögensbeeinträchtigenden Unrechtsmaßnahmen wiedergutmachen, die auf die Teilung Deutschlands oder auf bestimmte teilungsunabhängige Entscheidungen zurückgehen und die dem Gesetzgeber aus rechtsstaatlicher Sicht als nicht hinnehmbar erschienen sind. Damit stellt das Vermögensgesetz zum einen auf ein "Teilungsunrecht" ab, wenn es bezweckt, solche Vermögensverluste rückgängig zu machen, die sich gegen Bürger außerhalb der DDR gerichtet haben, und die ihr Vermögen mangels Wohnsitzes in der DDR nicht verwalten konnten. Zum zweiten stellt das Gesetz auf politisch bedingte Diskriminierungen ab, die wiedergutgemacht werden sollen, wobei diese politische Diskriminierung Bürger außerhalb und innerhalb der DDR vergleichbar treffen konnte (BVerwG, Urt. v. 24.03.1994 - 7 C 11.93 -, NJW 1994 S. 2106; Fieberg/u.a., a.a.O., § 1 Rn 37; RVI, a.a.O., § 1 Rn 10, 14). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Art. 19 EV. Danach bleiben Verwaltungsakte der DDR wirksam, sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar sind (vgl. zu alledem BVerwG, Urt. v. 30.06.1994 - 7 C 19.93 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 24). Demgemäß unterfällt eine Maßnahme dem Vermögensgesetz nur dann, wenn die Maßnahme mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar ist, wenn es sich um eine wesentliche rechtsstaatswidrige Enteignung handelt, die in der geeinten, rechtsstaatlich ausgerichteten Bundesrepublik keinen Bestand haben darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.03.1994 - 7 C 11.93 -, a.a.O.; Urt. v. 30.06.1994, a.a.O.; RVI, a.a.O., Rn 16). Gesetzgeberisches Leitbild für diskriminierende Enteignungen sind die in § 1 Abs. 1 der Anmeldeverordnung aufgeführten Rechtsvorschriften, soweit sie eine entschädigungslose Enteignung zuließen. Typisches Beispiel ist die bei "Republikflucht" erfolgte Vermögensbeschlagnahme, die in der Rechtspraxis der DDR als entschädigungslose Eigentumsentziehung zugunsten des Volkseigentums verstanden wurde.
Ist zur Anwendung des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG eine politisch bedingte Diskriminierung zu fordern, fällt "lediglich systembedingtes Unrecht" aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes heraus (Fieberg/u.a., a.a.O., Rn 48; kritisch: RVI, a.a.O., Rn 10). Die Ergebnisse einer 45jährigen Entwicklung in einer sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sollen nicht der Totalrevision unterworfen werden (vgl. hierzu auch Kinkel, ZRP 1991 S. 409, 411). So soll ein Anspruch nach dem Vermögensgesetz entfallen für Vereine, Verbände oder Körperschaften in der ehemaligen DDR, deren Vermögen im Zusammenhang mit deren staatlich verfügter Auflösung auf andere Rechtsträger übertragen worden ist: so sind die Grundstücke der Kleingartenvereine mit deren Zwangseintritt in den Verband der Siedler und Kleintierzüchter in den Bodenfonds dieses Vereines überführt worden. Das Vermögen von Parteien und Massenorganisationen ist entzogen worden. Diese und ähnliche Vermögensübertragungen (vgl. Fieberg/u.a., a.a.O., Rn 48) gehören zu den typischen Fällen der systembedingten Enteignungen, die im Zuge des Aufbaues einer sozialistischen Gesellschaftsordnung in der ehemaligen DDR stattfanden und nicht besonders diskriminierend waren, so daß sie deshalb vom Sinn und Zweck des Vermögensgesetzes nicht erfaßt werden.
Für den vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die Auflösung der Realverbände in Mecklenburg und der damit einhergehende Vermögensverlust durch die Übertragung des Vermögens auf die Gemeinden kein teilungsbedingtes Unrecht ist. Die 1948 durchgeführte Maßnahme ist vielmehr eine teilungsunabhängige Entscheidung des damaligen Landes gewesen. Die Auflösung von Realverbänden hat keine wesentlich rechtsstaatswidrige Enteignung ihrer Grundstücke und sonstigen Vermögenswerte bewirkt, es hat sich allenfalls um "lediglich systembedingtes" Unrecht gehandelt. Das Auflösungsgesetz vom April 1948 hatte, wie bereits ausgeführt, einen kommunalrechtlichen Zweck. Die Abschaffung von Realgemeinden ist zwar mit der "Aufhebung von Sonderrechten" einhergegangen - wie in der Überschrift des Gesetzes besonders hervorgehoben wird -, hat jedoch keine besondere diskriminierende Komponente gehabt. Hierzu ist auszuführen:
Realgemeinden sind Gemeinschaften (im Lande Mecklenburg - Vorpommern: gewesen), deren Eigentümlichkeit darauf beruht, daß die Zugehörigkeit zur Realgemeinde durch Besitz von Grundeigentum oder Nutzungsrechten an Grundstücken bedingt ist (vgl. Ausführungsverordnung v. 13.04.1949 zum Aufhebungsgesetz vom 29.04.1948). Realgemeinden gehen zurück auf Markgenossenschaften. Diese Genossenschaften waren ursprünglich zugleich die ersten Gemeindeverbände der ländlichen Bevölkerung, in welchen nur die Grundbesitzer berechtigt waren. Die Markgenossenschaften waren jeweils Träger der Allmende, des von den Mitgliedern gemeinsam genutzten Landes. Hauptbestandteile der Allmende waren Wald und Weideland. Im Laufe der Dorfgeschichte traten neben die Vollhöfe kleinere Güter, dazu kamen Tagelöhner mit wenig oder keinem Grundbesitz in der nutzbaren Mark, Handwerker, Dienstleute, Kirchen- und Schulbeamte. So entstand neben der alten Markgenossenschaft die politische Gemeinde, die mit der Erledigung allgemeiner Verwaltungsaufgaben zunehmend betraut wurde. Die Trennung zwischen der Realgemeinde (Markgenossenschaft) und der politischen dörflichen Gemeinde gibt es erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Zuvor war die Markgenossenschaft auch die unterste Stufe der Verwaltung, sie besaß eine gewisse Satzungsautonomie und war mit der Erledigung allgemeiner Aufgaben betraut. Durch die Trennung aufgrund der Landgemeindegesetze (im damaligen Königreich Hannover, zu dem auch das Gebiet der Gemeinde Amt Neuhaus gehörte, wurden die Landgemeindegesetze 1852 und 1859 erlassen) trat die politische Gemeinde rechtlich neben die Realgemeinde. Realgemeinden haben sich in Niedersachsen bis zum heutigen Tage erhalten, wenngleich sie ihre frühere Bedeutung verloren haben. - Realgemeinden haben zahlreiche Sonderrechte: Sie sind Genossenschaften öffentlichen Rechtes, sie sind rechtsfähig und verfügen über hoheitliche Befugnisse. Sie verwalten ihre Angelegenheiten selbst unter eigener Verantwortung. Ihre Satzungen können sie gegenüber ihren Mitgliedern zwangsweise durchsetzen. Sie verwalten ihr Vermögen, können ihre Grundstücke etwa veräußern. Sie können von ihren Mitgliedern Beiträge erheben.
Nach der Erklärung des Beklagten konnte die Besserstellung der Realgemeinden nicht mehr mit der damals angestrebten "demokratischen Gesellschaftsordnung", die die gleichen Rechte für alle Gemeindemitglieder vorgesehen habe, in Einklang gebracht werden. Da das gesamte Vermögen auf die politische Gemeinde als Rechtsnachfolger übergegangen ist, kann aus der Gesamtheit der der Kammer bekannten Umstände nur geschlossen werden, daß das Nebeneinander von Realgemeinde und politischer Gemeinde abgeschafft werden sollte. Angesichts des Umstandes, daß die Realgemeinden seit der Etablierung von politischen Gemeinden eine immer geringere Rolle gespielt haben und auch in der alten Bundesrepublik viele Realgemeinden ohne ausdrückliche Auflösung ihre Existenz eingebüßt haben, stellt sich das Gesetz von 1948 als eine Art "Rechtsbereinigung" hinsichtlich der Vielfalt öffentlich-rechtlicher Körperschaften dar aufgrund der Erkenntnis, daß viele Verbände handlungsunfähig geworden und ihre Aufgaben fortgefallen waren, sie letztlich ihre Bedeutung verloren haben. Dabei kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Realgemeinde Dellien handlungsunfähig geworden war oder nicht, sondern entscheidend ist eine Gesamtbetrachtung im Lande Mecklenburg. Es mag im Jahre 1948 auch die Erwägung eine Rolle mit gespielt haben, daß die Aufgaben der noch existenten und aktiven Realgemeinden - etwa Wege- und Gewässerunterhaltung und die Bewirtschaftung und Verwaltung der gemeinschaftlichen Grundstücke - ebensogut von den politischen Gemeinden erfüllt werden konnten. Dabei hatten die Realverbände als Körperschaften öffentlichen Rechtes die Interessen der Allgemeinheit ohnehin in besonderem Maße zu beachten, etwa das Interesse an einer gut funktionierenden Land- und Forstwirtschaft. Wenn der Gesetzgeber des Landes Mecklenburg gemeint hat, daß diese Aufgaben ebenso gut von den politischen Gemeinden wahrgenommen werden konnten, oder, weil viele funktionslos gewordene Realgemeinden ihren Aufgaben nicht mehr nachgekommen sind, noch besser und effektiver wahrgenommen werden konnten, so ist die Auflösung keine willkürliche und die Realverbände diskriminierende wesentlich rechtsstaatswidrige Maßnahme. Der Staat hat es kraft seiner ihm eigenen Organisationsgewalt in der Hand, Träger der Verwaltung zu gründen und gegebenenfalls wieder aufzulösen. Die Auflösung von Realgemeinden dann, wenn sie ihre Bedeutung verloren haben, war und ist nach der Rechtslage in Niedersachsen seit 1969 nichts Außergewöhnliches. Nach § 40 des seit diesem Jahr geltenden Niedersächsischen Realverbandsgesetzes kann die Aufsichtsbehörde einen Realverband auflösen, wenn seine Aufgaben fortgefallen sind oder ihre Bedeutung verloren haben. In § 44 a.a.O. ist vorgesehen, daß eine Gemeinde die Aufgaben des Realverbandes zusammen mit dem Verbandsvermögen als Gemeindeangelegenheit übernehmen kann. Das zeigt, daß die Auflösung von Realgemeinden auch im Westen der Republik möglich ist, wo seit Erlaß des Grundgesetzes 1949 Rechtsstaatsprinzipien gelten. Die Auflösung von Realgemeinden ist deshalb nichts grundsätzlich Rechtsstaatswidriges, sondern bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen etwas grundsätzlich Rechtsstaatsgemäßes.
Wenn der Gesetzgeber des Landes Mecklenburg im Jahre 1948 zu der Auffassung gekommen ist, daß Realverbände nicht mehr zeitgemäß waren, weil es der gesellschaftlichen Realität eher entsprach, die Aufgaben durch die politischen Gemeinden wahrzunehmen, so ist dies unter Vergleich zum niedersächsischen Recht damit im Ergebnis keine wesentlich rechtsstaatswidrige Entscheidung. Dies gilt in besonderem Maße deshalb, weil die Auflösung der Realverbände nicht nur den Übergang der Grundstücke auf die politischen Gemeinden zur Folge hatte, sondern auch den Übergang von Pflichten. So sind die Realverbände mit ihrer Auflösung etwa von ihren Verpflichtungen zum Bau und zur Unterhaltung von Wegen, Gewässern und sonstigen gemeinsamen Veranstaltungen entbunden worden. § 1 des Gesetzes von 1948 hat vorgesehen, daß die Gemeinde mit allen Rechten und Pflichten in abgeschlossene Verträge eintritt. § 4 hat schließlich ergänzt, daß das Ministerium in Ausnahmefällen nach billigem Ermessen eine Entschädigung festsetzen kann. § 3 hat bestimmt, daß über Streitigkeiten um Sonderrechte der Ausschuß für Gemeindeangelegenheiten beim Kreistag entschiedet, wobei gegen die Entscheidung Klage beim Verwaltungsgerichtshof zulässig ist. - Der Übergang nicht nur von Aktivvermögen, sondern auch von Pflichten, die ausnahmsweise Entschädigung und die Eröffnung auch eines Rechtsweges zeigt in seiner Gesamtheit zusammen mit dem dargestellten kommunalrechtlichen Aspekt, daß die mit der Auflösung der Realgemeinden einhergehende Enteignung an Grund und Boden ist nicht in einer Weise diskriminierend gewesen ist, wie etwa die Enteignungen von Republikflüchtlingen diskriminierend waren.
3.
Der Hilfsantrag kann keinen Erfolg haben.
Eine Anspruchsberechtigung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (BGBl 1994 S. 2628) ist nicht gegeben, da die Grundstücke der ehemaligen Realgemeinde Dellien nach den oben gemachten Ausführungen nicht auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden sind, was nach § 1 Abs. 1 und 2 Ausgleichsgesetz Voraussetzung für einen Anspruch wäre.
Die Berufung gegen das Urteil ist gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, die Rechtssache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von einer obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht (§ 37 Abs. 2 Satz 2 VermG i.V.m. §§ 135, 132 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 150.000,00 DM festgesetzt.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 37 Abs. 2 Satz 1 VermG).