Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.12.2006, Az.: 14 K 390/02
Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels gegen einen Steuerbescheid als Voraussetzung für eine Festsetzung von Aussetzungszinsen; Rücknahme eines Einspruchs vor Aufhebung durch die Ausgangsbehörde als erfolgloses Einspruchsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 11.12.2006
- Aktenzeichen
- 14 K 390/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 33827
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2006:1211.14K390.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO
- § 237 Abs. 1 S. 1 u. 2 AO
Fundstellen
- DStR 2007, XIV Heft 27 (Kurzinformation)
- DStRE 2007, 1138-1141 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB direkt 2007, 3
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Keine Erfolglosigkeit eines Einspruchs trotz Rücknahme, wenn im Einspruchsverfahren nur um die Änderung eines Einkommensteuerbescheids (Folgebescheid) gestritten wird, den das FA bereits im Vorgriff auf das Ergebnis einer Betriebsprüfung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert hat und der entsprechend geänderte Grundlagenbescheid erst nach Abschluss der Betriebsprüfung nachgeschoben wird.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beklagte Finanzamt (FA) Aussetzungszinsen gemäß § 237 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) festsetzen durfte.
Die Kläger sind verheiratet und werden vom FA zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war zudem als Gesellschafter an der Fa. GbR (GbR) beteiligt, die ebenfalls beim FA steuerlich geführt wird. Für die GbR stellte das FA zunächst mit Bescheid vom 30. September 1996 Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1994 gesondert und einheitlich fest. Nach diesem Feststellungsbescheid entfiel auf den Kläger ein laufender Verlust von ...DM sowie ein tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn von .... DM. Mit Einkommensteuerbescheid vom 12. Juli 1999 setzte das FA gegenüber den Klägern die Einkommensteuer 1994 i.H.v. 309.670 DM fest. Dabei berücksichtigte es bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb auf Grund seiner Beteiligung an der GbR entsprechend dem Feststellungsbescheid des FA vom 30. September 1996 u.a. auch die Einkünfte des Klägers am laufenden Gewinn und an dem tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn der GbR. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Im Jahre .... führte das FA bei der GbR eine Außenprüfung durch, die sich auch auf das Jahr 1994 erstreckte. Vor Abschluss dieser Außenprüfung und vor Erlass eines geänderten Gewinnfeststellungsbescheids 1994 gegenüber der GbR setzte das FA mit Bescheid vom 27. Dezember 2000 gegenüber den Klägern gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO die Einkommensteuer 1994 auf 602.839 DM herauf, in dem es die Einkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung an der GbR erhöhte und nunmehr einen laufenden Gewinn von 1.140.188 DM und einen Veräußerungsgewinn von 15.000 DM berücksichtigte. In den Erläuterungen zu diesem Bescheid heißt es, dass aufgrund der Feststellungen im Rahmen der Außenprüfung bei der GbR sich für 1994 Änderungen mit erheblichen steuerlichen Auswirkungen im Bereich der Anwendung ermäßigter Steuersätze ergeben hätten. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung fielen insgesamt verdeckte Gewinnausschüttungen aus der ...... GmbH i.H.v. 3.165.000 DM und aus der ...... GmbH i.H.v. 1.500.000 DM an. Hiervon entfielen auf jeden Beteiligten .... DM. Die begünstigten Einkünfte seien daher entsprechend zu mindern. Ferner könne bei den Inventarverkäufen keine Teilbetriebsveräußerung mehr angenommen werden, so dass ein Betrag von 636.960 DM nicht mehr dem ermäßigten Steuersatz unterläge. Hiervon entfielen auf jeden Beteiligten .... DM. ....Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein und beantragten, den Bescheid ersatzlos aufzuheben. Die Außenprüfung bei der GbR sei noch nicht abgeschlossen. Ihnen lägen weder ein Prüfungsbericht noch ein geänderter Feststellungsbescheid für 1994 vor. Darüber hinaus beantragten die Kläger, die Vollziehung des angefochtenen Bescheids auszusetzen. Diesem Aussetzungsantrag entsprach das FA mit Aussetzungsverfügung vom 25. Januar 2001, in dem es die Vollziehung des angefochtenen Bescheids i.H.v. 293.169 DM bis längstens zur Entscheidung über den Einspruch aussetzte.
Im Jahre .... beendete das FA die Außenprüfung bei der GbR und stellte den Gewinn der GbR entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung mit Änderungsbescheid vom 23. Oktober 2001 gesondert und einheitlich fest. Auf den Kläger entfiel nach diesem Bescheid ein laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb i.H.v. .... DM sowie ein Veräußerungsgewinn i.H.v. .... DM. Mit Einkommensteuerbescheid vom 5. November 2001 setzte das FA sodann gegenüber den Klägern die Einkommensteuer 1994 auf 651.232 DM herauf, indem es nunmehr bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb die Beteiligungseinkünfte entsprechend dem Feststellungsbescheid vom 23. Oktober 2001 berücksichtigte. Gegen den Feststellungsbescheid vom 23. Oktober 2001 legte der Kläger und die GbR Einsprüche ein und beantragten, die Vollziehung des Feststellungsbescheids auszusetzen. Das FA gewährte die beantragte Aussetzung der Vollziehung bis längstens zur Entscheidung über die Einsprüche gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1994 für die GbR. Über die Einsprüche gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1994 hat das FA dagegen, soweit ersichtlich, bis heute noch nicht entschieden. Mit Aussetzungsverfügung vom 8. November 2001 teilte das FA den Klägern daraufhin mit, dass zu den bisher ausgesetzten Beträgen zur Einkommensteuer 1994 ein weiterer Steuerbetrag i.H.v. 48.395 DM gegen Sicherheitsleistung von der Vollziehung ausgesetzt wird und zwar längstens bis zur Entscheidung über den Einspruch gegen den geänderten Grundlagenbescheid 1994.
Am 4. Dezember 2001 nahmen die Kläger ihren Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 27. Dezember 2000 zurück. Daraufhin hob das FA mit Verfügung vom 7. Januar 2001 die Aussetzungsverfügung vom 8. November 2001 auf, da der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 27. Dezember 2000 in vollem Umfang endgültig erfolglos geblieben sei und die Kläger im Übrigen auch die angeforderte Sicherheitsleistung nicht erbracht hätten. Anschließend setzte das FA mit Bescheid vom 30. April 2002 gegenüber den Klägern Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1994 für die Zeit vom 30. Januar 2001 bis zum 4. Januar 2002 i.H.v. insgesamt 8.241 DM fest. Gegen diesen Zinsbescheid legten die Kläger Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsbescheid vom 1. Juli 2002 als unbegründet zurückwies. Die Aussetzungszinsen seien zu Recht festgesetzt worden, da sich das Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 27. Dezember 2000 mit der Einspruchsrücknahme am 4. Dezember 2001 erledigt habe. Dieses Einspruchsverfahren habe im Ergebnis endgültig auch keinen Erfolg gehabt, da dem Begehren der Kläger nicht entsprochen worden sei. Vielmehr sei nach Abschluss der Außenprüfung bei der GbR die Einkommensteuer 1994 gegenüber den Klägern sogar noch weiter heraufgesetzt worden, so dass im Ergebnis eine Verböserung in der Sache eingetreten sei.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Einkommensteuerbescheid vom 27. Dezember 2000 hätte unstreitig nicht ergehen dürfen, da die Außenprüfung bei der GbR zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei und auch noch kein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid 1994 für die GbR vorgelegen habe. Zu Unrecht sei das FA davon ausgegangen, dass ihr Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 27. Dezember 2000 im Ergebnis erfolglos geblieben sei. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 27. Dezember 2000 habe sich nur dadurch erledigt, dass nunmehr nach Abschluss der Außenprüfung bei der GbR ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid 1994 ergangen sei. In diesem Fall sei nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofsvom 22. Januar 1988 III B 134/86, BStBl II 1988, 484 für die Frage, ob der Einspruch endgültig erfolglos geblieben sei, entscheidend, ob dem Begehren des Einspruchsführers bei Abschluss des Einspruchsverfahrens materiell hätte entsprochen werden können.
Die Kläger beantragen,
den Zinsbescheid vom 30. April 2002 und die Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 2002 aufzuheben,
hilfsweise festzustellen,
dass die festgesetzten Zinsen nicht aufgrund von § 237 AO, sondern aufgrund von § 233 AO erhoben werden und
hilfsweise für den Fall des Unterliegens
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA hält auch im vorliegenden Verfahren an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Im Streitfall sei das Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid vom 27. Dezember 2000 durch die Einspruchsrücknahme beendet worden, ohne dass dem Aufhebungsbegehren der Kläger in der Sache entsprochen worden sei. Für die Zinsberechnung sei ausschließlich auf das zahlenmäßige Ergebnis abzustellen. Auf die Gründe der Erfolglosigkeit komme es nicht an. Im Streitfall hätten die Kläger eine zügigere Bearbeitung ihres Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 27. Dezember 2000 nur durch die Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 46 Finanzgerichtsordnung (FGO) erreichen können. Eine derartige Klage hätten sie jedoch nicht erhoben.
Mit Verfügung vom 8. März 2004 hat das FA erneut die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1994 vom 27. Dezember 2000 und vom 5. November 2001 i.H.v. 174.637 Euro "lediglich aus verfahrensökonomischen Gründen und ohne Präjudiz" ab Fälligkeit der Abschlusszahlung der Steuerfestsetzung vom 27. Dezember 2000 ohne Sicherheitsleistung bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen den Gewinnfeststellungsbescheid vom 6. August 2001 ausgesetzt. .......
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Aussetzungszinsen sind nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO nur für einen geschuldeten Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids ausgesetzt wurde, festzusetzen, soweit der Einspruch oder die Anfechtungsklage gegen den Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt hat. Entsprechendes gilt nach § 237 Abs. 1 Satz 2 AO, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde. "Endgültig keinen Erfolg gehabt" hat ein Rechtsbehelf insbesondere dann, wenn er durch unanfechtbare Entscheidung abgewiesen oder vom Rechtsbehelfsführer zurückgenommen worden ist, ohne dass das Finanzamt dem Rechtsbehelfsbegehren in der Sache zuvor entsprochen hat (BFH-Urteil vom 27. November 1991 X R 103/89, BStBl II 1992, 319, 320). § 237 Abs. 1 Satz 1 AO meint jedoch auch jede andere Art der Erledigung (BFH-Beschluss vom 22. Januar 1988 III B 134/86, BStBl II 1988, 484, 486). Ob und in welchem Umfang der Rechtsbehelf endgültig keinen Erfolg gehabt hat, richtet sich nach dem Verfahrensgegenstand und dem konkretisierten Rechtsbehelfsbegehren (BFH-Urteil vom 27. November 1991 X R 103/89, BStBl II 1992, 319, 320).
1.
Im Streitfall war nach diesen Grundsätzen der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid vom 27. Dezember 2000 nicht erfolglos i.S.d. § 237 Abs. 1 Satz 1 AO, obwohl die Kläger ihren Einspruch nach Erlass des Einkommensteueränderungsbescheids vom 5. November 2001 zurückgenommen haben, ohne dass das FA zuvor, wie von den Klägern beantragt, den angefochtenen Bescheid aufgehoben hat. Die Rücknahme des Einspruchs spiegelt jedoch weder die formelle noch die materiell-rechtliche Erfolglosigkeit ihres Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid vom 27. Dezember 2000 wieder. Zwar hat ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid, bei dem, wie im Streitfall, die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 157 Abs. 2 AO nicht selbstständig anfechtbar sind, insoweit keinen Erfolg als das Finanzamt dem Begehren, den festgesetzten Steuerbetrag herabzusetzen, im Ergebnis nicht abhilft. Verfahrensgegenstand im Einspruchsverfahren ist nämlich nicht ein einzelnes Besteuerungsmerkmal oder eine bestimmte zugrundeliegende Rechtsfrage, sondern die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, die von der Finanzbehörde in vollem Umfang gemäß § 367 Abs. 2 AO zu prüfen ist. Aus welchem Grund der Antrag auf Herabsetzung der festgesetzten Steuer endgültig erfolglos bleibt, ist dabei ohne Bedeutung, weil die Besteuerungsgrundlagen aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung nur unselbstständiger Teil der Regelung und deshalb nur der Begründung des Bescheids zugeordnet sind (BFH-Urteil vom 27. November 1991 X R 103/89, BStBl II 1992, 319, 320).
Der Streitfall weist jedoch die Besonderheit auf, dass das FA wegen der laufenden Betriebsprüfung bei der GbR mit dem Erlass des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheids vom 27. Dezember 2000 im Vorgriff auf eine zu erwartende Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1994 für die GbR den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid bereits gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert hat und damit, abweichend von der gesetzlichen Regelung, selbständig im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren über eine Besteuerungsgrundlage, nämlich über die Höhe der Einkünfte des Kläger aus seiner Beteiligung an der GbR, entschieden hat, obwohl die Höhe dieser Beteiligungseinkünfte bereits zuvor im Gewinnfeststellungsbescheid 1994 vom 30. September 1996 für die GbR nach §§ 179 ff. AO gesondert und einheitlich festgestellt worden ist. Nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO ist dieser Gewinnfeststellungsbescheid 1994 vom 30. September 1996 als Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO für den Einkommensteuerbescheid 1994 (Folgebescheide) bindend, soweit die in dem Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen für diesen Folgebescheide von Bedeutung sind. Mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteueränderungsbescheid vom 27. Dezember 2000 haben die Kläger sich daher im Kern nicht gegen die Höhe der mit diesem Bescheid festgesetzten Einkommensteuer gewandt, sondern ausschließlich gerügt, dass das FA in diesem Bescheid die Einkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung an der GbR abweichend vom Gewinnfeststellungsbescheid 1994 vom 30. September 1996 angesetzt und damit seine Verpflichtung aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO verletzt hat, den Einkommensteuerbescheid 1994 als Folgebescheid an den Gewinnfeststellungsbescheid 1994 vom 30. September 1996 anzupassen. Hierfür spricht auch, dass die Kläger im Einspruchsverfahren lediglich geltend gemacht haben, dass die Außenprüfung bei der GbR noch nicht abgeschlossen sei und dass ihnen auch noch kein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid 1994 für die GbR vorläge. Diesem Einspruchsbegehren ist das FA mit Erlass des Einkommensteueränderungsbescheids vom 5. November 2001 nachgekommen, da in diesem Bescheid die Einkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung an der GbR wieder in der Höhe berücksichtigt werden, die für den Kläger im Gewinnfeststellungsverfahren der GbR nach §§ 179 ff. AO gesondert und einheitlich festgestellt worden sind.
Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass das FA vor Erlass des Einkommensteueränderungsbescheids vom 5. November 2001 zuvor auch den Gewinnfeststellungsbescheid 1994 für die GbR entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung geändert hat. Gegenstand des Einspruchsverfahrens wegen Einkommensteuer 1994 war lediglich, wie oben bereits dargelegt, die Verletzung der Anpassungsverpflichtung aus § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO und nicht die Frage, ob die für den Kläger im Gewinnfeststellungsbescheid 1994 berücksichtigten Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Höhe nach zutreffend gesondert und einheitlich festgestellt worden sind und ob der Grundlagenbescheid vom 30. September 1996 entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung durch Erlass eines geänderten Gewinnfeststellungsbescheids 1994 geändert werden durfte. Bei dieser Sachlage lässt sich die Erfolglosigkeit des Einspruchs der Kläger gegen den Einkommensteueränderungsbescheid vom 27. Dezember 2000 daher nicht, entgegen der vom FA vertretenen Ansicht, damit begründen, dass mit dem Einkommensteueränderungsbescheid vom 5. November 2001 die Einkommensteuer gegenüber den Klägern um insgesamt 48.395 DM weiter heraufgesetzt worden sei. Diese Heraufsetzung der Einkommensteuer ist nicht, wie wohl das FA meint, das Ergebnis einer verbösernden Gesamtaufrollung des Steuerfalles, obwohl nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO der angefochtene Steuerbescheid im Einspruchsverfahren auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden kann. Im Streitfall ergibt sich die Erhöhung der Einkommensteuer 1994 gegenüber den Klägern jedoch ausschließlich daraus, dass nach § 182 Abs. 1 AO auch der nach Abschluss der Betriebsprüfung bei der GbR geänderte Gewinnfeststellungsbescheid 1994 ebenso wie der ursprüngliche Gewinnfeststellungsbescheid als Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid 1994 (Folgebescheid) bindend ist.
2.
Überdies hätte der mit der vorliegenden Klage angefochtene Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom 30. April 2002 aber auch dann nicht ergehen dürfen, wenn man mit dem FA davon ausgeht, dass Gegenstand des Einspruchsverfahrens wegen Einkommensteuer 1994 nicht die Anpassungsverpflichtung des FA aus § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO war, sondern dass im Rahmen dieses Einspruchsverfahrens ausschließlich um die Höhe der Einkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung und damit um die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer gestritten worden ist. In diesem Fall wäre der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteueränderungsbescheid vom 27. Dezember 2000 ebenfalls (noch) nicht endgültig erfolglos geblieben, da die Frage, ob die Einkünfte des Kläger aus seiner Beteiligung an der GbR, die das FA nunmehr im Einkommensteueränderungsbescheid vom 5. November 2001 aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung bei der GbR angesetzt hat, der Höhe nach zutreffend sind, noch nicht abschließend geklärt ist. Sowohl der Kläger als auch die GbR haben gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1994 vom 6. August 2001, der aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung ergangen ist, Einsprüche eingelegt, über die das FA bis heute noch nicht entschieden hat. Der Streit zwischen den Beteiligten über die Feststellungen der Betriebsprüfung bei der GbR und damit über die Höhe der Einkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung an der GbR wäre bei dieser Sichtweise vielmehr durch den Erlass des geänderten Gewinnfeststellungsbescheids vom 23. Oktober 2001 entsprechend der gesetzlichen Regelungen lediglich in das Gewinnfeststellungsverfahren der GbR für 1994 verlagert worden.
Mit der Rücknahme ihres Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid vom 27. Dezember 2000 hätten die Kläger dann lediglich anerkannt, dass nunmehr der Einkommensteuerbescheid für 1994 an den aktuellen Gewinnfeststellungsbescheid angepasst worden ist und dass der Streit, ob die Feststellungen der Betriebsprüfung bei der GbR in der Sache zutreffend sind und wie hoch die Einkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung an der GbR sind, nicht (mehr) im Einspruchsverfahren wegen Einkommensteuer 1994, sondern vorrangig im Einspruchsverfahren gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1994 für die GbR zu klären ist. Von dieser Sichtweise ist das FA zumindest auch im finanzamtlichen Verfahren ausgegangen. Dies ergibt sich daraus, dass das FA mit Aussetzungsverfügung vom 8. November 2001 den Klägern mitteilte, dass zu den bisher ausgesetzten Beträgen zur Einkommensteuer 1994 aufgrund der gewährten Aussetzung der Vollziehung des geänderten Gewinnfeststellungsbescheids 1994 gegenüber der GbR ein weiterer Steuerbetrag i.H.v. 48.395 DM gegen Sicherheitsleistung von der Vollziehung ausgesetzt wird, und zwar längstens bis zur Entscheidung über den Einspruch gegen den geänderten Grundlagenbescheid 1994. Zudem hat das FA mit Verfügung vom 8. März 2004 ausdrücklich, wenn auch lediglich aus verfahrensökonomischen Gründen und ohne Präjudiz, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1994 vom 27. Dezember 2000 und vom 5. November 2001 erneut i.H.v. 174.637 EUR bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1994 für die GbR vom 6. August 2001 ausgesetzt. Diese Aussetzungsverfügungen wären nicht denkbar, wenn das FA nicht auch, wie die Kläger, davon ausgeht, dass mit dem Erlass des Einkommensteueränderungsbescheid vom 5. November 2001 und der Anfechtung des geänderten Gewinnfeststellungsbescheids 1994 für die GbR vom 6. August 2001 der Streit über die endgültige Höhe der Einkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung an der GbR nicht lediglich in das Gewinnfeststellungsverfahren verlagert worden ist.
3.
Darüber hinaus hätte der mit der vorliegenden Klage angefochtene Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom 30. April 2002 aber auch dann nicht ergehen dürfen, wenn man im Streitfall davon ausgeht, dass das ursprüngliche Einspruchsbegehren der Kläger nach Abschluss der Betriebsprüfung durch den Erlass des geänderten Gewinnfeststellungsbescheids 1994 vom 23. Oktober 2001 sowie nach Erlass des Einkommensteueränderungsbescheids vom 5. November 2001 objektiv gegenstandslos geworden ist, da eine Anpassung der Einkommensteuerfestsetzung 1994 nunmehr an den ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheid 1994 für die GbR vom 30. September 1996 nicht mehr in Betracht kommt. In diesem Fall wären, worauf die Kläger zutreffend hinweisen, nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofsvom 22. Januar 1988 III B 134/96, BStBl II 1988, 484 die Erfolgsaussichten des Einspruchs gegen den Einkommensteueränderungsbescheid vom 27. Dezember 2000 im Rahmen der Zinsfestsetzung zu prüfen, da § 237 Abs. 1 Satz 1 AO, wie oben bereits dargelegt, jede Art der Erledigung meint, nicht nur die durch Einspruchsentscheidung oder durch eine gerichtliche Entscheidung. Die Prüfung der Erfolgsaussichten des Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 27. Dezember 2000 hätte dann aber ebenso ergeben, dass der Einspruch der Kläger nicht (endgültig) erfolglos geblieben wäre, da der angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid vom 27. Dezember 2000 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht hätte ergehen dürfen. Im Streitfall hatte das FA bereits vor Erlass des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheids vom 27. Dezember 2000 gegenüber der GbR einen Gewinnfeststellungsbescheid 1994 erlassen, der für die Einkommensteuerfestsetzung 1994 gegenüber den Klägern, wie oben bereits dargelegt, gemäß § 182 Abs. 1 AO bindend war. Zwar kann nach § 155 Abs. 2 AO ein Steuerbescheid auch bereits dann erteilt werden, wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen worden ist. Jedoch setzt die Anwendung des § 155 Abs. 2 AO voraus, dass ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen ist, also überhaupt noch kein Grundlagenbescheid vorliegt. Ist dagegen, wie im Streitfall, bereits ein Grundlagenbescheid erlassen worden und ist - etwa aufgrund der Feststellungen einer späteren Außenprüfung - eine Änderung dieses Grundlagenbescheids zu erwarten, so bietet § 155 Abs. 2 AO keine Rechtsgrundlage dafür, im Vorgriff auf eine zu erwartende Änderung des Grundlagenbescheids den Steuerbescheid zu ändern. Dies folgt aus der Erwägung, dass der ursprüngliche, wenn auch möglicherweise unrichtige, Grundlagenbescheid für die darauf basierenden Folgebescheide solange nach § 182 Abs. 1 AO bindend ist, als er Wirkungen zeitigt, also noch nicht durch einen entsprechenden Grundlagenbescheid ersetzt wurde (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995 II R 24/93, BFH/NV 1996, 450, 451).
Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob das Finanzamt vor Erlass des Einkommensteueränderungsbescheids 1994 vom 5. November 2001 über den Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 27. Dezember 2000 hätte entscheiden müssen und warum die Kläger es unterlassen haben, ihr (vermeintliches) Recht auch tatsächlich, z.B. durch die Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 46 FGO, durchzusetzen. Nach dem BFH-Beschluss vom 22. Januar 1988 III B 134/96, BStBl II 1988, 484 sind ausschließlich die Erfolgsaussichten des Einspruchs in der Sache zu prüfen, wenn das Einspruchsverfahren, wie im Streitfall, durch ein nachträgliches Ereignis objektiv gegenstandslos geworden ist.
Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen worden, um dem Bundesfinanzhof zur Fortbildung des Rechts die Möglichkeit zu geben, zu klären, ob die Festsetzung von Aussetzungszinsen mit dem BFH-Beschluss vom 22. Januar 1988 III B 134/86, BStBl II 1988, 484 auch von materiell-rechtlichen Überlegungen abhängt oder ob lediglich auf den formalen Abschluss des Einspruchsverfahrens abgestellt werden muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708, Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).