Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.12.2006, Az.: 14 K 201/02
Kürzung bzw. Auflösung einer nach § 6c Einkommensteuergesetz (EStG) gebildeten Rücklage infolge nachträglicher Inanspruchnahme des Freibetrags gemäß § 14a Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG); Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheids nach Eintritt der Bestandskraft; Teilweise Verwendung des Erlöses aus der Veräußerung eines Grundstücks zur Tilgung betrieblicher Schulden; Fristgebundenheit des Wahlrechts auf Gewährung des Freibetrags; Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 11.12.2006
- Aktenzeichen
- 14 K 201/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 29329
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2006:1211.14K201.02.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 14.05.2009 - AZ: IV R 6/07
Rechtsgrundlagen
- § 6c EStG
- § 14a Abs. 5 EStG
- § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO
Fundstellen
- EFG 2007, 403-405 (Volltext mit red. LS)
- INF 2007, 284
- KÖSDI 2007, 15539 (Kurzinformation)
- NWB direkt 2007, 4
- Jurion-Abstract 2006, 228647 (Zusammenfassung)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1996
Tatbestand
Streitig ist, ob eine nach § 6 c EStG gebildete Rücklage infolge nachträglicher Inanspruchnahme des Freibetrags gem. § 14 a Abs. 5 EStG gekürzt bzw. aufgelöst werden kann und deshalb der Einkommensteuerbescheid 1996 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern ist.
Die miteinander verheirateten Kläger werden vom beklagten Finanzamt (FA) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Landwirt und ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG. Im Streitjahr veräußerte er mit notariellem Vertrag vom 26.09.1996 eine Teilfläche eines in D. belegenen Flurstücks. Der Kaufpreis betrug 1.010.016 DM. Im Rahmen seiner Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1996/97 bildete der Kläger in Höhe des dabei entstandenen Veräußerungsgewinns (836.502 DM) eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage nach § 6 c EStG. Der Beklagte veranlagte die Kläger durch Einkommensteuerbescheid 1996 vom 24.04.1998 erklärungsgemäß. Der Bescheid erging ohne Vorbehaltsvermerk und wurde am 27.05.1998 bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 12.12.2000 trug der Kläger vor, er habe den Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks teilweise zur Tilgung von im land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen befindlichen Schulden verwendet. Insoweit stellte er den Antrag, ihm den Freibetrag nach § 14 a Abs. 5 EStG zu gewähren. Gemäß dem Schreiben beigefügter Berechnung sei die zum 30.6.1997 gebildete Rücklage gewinnerhöhend in Höhe des Freibetrags um 90.000 DM zu kürzen. Der Freibetrag nach § 14 a Abs. 5 EStG sei für das Streitjahr und für 1997 jeweils hälftig i. H. v. 45.000 DM zu gewähren. In der Zeit vom 19.06.2001 bis 17.07.2001 fand beim Kläger eine Außenprüfung statt. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass dem Antrag des Klägers für 1996 aufgrund der zwischenzeitlich bestandskräftigen Veranlagung nicht zu entsprechen sei. Dagegen hielt er die anderweitige antragsgemäße Entwicklung der Rücklage nach § 6 c EStG vom Wirtschaftsjahr 1997/98 an für uneingeschränkt zulässig, da insoweit die Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen waren. Wegen der Entwicklung der Rücklage und der sich hieraus ergebenden steuerlichen Auswirkungen wird auf Blatt ..... der Bp-Arbeitsakte sowie auf die Anlagen 1 und 2 des Prüfungsberichts vom 24.08.2001 verwiesen. Die Änderungen laut Außenprüfung erhöhten nur geringfügig das zu versteuernde Einkommen der Kläger für das Streitjahr. Da sich insoweit keine steuerliche Auswirkung ergab, unterblieb eine Änderungsveranlagung. Lediglich für die Jahre 1997 und 1998 wurden die Einkommensteuerbescheide aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung geändert.
Hiergegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch und stellten zugleich den Antrag, den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 24.04.1998 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Nach den Feststellungen der Außenprüfung sei ein Freibetrag für Schuldentilgung i. H. v. 43.394 DM für das Wirtschaftsjahr 1996/97 (und damit 21.697 DM für das Streitjahr) zu gewähren. Maßgebend für die Inanspruchnahme des Freibetrages nach § 14 a Abs. 5 EStG sei grundsätzlich der Zeitpunkt der Gewinnverwirklichung (hier: Wirtschaftsjahr 1996/97) unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsschuld tatsächlich getilgt worden sei. Gemäß EStR 133 c Abs. 3 S. 1 und 2 brauche kein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Veräußerung des Grund und Bodens und der Schuldentilgung zu bestehen. Allerdings müsse der Veräußerungserlös unmittelbar zur betrieblichen Schuldentilgung verwendet werden. Dies sei vorliegend der Fall. Das Gesetz sehe eine bestimmte Frist, in der die Schuldentilgung mit dem Veräußerungserlös erfolgen müsse, nicht vor. So sei es durchaus möglich, dass die begünstigte Schuldentilgung nicht im gleichen Veranlagungszeitraum wie die Veräußerung erfolgt sei. Im vorliegenden Fall sei die Schuldentilgung im Wirtschaftsjahr nach der Veräußerung des Grund und Bodens, nämlich 1997/98 erfolgt. Da bei der Veranlagung des Wirtschaftsjahres der Veräußerung nicht in allen Fällen bereits feststehe, ob und in welcher Höhe die sachliche Steuerbefreiung des Veräußerungsgewinns vorzunehmen sei, könne in diesen Fällen die Veranlagung auf Antrag insoweit nach § 165 AO vorläufig erfolgen (Abschn. 133 c Abs. 3 Satz 5 EStR). Dies sei zwar vorliegend nicht geschehen. Eine Änderung sei jedoch bei Nachweis der begünstigten Verwendung des Veräußerungserlöses jederzeit möglich, da der Antrag weder an formelle Voraussetzungen gebunden noch eine Antragsfrist einzuhalten sei. Eine für den Veranlagungszeitraum der Veräußerung bestandskräftige Veranlagung sei bei nachträglicher Verwendung des Erlöses zur Schuldentilgung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Insoweit berief sich der Kläger auf Kanzler, in Leingärtner/Kanzler, Die Besteuerung der Land- und Forstwirte, Rz 142.
Entgegen der Ansicht des Bekl. habe er - der Kläger - bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr keineswegs auf die Steuerbefreiung nach § 14 a Abs. 5 EStG deshalb verzichtet, weil er nicht zeitgleich einen Antrag auf Gewährung des Freibetrages gestellt habe. Vielmehr habe er von der Möglichkeit Gebrauch machen wollen, beide Vergünstigungen parallel nebeneinander in Anspruch nehmen zu können. Die Steuerbefreiung eines Gewinns nach § 14 a Abs. 5 EStG werde nämlich durch die Anwendung der §§ 6 b, 6 c EStG nicht berührt (Felsmann, Tz 332 i.V.m. Tz 275 zu § 14 a EStG). Die Rücklage nach § 6 c EStG werde lediglich für den Teil des Veräußerungsgewinns angewandt, der nicht nach § 14 a Abs. 5 EStG steuerfrei sei. Da eine Entscheidung über die Gewährung des Freibetrags erst nach der endgültigen Verwendung des Veräußerungserlöses habe getroffen werden können, sei die Rücklage gem. § 6 c EStG seinerzeit nur vorläufig in voller Höhe des entstandenen Veräußerungsgewinns gebildet worden. Wegen der nachträglichen Verwendung sei es überhaupt erst zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen, den Umfang der Begünstigung (Berechnung des Freibetrags nach § 14 a Abs. 5 EStG) bei nicht vollständiger Verwendung des Veräußerungserlöses zu ermitteln und dadurch gleichzeitig die Höhe der zu bildenden Rücklage gem. § 6 c EStG festzulegen. Des Weiteren wandten sich die Kläger mit ihrem Einspruch gegen die nach Auffassung des Bekl. aus abgabenrechtlichen Gründen nicht zulässige Rücklagenkürzung im Wirtschaftsjahr 1996/97.
Der Beklagte wies den Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr mit Bescheid vom 18.02.2002 ab. Die Kläger teilten dem Beklagten mit Schreiben vom 11.03.2002 mit, dass sie ihren Einspruch und Antrag auf Änderung des Steuerbescheids aufrechterhielten. Der Beklagte wertete dieses Schreiben als Einspruch gegen den Bescheid vom 18.02.2002 und wies diesen mit Einspruchsbescheid vom 28.03.2002 als unbegründet zurück. Er macht geltend, die Kläger hätten die Steuerbefreiung nach § 14 a Abs. 5 EStG in ihrer Steuererklärung nicht beantragt. Da sie auf Grund dessen bestandskräftig zur Einkommensteuer veranlagt worden seien, hätten sie ihr Wahlrecht ausgenutzt und seien infolge der Bestandskraft des Bescheides an diese Entscheidung gebunden. Es sei zwar zutreffend, dass eine Veranlagung auf Antrag hätte vorläufig erfolgen können, wenn bei der Veranlagung noch nicht festgestanden habe, ob und in welcher Höhe die sachliche Steuerbefreiung des Veräußerungsgewinns vorzunehmen gewesen sei. Ein derartiger Antrag sei jedoch bis zur Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids nicht gestellt worden. Er wäre spätestens in einem Rechtsbehelfsverfahren zu stellen gewesen.
Nach Nr. 8 AEAO (vgl. Verfügung der OFD Hannover vom 07.03.2001, AO-Kartei vor §§ 172 bis 177 AO Karte 1) könnten Wahlrechte nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzungen grundsätzlich nur noch ausgeübt oder widerrufen werden, soweit die Steuerfestsetzung verfahrensrechtlich noch abänderbar sei. Die steuerrechtliche Wirkung von Wahlrechten, die nur bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, könne demnach nach diesem Zeitpunkt nicht nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO beseitigt werden. Die Wahlrechtsausübung könne demnach auch nicht durch einen Austausch gegen bisher nicht berücksichtigte Besteuerungsgrundlagen rückgängig gemacht werden; infolge der Bestandskraft der Steuerfestsetzung sei der Steuerpflichtige an seine Wahl gebunden. Eine Änderung sei auch nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich, da die Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstelle. Außer in den Fällen des nachträglichen Bekanntwerdens einer Tatsache verneine der BFH eine Wahlrechtsänderung nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung (BFH-Urteil vom 13.02.1997 - IV R 59/95 nv). Auch dem Antrag, die Rücklage nach § 6 c EStG im Wirtschaftsjahr 1996/97 um 100.000 DM zu kürzen bzw. aufzulösen, könne wegen der Bestandskraft des Steuerbescheides 1996 nicht stattgegeben werden.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Kläger ihr bisheriges Begehren weiterverfolgen. Sie bleiben bei ihrer Auffassung, dass der Steuerbescheid für das Streitjahr nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern sei. Denn die Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts sei stets als rückwirkendes Ereignis im Sinne der Vorschrift zu qualifizieren. Insoweit berufen sie sich auf H/H/R § 14 a EStG Tz 206 sowie Leingärtner/Kanzler, Besteuerung der Landwirte, Kap. 48 Rz 142. Dem stehe die vom Bekl. zitierte Fundstelle aus dem Kommentar von Felsmann, Tz D 322 entgegen. Einschlägige Rechtsprechung des BFH hierzu existiere nicht.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung vom 18.02.2002 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 28.03.2002 den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 24.04.1998 dahin abzuändern, dass die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft als Einzelunternehmer auf 19.256 DM festgesetzt werden,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid und macht diese vollinhaltlich zum Gegenstand seiner Klageerwiderung.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig.
Zwar fehlt dem Kläger die gem. § 40 Abs. 2 FGO erforderliche Beschwer, weil sein Antrag zu einer höheren Steuerfestsetzung führt. Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein Steuerpflichtiger jedoch auch durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung in seinen Rechten verletzt sein, wenn nach seiner Darlegung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, dass ihm der Vorgang, auf dem die Festsetzung beruht, bei der gleichen Steuer für spätere Steuerabschnitte steuerliche Nachteile verursachen wird, die den durch die angefochtene zu niedrige Steuerfestsetzung bewirkten Vorteil überwiegen (BFH-Urteil vom 19.05.1981 VIII R 143/78, BStBl II 1981, 665 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da die - auf Grund der Nichtinanspruchnahme des Freibetrags gem. § 14 a Abs. 5 EStG - im Streitjahr bisher erhöhte Rücklage nach § 6 c EStG in den Folgejahren für den Kläger zu höheren Steuerbelastungen führt. Diese beruhen auf vergleichsweise höheren Auflösungsbeträgen - u.a. verursacht durch höhere Gewinnzuschläge gem. § 6 c i.V.m. § 6 b Abs. 7 EStG in den Folgejahren -, die den im Streitjahr durch die zu niedrige Steuerfestsetzung bewirkten Vorteil überwiegen.
II.
Die Klage ist auch begründet.
1.
Zu Unrecht hat das FA im Streitfall die Voraussetzungen für eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 vom 24.04.1998 allein deshalb verneint, weil der Kläger den Änderungsantrag erst nach Eintritt der Bestandskraft gestellt hat. Dieser Umstand steht im vorliegenden Fall einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht entgegen.
a)
Zwar enthält das Gesetz keine Definition der erforderlichen Änderungsvoraussetzungen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ergibt sich aus dem Wortsinn und dem Zweck der Korrekturvorschrift folgendes: Das Ereignis muss nachträglich -- d.h. für den Fall einer beantragten Aufhebung oder Änderung nach Erlass des Steuerbescheids (Urteil des BFH vom 26.Oktober 1988 II R 55/86, BStBl II 1989, 75 ) -- eingetreten sein; es muss den Sachverhalt verändern und dabei steuerrechtlich derart in die Vergangenheit zurückwirken, dass ein Bedürfnis besteht, eine schon endgültig (bestandskräftig) getroffene Regelung i.S. der §§ 118, 157 AO an die Sachverhaltsänderung anzupassen (BFH-Urteil vom 27. September 1988 VIII R 432/83, BStBl II 1989, 225, 228, m.w.N.). Ob ein Ereignis ausnahmsweise -- entgegen dem grundsätzlich im Steuerrecht geltenden Rückwirkungsverbot -- in die Vergangenheit zurückwirken darf, richtet sich nach den Normen des materiellen Steuerrechts (vgl. amtliche Begründung zu § 175 AO --im Entwurf § 156-- BTDrucks VI/1982, S.155; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 175 AO Tz.27).
b)
Bei den laufend veranlagten Steuern wie der Einkommensteuer sind die aufgrund des Eintritts neuer Ereignisse materiell-rechtlich erforderlichen steuerlichen Anpassungen regelmäßig nicht rückwirkend, sondern in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sich der maßgebende Sachverhalt ändert. Dieser Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung des BFH, soweit nicht die einschlägigen steuerrechtlichen Vorschriften bestimmen, dass eine Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts zu einer rückwirkenden Änderung steuerlicher Rechtsfolgen führt. Eine solche Rechtslage ist bei Steuertatbeständen gegeben, die an ein einmaliges, punktuelles Ereignis anknüpfen, wie z.B. die Veräußerung eines Gewerbebetriebes nach § 16 Abs. 1 EStG (BFH-Beschlüsse in BStBl II 1993, 897; in BStBl II 1993, 894 ; BFH-Urteil vom 7. Dezember 1993 VIII R 55/86, BFH/NV 1994, 542), die Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG (BFH-Urteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BStBl II 1994, 564), die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung nach § 17 EStG (BFH-Urteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BStBl II 1994, 648) oder eine einmalige sonstige Leistung (BFH-Urteil vom 3. Juni 1992 X R 91/90, BStBl II 1992, 1017).
c)
Die Veräußerung eines nach §§ 6b und 6 c EStG begünstigten Anlagegutes ist ebenfalls ein Steuertatbestand, der an ein einmaliges, punktuelles Ereignis im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH anknüpft (BFH-Urteil vom 13.09.2000 X R 148/97, BStBl II 2001, 641). §§ 6b und 6 c EStG ermöglichen dem Steuerpflichtigen, stille Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter steuerneutral auf bestimmte andere Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu übertragen. Er kann die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der --innerhalb eines bestimmten Zeitraums angeschafften oder hergestellten-- neuen Anlagegüter um die Veräußerungsgewinne kürzen (§ 6b Abs. 1 Satz 1 EStG) oder --sofern die Ersatzwirtschaftsgüter nicht schon im Veräußerungsjahr angeschafft oder hergestellt werden, wie im Streitfall-- im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (§ 6b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 c EStG ). Das ist das Wirtschaftsjahr, in dem das zivilrechtliche oder wirtschaftliche Eigentum an dem veräußerten Anlagegut auf den Erwerber übergeht (z.B. BFH-Urteil vom 27. August 1992 IV R 89/90, BStBl II 1993, 225 , unter 2.a). Der Veräußerungsgewinn, bis zu dessen Höhe die Rücklage möglich ist, ist grundsätzlich der Betrag, um den der vereinbarte Kaufpreis abzüglich der Veräußerungskosten den Buchwert übersteigt, der für den Zeitpunkt der Veräußerung zu ermitteln ist.
2.
Der vom Kläger nachträglich gestellte Antrag nach § 14 a Abs. 5 EStG beeinflusst die Höhe der Rücklage nach §§ 6 b, 6 c EStG. Denn in Höhe des vom Kläger in Anspruch genommen Freibetrags vermindert sich die Rücklage nach § 6 c EStG und steht zum Verbrauch für die Folgejahre zur Verfügung.
a)
Veräußert ein Steuerpflichtiger nach dem 31. Dezember 1985 und vor dem 1. Januar 2001 (so die Gesetzesfassung des § 14 a Abs. 5 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 v. 11.10.1995, BStBl I S. 438) Teile des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens, so wird der bei der Veräußerung entstehende Gewinn auf Antrag nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen, als er den Betrag von 90.000 DM übersteigt, wenn der Steuerpflichtige den Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten zur Tilgung von Schulden verwendet, die zu dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören und vor dem 1. Juli 1985 bestanden haben, und das Einkommen des Steuerpflichtigen ohne Berücksichtigung des Gewinns aus der Veräußerung und des Freibetrags in dem dem Veranlagungszeitraum der Veräußerung vorangegangenen Veranlagungszeitraum bei zusammenveranlagten Ehegatten 70 000 DM nicht überstiegen hat. Verwendet der Steuerpflichtige den Veräußerungspreis nur zum Teil zur Tilgung betrieblicher Schulden, so ist nur der entsprechende Teil des Gewinns aus der Veräußerung steuerfrei.
b)
Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen des § 14 a Abs. 5 EStG unstreitig erfüllt, da der Kläger den Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks teilweise zur Tilgung betrieblicher Schulden verwendet hat. Der Antrag des Klägers auf Inanspruchnahme des Freibetrags im Wirtschaftsjahr 1996/97 i.H.v. 43.394 DM und folglich im Streitjahr i.H.v. 28.220 DM ist damit der Sache nach gerechtfertigt. Dem steht die bestandskräftige Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr nicht entgegen.
aa)
Das Wahlrecht auf Gewährung des Freibetrags nach § 14 a Abs. 5 EStG ist nicht fristgebunden. Es kann daher auch bei Einstellung des Veräußerungsgewinns in eine Rücklage nach §§ 6 b, 6 c EStG noch bei deren Auflösung wirksam beantragt werden (Gerichtsbescheid des Finanzgerichts Köln v. 30. Juni 2005 9 K 6117/01, EFG 2005, 1926, Rev. beim BFH: IV R 48/05). Gleiches gilt nach Auffassung des erkennenden Senats, wenn im Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts der zu Grunde liegende Einkommensteuerbescheid bereits bestandskräftig ist.
bb)
Zwar wirken nachträglich ausgeübte Wahlrechte grds. nicht auf einen bestandskräftig festgesetzten Steueranspruch zurück, da dem Antrag als Verfahrenshandlung keine materielle Rückwirkung zukommt. Ist allerdings der nicht fristgebundene Antrag Tatbestandsmerkmal, wirkt die Antragstellung jedoch unmittelbar rechtsgestaltend auf die Steuerschuld ein. Gleiches gilt auch für die geänderte Ausübung eines Wahlrechts (Pahlke/Koenig, AO-Komm, § 175 Rz 46 m.w.N.). Nach Auffassung des Senats sind diese Grundsätze im Streitfall anwendbar.
aaa)
Im Zeitpunkt der Veräußerung der Teilfläche durch den Kläger im Streitjahr stand noch nicht fest, welche betrieblichen Schulden der Kläger mit dem Veräußerungserlös tilgen würde. Erst im Zeitpunkt der Tilgung der betrieblichen Schulden im Folgejahr waren somit die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Freibetrags nach § 14 a Abs. 5 EStG erfüllt. Es handelt sich folglich bei § 14 a Abs. 5 EStG um einen "gestreckten" Tatbestand, dessen Besonderheit darin besteht, dass der den Freibetrag auslösende Tatbestand die Verwirklichung zweier Tatbestandsmerkmale voraussetzt, die in keinem zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen müssen (Veräußerung von Grund und Boden einerseits und die anschließende Verwendung des Erlöses zur Tilgung betrieblicher Schulden andererseits). Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die spätere Schuldentilgung den ursprünglichen Sachverhalt (Veräußerung) i.S.d. Rechtsprechung des BFH verändert und damit auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirkt. Dies stellt ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar und rechtfertigt die nachträgliche Korrektur des schon bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids durch Anpassung an die Sachverhaltsänderung.
bbb)
Der BFH hat im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des Freibetrags nach § 14 a Abs. 4 EStG wiederholt die Anwendbarkeit der Korrekturnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bejaht und dies vorwiegend damit gerechtfertigt, dass bei vorzeitigen Abfindungen die Person des Hoferben tatsächlich erst zum Zeitpunkt des Erbfalls oder der tatsächlichen Hofübergabe feststehe. Die Steuerbegünstigung der vorgezogenen Abfindung stehe daher unter dem Gesetzesvorbehalt, dass der Abgefundene nicht doch noch den Betrieb übernimmt und dass dieser auch durch Hoferbfolge oder Hofübergabe übertragen, also nicht vorher verkauft oder aufgegeben werde. Dieser Vorbehalt lasse sich verfahrensmäßig nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO realisieren (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 23.11.2000 IV R 8 5/9 9, BStBl II 2001, 122).
Zwar lassen sich die vom BFH aufgestellten Grundsätze nicht unmittelbar auf § 14 a Abs. 5 EStG übertragen; gleichwohl besteht nach Ansicht des Senats hier insoweit eine Parallele, als auch die Steuerbegünstigung des § 14 a Abs. 5 EStG unter dem Vorbehalt steht, dass der Veräußerungserlös zur Tilgung betrieblicher Schulden verwendet wird. Dies rechtfertigt die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (so auch Kanzler, in Leingärtner/Kanzler, Die Besteuerung der Land- und Forstwirte, Kap. 48 Rz 142; Gmach, in H/H/R, EStG-Kommentar, § 14 a Anm. 146; a.A. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Tz D 322; Mittelpeiniger, in Littmann/Bitz/Pust, Das ESt-Recht, § 14 a Rdnr. 155). Entgegen der Ansicht des Beklagten ist das Gericht der Auffassung, dass es in diesem Zusammenhang nicht ausreicht, den Steuerpflichtigen zur Wahrung seiner Rechte darauf zu verweisen, eine - teilweise - vorläufige Steuerfestsetzung gem. § 165 AO zu beantragen (vgl. BFH-Urteil vom 12.7.1989 X R 8/84, BStBl II 1989, 957).
3.
Die Einkommensteuer war daher wie folgt neu festzusetzen:.............
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
5.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 11 ZPO, 155 FGO.
6.
Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob ein Freibetrag nach § 14 a Abs. 5 EStG bei bereits bestandskräftiger Einkommensteuerveranlagung nachträglich noch in Anspruch genommen werden kann, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.