Landgericht Hannover
Urt. v. 18.05.2007, Az.: 58 a 5/06
Formelle und materielle Voraussetzungen der nachträglichen Anordung einer Sicherungsverwahrung bei einem wegen zahlreicher einschlägiger Vorstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilten jugendlichen Insassen; Bestimmung der konstatierten hohen Gefährlichkeit; Begriff der neuen Tatsachen i.S. des § 66b Strafgesetzbuch (StGB)
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 18.05.2007
- Aktenzeichen
- 58 a 5/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 55188
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2007:0518.58A5.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- StA Hannover - AZ: 3754 Js 81987/92
Rechtsgrundlagen
- § 66b Abs. 1 StGB
- § 66b Abs. 2 StGB
Verfahrensgegenstand
Vergewaltigung u.a.
...
hat die 4. große Strafkammer des Landgerichts Hannover
in der Sitzung vom 16.4.2007, 4.5.2007, 9.5.2007 und 18.5.2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Landgericht ... als Vorsitzender
Richterin am Landgericht ...,
Richter am Landgericht ... als beisitzende Richter,
... Hannover,
...,Hannover als Schöffen,
Staatsanwältin ... als Beamtin der Staatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt ... Hannover - als Verteidiger
Justizangestellte ... am 18.5.2007
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 18.5.2007
für Recht erkannt:
Tenor:
Gegen den Verurteilten wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich angeordnet.
Der Verurteilte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften: §§ 66 b Abs. 1, 2, 66 StGB
Gründe
I.
Der Verurteilte wurde im Jahr 1947 in ... als jüngstes von 3 Geschwistern ehelich geboren. Die Mutter trennte sich kurz nach der Geburt vom Vater, weil dieser Beziehungen zu einer anderen Frau unterhielt, die ein Kind von ihm erwartete; die Ehe der Eltern wurde geschieden. Der Verurteilte wuchs bei der Mutter auf, die seit dem Jahr 1953 mit einem neuen Partner zusammenlebte, den sie im Jahr 1958 heiratete. Der Vater des Verurteilten verstarb im Jahr 1973; zu ihm hatte der Verurteilte nach der Scheidung der Eltern keinen Kontakt mehr. Im Folgejahr verstarb der Stiefvater, die Mutter in den 80er Jahren. Eingeschult wurde der Verurteilte mit 6 Jahren im Jahr 1954 in .... Im Jahr 1961 wechselte er in die Schule nach ... die er nach der 9. Klasse im Jahr 1963 mit dem Hauptschulabschluss verließ. Anschließend heuerte er als Schiffsjunge für etwa 4 Monate auf einem Küstenmotorschiff an und besuchte ab Juli 1963 die Schiffsjungenschule in .... Diese musste er Anfang September 1963 wegen begangener Eigentumsdelikte verlassen.
Das Amtsgericht ... - Jugendschöffengericht - belegte den Verurteilten am 7.11.1963 (Az.: 16 Ls 49/64) wegen versuchten schweren Raubes mit einer unbestimmten Jugendstrafe von 1 Jahr bis zu 3 Jahren. Der Rest der Jugendstrafe wurde bis zum 30.6.1968 zur Bewährung ausgesetzt. Sodann wurde die Jugendstrafe in eine bestimmte Jugendstrafe von 2 Jahren 9 Monaten 28 Tagen umgewandelt. Die Strafaussetzung wurde widerrufen. Die Strafvollstreckung war erledigt am 1.1.1967.
Der Verurteilung lagen verschiedene, gescheiterte Versuche zugrunde, unter Vorhalt einer mitgeführten Schreckschusspistole in Häuser einzudringen und sich Geld zu besorgen.
Nach seiner ersten Entlassung am 28.7.1965 heuerte der Verurteilte im August 1965 als Leichtmatrose auf einem Fischdampfer an und verdiente dort sein Geld. Schon 2-3 Monate, nachdem er aus der Haft entlassen war, wurde er wegen neuer Straftaten festgenommen.
Diese führten zu der Verurteilung durch das Amtsgericht ... am 27.6.1966 (Az.: 23 Ls 27/66) wegen räuberischer Erpressung, versuchter räuberischer Erpressung, versuchter Notzucht und schweren Diebstahls zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren 6 Monaten.
Der Verurteilte war in das Haus einer 66 Jahre alten Dame in ... eingedrungen, die er unter Drohung mit einem mitgeführten Messer dazu brachte, ihm 200,00 € auszuhändigen. Dabei fühlte er sich sexuell erregt und versuchte, sie zu vergewaltigen, wobei es vorzeitig zum Samenerguss kam. Am nächsten Tag bedrohte er eine Frau in deren Garten mit einem Messer und forderte Geld, flüchtete dann aber, als die Frau um Hilfe rief. Einige Stunden danach kehrte er zum Tatort des Vortages zurück, drang dort in das Haus ein und entwendete ein Sparbuch.
Wegen der o.a. Verurteilung wurde die Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung aus dem Urteil vom 7.11.1963 widerrufen; die Strafvollstreckung hieraus war am 1.1.1967 erledigt (s.o.). Im Anschluss daran verbüßte der Verurteilte die Strafe aus dem Urteil vom 27.6.1966 - unterbrochen durch die zeitweilige Flucht aus der Jugendanstalt und in dieser Zeit weiterer begangener Straftaten.
Das Amtsgericht ... verurteilte ihn daraufhin am 20.2.1968 (Az: 23 Ls 71/67) wegen gemeinschaftlichen Diebstahls, und schweren Diebstahls, räuberischer Erpressung, versuchter Notzucht und Körperverletzung unter Einbeziehung der Verurteilung vom 27.6.1966 zu einer Jugendstrafe von 5 Jahren. Der Rest der Jugendstrafe wurde zur Bewährung bis zum 30.6.1973 ausgesetzt. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde widerrufen. Der Rest der Jugendstrafe wurde abermals bis zum 29.1.1979 zur Bewährung ausgesetzt. Schließlich wurde die Verbüßung des Restes der Jugendstrafe erlassen.
Der Verurteilung lag die Entwendung eines Fahrzeugs der Jugendanstalt zugrunde, das der Verurteilte mit anderen zur gemeinsamen Flucht benutzt hatte. Als er in der Folge ohne Geldmittel war, entschloss er sich, in eine Villa in ... einzubrechen, entwendete dort ein Kofferradio und ein schweres Fleischermesser. Anschließend erpresste er von der Haushälterin einen Geldbetrag und versuchte sie zu vergewaltigen. Er flüchtete jedoch, als es an der Tür klingelte.
Die Strafe aus dem Urteil verbüßte er zunächst bis zum 1. Juli 1970. Die Haftzeit nutzte er, um den Beruf des Schmiedes und Fahrzeugbauers zu erlernen. Nachdem er am 1. Juli 1970 entlassen worden war, fand er eine Arbeitsstelle als Lagerarbeiter. Er wurde jedoch weitere Male straffällig und im Dezember 1970 verhaftet:
Das Landgericht Hannover verurteilte ihn deshalb am 18.7.1972 (Az.: 24 KLs 5/71 - 32 a 79/72) wegen versuchter Notzucht in 5 Fällen und Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren. Dieser Gesamtstrafe lagen für jeden Fall der versuchten Notzucht Einzelstrafen von je 2 Jahren und hinsichtlich der Nötigung von 9 Monaten Freiheitsstrafe zugrunde.
Der Verurteilung lagen folgende Taten zugrunde:
In der Nacht zum 4.10.1970 stieg der Verurteilte in einen Kindergarten ein. Dort gelangte er, nachdem er sich zuvor ein Messer aus der Küche eingesteckt hatte, in das Zimmer der 78 alten Diakonissin, die er zu vergewaltigen versuchte. Davon ließ er ab, als sich das Opfer wehrte und eine weitere Hausbewohnerin erschien. In der Nacht zum 18.11.1970 stieg er durch das Fenster in eine Wohnung ein, in der eine 36 Jahre alte Stationshilfe im Wohnzimmer schlief. Als er versuchte, die Geschädigte zu vergewaltigen, wurde er von deren Mutter gestört, woraufhin er flüchtete. Am Morgen des 29.11.1970 folgte er einer 43 Jahre alten Frau auf dem Weg zu ihrer Pension. Er legte ihr von hinten den Arm um den Hals und hielt ihr mit der Hand den Mund zu. Mit der anderen Hand setzte er einen Gegenstand an ihre Hüfte und bedrohte sie. Als es ihr gelang zu schreien, flüchtete er. In der Nacht zum 2.12.1970 stieg er in das Zimmer einer 18-jährigen Schwesternschülerin im ...kenhaus in ... ein. Er bedrohte sie mit einem Messer und versuchte sie zu vergewaltigen, ließ aber von ihr ab, als er im Haus Geräusche vernahm. In der Nacht zum 10.12.1970 drang der Verurteilte in das ...nkenhaus in ... ein und schlich sich dort in das Zimmer der 28 Jahre alten Krankenschwester, die er unter Bedrohung mit einem Messer zu vergewaltigen versuchte. Er ließ von ihr ab und flüchtete, als sie zu schreien begann und ihn in die Hand biss. In der Nacht zum 14.12.1970 stieg der Verurteilte in das ...rheim in ... ein. Nachdem er dort zunächst Geld aus Sparschweinen entwendet hatte, drang er in das Zimmer der 64 Jahre alten Heimleiterin ein und versuchte sie zu vergewaltigen. Als eine andere Heimbewohnerin um Hilfe rief, flüchtete er.
Der Angeklagte hatte jede Tatbegehung in Abrede gestellt.
In den Urteilsgründen heißt es - basierend auf dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K. u.a.: " ... Der Angeklagte hat bei seinen Taten eine ganz erhebliche kriminelle Energie zutage treten lassen. Die Notzuchtverbrechen sind sämtlich nicht aus besonderen, den sexuellen Trieb plötzlich weckenden Ausnahmesituationen und infolge eines spontan gefassten Entschlusses erfolgt, sondern von dem Angeklagten aus der Distanz kaltblütig geplant und gegen schwierigste Hindernisse - unter gleichzeitiger Sicherung des Rückweges ins Werk gesetzt worden. Hinzu kommt, dass der Angeklagte seine Opfer bewusst in Angst und Schrecken versetzt hat ..."
Der Sachverständige Dr. K. der den Verurteilten im Jahr 1972 im Zusammenhang mit jenem Verfahren begutachtet hatte, stellte die theoretische Frage in den Raum, "ob seine Triebabartigkeit vielleicht tatsächlich (nur) so gelagert sei, dass für ihn das ängstliche Erschrecken der im Schlaf überraschten Frauen mehr oder weniger oder schon die Befriedigung darstelle, so dass er in der Regel gar nicht mehr brauche und zunächst auch nicht viel mehr bezwecke ... Zum anderen könnte es sein, das die Triebrichtung des M. tatsächlich so oder ähnlich beschaffen sei, aber das sei noch offen." Der Sachverständige Dr. K. beurteilte den Verurteilten als Charakteropath mit einer primären psychopathischen Abartigkeit mit einer nur dürftig entwickelten gemüts- und gefühlsmäßigen Integration und einer Störung seiner zwischenmenschlichen sexuellen Kontakte. Dabei wies der Sachverständige ausdrücklich darauf hin, dass die Diagnose beim Verurteilten besonders deshalb erschwert sei, weil er die ihm vorgeworfenen Sexualstraftaten bestreite und damit ein tieferer Einblick in seine eigentliche sexuelle Situation nicht möglich sei.
Aufgrund dieser Verurteilung und der Verbüßung der Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts ... vom 20.2.1968 - nach dem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung - befand sich der Verurteilte bis zum 31. Mai 1976 in Strafhaft. Ein Strafrest aus der Verurteilung vom 18.7.1972 wurde bis zum 30.5.1980 zur Bewährung ausgesetzt und dann der Rest der Jugendstrafe erlassen. Während der Strafhaft machte der Verurteilte seine mittlere Reife nach und begann - im Status als Freigänger - einen Kursus zur Ausbildung als Industriekaufmann, den er nach seiner Entlassung im Sommer 1977 erfolgreich abschließen konnte. Im Juni 1977 heiratete er, im August 1978 wurde eine gemeinsame Tochter geboren. Im selben Monat wurde er wegen weiterer Straftaten verhaftet:
Das Landgericht ... verurteilte ihn hierfür am 25.1.1979 (Az: 36/41 KLs 8/78) wegen versuchter Vergewaltigung, schweren Raubes in Tateinheit mit Vergewaltigung, und versuchten Raubes in Tateinheit mit versuchter Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren. Die Gesamtstrafe setzte sich aus Einzelstrafen von 9 Monaten wegen versuchter Vergewaltigung, 9 Monaten Freiheitsstrafe wegen Vergewaltigung, 1 Jahr Freiheitsstrafe wegen Vergewaltigung und Raubes sowie 1 Jahr Freiheitsstrafe wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter Vergewaltigung zusammen. Die Vollstreckung der verhängten Strafe wurde für 5 Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Die Strafaussetzung wurde widerrufen; die Strafvollstreckung war am 14.7.1990 erledigt.
Der Verurteilung hat das Landgericht folgende Feststellungen zugrunde gelegt: Am 19.2.1978 gegen 21.00 Uhr drang der Verurteilte mit einem Damenstrumpf maskiert in eine Gartenlaube in Hannover ein, traf dort auf eine 51-jährige Frau die dort mit einem 78-jährigen Rentner lebte. Er fesselte den Rentner und versuchte die Frau, deren Hände er zusammengebunden hatte und die er mit einem Messer bedrohte, zu vergewaltigen. Es kam jedoch zum vorzeitigen Samenerguss. Am 21.3.1978 drang er, mit einem Damenstrumpf maskiert, erneut in diese Gartenlaube ein. Er bedrohte den Rentner mit einer Gaspistole, fesselte ihn wiederum und vergewaltigte die Frau im Nebenzimmer, nachdem er sie mit einem Messer bedroht hatte. Am 14.4.1978 drang er ein weiteres Mal, mit einem Damenstrumpf maskiert, in eine Gartenlaube ein, traf dort auf eine 63 Jahre alte Frau, die er mit einem Messer bedrohte, fesselte und vergewaltigte, nachdem sie ihm zuvor 10,00 DM ausgehändigt hatte. Am 12.8.1978 drang er in das ...oster in Hannover ein, traf dort in ihrem Zimmer auf eine 81 Jahre alte Frau, die er mit einem Messer bedrohte und von der er Geld verlangte. Die Tat konnte nicht ausgeführt werden, weil die Frau um Hilfe rief und der Verurteilte darauf hin flüchtete.
Der Verurteilte hatte die Taten zunächst bestritten, in der Hauptverhandlung jedoch erstmals pauschal eingeräumt.
In den Urteilsgründen ging die Kammer davon aus, dass beim Verurteilten eine schwere Sexualneurose auf der Basis eines unbewältigtenÖdipus-Komplexes vorliegt, die als andere seelische Abartigkeit i.S.§20 StGB anzusehen und dass der Verurteilte infolge dessen bei seinen Taten in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen sei.
Zu dieser Annahme ist die Kammer aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S. gelangt. Dieser hatte aufgrund seiner Erfahrungen auf dem Gebiet der Sexualdelikte und Psychoanalyse versucht, die Ursachen der Straftaten des Verurteilten zu ergründen.
Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft am 25.1.1979 arbeitete der Verurteilte in der Folge u.a. als Sachbearbeiter einer Auskunftei in Hannover und als selbstständiger Handelsvertreter. Anfang August 1980 zog die Familie nach ...um. Dort war der Verurteilte als Transportfahrer zu nächtlichen Fahrten für eine Fotofirma aus ... tätig - bis zu der weiteren Festnahme im Oktober 1980 - wegen neuer im Zeitraum August bis Oktober 1980 begangener Straftaten.
Wegen dieser Taten verurteilte ihn das Landgericht ... am 16.10.1981 (12 KLs 15 Js 769/80) und nach dem durchgeführten Revisionsverfahren in Verbindung mit dem Urteil vom 9.11.1982 (13 KLs 15 Js 769/80 - 790/82) - unter Freisprechung imÜbrigen - wegen versuchter Vergewaltigung, versuchter räuberischer Erpressung und sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren, gebildet aus Einzelstrafen, 4 Jahre Freiheitsstrafe wegen sexueller Nötigung, 3 Jahre Freiheitsstrafe wegen versuchter Vergewaltigung und 3 Jahre Freiheitsstrafe wegen versuchter räuberischer Erpressung. Außerdem wurde Sicherungsverwahrung gemäß §66 Abs. 1 Nr. 1 u. 2, Abs. 3 StGB angeordnet. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wurde am 16.7.1992 zur Bewährung ausgesetzt und am 14.7.1995 für erledigt erklärt.
Bei seiner Entscheidung ging das Landgericht von folgenden Tatgeschehen aus: In den Morgenstunden des 12.9.1980 - anlässlich der Rückkehr von einem Transport für die Firma ... - fuhr er in ... im nicht zu seiner Familie nach Hause, sondern zum ... wall, in der Absicht, geeignete Häuser zu finden, in die er mit der Erwartung eindringen konnte, dort eine Frau zu finden, die er vergewaltigen wollte. Er drang dort durch das geöffnete Fenster in das Schlafzimmer der dort wohnenden 60 Jahre alten Apothekerin ein und versuchte sie zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen. Dabei griff er sie körperlich an, benutzte ein Messer und bedrohte sie verbal, wobei sie sich infolge ihrer Gegenwehr eine Schnittwunde am linken Zeigefinger zuzog. Nachdem das Opfer mitgeteilt hatte, dass es 60 Jahre alt sei und einen Herzfehler habe, ließ er von ihr ab. Am 6.10.1980 gegen 14.15 Uhr griff er - vermummt mit einer Strumpfmaske - eine Arbeiterin vor deren Wohnung von hinten an, setzte ihr mit der rechten Hand ein Messer auf die Brust und brachte sie dazu, mit ihm in ihre Wohnung zu gehen. Als die Geschädigte ihre im ersten Stock lebende Tochter rief und sie warnte, verließ der Verurteilte fluchtartig das Haus, nachdem er zuvor vergeblich versucht hatte, in das Zimmer der Tochter einzudringen, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu rufen. In der Nacht zum 7.10.1980 - anlässlich des Transportes von Filmmaterial - befuhr er u.a. den Ortsteil ... der Ortschaft S., wiederum in der Absicht, ein geeignetes Haus zu finden, in das er mit der Erwartung eindringen konnte, dort eine Frau zu finden, die er vergewaltigen wollte - und dabei gegebenenfalls Geld oder Wertsachen an sich zu bringen. Er drang dort, wiederum vermummt mit einer Strumpfmaske, in ein Einfamilienhaus ein, traf im Schlafzimmer des Hauses auf einen Rentner. Diesen bedrohte er mit einem mitgeführten Messer und verlangte von ihm Geld. Dem Opfer gelang es, den Angeklagten abzuwehren und zu vertreiben. Der Verurteilte hatte diese Taten eingeräumt und sich hierzu insbesondere durch die Sachverständige Dr. W. ausführlicher explorieren lassen.
In seinem Urteil vom 9.11.1982 kommt das Landgericht ... aufgrund folgender Erwägungen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung:
"Die Sicherungsverwahrung war gemäß §66 StGB gegen den Angeklagten anzuordnen.
Hinsichtlich der formellen Voraussetzungen des §66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie Abs. 3 StGB wird auf die Erörterung der Vorstrafen verwiesen.
Der Angeklagte ist ein Hangtäter.
Er hat sich in seiner Persönlichkeit und in seiner Gesamteinstellung dahin entwickelt, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu begehen und zwar immer dann, wenn ihm dies in den Sinn kommt, bei günstiger Gelegenheit oder durch Schaffung solcher Gelegenheiten, um sich im Rahmen der bei ihm vorliegenden sexuellen Deviation einen Lustgewinn zu verschaffen. Der Angeklagte begeht diese Straftaten unabhängig davon, ob er die Möglichkeit zu normalen sexuellen Kontakten hat oder nicht. Dabei geht er systematisch und zeitweise rücksichtslos vor. So führte er bei den letzten Straftaten regelmäßig eine feststehendes Messer sowie eine Strumpfmaske und einen Handschuh mit sich. Er suchte sich abgelegene Gegenden und einsame Häuser oder aber er stieg dort ein, wo er aufgrund der Türschilder erwarten konnte, alleinstehende Frauen zu treffen. Die Taten des Angeklagten lassen geradezu ein System des Vorgehens erkennen. Dabei handelt es sich weder um Konflikttaten noch um Gelegenheitstaten. Vielmehr wird deutlich, dass der Angeklagte immer wieder mit sexueller Motivation daran ging, Gelegenheiten für seine sexuellen Straftaten zu schaffen. Insoweit spricht insbesondere das Mitführen der Maske und des Messers für eine bewusste Planung und Ausführung der Taten.
Infolge seines Hanges zu Straftaten insbesondere gegen die Selbstbestimmung der Frau, d.h. zu im Sinn von §66 Abs. 1 Nr. 3 StGB erheblichen Straftaten, ist der Angeklagte für die Allgemeinheit gefährlich. Nach seinem Vorleben und seiner charakterlichen Haltschwäche sowie aufgrund seiner Veranlagung der bei ihm vorliegenden sexuellen Deviation mit einem immer wieder aufkommenden Verlangen, sich einen zusätzlichen Lustgewinn zu verschaffen, ist es wahrscheinlich, dass dieser Hang ihn auch künftig zu weiteren erheblichen Straftaten führen wird. Zu diesem Ergebnis ist auch der in der Hauptverhandlung gemäß §246 a StPO als Sachverständiger gehörte Prof. Dr. K. gelangt. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass nach der Vorgeschichte des Angeklagten aus psychiatrischer Sicht eine Wiederholungsgefahr besteht. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Angeklagte, falls er alsbald wieder in Freiheit wäre, sich anders verhalten würde als bisher. Unter umfassender Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten und der von ihm früher und jetzt begangenen Taten ist die Strafkammer zu der Überzeugung gelangt, dass dieser Angeklagte ohne eine massive Einflussnahme im modernen Straf- und Verwahrungsvollzug keine Besserung zeigen, sondern immer wieder gleiche oder ähnliche Straftaten wie bisher begehen wird.
In der Vergangenheit sind dem Angeklagten wiederholt Hilfen der verschiedenen Art zur Kompensation seines anfänglich infolge ungünstiger Konstellation im kindes- und Jugendalter gestörten Sozialisierungsprozesses angeboten worden. Der angeklagte hat sie auch teilweise genutzt und sich eine qualifizierte Berufsausbildung sowie ein geordnetes Familienleben geschaffen. Von weiteren Straftaten hat ihn dieses allerdings nicht abhalten können. Die intensive Betreuung durch Bewährungshelfer, die Zuwendung und das Verständnis seiner Ehefrau sowie seiner Schwiegereltern, die Geburt seiner Tochter und das ihm bei der letzten Verurteilung entgegengebrachte Vertrauen sowie die jedenfalls begonnene psycho-therapeutische Aufarbeitung durch die Psychologin Dr. R. waren erfolglos. Gezielt oder bei Gelegenheit beging der Angeklagte immer wieder gleichgelagerte Straftaten. Die überwiegende Zahl der Vortaten und die in diesem Verfahren abgeurteilten Taten weisen darauf hin und zeigen eine innere Beziehung zum Wesen des Angeklagten auf. Sie sind Ausfluss seines verbrecherischen Hanges zur Begehung von Sexualstraftaten. Soweit der Angeklagte im Fall zum Nachteil H. versucht hat, eine räuberische Erpressung zu begehen, ergab sich dieses mehr aus den zufälligen Umständen. Die kriminelle Energie des Angeklagten ist dabei unverändert geblieben. Es muss deshalb mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass auch künftig eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens von diesem Angeklagten zu erwarten ist. Zwar gesteht er seine Taten nachträglich im wesentlichen ein, er ist jedoch nicht bereit, sich von seinem Hang zu lösen. Dieser angeklagte hat bereits eine lange kriminelle Laufbahn hinter sich. Ihm gewährte Chancen hat er nicht genutzt. Die Rückfallgeschwindigkeit ist beachtlich. Aufgrund dieser Tatsachen ist deshalb zum jetzigen Zeitpunkt zu erwarten, dass der Angeklagte aufgrund seines Hanges auch künftig erhebliche Straftaten begehen wird. Deshalb muss die Allgemeinheit vor ihm auf lange Zeit geschützt werden. Mit einer psychotherapeutischen Aufarbeitung wäre bei dem Angeklagten nichts gewonnen, da sein Fehlverhalten sexuell-sadistisch motiviert ist, wie der medizinische Sachverständige Prof. Dr. K. überzeugend ausgeführt hat."
Die aus dieser Verurteilung folgende Strafhaft (Erledigung der Strafvollstreckung am 13.11.1989) und die Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom. 25.1.1979 - nach dem Widerruf der Bewährung - verbüßte der Verurteilte bis zum 14.7.1990. Nach dem Ende der Strafhaft befand sich der Verurteilte zunächst bis zum 16.7.1992 in der Sicherungsverwahrung in der JVA H. in einer offenen Abteilung.
Während der Haft bzw. der Unterbringung wurde der Verurteilte mehrfach forensischpsychiatrisch untersucht und begutachtet:
a)
Der Sachverständige Prof. Dr. L., der den Verurteilten in der Zeit zwischen Juli 1987 und Februar 1988 mehrfach explorierte, verneinte in seinem Gutachten vom 25.3.1988 aus sexualpsychiatrischer Sicht, dass es sich bei dem Verurteilten um einen sexuell in der Triebfrequenz, Triebrichtung oder dem Triebziel devianten Probanden handelt - eine sadistische Störung vermochte er (im Gegensatz zum Vorgutachter Prof. Dr. K.) nicht zu erkennen. Dazu führt er ausdrücklich aus: "Nicht Steigerung des sexuellen Lusterlebens durch sadistisches Agieren, nicht Pseudoerhöhung eines danieder liegenden Selbstwertes qua Überwältigung und Demütigung seines Opfers ... sind Leitmotiv der Sexualstraftaten, ...". Der Sachverständige konstatierte dagegen eine psychosozial retardierte Persönlichkeit, die frühkindlich erworbene Schäden über ein delinquentes Sexualverhalten zu kompensieren versucht.
b)
Der Sachverständige Dr. T texplorierte den Verurteilten am 17.9.1990 und erstattete - zur Vorbereitung einer Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Celle wegen der begehrten Aufhebung der Sicherungsverwahrung - ein Gutachten unter dem Datum vom 28.9.1990. Er stellte in seiner Diagnose psychiatrischerseits eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung (unreife, abhängige Persönlichkeit - ICD 301.8) mit einer ungünstigen Prognose und einem nicht auszuschließenden Rückfallrisiko fest. Die negative Bewertung leitete der Sachverständige aus den unsicheren Resozialisierungschancen und dem Mangel an Einsichtsfähigkeit und Problembewusstsein ab, der z.B. einer die Bewährung begleitenden erfolgreichen Psychotherapie entgegenstünde. Bezüglich der zugrunde liegenden Straftaten hat der Sachverständige in seinem Gutachten u.a. folgende Angaben des Verurteilten festgehalten: "Er sei ihr (der Frau) einfach gefolgt, habe einfach 'gar keine Gedanken mehr gehabt, was passiert und die Folgen, du willst aber mit der Frau schlafen.'". Der Verurteilte habe stereotyp angegeben, dass er seine Straftaten nicht geplant habe. "Es sei letztlich Zufall gewesen, wobei er dem Zufall jedoch eine Chance gegeben habe". Er habe zu den Taten eindrucksvoll beschrieben, wie bestimmte Situationen plötzlich Aufforderungscharakter gewonnen und einen Ablauf angestoßen hätten.
Auf der Basis dieses Gutachtens (bei der Angabe des Datums 28.9.1991 im Beschluss handelt es sich offenkundig um einen Schreibfehler) und nach Anhörung des Verurteilten hat die Strafvollstreckungskammer 1 des Landgerichts Ha. am 16.8.1991 (Az.: 51 StVK 335/91 - 15 Js 769/80 VRs StA H. den Antrag des Verurteilten auf Aufhebung der Sicherungsverwahrung mangels der notwendigen Prognose und der nach wie vor bestehenden Rückfallgefahr zurückgewiesen.
c)
In dem weiteren Gutachten des Sachverständigen Dr. T. vom 26.4.1992 wies dieser darauf hin, dass die Untersuchung keine entscheidende Veränderung der grundsätzlich wirksamen Defizite und Probleme im Zusammenhang mit der vorangegangenen konstatierten schweren Persönlichkeits- und Entwicklungsstörung ergeben hätte. Allerdings habe er insoweit eine gewisse positive Veränderung festgestellt, als die Selbstwahrnehmung und Einsichtsfähigkeit gegenüber der vorangegangenen Untersuchungssituation differenzierter erschienen sei. Die von ihm festgestellten positiven Schritte bewertete er jedoch insoweit einschränkend, als die Ursachen bzw. Wurzeln des strafbaren Handelns im engeren Sinne weiterhin im Dunkeln verborgen und für das Bewusstsein (wie auch alle therapeutischen Bemühungen) unerreichbar blieben und darin ein grundsätzlich ungünstiges prognostisches Moment zu sehen sei. Letztlich kommt der Sachverständige jedoch zu einer tendenziell günstigen Kriminalprognose mit einem gering erscheinenden Rückfallrisiko, so dass verantwortet werden könne, den Vollzug der Sicherungsverwahrung auszusetzen.
Auf der Basis dieses weiteren Gutachtens und nach Anhörung des Verurteilten hat die Strafvollstreckungskammer 1 des Landgerichts Ha. er am 2.7.1992 (Az.: 51 StVK 335/91 - 15 Js 769/80 VRs StA H.) die Vollstreckung des Restes der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung ausgesetzt und die Dauer der Bewährungszeit und die Zeit der Führungsaufsicht auf jeweils 3 Jahre festgesetzt.
Noch vor seiner Entlassung im Jahr 1992 wurde die Ehe des Verurteilten geschieden. Er zog nach seiner Entlassung nach ... er. Zu seiner geschiedenen Frau und zu seiner Tochter nahm der Verurteilte keinen Kontakt wieder auf. Er fand eine neue Lebensgefährtin, mit der er zusammen lebte. Von August 1990 - zunächst während des offenen Vollzuges - bis zu seiner letzten Verhaftung am 19.1.1993 war er in ... als Kraftfahrer bei der Firma ... beschäftigt.
II.
Die dieser Verhaftung zugrunde liegenden Straftaten führten zu dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 28.12.1993 (49 a 61/93), das hier als Anlassverurteilung dem nunmehrigen nachträglichen Sicherungsverfahren zugrunde liegt. Das Landgericht hat den Verurteilten nach Maßgabe der Entscheidung des BGH vom 17.5.1994, rechtskräftig seit dem 18.5.1994, wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Vergewaltigung, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit sexueller Nötigung, mit sexueller Nötigung und Diebstahls in zwei Fällen (Tatzeit November/Dezember 1992) - unter Freisprechung im übrigen - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt.
Dabei ist auf folgende Einzelstrafen erkannt worden:
wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Vergewaltigung 8 Jahre 1 Monat Freiheitsstrafe,
wegen schweren Raubes in Tateinheit mit sexueller Nötigung 7 Jahre 1 Monat Freiheitsstrafe
wegen mit sexueller Nötigung 5 Jahre Freiheitsstrafe
wegen Diebstahls in zwei Fällen jeweils 1 Jahr Freiheitsstrafe
Das Landgericht ... er hat in seinem in der Hauptverhandlung verlesenen Urteil im wesentlichen folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt:
- 1.
Am 12.11.1992 brach der Verurteilte in das Pfarrhaus der Gemeinde ... ein und entwendete dort ein Anschriftenverzeichnis der evangelisch-lutherischen Landeskirche.
- 2.
Am nächsten Tag gegen 22.40 Uhr drang er in die Wohnung einer allein lebenden Pastorin in ... ein. Er war mit einer Wollmütze mit Sehschlitzen und einem Mundschlitz maskiert, trug Wollhandschuhe und hatte in den Händen eine mitgebrachte kurze Eisenstange, die er drohend erhoben hatte. Zunächst forderte er von der Pastorin Geld und vergewaltigte die verängstigte Frau, nachdem er ihre Hände gefesselt hatte, in ihrem Wohnzimmer. Vor dem Samenerguss zog er jedoch seinen Penis wieder aus der Scheide und wischte ihn mit dem Schlüpfer des Tatopfers ab. Anschließend schnitt er mit einer Schere die zur Fesselung benutzten Mullbinden durch und steckte diese ein. Danach verließ er mit der Eisenstange das Haus.
- 3.
In der Nacht vom 7.12.1992 schlug der Verurteilte ein Fenster des Pfarrhauses der evangelischen Kirchengemeinde in ... ein und gelangte so in das Pfarrhaus. Er betrat das Schlafzimmer des Tatopfers, einer Pastorin. Er war wieder mit einer wollenen Maske bekleidet, trug an den Händen Wollhandschuhe und führte einen länglichen eisernen Gegenstand bei sich. Zunächst durchsuchte der Verurteilte den Nachttisch seines Opfers, fand jedoch nichts Mitnehmenswertes. Danach zog er die Bettdecke, unter der das Opfer in seinem Bett in großer Angst lag, weg und nahm seine Maske ab. Er legte sich auf die Frau, die ihn jedoch wegstieß. Das Opfer begann, auf den Verurteilten einzureden. Als sich das Opfer weiter wehrte, ließ der Verurteilte von ihr ab und zog die Maske wieder über das Gesicht. Danach zog er ihr das Nachthemd hoch und streichelte der Frau mit den Händenüber die nackte Brust. Das Opfer redete weiter auf den Verurteilten ein. Dieser entschloss sich nunmehr, das Opfer nicht zu vergewaltigen.
- 4.
In der Nacht des 8./9.12.1992 gegen 1.00 Uhr brach der Verurteilte die Kellertür des Pfarrhauses in ... auf und betrat kurze Zeit später das Schlafzimmer der dort allein lebenden Pastorin. Wieder trug der Verurteilte eine Maske mit Sehschlitzen und hielt in der linken Hand eine eiserne Brechstange. Zunächst verlangte er wieder Geld, das ihm das Opfer, das erhebliche Angst bekommen hatte, auch gab. Der Verurteilte sagte dann zu dem Tatopfer, welches sich auf das Bett gesetzt hatte, "so jetzt will ich Sie noch vergewaltigen". Anschließend legte er sich auf die Frau, fasste ihr an die Brust, wobei es dem Opfer gelang, den Verurteilten an den Unterarmen zu kratzen. Bei der weiteren körperlichen Auseinandersetzung gelang es der Frau, dem Verurteilten die wollene Gesichtsmaske vom Gesicht herunterzuziehen. Dieser sprang sofort auf und zog sich die Maske wieder über das Gesicht. In diesem Moment entschloss sich der Verurteilte, diese Frau nicht mehr zu vergewaltigen. Es entwickelte sich zwischen den beiden ein längeres Gespräch, das mehr als eine Stunde dauerte. Danach verließ der Verurteilte das Haus.
Dieser Sachverhalt wurde festgestellt, ohne dass sich der Verurteilte in der damaligen Hauptverhandlung eingelassen hätte. Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß §66 StGB hat das Landgericht - entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft - mit folgender Begründung verneint:
"Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß §66 StGB hat die Kammer nicht angeordnet. Eine Gesamtwürdigung des Angeklagten und seiner Taten ließ hier einen Hang zu solchen Straftaten verneinen. Der medizinisch-psychiatrische Sachverständige Dr. K. hat in der Hauptverhandlung überzeugend ausgeführt, daß sich bei diesen Taten weder ein durch Anlage noch durch Übung erwobener Hang des Angeklagten zu immer neuen Taten im Sinne eines eingeschliffenen Verhaltensmusters zeige. Aus psychiatrischer Sicht seien diese Taten Gelegenheits- oder Augenblicktaten, die sich aus der Situation heraus für den Angeklagten ergeben hätten. ..."
Der Verurteilte hatte auch gegenüber dem Sachverständigen Dr. K. keine Angaben zu den Taten gemacht.
Wegen der Verurteilung aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 28.12.1993 befand sich der Verurteilte vom 20.1.1993 bis zum 17.12.2006 in Untersuchungs- und später in Strafhaft.
III.
Unter dem 6.6.2006 hat die Staatsanwaltschaft beantragt, gegen den Verurteilten die Sicherungsverwahrung nachträglich anzuordnen. Die Kammer hat zur Frage der Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit die Sachverständigengutachten des Dr. med. Dipl.-Psych. R., Klinik ... und des Dr. med. L. eingeholt. Mit Beschluss vom 14.12.2006 hat die Kammer gemäß §275 a Abs. 5 StPO die einstweilige Unterbringung angeordnet, aufgrund dessen sich der Verurteilte seit dem 18.12.2006 weiterhin in der JVA H. befindet.
IV.
Zum Vollzugsverlauf hat die Kammer folgendes festgestellt:
1.
Während des Vollzuges hat sich der Verurteilte gegenüber dem zwischenzeitlich verstorbenen Dipl. Sozialwissenschaftler S. der ihn in der JVA betreute, zu den Taten aus der Ausgangsverurteilung nicht geäußert, sondern mit ihm nur über frühere Taten gesprochen. Nähere Inhalte der Gesprächstherapie konnten nicht ermittelt werden. Erst in der Vollzugsplankonferenz der JVA vom 11.12.1997 bekannte sich der Verurteilte erstmalig zu den hier in Rede stehenden Straftaten, ohne Einzelheiten zu offenbaren. Das hat der Verurteilte selbst so bestätigt und wurde auch durch die Zeugin Dipl.-Psychologin ..., die den Verurteilten als Anstaltspsychologin seit dem Jahr 2000 anstelle des vorher tätigen Dipl. Sozialwissenschaftlers ... in der JVA betreute, und die Zeugin B. als Vollzugsabteilungsleiterin so bekundet, auch in Übereinstimmung mit dem in der Hauptverhandlung vorgehaltenen Protokoll der oben genannten Vollzugsplankonferenz.
2.
Im Februar 2004 war der Sachverständige Dr. R. zur weiteren Klärung der Vollzugsgestaltung durch die JVA beauftragt worden, ein kriminalprognostisches Gutachten zur Frage der Gefährlichkeit und der noch bestehenden Risikofaktoren zu erstatten und zu versuchen, die "motivationalen Hintergründe des delinquenten Handelns und die Ursachen sowie die Charakteristika der Persönlichkeitsentwicklung" zu erhellen. Diesem Sachverständigen hat der Verurteilte am 27.4.2004 weitergehende Angaben zu seinen Straftaten gemacht. Er gab ihm gegenüber an, er habe mit Hilfe des Adressbuches Pastorinnen in der Vorstellung ausgesucht, diese würden angesichts ihrer Stellung in der Öffentlichkeit nicht so leicht eine Anzeige machen. Um sicher zu gehen, dass die Opfer alleinstehend waren, habe er sich dazu jeweils zuvor durch einen entsprechenden Kontrollanruf vergewissert. Wenn er dahin gefahren sei, habe sich ein ziemlicher Adrenalinspiegel aufgebaut. Es sei ihm darum gegangen, eine Frau zu beherrschen, Frust abzubauen. Ihm sei zwischen den Taten bewusst gewesen, dass er in dem H. Verfahren bezüglich der angeordneten Sicherungsverwahrung unter Bewährung stand; das habe ihn von seinen Taten nicht abgehalten.
Aufgrund dieses Gutachtens wurden dem Verurteilten Vollzugslockerungen, teilbegleitete Ausgänge mit Bediensteten der JVA während des Tages, nicht jedoch zu Nachtzeiten gewährt. Zu Beanstandungen kam es nicht.
Diese Feststellungen beruhen auf den Aussagen der Zeuginnen O. er und B. und den Angaben der Sachverständigen Dr. L. und Dr. ... aus ihrer Kenntnis des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. R..
3.
Auf Veranlassung der 16. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover, im Zusammenhang mit einem gestellten Antrag des Verurteilten auf vorzeitige Entlassung, untersuchte der Sachverständige ... Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, den Verurteilten im Januar/Februar 2006 in der JVA. Auch ihm gegenüber räumte er alle Straftaten ein - einschließlich des Diebstahls des Adressbuches - und machte weitergehende Angaben zu seinen Beweggründen und zu seinem inneren Erleben vor den und während der Taten: Er habe das Adressbuch an sich genommen und darin die über 40 Jahre alten Pastorinnen angestrichen, um sie zu überfallen. Es hätte auch eine "Liste mit Anwälten oder Psychotherapeuten" sein können. Bei der Auswahl der als Opfer ins Auge gefassten Pastorinnen hätte ihn schon der Gedanke erregt, dass die zuüberfallenden Frauen etwa aus Scham nicht so schnell zur Polizei gehen würden. Er habe sich dann den Geschehensablauf vorgestellt und sei zunehmend erregt geworden. Er habe der Beherrscher der Situation sein müssen. Durch die Vorbereitung der Taten (u.a. Mitführen von Pudelmütze und Handschuhen) habe sich die Erregung weiter aufgebaut. Der Zeitabstand zwischen den Taten sei immer geringer geworden. Soweit er eine Frau angetroffen und mit ihr "gerangelt" und er die Frau dabei an der Brust berührt habe, sei es bei ihm, wie auch schon früher in ähnlichen Szenen, zum Samenerguss gekommen; er habe den Tatort verlassen, so dass es von außen wie ein Versuch erschienen sei. Sobald sich die Frauen massiv gewehrt hätten, sei seine sexuelle Erregung verschwunden. Wichtig für ihn sei gewesen, dass die Frauen jeweils nachgegeben hätten und er sie habe berühren können, dabei sei es für ihn um die Bemächtigung gegangen. Der Sachverständige P. ist im Rahmen seines damaligen Auftrages daraufhin zu dem Schluss gekommen, dass der Verurteilte besonders gefährlich ist. Vorstehende Feststellungen hat die Kammer nach den Bekundungen des damaligen Sachverständige P. als Zeuge in der Hauptverhandlung getroffen.
Dessen Einschätzung hat der Staatsanwaltschaft seinerzeit Anlass gegeben, das Verfahren auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung einzuleiten. Der Verurteilte hat seinen Antrag auf vorzeitige Entlassung zurückgenommen.
4.
Der Verurteilte verhielt sich im Vollzug grundsätzlich unauffällig angepasst. Negative Aktivitäten wurden nicht bekannt. Therapeutisch war der Verurteilte im wesentlichen nicht erreichbar. Er zeigte keine nachhaltige innere Auseinandersetzung mit den Taten.
Diese Feststellungen hat die Kammer aufgrund der Angaben der vernommenen Zeugen O., B., Z., als als vormaligem Assistenten und jetzt kommissarisch zuständigem Nachfolger der Zeugin ... und des im Strafvollstreckungsverfahren tätigen Sachverständigen P. getroffen. In diesem Zusammenhang hat die Zeugin O. darauf hingewiesen, dass, soweit durch therapeutische Maßnahmen beim Verurteilten eine gewisse Betroffenheit gegenüber den Tatopfern kurzfristig geweckt werden konnte, diese Betroffenheit bereits kurz danach wieder verblasste. Ähnlich hat sich der damalige Sachverständige P. geäußert. Er hat aufgrund seiner Exploration des Verurteilten nicht auszuschließen vermocht, dass die Entwicklung der Opferempathie infolge der verhaltenstherapeutischen Maßnahmen in der Haft zwar in gewisser Weise positiv gefördert worden sein könnte, dass eine durchgreifende Betroffenheit jedoch nicht erkennbar geworden sei.
V.
Die formellen Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß §66 b Abs. 1, 2, §66 StGB sind erfüllt. Dieses ergibt sich aus den verhängten Einzel-/Gesamtstrafen der oben genannten Verurteilungen, sowie den angeführten Verbüßungszeiten.
VI.
1.
Auch die materiell-rechtlichen Anordnungsvoraussetzungen der nachträglichen Sicherungsverwahrung gem. §66 b StGB liegen vor. Bei dem Verurteilten besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass er infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden. Diese Einschätzung hat die Kammer aus den in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten der Sachverständigen Dr. R und Dr. L. gewonnen. Beide Sachverständige haben überzeugend und im wesentlichen einhellig dargelegt, dass bei dem Verurteilten eine gravierende Persönlichkeitsstörung vorliegt, und dass bei ihm als Hangtäter ein hohes Rückfallrisiko für die Begehung ähnlicher Sexualstraftaten besteht.
Der Sachverständige Dr. L. hat bei dem Verurteilten eine Persönlichkeitsstörung mit dem Störungsbild eines "zweifellos vorhandenen Sadismus mit sexueller Prägung" diagnostiziert, der den Verurteilten als Hangtäter qualifiziert. Zu dieser Diagnose ist er, der Systematik des ICD 10 folgend, nach Auswertung der Delinquenzgeschichte und den Angaben des Verurteilten im Vollzug gelangt. Dabei war für die Diagnose des Sachverständigen Dr. L. maßgebend, dass der Verurteilte seine sexuelle Erregung schon im Vorfeld bei der Vorstellung verspürte, dass seine Handlungen mit Erniedrigung und psychischem Leiden seiner Opfer verbunden sein würden und er Macht über sie ausüben würde. In dieser Weise fantasierte er seine sexuellen Handlungen vor. Er bereitete sie praktisch rituell vor, indem er Handschuhe, Fesselwerkzeug und Waffen mit sich führte. Es überkam ihn geradezu dranghaft, wieder loszuziehen und neue Straftaten zu begehen.
Um das grundsätzliche Risiko für die Rückfallwahrscheinlichkeit zu bestimmen, hat der Sachverständige Dr. L. die statistischen Prognoseinstrumente PCL-SV, HCR-20 und SVR-20 angewandt. Er hat hervorgehoben, dass sich aus diesen Checklisten kein konkreter Wert für die Rückfallwahrscheinlichkeit des Verurteilten ermitteln lässt, sondern dass sie nur der groben Richtungsbestimmung dienen können. Hier sprechen sie bei dem Verurteilten in der Gesamtauswertung für ein moderates bis - bezüglich der Sexualdelikte - hohes Rückfallrisiko. Die allgemeine kriminalstatistische Rückfallwahrscheinlichkeit bei Sexualstraftätern ist dagegen nach den Angaben des Sachverständigen Dr. ... in Bezug auf den Verurteilten wegen dessen ungewöhnlichen Werdegangs mit den langjährigen Haftzeiten wenig aussagekräftig. Insgesamt spricht die kriminelle Karriere des Verurteilten mit den schnellen Rückfällen nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. L. für eine ungünstige Prognose. Er bewertet das Rückfallrisiko beim Verurteilten - unbeschadet seines Alters und zweier überstandener Herzinfarkte - hoch und zwar ähnlich hoch wie nach der letzten Haftentlassung, nach der es, wie bekannt, sehr schnell zum erneuten Einstieg in einschlägige Straftatenserien gekommen ist. Dieses Risiko müsse als im Grundsatz nicht therapierbares Dauerrisiko angesehen werden; eine mögliche medikamentös dämpfende Einwirkung auf den Sexualtrieb könne dieses Risiko nicht entscheidend vermindern - der Sexualtrieb des Verurteilten sei im Normalbereich anzuordnen und nicht als Hauptimpuls für die Begehung der Taten anzusehen. Durch sein Verhalten im Vollzug sieht der Sachverständige die vom Verurteilten ausgehende Gefahr nicht gemindert an. Auch in der Vergangenheit habe sich der Verurteilte im Vollzug jeweils unauffällig gezeigt. Aber nach endgültiger Entlassung, "als die Zügel nicht mehr eng gehalten werden konnten", sei es bald zu typischen Sexualstraftaten gekommen. Bei der Bestimmung der Rückfallgefahr könne auch nicht außer Acht bleiben, dass ebenso wie in der Vergangenheit bereits marginale Veränderungen in der Außenwelt des Verurteilten, z.B. zeitweilige Abwesenheit der Bezugsperson (Aufenthalt während der Entbindung des gemeinsamen Kindes, Kuraufenthalt), als Anstoß für den Aufbau der letztlich auslösenden Spannungssituation ausreichen können.
In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. L. hat der Sachverständige Dr. P. die Diagnose eines Sadismus mit sexueller Prägung gestellt. Auch er beurteilt den Verurteilten als Hangtäter, den er für die Allgemeinheit als in erheblichem Maße gefährlich ansieht. Von ihm seien für den Fall seiner Entlassung in die Freiheit sogar recht kurzfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit Rückfalldelikte zu erwarten, durch die seine Opfer seelisch und körperlich schwer geschädigt werden.
Diese Einschätzung der beiden Sachverständigen Dr. L. und Dr. R. stimmt mit der Bewertung überein, die der im Strafvollstreckungsverfahren tätig gewesene Sachverständige P. dargelegt hat.
Die Kammer schließt sich diesem Ergebnis nach eigener sorgfältiger Prüfung an.
2.
Diese Gefährlichkeitsprognose beruht auf neuen Tatsachen i.S. §66 b StGB. Der Kammer ist bewusst, dass diese neuen Tatsachen nur unter besonders engen Voraussetzungen angenommen werden können:
Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gehört zu der schwersten Unrechtsfolge des Strafrechts (BVerfGE 109, 190, 211 ff), weil sie eine zeitlich unbefristete Unterbringung ermöglicht. Dieser Eingriff in die Freiheitsrechte und den Vertrauensschutz eines Verurteilten ist unter Abwägung mit dem Erfordernis einer nachhaltigen Gefahrenabwehr und dem Schutz vor Verletzungen wichtiger Rechtsgüter durch gefährliche Wiederholungstäter nur dann verfassungsrechtlich hinnehmbar, wenn die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nach dem Willen des Gesetzgebers restriktiv gehandhabt werden Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung soll nach dem Willen des Gesetzgebers nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen und auf einige wenige Verurteilte beschränkt bleiben (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in vorliegender Sache vom 29.3.2007 - 2 BvR 275/07, BT-Drucksache 15, 2887 S. 20; BVerGE 19, 190, 236; BVerfG Beschluss vom 23.8.2006 - 2 BvR 226/06; BGH NStZ 2005, 561, 562 [BGH 11.05.2005 - 1 StR 37/05]; Beschluss vom 19.1.2006 - 4 StR 222/05; Beschluss vom 22.2.2006 - 5 StR 585/05). Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass das Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht dafür geschaffen worden ist, rechtsfehlerhafte frühere Entscheidungen zu korrigieren (d.h. strikter Vorrang des Erkenntnisverfahrens, in dem die Anordnung einer Sicherungsverwahrung hätte erfolgen können), kommen als neue Tatsachen im Sinne des§66 b StGB nur solche in Betracht, die erst im Vollzug der Freiheitsstrafe bekannt geworden sind, die aus Sicht des Gerichts schon für sich gesehen von besonderem prognoserelevanten Gewicht, im symptomatischen Zusammenhang mit der Anlassverurteilung stehen (BGH Beschluss vom 22.2.2006 a.a.O., m.w.N.) und die die Gefährlichkeit des Verurteilten gegenüber der Ausgangsverurteilung in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dabei ist zu beachten, dass Umstände, die für den früheren Tatrichter im Sinne von §244 Abs. 2 StPOerkennbar waren, als "neue Tatsachen" ebenso ausscheiden, wie bloße neue (abweichende) Bewertungen von bereits bei der Anlassverurteilung bekannten oder erkennbaren Tatsachen. Dazu zählt auch eine abweichende psychiatrische Diagnose auf bekannter Tatsachengrundlage (BGH, StV 2006, 66, 67 [BGH 09.11.2005 - 4 StR 483/05]). Erkennbar sind Tatsachen, die ein sorgfältiger Tatrichter hätte aufklären müssen, um entscheiden zu können, ob eine Maßregel nach §§63, 64, 66, 66 a StGB anzuordnen ist (BGHSt 50, 275), bzw. solche Tatsachen, die der Tatrichter nach dem Maßstab des §244 Abs. 2 StPO zur Entscheidung über die Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel zu erforschen hatte und bei hinreichender Aufklärung gefunden hätte (BGH NStZ-RR 2006, 172 [BGH 22.02.2006 - 5 StR 552/05]). Dabei konkretisiert die Rechtsprechung den Begriff der neuen Tatsachen dahin, "dass die Tatsachen dem letztinstanzlichen zuständigen Gericht im Ausgangsverfahren auch nicht bei pflichtgemäßer Wahrnehmung seiner Aufklärungspflicht hätten bekannt werden können" (BVerfG StV 2006, 574 [BVerfG 23.08.2006 - 2 BvR 226/06]). Als Voraussetzung für die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht tauglich sind deshalb Tatsachen, für die es im Ausgangsverfahren Anhaltspunkte gegeben hat, die aber damals vom Gericht unbeachtet geblieben sind.
Als neue Tatsachen hat die Kammer bewertet, dass sich der Verurteilte erstmals im Laufe des Strafvollzugs gegenüber dem Sachverständigen P. detailliert gegenüber dem damaligen Sachverständigen P. - bestätigt auch gegenüber den Sachverständigen Dres. L. und R. zu den in der Anlassverurteilung zugrunde liegenden Taten, - und hierbei erstmals zu seinen Empfindungen vor und bei der Begehung der Taten - geäußert hat. Zu den Einzelheiten wird auf Seite 16, 17 Ziff. 2) u. 3) verwiesen.
Mit seinen Angaben zu den sich im Vorfeld entwickelnden Lustgefühlen und den mit den Taten verbundenen Machtphantasien hat der Verurteilte erstmalig direkten Einblick in die seinen Taten zugrunde liegenden dranghaften Impulse und in die maßgebenden Empfindungen gegeben, die für ihn mit den Taten in ihrer Vorbereitung und während des Tatgeschehens verbunden waren. Diese Angaben waren wesentliche Anknüpfungspunkte für die durch die Sachverständigen gestellte Diagnose des Sadismus mit sexuellen Anteilen. Sie ermöglichten die Abgrenzung zu rein sexueller Motivation des Täters für seine Straftaten. Mit den Angaben hat sich erstmals auch die Möglichkeit ergeben, die im Ausgangsverfahren zugrunde gelegte Annahme zu widerlegen, es habe sich um Spontan- bzw. Augenblickstaten gehandelt. Dagegen sprach nun die Schilderung des Verurteilten, seine Erregung habe schon mit der Auswahl der Pastorinnen aus dem Anschriftenverzeichnis in der Vorstellung eingesetzt, diese würden mutmaßlich Hemmungen haben, die Übergriffe anzuzeigen. Daneben muss aus seiner Angabe, er habe das Anschriftenverzeichnis der Hannoverschen Landeskirche an sich gebracht, es hätte auch eine "Liste mit Anwälten oder Psychotherapeuten" sein können, abgeleitet werden, dass die den Verurteilten drängenden Impulse - insoweit auch im Unterschied zu den vorangegangenen Taten - bereits so früh einsetzten, dass sie ihn zu einer umfassenden Planung und Vorbereitung veranlassten. Dazu gehörte nicht nur die Auswahl der Opfer aus dem Anschriftenverzeichnis, sondern auch der regelmäßige vorherige telefonische Kontrollanruf bei den vorgesehenen Opfern, um sich zu vergewissern, dass sie alleinstehend waren.
Die Schilderung des Verurteilten ist zur Überzeugung der Kammer glaubhaft. Die Sachverständigen haben übereinstimmend ausgeführt, dass die Angaben angesichts der Tatbilder und der sonstigen Angaben des Verurteilten plausibel sind. Die Kammer schließt nach alledem aus, dass der lange Zeitablauf und/oder etwaige psychologische Verarbeitungsstrategien den Verurteilten bei seinen Angaben beeinflusst haben könnten, so dass diese verfälscht sein könnten.
Der bei dem Verurteilten konstatierten hohen Gefährlichkeit steht nach Überzeugung Kammer nicht entgegen, dass sich der Verurteilte im Vollzug erstmals gegenüber dem Sachverständigen P. insbesondere dem damaligen Sachverständigen P. zu seinen Taten geäußert hat. Die Kammer wertet dieses ausdrücklich nicht als beginnende Aufarbeitung des Tatgeschehens, die eine positive Entwicklung des Verurteilten indizieren könnte. Dieses folgert die Kammer daraus, dass die Zeugin O. in der Hauptverhandlung - in Übereinstimmung mit dem damaligen Sachverständigen P. - erklärt hat, dass sich trotz der Therapieansätze keine wirkliche Opferempathie bei dem Verurteilten entwickeln konnte. Diese Einschätzung steht in Übereinstimmung mit den Angaben der Zeugin B., wonach der Verurteilte - bei aller guten Führung - therapeutisch nicht erreichbar gewesen sei, und den Angaben des Sachverständigen Dr. L. in der Hauptverhandlung, "der Verurteilte fühle seine eigene Gefährlichkeit nicht." Dagegen spricht auch nicht, dass die bisherigen Ausgänge - ohnehin auf die Tageszeit beschränkt - beanstandungsfrei abgelaufen sind. Die Wiederholungsgefahr besteht nach den Angaben der Sachverständigen Dr. L. und Dr. P. über einen langen Zeitraum, der bis zu 15 Jahre betragen kann: "Insgesamt besteht diese Rückfallgefahr, wenn der Rahmen und der Druck der Haft nicht mehr vorhanden ist." (Dr. ...)
Für die Kammer besteht kein Zweifel daran, dass die beschriebene massive und dauerhafte Persönlichkeitsstörung des Verurteilten und die daraus abzuleitende Gefahr für das Gericht des Ausgangsverfahrens nicht erkennbar war. Im vorliegenden Verfahren war auf die Frage abzustellen, ob die für die Entscheidung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen für das erkennende Gericht im Ausgangsverfahren bei sorgfältiger Würdigung aller bereits damals zur Verfügung stehenden Erkenntnisse und Erkenntnismöglichkeiten vorlagen, ob also alle verfügbaren Erkenntnisse diese Einlassung des Verurteilten seinerzeit entbehrlich gemacht hätten. Dies verneint die Kammer.
Zwar haben die Sachverständigen Dr. L. und Dr. R. darauf hingewiesen, dass nach ihrer Auffassung im Zusammenhang mit der Vorgeschichte, den Vorgutachten und dem äußeren Tatbild bereits zum damaligen Zeitpunkt genügende Anhaltspunkte vorgelegen hätten, um den Verurteilten hinreichend sicher als Hangtäter bzw. die von ihm ausgehende Gefahr im Zusammenhang mit der bei ihm vorhandenen sexuellen Devianz "hinreichend sicher" beurteilen zu können. Hierzu hat der Sachverständige Dr. L. angegeben, dass die Angaben des Täters allenfalls als untergeordnetes Indiz neben anderen Tatsachen anzusehen seien. Insbesondere wäre auf das Tatbild abzustellen gewesen. Als Beleg hat er auf die Ausführungen in einer wissenschaftlichen Arbeit zur kriminalprognostischen Begutachtung verwiesen:
" ... Tatwerkzeuge: Waffen, Knebel, Stricke, Klebeband, Handschellen, Brustklemmen, Chemikalien, Watte, Transportmittel hat ein Erwachsener nicht zufällig dabei. Wer Tatwerkzeuge mitbringt, hat die Tat geplant - im Falle von Sadismus stets hunderte Male vorfantasiert. Je mehr Werkzeuge eingesetzt werden, desto näher liegt die Annahme (Hervorhebung durch die Kammer) einer lebhaft ausgestalteten Fantasietätigkeit und eines Sadismus." (R.J. Stoller, zitiert in H.L. Kröber Kriminalprognostische Begutachtung, Darmstadt2006).
Diese Ausführungen der Sachverständigen beruhen indes auf einer ex-post-Betrachtung aus heutiger fachlicher Sicht. Diese Sichtweise konnte aber für die jetzige Entscheidung der Kammer nicht maßgeblich sein. Denn die wissenschaftliche Methodik hat sich nach den Angaben des Zeugen und Sachverständigen P. und des Sachverständigen Dr. R. in den letzten 5 bis 7 Jahren geändert.
Damals entsprach es noch dem Stand der Wissenschaft, für ein psychiatrisches Gutachten zu Sexualstraftaten in erster Linie auf die Angaben des Täters abzustellen. Fehlten solche Angaben eines Angeklagten, wurde - wie auch der Sachverständige Dr. L. ausgeführt hat - allenfalls der Versuch unternommen, nach möglichen Erklärungen für Störungsbilder zu suchen, die dann zu Mutmaßungen führten, auf deren Grundlage gegebenenfalls eine - durchaus ungesicherte - Diagnose gestellt wurde.
Vor diesem Hintergrund konnten damals den Vorverurteilungen und Vorgutachten im Ausgangsverfahren keine entscheidende Bedeutung als Erkenntnisgrundlage beigemessen werden. Zwar hat der Verurteilte in der Vergangenheit eine Vielzahl ähnlicher Straftaten begangen, die im Tatbild teilweise vergleichbare Strukturen aufweisen - jedoch ohne das nun zutage getretene hohe Maß an Planung und Vorbereitung. Da der Verurteilte zu den damaligen Taten keine Angaben gemacht hatte - bis auf marginale Ausnahmen - enthalten alle Vorgutachten lediglich Mutmaßungen über die Impulse, die den Verurteilten zu seinen Tat veranlassten, und die dabei von ihm wahrgenommenen Empfindungen. Symptomatisch dafür ist der Umstand, dass die verschiedenen Sachverständigen den Verurteilten in der Vergangenheit ganz unterschiedlich eingeschätzt haben.
aa)
So wurde der Verurteilte im Jahr 1972 durch den Sachverständigen Dr. K. als "Charakteropath mit einer primären psychopathischen Abartigkeit mit einer nur dürftig entwickelten gemüts- bis gefühlsmäßigen Integration und einer Störung seiner zwischenmenschlichen sexuellen Kontakte" beurteilt. Dabei machte der Sachverständige zugleich deutlich, dass sich seine Bewertung im wesentlichen auf Mutmaßungen stützt. Der spekulative Charakter seiner Bewertung wird nicht zuletzt durch die Formulierung im Gutachten deutlich, mit der dieser Sachverständige die theoretische Frage in den Raum stellt, "ob die Triebabartigkeit des Verurteilten vielleicht tatsächlich (nur) so gelagert sei, dass für ihn das ängstliche Erschrecken der im Schlaf überraschten Frauen mehr oder weniger oder schon die Befriedigung darstelle, so dass er in der Regel gar nicht mehr brauche und zunächst auch nicht viel mehr bezwecke ... Zum anderen könnte es sein, das die Triebrichtung des M. tatsächlich so oder ähnlich beschaffen sei, aber das sei noch offen." Zugleich weist er darauf hin, dass die Diagnose des Verurteilten deshalb besonders erschwert sei, weil er die ihm vorgeworfenen Sexualstraftaten bestreite und damit ein tieferer Einblick in seine eigentliche sexuelle Situation nicht möglich sei. Daraus ist zu entnehmen, dass schon dem Sachverständigen Dr. K. wesentlich erscheinende Tatsachen nicht zur Verfügung standen.
bb)
Der Sachverständige Dr. S. meint in seinem im Januar 1979 erstatteten Gutachten - auf der Basis seiner beruflichen Erfahrung als Sachverständiger und im Gegensatz zu dem vorangegangenen Gutachten - man könne bei dem Verurteilten nicht mehr von einer abnormen psychopatischen Persönlichkeitsanlage mit sexuellen Abartigkeiten (kein "Charakteropath mit einer primären psychopathischen Abartigkeit") sprechen. Zu dieser Einschätzung gelangt er "gerade in Verbindung mit der Entwicklung der letzten Jahre" (er ging von der straffreien Führung des Verurteilten während der zwei Jahre nach der Entlassung aus der Strafhaft aus). Er konstatiert jedoch einen Hang zu kriminellen Handlungen; nach seiner Prognose müsste ohne Behandlung auch künftig mit der Begehung gleichartiger Taten gerechnet werden. Auch seine Bewertung beruht nach eigenen Angaben im wesentlichen auf Hypothesen: So betont auch dieser Sachverständige, dass seine Beurteilung auf der gleichen Ebene fuße wie die der Vorgutachter, weil der Verurteilte die Taten wiederum bestreite. Seine Diagnose, beim Verurteilten liege eine Psychoneurose/Sexualneurose in der Weise vor, dass die Handlungen des Verurteilen auf einen unbewältigten Ödipuskomplex zurückzuführen seien, wird im Übrigen von keinem derübrigen mit dem Verurteilten befassten Sachverständigen geteilt.
cc)
Der Sachverständige Prof. Dr. K. ist in seinem im Jahr 1981 in dem Verfahren des Landgericht Hildesheims (13 KLs 78/82) erstatteten Gutachten, d.h. 12 Jahre vor der Hauptverhandlung im Ausgangsverfahren hier, zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Verurteilten eine Deviation aus dem sado-masochistischen Formenkreis vorlag. Der Sachverständige konnte sich auf die Angaben des Verurteilten zu seiner sexuellen Motivation stützen, die er insbesondere gegenüber der Sachverständigen Dr. V. gemacht hatte. Die Sachverständigen Dr. V. spricht in ihrem testpsychologischen Zusatzgutachten davon, dass der Verurteilte ein Mann gewesen sei, dessen Sexualität "offenbar mit Gewalt- bzw. Mächtigkeitsphantasien" (über die hier wenig in Erfahrung gebracht werden konnte) erlebt würden (Hervorhebung durch die Kammer). Tatvorbereitende Phantasien hatte der Verurteilte ihr gegenüber in Abrede gestellt und sexuelle Erregung erst für die unmittelbare Konfrontation mit dem Opfer bekundet. Der Sachverständige Prof. Dr. K. - er sah das Vorgutachten des Sachverständigen Dr. S. als unzutreffend an - hat ausgeführt, die Vergewaltigungshandlungen seien "damit zu erklären", dass der Verurteilte "unter Einkalkulierung der Reaktionen seiner Opfer im Sinne von Angst und Schrecken handelte und damit anstrebte, daraus einen zusätzlichen Lustgewinn zu erzielen". Auch aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass es sich letztlich um eine Mutmaßung handelt.
Diese Ausführungen führten zur Anordnung der Sicherungsverwahrung.
dd)
In der Folgezeit erstattete der Sachverständige Prof. Dr. ..., der den Verurteilten in Zeit zwischen Juli 1987 und Februar 1988 im Rahmen des Strafvollzuges mehrfach explorierte, ein weiteres Gutachten unter dem 25.3.1988, d.h. 5 Jahre vor der Hauptverhandlung im Ausgangsverfahren hier und 7 Jahre nach der vorangegangenen Begutachtung. Der Sachverständige Prof. Dr. L. kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Verurteilten um einen sexuell in der Triebfrequenz, Triebrichtung oder dem Triebziel devianten Probanden handelt - eine sadistische Störung vermochte er (im Gegensatz zum Vorgutachter Prof. Dr. K.) nicht zu erkennen. Dazu führt er ausdrücklich aus: "Nicht Steigerung des sexuellen Lusterlebens durch sadistisches Agieren, nicht Pseudoerhöhung eines danieder liegenden Selbstwertes qua Überwältigung und Demütigung seines Opfers ... sind Leitmotiv der Sexualstraftaten, ...". Der Sachverständige konstatierte dagegen eine psychosozial retardierte Persönlichkeit, die frühkindlich erworbene Schäden über ein delinquentes Sexualverhalten zu kompensieren versucht.
ee)
Der Sachverständige Dr. T. explorierte den Verurteilen am 17.9.1990 im Vollzug und erstattete zur Entscheidung über die Aufhebung der Sicherungsverwahrung ein Gutachten unter dem Datum vom 28.9.1990, d.h. 3 Jahre vor der Hauptverhandlung im Ausgangsverfahren hier. Er stellte in seiner Diagnose psychiatrischerseits eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung (unreife, abhängige Persönlichkeit - ICD 301.8) mit einer ungünstigen Prognose und einem nicht auszuschließenden Rückfallrisiko fest. Die negative Bewertung leitete der Sachverständige aus den unsicheren Resozialisierungschancen und dem Mangel an Einsichtsfähigkeit und Problembewusstsein ab, der z.B. einer die Bewährung begleitenden erfolgreichen Psychotherapie entgegenstünde. Bezüglich der zugrunde liegenden Straftaten hat der Sachverständige in seinem Gutachten u.a. folgende Angaben des Verurteilten festgehalten - die von den Angaben gegenüber den Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. W. abweichen: "Er sei ihr (der Frau) einfach gefolgt, habe einfach 'gar keine Gedanken mehr gehabt, was passiert und die Folgen, du willst aber mit der Frau schlafen.'". Der Verurteilte habe stereotyp angegeben, dass er seine Straftaten nicht geplant habe. "Es sei letztlich Zufall gewesen, wobei er dem Zufall jedoch eine Chance gegeben habe". Er habe zu den Taten eindrucksvoll beschrieben, wie bestimmte Situationen plötzlich Aufforderungscharakter gewonnen und einen Ablauf angestoßen hätten. Nachdem der Sachverständige Dr. T. in einem weiteren Gutachten vom 26.4.1982, d.h. etwa 1 ½ Jahre vor der Hauptverhandlung im Ausgangsverfahren hier, zwar keine entscheidende Veränderung der grundsätzlich wirksamen Defizite und Probleme im Zusammenhang mit der vorangegangenen konstatierten schweren Persönlichkeits- und Entwicklungsstörung, jedoch eine gewisse positive Veränderung in der Selbstwahrnehmung und der Einsichts- und Konfliktfähigkeit sowie Fortschritte in Richtung Nachreifung feststellen konnte, führte dieses Gutachten dazu, dass die Strafvollstreckungskammer 1 des Landgerichts Hannover die Vollstreckung des Restes der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung aussetzte. Die vom ihm festgestellte positive Entwicklung schränkte der Sachverständige Dr. T. doch dahin ein, dass die "Ursachen bzw. Wurzeln des strafbaren Handelns im engeren Sinne weiterhin im Dunkeln verborgen und für das Bewusstsein (wie auch alle therapeutischen Bemühungen) unerreichbar blieben und dass darin ein grundsätzlich ungünstiges prognostisches Moment" zu sehen sei.
Unter diesen Umständen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die früheren Einschätzungen nicht nur hinsichtlich ihrer Tatsachengrundlage für eine Bewertung des Landgerichts im Jahr 1993 nur bedingt, jedoch nicht ausschlaggebend in Betracht gezogen werden konnten, sondern - betrachtet auch man den Zeitablauf zwischen der Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. K. und der hinsichtlich der Gefahr veränderten Bewertung u.a. durch den Sachverständigen Dr. T. dass die zu früheren Zeiten festgestellte Gefährlichkeit ohne neue Erkenntnisse nicht ohne weiteres fortzuschreiben war.
Vor diesem Hintergrund hat der seinerzeitige Sachverständigen Dr. K. in der Hauptverhandlung des Ausgangsverfahrens sein Gutachten bezüglich der Diagnose und der Gefährlichkeitsprognose erstattet. Dazu hat er in der Hauptverhandlung vor der erkennenden Kammer als Zeuge bekundet, er habe mangels Angaben des Angeklagten und trotz vorhandener Aktenkenntnis und Kenntnis von den Vorverurteilungen und Vorgutachten nur Mutmaßungen anstellen können. Über die Psychodynamik sei in der Hauptverhandlung damals nichts in Erfahrung gebracht worden. Mehr habe er nicht sagen können. Er habe, nachdem der damalige Angeklagte keine Angaben gemacht hatte, sich als "Prozessbeobachter" gesehen. Er habe wohl gesagt, dass der Verurteilte nach seiner Einschätzung nicht krank sei.
Gegenüber dem damaligen Stand der Hauptverhandlung im Ausgangsverfahren hat sich somit heute der Beurteilungshorizont der Sachverständigen mit den Angaben des Verurteilten entscheidend erweitert mit der Folge, dass dessen Gefährlichkeit in einem neuen Licht erscheint. Dagegen spricht auch nicht, dass die Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. W. in ihren im Jahr 1981 erstatteten Gutachten die Ansicht vertreten haben, dass bei dem Verurteilten Gewalt- und Mächtigkeitsphantasien Anlass für die damaligen Straftaten gewesen sein können. Wie nämlich die nachfolgenden Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. L. und Dr. T. zeigen, haben diese Gutachter die Einschätzung nicht geteilt. Unter diesen Umständen und angesichts des Zeitablaufes bestand für die Kammer im Jahr 1993 kein Anlass, die alten, durch die nachfolgenden Gutachten überholten Mutmaßungen Wiederaufleben zu lassen.
Das damals erkennende Gericht war nach Aktenlage auch nicht gehalten, einen anderen Sachverständigen zu beauftragen, weil ein anderer Sachverständiger keine anderen Anknüpfungstatsachen vorgefunden hätte und auch nicht erkennbar ist, dass er über überlegene Forschungsmittel hätte verfügen können.
VII.
Mildere Mittel als die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, z.B. Führungsaufsicht mit den Möglichkeiten vonÜberwachungsmaßnahmen, kamen nach Überzeugung der Kammer nicht in Betracht. Ambulante praktikable Strukturen außerhalb der stationären Unterbringung, mit denen sich die vom Verurteilten ausgehende Gefahr zuverlässig kontrollieren und beherrschen ließe, haben nach Auffassung der Kammer keine hinreichende Erfolgsaussicht. Hierbei war nach Auffassung der Kammer zu berücksichtigen, dass die Sachverständigen Dr. L. und Dr. R. einhellig dargelegt haben, dass die Persönlichkeitsstörung des Verurteilten, die der von ihm ausgehenden Gefahr zugrunde liegt, als dauerhaft unbehandelbar anzusehen ist. Ein Risikomanagement, das für diese Fälle angezeigte Mittel, könnte nach Angabe des Sachverständigen Dr. ... nur greifen, wenn ein Leidensdruck bei dem Betroffenen entstanden sei - woran es hier fehlt. Nach den Feststellungen des damaligen Sachverständigen P. lässt der Verurteilte keine wirksame Opferempathie erkennen. Diese Einschätzung stimmt mit den Angaben der Zeugin O. überein, wonach der Verurteilte in der JVA therapeutisch bisher nicht erreichbar war. Sie hat zwar während ihrer Gespräche mit dem Verurteilten vorübergehend eine gewisse Betroffenheit bei ihm wecken können, die sich jedoch nicht als dauerhaft erwiesen hat und mit Zeitablauf zwischen den Gesprächen jeweils verblasst war. Dabei dürfte sich der Wert der bekundeten Aufarbeitung zusätzlich dadurch relativieren, dass angesichts der langen Haftzeit psychologische Verarbeitungsstrategien des Verurteilten in Betracht zu ziehen sind. Nach den Angaben der Sachverständigen Dr. ... und Dr. ... wirkten die diesbezüglichen Angaben des Verurteilten wie angelernt. Die ungünstige Prognose wird durch den Hinweis des Sachverständigen Dr. ... bestätigt, wonach der Verurteilte seine eigene Gefährlichkeit nicht zu erkennen vermag und nicht über die gebotene Problemeinsicht verfügt. Wie die Sachverständigen Dr. L. und Dr. ... ausgeführt haben, kommt hinzu, dass sich in der Vergangenheit gezeigt hat, dass bereits marginale Veränderungen in der Außenwelt bzw. Beziehungssituation des Verurteilten - für Außenstehende schwer erkennbar - als Anstoß für den Aufbau der letztlich auslösenden Spannungssituation ausreichen könnten. Zu einer möglichen medikamentös dämpfenden Einwirkung auf den Sexualtrieb hat der Sachverständige Dr. ... angegeben, das von dem Verurteilten ausgehende Risiko könne damit nicht entscheidend vermindert werden, weil der Sexualtrieb des Verurteilten im Normalbereich anzuordnen und nicht als Hauptimpuls für die Begehung der Taten anzusehen sei.
VIII.
Nach alledem war die Unterbringungen des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß §66 b Abs. 1, 2 StGB nachträglich anzuordnen.
IX.
Die Kostenentscheidung folgt aus §465 StPO.