Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 07.11.2003, Az.: 2 A 15/03
Ausnahmegenehmigung; Beliehener; Fußgängerzone; Ladezeit; Parken; Schornsteinfeger
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 07.11.2003
- Aktenzeichen
- 2 A 15/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48263
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 41 Abs 2 Nr 5 Zeichen 242 StVO
- § 46 Abs 1 StVO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Aufgaben eines Bezirksschornsteinfegers rechtfertigen es nicht, diesem auch außerhalb der Ladezeiten das Befahren von Fußgängerzonen zu gestatten.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt eine Ausnahmegenehmigung, die es ihm erlaubt, auch außerhalb der Ladezeiten in Fußgängerzonen im Bereich der Beklagten zu parken.
Er ist Bezirksschornsteinfegermeister und für den Innenstadtbereich der Beklagten zuständig, in dem auch Fußgängerzonen liegen. Mit Bescheid vom 29.04.1994 wurde ihm von der Beklagten eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 StVO erteilt, die es ihm entsprechend einer Handwerksbetriebe betreffenden Empfehlung des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr gestattet, sein Fahrzeug im beschränkten Halteverbot, auf Anwohnerparkplätzen, an Parkuhren- und Parkscheinautomaten zu parken, ohne diese bedienen zu müssen, sowie die Höchstparkdauer zu überschreiten, soweit dies zur Wahrnehmung öffentlicher Tätigkeiten erforderlich ist. Diese Genehmigung wird seitdem jährlich erneuert. Um dem Umstand, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit genötigt ist, in den Fußgängerzonen gelegene Gebäude aufzusuchen, Rechnung zu tragen, erweiterte die Beklagte die Genehmigung dahingehend, dass es ihm gestattet worden ist, sein Fahrzeug auch während der für die Anlieferer geltenden Ladezeiten bis 10:30 Uhr bzw. 11 Uhr in den Fußgängerzonen zu parken.
Mit Schreiben vom 09.08.2002 beantragte der Kläger eine Erweiterung der ihm erteilten Ausnahmegenehmigung, um darüber hinaus auch außerhalb der Ladezeiten in den Fußgängerzonen parken zu können.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.10.2002 ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch war erfolglos (Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 14.01.2003).
Der Kläger hat rechtzeitig Klage erhoben. Er ist der Auffassung, die ihm bereits zugestandene Ausnahmeregelung reiche nicht aus, um seine dienstlichen Funktionen hinreichend wahrnehmen zu können. Die angefochtenen Bescheide seien deshalb rechtswidrig. Insbesondere sei die erforderliche Interessenabwägung nicht richtig erfolgt. Es sei nämlich verkannt und deshalb nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass er hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen habe. Da insofern seine besondere Aufgabe als Schornsteinfeger darin liege, den Schutz der Bevölkerung vor Abgasen sicherzustellen und im Rahmen der vorbeugenden Brandbekämpfung tätig zu sein, könne er nicht mit einem üblichen Handwerksbetrieb gleichgesetzt werden. Der Gedanke, dass seine Tätigkeit auf die Bewahrung der Bevölkerung vor Schaden an Leib und Leben abziele, habe in die Abwägung keinen Eingang gefunden, ebenso wenig der Gesichtspunkt, dass ein sich mit Schrittgeschwindigkeit bewegendes Fahrzeug, das zudem durch die Seitenarme der Fußgängerzone an die entsprechenden Objekte heranfahre, keine wesentliche Gefährdung der Gesundheit der Fußgänger darstelle. Wegen der besonderen Gewichtigkeit der von ihm zu schützenden Rechtsgüter sei das Ermessen der Beklagten auf null reduziert. Zu Unrecht gehe die Beklagte davon aus, er könne seine Termine im Innenstadtbereich bis 10:30 Uhr erledigen. Denn die Öffnung der Geschäfte erfolge häufig erst gegen 9:30 Uhr oder 10 Uhr. Die Überprüfung der Heizungsanlagen bedürfe aufgrund der Größe der Objekte und der damit einhergehenden Ausmaße der Anlagen mittlerweile mehrere Stunden. In dieser Zeit müsse sich sein Kleintransporter in unmittelbarer Nähe der zu überprüfenden Anlagen befinden, um schnellen Zugriff auf die erforderlichen Werkzeuge und Gerätschaften zu haben. Sein Begehren sei auch deshalb gerechtfertigt, weil im Innenstadtbereich zahlreiche Parkplätze weggefallen sowie Parkuhren abgeschafft worden seien, so dass sich die Parksituation im Bereich der Beklagten im Vergleich zum Zeitpunkt der Erteilung der Ausnahmegenehmigung aus dem Jahre 1994 grundlegend verändert habe. Wenn ihm nicht gestattet werden könne, in den Fußgängerzonen selbst außerhalb der Ladezeiten zu parken, sei ihm jedenfalls die Möglichkeit einzuräumen, an den jeweiligen Kopfenden der Fußgängerzonen sein Fahrzeug abzustellen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18.10.2002 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 14.01.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die ihm erteilte Ausnahmegenehmigung dahingehend zu erweitern, dass er auch außerhalb der Ladezeiten in den in seinem Zuständigkeitsbereich gelegenen Fußgängerzonen der Beklagten parken darf,
hilfsweise,
die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Ausnahmegenehmigung insoweit zu erteilen, als er an den jeweiligen Kopfenden der Fußgängerzonen parken darf.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig. Durch die Erlaubnis, innerhalb der Ladezeiten sein Fahrzeug in den Fußgängerzonen zu parken, habe sie ihm bereits über die ministerielle Empfehlung hinausgehende Zugeständnisse gemacht. Im Rahmen ihrer Ermessensausübung habe die Situation des Klägers daher bereits besondere Berücksichtigung gefunden. Ein weiteres Zugeständnis sei nicht mehr möglich, da dies Gründe voraussetzen würde, die es rechtfertigten, das Interesse der Fußgänger an der ungehinderten Nutzung der Fußgängerbereiche hinter den Interessen des Klägers zurücktreten zu lassen. Das sei nicht der Fall. Denn das genannte Interesse der Fußgänger gehe den vom Kläger behaupteten Schwierigkeiten, geeignete Parkplätze zu finden, vor. Diesbezüglich treffe es im Übrigen nicht zu, dass in der Innenstadt Parkplätze ersatzlos weggefallen und durch Abschaffung der Parkuhren die dort vorhandenen Stellplätze zu Dauerparkplätzen geworden seien. Denn die Kraftfahrer seien verpflichtet, dort Parkscheiben zu benutzen. Auch im Übrigen liege kein für eine Erweiterung der bereits bestehenden Ausnahmegenehmigung notwendiger, besonders dringender Fall bzw. eine für den Kläger unbillige, vom Gesetzgeber nicht gewollte Härte vor. Dies folge daraus, dass nur ein gewisser Anteil der von ihm zu betreuenden Gebäude in der Fußgängerzone gelegen sei. Diesbezüglich aber sei es ihm zumutbar, seine Termine so zu planen und mit den Kunden so abzusprechen, dass seine Tätigkeit bereits vor den Öffnungszeiten der Geschäfte im Innenstadtbereich durchgeführt werden könnten. Insoweit handele es sich um ein rein organisatorisches Problem. Es sei in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers nicht um eine täglich bzw. wöchentlich wiederkehrende Tätigkeit handele, wie es für die Lieferanten gelte. Schließlich könne er sich auch nicht darauf berufen, dass er hoheitliche Aufgaben wahrnehme, da die Straßenverkehrsordnung keine gesonderten Regeln zum Parken für die Durchführung öffentlicher Aufgaben vorsehe. Was die vom Kläger angeführten Notfalleinsätze zum Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung angehe, seien solche unter den Voraussetzungen des § 16 OWiG möglich, so dass insofern eine Ausnahmegenehmigung nicht erforderlich sei. Auch dem Wunsch nach einer Ausnahmegenehmigung nur für die Kopfenden der Fußgängerzone, könne nicht entsprochen werden. Auch in diesen Bereichen, die ohnehin schon durch das Abstellen von Fahrrädern besonders beansprucht seien, gefährde das Befahren der Fußgängerzone die Sicherheit der Passanten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Nach § 41 Abs. 2 Nr. 5 (Zeichen 242) StVO ist der Fußgängerbereich ausschließlich Fußgängern vorbehalten und schließt andere Verkehrsteilnehmer von seiner Nutzung aus. Fußgänger sollen sich hier ungehindert, ohne Beachtung von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr bewegen können (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., 2003, § 41 StVO, Rn. 248). Durch die Schaffung einer grundsätzlich dem Fußgängerverkehr vorbehaltenen Zone soll eine auf Dauer angelegte nachhaltige Ordnung des Gesamtverkehrs bewirkt werden, die die Fußgänger in ihrer Gesamtheit davor schützt, durch Kraftfahrzeuge überrascht, erschreckt oder gefährdet zu werden (vgl. BVerwG, U. v. 08.04.1993 - 11 C 38.92 -, NZV 1994, 125 f. [BVerwG 08.09.1993 - BVerwG 11 C 38/92]).
Nach § 46 Abs. 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden allerdings in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller u.a. von den Verboten oder Beschränkungen, die durch die Vorschriftzeichen des § 41 StVO erlassen sind (Ziff. 11) Ausnahmen genehmigen. Da die Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung im Ermessen der Behörde steht, ist die angefochtene Entscheidung der Beklagten von vornherein nur daraufhin zu überprüfen, ob sie mit Ermessensfehlern im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO - auch hinsichtlich der Frage, ob die Beklagte hier das Vorliegen eines „Ausnahmefalls“ im Sinne der Vorschrift zu Recht verneint hat (vgl. BVerwG, NZV 1997, 372 [BVerwG 13.03.1997 - BVerwG 3 C 2/97]; OVG Münster, U. v. 12.06.1996 - 25 A 199/96 -, DAR 1996, 369) - behaftet ist. Das ist hier nicht der Fall.
Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO ist - wie sich schon aus Ziff. 1 der dazu erlassenen Verwaltungsvorschrift ergibt - regelmäßig nur in besonders dringenden Fällen und im Übrigen nur dann gerechtfertigt, wenn dies nicht zu einer Gefährdung oder Erschwerung des vorhandenen Verkehrs führt (vgl. BVerwG, U. v. 26.04.1974 - VI C 42.71 -, NJW 1974, 1781 [BVerwG 26.04.1974 - BVerwG VII C 42.71]).
Im vorliegenden Fall liegt ein solcher besonders dringender Fall, der es rechtfertigen würde, dem Kläger auch außerhalb der Ladezeiten in den Fußgängerzonen das Parken zu erlauben, nicht vor, so dass die Entscheidung der Beklagten, ihm dieses Begehren zu versagen, nicht zu beanstanden ist.
Zu Unrecht geht der Kläger davon aus, dass die Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass er Beliehener ist und als solcher öffentliche Aufgaben wahrzunehmen hat. Den diesbezüglichen Belangen hat die Beklagte schon mit den vorangegangenen Genehmigungen Rechnung getragen, indem sie ihm erlaubt - über das entsprechend dem ministeriellen Erlass gegenüber Handwerksbetrieben eingeräumte Recht, sein Fahrzeug im beschränkten Halteverbot, auf Anwohnerparkplätzen, an Parkuhren- und Parkscheinautomaten zu parken, ohne diese zu bedienen, sowie die Höchstparkdauer zu überschreiten, soweit dies zur Wahrung der öffentlichen Tätigkeiten erforderlich ist, hinaus -, während der Ladezeiten sein Fahrzeug abweichend von § 41 Abs. 2 Nr. 5 (Zeichen 242) StVO in den Fußgängerbereichen zu parken. Damit wird er den Zulieferern der im Fußgängerbereich gelegenen Geschäfte gleichgestellt und - entgegen seiner Darstellung - unter Berücksichtigung seiner Funktion gegenüber Handwerksbetrieben bessergestellt. Ein Mehr erfordert seine Tätigkeit als Schornsteinfegermeister nicht.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der von ihm in den Vordergrund seiner Argumentation gestellten Aufgabe, Vorsorge bei der Brandbekämpfung zu leisten. Zwar ist ihm zuzustimmen, dass dies eine ganz wesentliche Aufgabe des Schornsteinfegerwesens darstellt. Für die hier interessierende Frage einer Ausnahmegenehmigung ist aber von Bedeutung, dass er (im wohlverstandenen Sinne nur) vorbeugend tätig wird, die aktuelle Brandbekämpfung demgegenüber den Feuerwehren obliegt. Unter Berücksichtigung dieses Aspekts ist der Kläger aber darauf zu verweisen, dass er die erforderlichen Arbeiten nach jeweils vorheriger Absprache und in dem durch die bisher erteilten Ausnahmegenehmigungen abgesteckten (großzügigen) Rahmen durchführen kann, ohne dafür einer noch weitergehenden Ausnahmegenehmigung zu bedürfen.
Auch der insoweit vom Kläger vorgetragene Einwand, die zu prüfenden und wartenden Anlagen hätten teilweise eine solche Dimension, dass die notwendigen Arbeiten nicht in der Zeit zwischen Geschäftsöffnung - regelmäßig 9:30 Uhr bzw. 10 Uhr - und dem Ende der Ladezeit durchgeführt werden könnten, greift nicht. Denn die diesbezügliche Prämisse des Klägers, er könne nämlich erst mit Beginn der Ladenöffnungszeiten seine Arbeit aufnehmen, trifft nicht zu. Vielmehr kann er die entsprechenden Termine mit den Geschäftsleuten jeweils so vereinbaren, dass er bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit der Arbeit beginnen kann, er also nicht auf die Ladenöffnungszeiten angewiesen ist. Das gilt zum einen umso mehr deshalb, als in den Gebäuden in der Innenstadt regelmäßig Hausmeister zur Verfügung stehen werden, die dem Kläger den Zutritt zu den zu prüfenden Anlagen ermöglichen können. Der Anwesenheit der Geschäftsinhaber bzw. des (Laden-) Personals wird es in der Regel deshalb gar nicht bedürfen. Im Übrigen gilt das darüber hinaus auch deshalb, weil es sich bei der Überprüfung der Anlagen nicht um einen wöchentlichen oder gar täglichen Vorgang handelt, sondern um einen solchen, der in zeitlich größeren Abstanden durchzuführen ist. In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus in den Blick zu nehmen, dass der Bereich der Fußgängerzonen der Innenstadt lediglich einen relativ geringen Anteil am Kehrbezirk des Klägers aufweist, so dass sich die Frage insgesamt als rein organisatorisches Problem darstellt, das ohne große Schwierigkeiten lösbar ist.
War demzufolge dem Hauptantrag der Erfolg zu versagen, wird aus den dort dargestellten Gründen deutlich, dass auch der Hilfsantrag keinen Erfolg haben kann, weil es auch insoweit an der Dringlichkeit fehlt. Darüber hinaus ist diesbezüglich zu ergänzen, dass der Antrag auch deshalb keinen Erfolg haben kann, weil - gerichtsbekannt - an den jeweiligen Kopfenden der Fußgängerzonen Abstellplätze für Fahrräder eingerichtet sind und eine Erlaubnis für den Kläger, dort seine Fahrzeuge - wenn auch nur sporadisch - abzustellen, zu zu missbilligenden unübersichtlichen Verkehrssituationen und Behinderungen und Gefährdungen der Fußgänger führen würden, die angesichts der - wie beschrieben - mangelnden Dringlichkeit des Begehrens des Klägers nicht hinnehmbar sind. Im Übrigen könnte eine derartige Erlaubnis zu einer nicht gewollten Vorbildwirkung führen, weil dann auch zahlreiche andere Antragsteller ein vergleichbares Begehren an die Beklagte richten könnten, das dann ebenso wenig abgewehrt werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO) sind nicht gegeben.