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  • ab 01.01.2023 (aktuelle Fassung)

Abschnitt 1 ÄUBRdErl - Allgemeines

Bibliographie

Titel
Ärztliche Untersuchungen von Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richtern des Landes im Zusammenhang mit der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit und zur Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit
Redaktionelle Abkürzung
ÄUBRdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
20442

1.1 Die Dienstunfähigkeit oder begrenzte Dienstfähigkeit einer Beamtin oder eines Beamten wird von der oder dem Dienstvorgesetzten festgestellt (§ 3 Abs. 5 NBG); sie oder er kann diese Befugnis auf andere Funktionsträgerinnen oder Funktionsträger der Behörde übertragen.

Dienstunfähigkeit kann unter den in § 43 NBG und § 26 BeamtStG genannten Bedingungen bestehen.

Die Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung nach § 26 BeamtStG oder begrenzten Dienstfähigkeit nach § 27 BeamtStG ist vor der Versetzung in den Ruhestand aufgrund von Dienstunfähigkeit mit besonderer Sorgfalt durch die oder den Dienstvorgesetzten zu prüfen.

Zu unterscheiden ist hierbei die Dienstunfähigkeit im konkret-funktionellen Sinne, also auf dem aktuellen Dienstposten, von der für die vollständige Dienstunfähigkeit nach § 43 NBG und § 26 BeamtStG maßgeblichen Dienstunfähigkeit im abstrakt-funktionellen Sinne, die alle bei dem Dienstherrn dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen die Beamtin oder der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann, umfasst. Daher setzt die Feststellung der Dienstunfähigkeit durch die oder den Dienstvorgesetzten voraus, dass bei dem Dienstherrn kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt der Beamtin oder des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für sie oder ihn geeignet ist (OVG Lüneburg, Urteil vom 9.3.2021 - 5 LC 174/18 -). Der Begriff des Amtes ist in diesem Zusammenhang nicht mit dem zugewiesenen konkreten Dienstposten gleichzusetzen, sondern als abstrakt-funktionelles Amt z. B. einer Inspektorin oder eines Inspektors, einer Lehrerin oder eines Lehrers oder einer Regierungsdirektorin oder eines Regierungsdirektors zu verstehen (BVerwG, Urteil vom 28.6.1990 - BVerwG 2 C 18.89 -, ZBR 1990, 352).

Bei der Überprüfung der Dienstfähigkeit sind die Auswirkungen der körperlichen, seelischen oder geistigen Beeinträchtigungen auf die Fähigkeit, die mit dem wahrgenommenen Amt verbundenen Dienstpflichten zu erfüllen, entscheidend, wobei auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb zu berücksichtigen sind. Zur Feststellung der Dienstunfähigkeit oder begrenzten Dienstfähigkeit einer Beamtin oder eines Beamten ist es daher erforderlich, dass in jedem Einzelfall das gesamte Spektrum der in Betracht kommenden Umstände individuell festgehalten und gewürdigt wird. Hierzu gehört nicht nur das Beschwerde- oder Krankheitsbild der zu beurteilenden Person, sondern ebenso das Anforderungsprofil des von ihr derzeit ausgeübten Amtes sowie die Frage der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme eines anderen vergleichbaren Amtes.

1.2 Die Feststellung der Dienstunfähigkeit oder begrenzten Dienstfähigkeit einer Beamtin oder eines Beamten erfolgt auf der Grundlage einer ärztlichen Untersuchung (§§ 43, 45 NBG i. V. m. §§ 26, 27, 28 BeamtStG). Bei Vorliegen begründeter Anhaltspunkte für die Dienstunfähigkeit oder begrenzte Dienstfähigkeit ist die Beamtin oder der Beamte verpflichtet (§ 43 Abs. 1 bzw. § 43 Abs. 5 Satz 2 NBG), sich ärztlich untersuchen zu lassen. In der Untersuchungsaufforderung hat die oder der Dienstvorgesetzte die tatsächlichen Umstände, auf die die Zweifel an der Dienstfähigkeit gestützt werden, anzugeben. Weiterhin muss die Aufforderung Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten.

Sofern die Zweifel an der uneingeschränkten Dienstfähigkeit der Beamtin oder des Beamten auf § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG gestützt werden, müssen alle Umstände, die Zweifel an der gesundheitlichen Fähigkeit zur Erfüllung der Dienstpflichten rechtfertigen, aufgeführt werden. Dementsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klar werden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit der Beamtin oder des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (BVerwG, Urteil vom 30.5.2013 - BVerwG 2 C 68.11 -; Beschl. vom 10.4.2014 - BVerwG 2 B 80.13 -). Nur wenn der oder dem Dienstvorgesetzten hinreichend sichere und begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit von Zusatzgutachten vorliegen, kann der Dienstherr die Beamtin oder den Beamten bereits in der ersten Untersuchungsanordnung auffordern entsprechende Zusatzgutachten einzuholen. Dabei sind Anlass, Art und Umfang der durchzuführenden Untersuchung - insbesondere, um der Beamtin oder dem Beamten effektiven Rechtsschutz noch vor dem Untersuchungstermin zu ermöglichen - in der Untersuchungsanordnung zu benennen (BVerfG, Beschl. vom 14.1.2022 - 2 BvR 1528/21 -, Beschl. vom 21.10.2021 - 2 BvR 652/20 -). Eine Untersuchungsanordnung kann sich dann - wenn erforderlich und unabweisbar - auf mehrere Termine und thematisch verschiedene (fach-)ärztliche Untersuchungen erstrecken.

Sofern die Zweifel an der Dienstunfähigkeit der Beamtin oder des Beamten ausschließlich auf § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG gestützt werden und auf Seiten des Dienstherrn keine weiteren Erkenntnisse über die zugrunde liegende Erkrankung vorliegen, gelten die vorgenannten Anforderungen an die Untersuchungsanordnung nicht. Da Anlass für die Untersuchungsanordnung in diesem Fall die krankheitsbedingten Fehlzeiten in dem gesetzlich geregelten Umfang sind, muss die Untersuchungsanordnung keine Angabe von über die Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten hinausgehenden Gründen für die Untersuchung enthalten (BVerwG, Beschl. vom 14.3.2019 - BVerwG 2 VR 5.18 -). In dem ärztlichen Gutachten übermittelt der medizinische Fachdienst der zuständigen kommunalen Behörde des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) der oder dem Dienstvorgesetzten die tragenden Feststellungen und Gründe des Untersuchungsergebnisses, soweit sie für die zu treffende Entscheidung erforderlich sind. Das Gutachten selbst stellt keine beamtenrechtliche Entscheidung dar, sondern lediglich eine Entscheidungshilfe, die nachvollziehbar sein muss.

1.3 Dieser Gem. RdErl. gilt im Hinblick auf § 2 Abs. 1 NRiG entsprechend für Richterinnen und Richter. Bei Richterinnen und Richtern auf Lebenszeit sind hinsichtlich der Zuständigkeit und des Verfahrens für die Feststellung der Dienstunfähigkeit und der begrenzten Dienstfähigkeit die Regelungen des § 107 NRiG zu beachten. Dieser Gem. RdErl. gilt für die Beurteilung der Verwaltungsdienstfähigkeit von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten; er gilt nicht für die Beurteilung der Polizeidienstfähigkeit von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten sowie für die Beurteilung der Weiterverwendungsmöglichkeit von polizeidienstunfähigen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten im Polizeivollzugsdienst. Im Falle einer Untersuchung von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten tritt an die Stelle des medizinischen Fachdienstes der zuständigen kommunalen Behörde des ÖGD grundsätzlich der Medizinische Dienst der Polizei Niedersachsen.

Außer Kraft am 1. Januar 2029 durch Nummer 8 Satz 1 des RdErl. vom 9. November 2022 (Nds. MBl. S. 1437)