Abschnitt 243 VV-BauGB - 243. Baugebot und Anpassungsgebot
Bibliographie
- Titel
- Verwaltungsvorschriften zum Baugesetzbuch (VV-BauGB)
- Amtliche Abkürzung
- VV-BauGB
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 21074000000002
243.1
Gegenstand und Inhalt des Baugebots
243.1.1
Allgemeines
Auf Grund von § 176 können angeordnet werden:
- a)ein Baugebot (§ 176 Abs. 1 Nr. 1),
- b)ein Anpassungsgebot (§ 176 Abs. 1 Nr. 2),
- c)ein Beseitigungsgebot (§ 176 Abs. 5).
Das Baugebot und das Anpassungsgebot können unabhängig voneinander oder in Kombination miteinander angeordnet werden. Das Beseitigungsgebot kann dagegen nur im Zusammenhang mit einem Baugebot oder einem Anpassungsgebot angeordnet werden, wenn nur so die Durchführung der angeordneten Baumaßnahmen möglich ist.
243.1.2
Gegenstand des Gebots
Das Gebot des § 176 bezieht sich auf die Errichtung oder die Anpassung von baulichen Anlagen.
Der Begriff der baulichen Anlage wird in § 2 Abs. 1 Satz 1 NBauO bestimmt. Es kann sich dabei um Gebäude (§ 2 Abs. 2 NBauO) oder um sonstige bauliche Anlagen handeln. Die baulichen Anlagen können dem Wohnen oder gewerblichen, kulturellen, sozialen oder sonstigen Zwecken dienen.
Das Gebot nach § 176 erstreckt sich auch auf nichtbauliche Anlagen, wenn diese nach dem öffentlichen Baurecht erforderlich sind, um bauliche Anlagen zu errichten oder zu ändern. Dies gilt insbesondere für notwendige Stellplätze und Garagen i.S. von § 47 NBauO sowie für Spielplätze für Kleininder nach dem Niedersächsischen Gesetz über Spielplätze.
Maßnahmen, die sich lediglich auf die Beschaffenheit des Baugrundstücks oder des Wohnumfeldes beziehen, können nicht Gegenstand des Gebots nach § 176 sein, wenn sie nicht mit Baumaßnahmen im notwendigen Zusammenhang stehen.
Gemäß § 176 Abs. 6 kann sich das Baugebot auch auf andere als bauliche Anlagen beziehen, wenn eine entsprechende Nutzung im Bebauungsplan festgesetzt ist. Hierzu zählen die in § 2 Abs. 1 Satz 2 NBauO aufgeführten Anlagen.
243.1.3
Baugebot
Das Baugebot nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 verpflichtet den Eigentümer, sein Grundstück entsprechend zu bebauen. Bebauung i.S. dieser Vorschrift ist die Neubebauung.
243.1.4
Anpassungsgebot
Das Anpassungsgebot verpflichtet den Eigentümer, ein vorhandenes Gebäude oder eine sonstige bauliche Anlage anzupassen, d.h. zu ändern, zu erweitern oder zu reduzieren. Die Grenzen zur Modernisierung können im Einzelfall fließend sein.
243.1.5
Beseitigungsgebot
Das Beseitigungsgebot nach § 176 Abs. 5 verpflichtet den Eigentümer, vorhandene bauliche Anlagen zu beseitigen, wenn dies zur Durchführung angeordneter Baumaßnahmen erforderlich ist. Ein gesondertes Abbruchgebot ist in diesem Falle entbehrlich, doch müssen die Schutzvorschriften in § 179 Abs. 2 und 3 Satz 1, § 43 Abs. 2 und 5 sowie in § 44 Abs. 3 und 4 beachtet werden.
243.2
Voraussetzungen
243.2.1
Lage des Grundstücks
Das betreffende Grundstück muß innerhalb
- a)des Geltungsbereichs eines einfachen oder qualifizierten Bebauungsplans oder
- b)innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S. von § 34
gelegen sein.
Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile hat das Baugebot den Zweck, unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke entsprechend den baurechtlichen Vorschriften nutzbar zu machen oder einer baulichen Nutzung zuzuführen. Hierzu gehört insbesondere die Schließung von Baulücken.
243.2.2
Städtebauliche Erforderlichkeit
Das Baugebot oder das Anpassungsgebot muß aus städtebaulichen Gründen alsbald erforderlich sein (§ 175 Abs. 2).
Die städtebauliche Erforderlichkeit ist im Hinblick auf die konkrete städtebauliche Situation besonders zu begründen. Folgende Gründe können in Betracht kommen:
- Zusammenhang mit anderen städtebaulichen Maßnahmen,
- Entzerrung von sogenannten Gemengelagen,
- Voraussetzung für weitere, im öffentlichen Interesse liegende Baumaßnahmen.
Die städtebauliche Erforderlichkeit muß auch für Maßnahmen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans besonders begründet werden. Der Hinweis auf das Vorliegen eines Bebauungsplans reicht nicht aus, da es keine allgemeine Rechtspflicht zur Planverwirklichung gibt. Aus den Festsetzungen und der Begründung nach § 9 Abs. 8 können sich aber wesentliche Gesichtspunkte für die Begründung der städtebaulichen Erforderlichkeit ergeben; dies gilt insbesondere dann, wenn bei der Planaufstellung die Anwendung der §§ 176 bis 179 zur Planverwirklichung bereits in Betracht gezogen worden ist. In diesem Falle bedürfen nur noch der konkrete Anlaß und der Zeitpunkt der Gebotsanordnung der besonderen Begründung.
Bei städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten ist allgemein davon auszugehen daß städtebauliche Gründe i.S. von § 175 Abs. 2 vorliegen, weil die städtebauliche Sanierungsmaßnahme insgesamt dem Gemeinwohl dient (§ 136 Abs. 1). Aus dem Gebot zur zügigen Durchführung (Nr. 202.9) kann sich sogar eine Verpflichtung für die Gemeinde ergeben, von den Instrumenten der §§ 176 bis 179 Gebrauch zu machen.
Das Vorliegen städtebaulicher Gründe wird im Umlegungsverfahren generell unterstellt. Nach § 59 Abs. 7 kann die Umlegungsstelle unter den Voraussetzungen des § 176 ein Baugebot oder Anpassungsgebot anordnen. Auf § 175 wird in § 59 Abs. 7 nicht Bezug genommen. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 werden durch das Verfahrensrecht der Bodenordnung verdrängt.
Einer besonderen Begründung bedarf die Anordnung, wenn das Grundstück im nicht beplanten Innenbereich liegt. Der Hinweis, daß Baulücken geschlossen werden sollen, reicht für sich nicht aus.
243.2.3
Objektive wirtschaftliche Zumutbarkeit
Weitere Voraussetzung für ein Bau- oder Anpassungsgebot ist, daß die Durchführung des Vorhabens aus Gründen, die nicht in der Person des betroffenen Grundeigentümers liegen, objektiv wirtschaftlich zumutbar ist (§ 176 Abs. 3).
Das Vorhaben ist objektiv wirtschaftlich unzumutbar, wenn es von keinem vernünftig handelnden Eigentümer durchgeführt würde. Ist lediglich der konkret betroffene Eigentümer nicht in der Lage, das Vorhaben durchzuführen, ist nur eine subjektive Unzumutbarkeit gegeben; diese schließt die Anwendung von § 176 nicht aus, sondern löst nur die in § 176 Abs. 4 vorgesehenen Rechtsfolgen aus.
Die Gemeinde kann die objektive Unwirtschaftlichkeit des Vorhabens durch Gewährung von Fördermitteln beseitigen.
243.3
Adressat
243.3.1
Eigentümer
Adressat des Bau- oder Anpassungsgebots ist der Eigentümer des Grundstücks, gegebenenfalls der Erbbauberechtigte (§ 200 Abs. 2).
243.3.2
Mieter, Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte
Mieter, Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte haben nach § 175 Abs. 3 die angeordneten Bau- und Anpassungsmaßnahmen zu dulden. Ihnen gegenüber ist ein entsprechendes Duldungsgebot zu erlassen.
Soweit erforderlich, muß die Gemeinde von ihren Befugnissen nach §§ 182 bis 186 Gebrauch machen.
243.4
Anordnung
243.4.1
Zuständigkeit
Für die Anordnung des Baugebots ist die Gemeinde zuständig.
Bei der Umlegung kann das Baugebot und das Anpassungsgebot auch vom Umlegungsausschuß auf Antrag der Gemeinde angeordnet werden (§ 59 Abs. 7). Ist die Befugnis zur Durchführung der Umlegung gemäß § 46 Abs. 4 auf die Flurbereinigungsbehörde oder das Katasteramt übertragen worden, erläßt diese Behörde das Gebot nach Maßgabe der Vereinbarung gemäß § 46 Abs. 4.
243.4.2
Erörterung
Beabsichtigt die Gemeinde, ein Baugebot oder ein Anpassungsgebot zu erlassen, soll sie dies vorher mit dem Eigentümer und den betroffenen Mietern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtigten erörtern. Sie soll die Betroffenen auch über die Durchführung der Maßnahmen beraten und auf Finanzierungsmöglichkeiten aus öffentlichen Kassen und Steuererleichterungen hinweisen (§ 175 Abs. 1).
Die Erörterungs- und Beratungspflicht der Gemeinde entsteht, sobald die Gemeinde beabsichtigt, ein Gebot anzuordnen. Ziel der Erörterung und Beratung muß eine vertragliche Regelung zwischen der Gemeinde und den Betroffenen sein, die das Gebot erübrigt. Für diese Verträge sind die Regelungen über Entschädigungs- und Übernahmeansprüche im Zusammenhang mit dem Gebot entsprechend anzuwenden.
Nimmt ein Eigentümer oder Nutzungsberechtigter ein Angebot der Gemeinde zur Erörterung und Beratung nicht wahr, hat die Gemeinde ihre diesbezügliche Pflicht erfüllt. Da es sich bei der Pflicht nach § 175 Abs. 1 um eine Sollvorschrift handelt, kann die Gemeinde von einem Angebot zur Erörterung und Beratung absehen, wenn der Betroffene bereits eindeutig erklärt hat, er werde an der beabsichtigten Maßnahme in keinem Fall mitwirken oder sie dulden.
Die Beratungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 2 geht weiter als die Erörterungspflicht, weil die Gemeinde verpflichtet ist, die Betroffenen auch über deren eigene Rechte, insbesondere auch über bestehende Finanzierungsmöglichkeiten aus öffentlichen Kassen, zu unterrichten.
243.4.3
Form
Das Bau- oder Anpassungsgebot wird durch "Bescheid", d.h. durch Verwaltungsakt angeordnet.
Zur Vermeidung eines Gebots kann auch ein öffentlichrechtlicher Vertrag zwischen der Gemeinde und dem Betroffenen geschlossen werden.
Im Falle der Umlegung kann das Bau- oder Anpassungsgebot auch im Umlegungsplan angeordnet werden (§ 66 Abs. 3 und § 68 Abs. 1 Nr. 7).
243.4.4
Bestimmtheit
Die Anordnung muß die betreffende Baumaßnahme hinreichend genau bezeichnen.
Liegt ein Bebauungsplan vor, ergeben sich die anzuordnenden Baumaßnahmen aus den für das betreffende Grundstück maßgebenden Festsetzungen. Lassen die planerischen Festsetzungen dem Eigentümer einen Rahmen, so darf dieser durch konkrete Bestimmungen im Gebot nicht eingeschränkt werden. Ausnahmen oder Befreiungen nach § 31 kommen nur in Betracht, wenn der Eigentümer einen entsprechenden Antrag stellt.
Im nichtbeplanten Innenbereich i.S. von § 34 bestimmt sich der Inhalt des Gebots nach dem, was bebauungsrechtlich zulässig ist. Das angeordnete Vorhaben muß sich nach § 34 Abs. 1 und 2 einfügen. Ist der näheren Umgebung ein Rahmen zu entnehmen, so darf dieser in der Anordnung nicht eingeschränkt werden.
Der Inhalt der anzuordnenden Maßnahme wird zugleich durch das städtebauliche Erfordernis begrenzt. Die Gemeinde darf durch das Gebot nur anordnen, was städtebaulich erforderlich ist.
243.4.5
Angemessene Frist
Für die Durchführung der angeordneten Baumaßnahme ist eine angemessene Frist zu bestimmen. Diese ist so zu bemessen, daß der Eigentümer die entsprechenden Bauvorlagen erstellen und sich erforderliche Finanzierungsmittel beschaffen kann.
243.5
Durchsetzung des Bau- oder Anpassungsgebots
243.5.1
Vollstreckung
Die Vollstreckung eines Bau- oder Anpassungsgebots richtet sich nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz.
Als Zwangsmittel kommt das Zwangsgeld in Betracht. Die Ersatzvornahme ist im Regelfall zur Durchsetzung nicht geeignet, weil die betreffende Baumaßnahme nicht so konkret angeordnet werden kann, daß nur eine Möglichkeit der Ausführung in Betracht kommt.
243.5.2
Enteignung
Als besondere Maßnahme zur Durchsetzung eines Bau- oder Anpassungsgebots sieht § 85 Abs. 1 Nr. 5 die Enteignung vor. Diese ist nach § 87 Abs. 3 Satz 2 auch zugunsten eines Bauwilligen zulässig, der in der Lage ist, die Baumaßnahmen innerhalb angemessener Frist durchzuführen, und sich hierzu verpflichtet.
243.6
Übernahmeverlangen
Auf § 176 Abs. 4 wird hingewiesen.