Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 09.06.2020, Az.: 1 Ws 187/20
Letzte gerichtliche Entscheidung als alleinige Grundlage für Anfechtung einer Arrestanordnung wegen eingezogener Taterträge
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 09.06.2020
- Aktenzeichen
- 1 Ws 187/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 64531
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 27.01.2020 - AZ: 5 Qs 428/19
- AG Oldenburg (Oldb.) - AZ: 28 Gs 4875/19
Rechtsgrundlagen
- § 111e Abs. 1 StPO
- § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO
- § 473 Abs. 1 StPO
Amtlicher Leitsatz
Grundlage einer Anfechtung kann bei Arrestanordnung im Rahmen der Einziehung von Taterträgen grundsätzlich nur die letzte gerichtliche Entscheidung sein.
Tenor:
Die weitere Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 27. Januar 2020 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Dem Beschuldigten AA wird unter anderem vorgeworfen, am TT.MM.2014 einen als "Atypische Stille Beteiligung an der Einzelfirma CC" überschriebenen Vertrag mit dem Geschädigten DD geschlossen zu haben, um diesen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 70.000,- Euro an ihn zu bewegen. Im Gegenzug dazu soll er dem Geschädigten eine vierteljährliche Zinsausschüttung in Höhe von jeweils 1.225,- Euro sowie die Rückzahlung der gesamten Einlage mit Ablauf des 31. März 2017 zugesagt haben, obwohl er zumindest billigend in Kauf nahm, weder die Zinszahlungen erbringen noch die Einlage von 70.000,- Euro erstatten zu können, da es sowohl ihm als auch der Firma an eigenen Mitteln fehlte. Der Beschuldigte soll dabei dem Geschädigten DD gegenüber als Grund für den Kapitalbedarf wahrheitswidrig den Erwerb, die Renovierung und den Weiterverkauf von Wohnungen im Rahmen der Firmentätigkeit angegeben haben. Tatsächlich benötigte er das Geld zur Finanzierung seines luxuriösen Lebensstils.
Im Vertrauen auf die Zusagen des Beschuldigten überwies der Geschädigte DD am TT.MM 2014 einen Betrag in Höhe von 70.000,- Euro auf das Konto mit der (...), dessen formeller Inhaber der Beteiligte BB war. Der Beschuldigte war zu diesem Zeitpunkt verfügungsberechtigt.
Wie der Beschuldigte von Anfang an beabsichtigt haben soll, leistete er in der Folge lediglich drei Mal die vierteljährlich zugesagte Zinszahlung in Höhe von jeweils 1.225,- Euro an den Geschädigten DD. Die Rückzahlung der 70.000,- Euro erfolgte hingegen bis heute nicht, obwohl der Beschuldigte sogar durch (Teil-)Anerkenntnisurteil des Landgerichts Oldenburg vom 16. Januar 2018 zur (Rück-)Zahlung der 70.000,- EUR nebst Zinsen an den Geschädigten DD verurteilt wurde (AZ: 4 O 2497/17).
Der Beschuldigte soll das auf das Konto des Beteiligten gezahlte Geld u.a. für Leasingraten in Höhe von insgesamt 2.600,- Euro monatlich für drei Fahrzeuge der Marken Porsche (...), Mercedes (...) und BMW (...), deren Halter jeweils der Beteiligte war, für als "Miete" für die vom Beschuldigten bewohnte, im Eigentum des Beteiligten stehende, Immobilie in der Straße1 in Ort3 deklarierte Zahlungen an den Beteiligten sowie für Unterhaltskosten dieser Immobilie genutzt haben.
Mit Beschluss vom 14. November 2019 hatte das Amtsgericht Oldenburg den Antrag der Staatsanwaltschaft Oldenburg auf Anordnung eines Vermögensarrestes in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beteiligten zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Einlassung des Beschuldigten, er habe die Zahlungen wie zugesagt erbringen wollen, nicht zu widerlegen sei. Die wirtschaftliche Situation des Beschuldigten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei unklar.
Auf die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft Oldenburg vom 19. November 2019 hat das Landgericht Oldenburg mit Beschluss vom 27. Januar 2020 den beantragten Vermögensarrest in Höhe von 70.000,- Euro in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschuldigten und des Beteiligten sowie eine gesamtschuldnerische Haftung angeordnet. Nach Auffassung des Landgerichts bestehen dringende Gründe für die Annahme, dass beide aufgrund einer betrügerischen Handlung des Beschuldigten einen Betrag in Höhe von 70.000,- Euro erlangt haben, sowie dafür, dass in entsprechender Höhe die Einziehung angeordnet werde.
Nach weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hat das Amtsgericht Oldenburg allerdings unter dem 4. März 2020 durch Beschluss einen erweiterten Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschuldigten und des Beteiligten in Höhe von nunmehr (insgesamt) 172.000,- EUR angeordnet und auch insoweit die gesamtschuldnerische Haftung der beiden festgestellt. Grundlage dieses Beschlusses sind neben der oben genannten Tat zu Lasten des Geschädigten DD insgesamt fünf weitere Taten vom 7. Oktober 2015, 14. Januar, 25. August und 31. Oktober 2016 sowie vom 25. August 2017, jeweils zu Lasten der Geschädigten EE begangen. In diesen Fällen soll der Beschuldigte durch betrügerische Handlungen, die vom modus operandi der Vorgehensweise beim Geschädigten DD gleichen, insgesamt weitere 102.000,- EUR erlangt haben, die ebenfalls auf das Konto des Beteiligten gezahlt wurden. Ferner sollen die insoweit erlangten Gelder einem "Schneeballsystem" gleichend zur teilweisen Begleichung von weiteren Forderungen des Geschädigten DD genutzt worden sein. Die auch der Geschädigten EE zugesagten vierteljährlichen Zinsausschüttungen wurden nur sporadisch geleistet, eine Rückzahlung der von ihr geleisteten "Einlagen" erfolgte bis heute nicht.
Mit seinem Antrag vom 6. April 2020 wendet sich der Einziehungsbeteiligte gegen den Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 27. Januar 2020.
Die Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg hat unter dem 29. April 2020 mit Vorlage der Akten an den Senat die Auffassung vertreten, die weitere Beschwerde sei als unbegründet zu verwerfen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die bezeichneten Entscheidungen und Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Das eingelegte Rechtsmittel, das als Antrag auf "gerichtliche Entscheidung gem. § 111j Abs. 2 S. 3 StPO" bezeichnet ist, ist als weitere Beschwerde auszulegen. Die Begründung des Antrages zielt erkennbar auf eine Anfechtung des landgerichtlichen Beschlusses vom 27. Januar 2020 ab. Insoweit ist die weitere Beschwerde statthaft (§ 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO).
Sie erweist sich jedoch als unzulässig.
Dadurch, dass das Amtsgericht Oldenburg bereits vor Einlegung der weiteren Beschwerde einen erweiterten Arrest in das Vermögen des Beteiligten angeordnet hat, ist der (weiteren) Beschwerde gegen die frühere Arrestentscheidung die Grundlage entzogen worden. Sie ist prozessual überholt, da die angefochtene Entscheidung durch die Arrestanordnung des Amtsgerichts Oldenburg vom 4. März 2020, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, ersetzt worden ist. Die Tatsache, dass das Amtsgericht ausweislich des Beschlusstenors lediglich eine Ergänzung der ursprünglichen Arrestanordnung angeordnet hat, vermag dies nicht in Frage zu stellen. Das Amtsgericht hat den zuvor angeordneten Arrest der Höhe nach in die nunmehr zugrunde gelegte Arrestsumme eingerechnet und die Arrestanordnung vollumfänglich begründet.
Insoweit ist der bei Haftbeschwerden geltende Grundsatz, dass Grundlage einer Anfechtung immer nur die letzte auf Haftfortdauer erkennende gerichtliche Entscheidung sein kann (vgl. z.B. OLG Koblenz, Beschluss v. 23. Dezember 2015 - 2 Ws 664/15; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 5. Juli 2005 - 1 Ws 367/05, jeweils zit. n. juris), übertragbar. Die dortige Erwägung, dass es einem vernünftigen Verfahrensablauf widerspräche, wenn ein Angeklagter beliebig auf frühere (Haft-)Entscheidungen zurückgreifen könnte, deren Begründung möglicherweise bereits überholt ist (vgl. OLG des Landes Sachsen-Anhalt, a.a.O. m.w.N.), muss - jedenfalls grundsätzlich - auch für (weitere) Beschwerden gegen Arrestanordnungen gelten (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 2. Februar 2017 - III-4 Ws 422/16, juris).
Der Umstand, dass diejenige Tat, die Grundlage der streitgegenständlichen Arrestanordnung war, wiederum auch Teil des neuerlichen Arrestbeschlusses ist, vermag eine isolierte Anfechtung der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung nicht zu rechtfertigen. Die neuerliche Anordnung erschöpft sich nicht in einer schlichten Erhöhung des Betrages, sondern stellt die Anordnung selbst auf eine neue Grundlage. Die ursprüngliche Tat reiht sich nunmehr in eine Kette von mehreren gleichgelagerten Fällen ein, sodass erst die neuerliche Gesamtbetrachtung die Einbettung der Tat in eine Art "Schneeballsystem", verbunden mit einem noch deutlich erheblicheren Gesamtschaden erkennen lässt. Daraus wird deutlich, dass nur eine Gesamtbetrachtung zulässig sein kann. Andernfalls würde es ebenso an der erforderlichen Grundlage für die Feststellung des Tatverdachts mangeln wie an derjenigen für eine sachgerechte Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die separat begehrte Entscheidung über die ursprüngliche (bereits überholte) Anordnung des Arrestes erweist sich mithin als unzulässig.
Der seitens des Beteiligten gestellte Hilfsantrag bedarf schon deshalb keiner Entscheidung, weil die Pfändungsfreigabe der genannten Konnten bereits erfolgt ist.
III.
Da die prozessuale Überholung bereits vor Einlegung der Beschwerde eingetreten ist, ergibt sich die Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2009, 2 Ws 84 u. 85/09, NStZ 2009, 592 [KG Berlin 27.03.2009 - 4 Ws 31/09]).