Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.12.2023, Az.: 11 U 3/23

Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall; Unvermeidbarkeit eines Unfalls aufgrund eines plötzlich die Straße überquerenden Wilds bei überhöhter Geschwindigkeit; Anforderungen an die Feststellung eines Sorgfaltsverstoßes

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
15.12.2023
Aktenzeichen
11 U 3/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 52537
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2023:1215.11U3.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 02.06.2023 - AZ: 4 O 1363/16

Fundstelle

  • ZAP EN-Nr. 254/2024

Amtlicher Leitsatz

  1. I.

    Ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG kann auch dann vorliegen, wenn der Unfallverursacher die nach den Maßstäben eines Idealfahrers einzuhaltende Geschwindigkeit überschreitet.

  2. II.

    Bei der Prüfung der Unvermeidbarkeit ist nicht auf die individuellen Fähigkeiten eines am Unfall beteiligten Tieres abzustellen.

In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
vertreten durch die Betreuerin
BB, Ort1,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
CC Versicherungs-Aktiengesellschaft, vertreten durch den Vorstand, Ort2,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und die Richterin am Oberlandesgericht (...)
am 15. Dezember 2023
einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 02.06.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Osnabrück wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt bis zu 650.000 Euro.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall, der sich am TT.MM.2011 gegen 22:35 Uhr auf der Straße1 zwischen Ort3 und Ort4 auf Höhe des gerade verlaufenden Straßenabschnitts Kilometer 1,25 der Straße2 ereignete. Der Fahrbahnbelag war trocken.

Der Kläger befuhr diese Straße mit seinem Kraftfahrzeug Pkw1, amtliches Kennzeichen (...), in Richtung Ort4. In der Gegenrichtung fuhr die Zeugin DD in Begleitung ihrer Mutter EE das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Kraftfahrzeug Pkw2, amtliches Kennzeichen (...). In Fahrtrichtung dieses Fahrzeuges befand sich rechtsseitig ein Getreidefeld mit niedrigem Bewuchs, ein an die Straßenfahrbahn angrenzender Radweg und ein Straßengraben, auf der gegenüber liegenden Seite ein Waldstück. Im Moment der Begegnung der beiden Kraftfahrzeuge sprang aus dem Getreidefeld kommend ein die Straße kreuzendes Reh auf die Fahrbahn. Das Tier geriet gegen die Windschutzscheibe des klägerischen Fahrzeuges, durchschlug diese und traf den Kläger am Kopf. Infolgedessen verlor er die Kontrolle über sein Kraftfahrzeug, das von der Fahrbahn abkam, in den Grabenbereich geriet, dort gegen mehrere Bäume prallte und schließlich im Straßengraben zum Stillstand kam. Der Kläger, der sich vor dem Unfall seit elf Jahren in einer Anstellung als Maschinenführer befand, erlitt durch den Unfall schwerste Verletzungen, die zu anhaltenden körperlichen und kognitiven Einschränkungen führten, infolgedessen er erwerbsunfähig wurde und auf Pflegeleistungen Dritter angewiesen ist. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.09.2013 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 04.10.2013 zur Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie einer weiteren Zahlung als Vorschuss auf materielle Schadenersatzansprüche auf.

Der Kläger hat behauptet, die Führerin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe die zulässige Geschwindigkeit 70 km/h betragen (Bl. 90 Bd. I). Zudem sei ein Warnzeichen, welches auf Gefahren durch Wildwechsel hingewiesen habe, aufgestellt gewesen (Bl. 90 Bd. I). Er hat die Ansicht vertreten, die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Kraftfahrzeuges sei verpflichtet gewesen, ihre Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren, da sie an der Unfallstelle mit einem Wildwechsel hätte rechnen müssen (Bl. 5 Bd. I). Ein Idealfahrer wäre höchstens eine Geschwindigkeit von 70 km/h gefahren (Bl. 143 Bd. III). Bei Einhaltung dieser Geschwindigkeit wäre der Unfall räumlich und zeitlich vermieden worden (Bl. 153 Bd. III). Für eine Vergleichsbetrachtung sei auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem das Reh auf den neben der Fahrbahn befindlichen Weg gesprungen sei (Bl. 143 Bd. III). Bei einer geringeren Geschwindigkeit hätte das bei der Beklagten versicherte Kraftahrzeug den Unfallort erst später erreicht (Bl. 117 Bd. III). Bereits bei einer leichten Verringerung der Geschwindigkeit des gegnerischen Fahrzeuges hätte eine Kollision dieses Fahrzeuges mit dem Reh und damit das Unfallgeschehen vermieden werden können (Bl. 88 Bd. I). Demgegenüber sei der Unfall für ihn unvermeidbar (Bl. 88 Bd. I) gewesen. Er hat behauptet, dass sich das Tier in dem für ihn entfernteren, hinter dem Gegenverkehr liegenden Fahrbahnrand aufgehalten habe (Bl. 88 Bd. I). Zum Zeitpunkt der Kollision sei es noch hell gewesen (Bl. 39 Bd. III).

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter 500.000 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.10.2013 zu bezahlen,

  2. 2.

    die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 50.385,73 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 25.000 € seit dem 05.10.2013 sowie aus weiteren 25.385,73 € seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,

  3. 3.

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle weiteren immateriellen sowie bereits entstandenen oder noch entstehenden materiellen Schäden aufgrund des Unfalls vom TT.MM.2011 auf der Straße1 (Landkreis Osnabrück) zu ersetzen, soweit Ansprüche des Klägers nicht nach § 116 SGB X oder aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,

  4. 4.

    die Beklagte weiter zu verurteilen, ihn von einer Forderung der Klägervertreter für die vorgerichtliche Vertretung in Höhe von 8.741,74 € freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, zum Unfallzeitpunkt sei bereits die Dämmerung eingetreten gewesen (Bl. 59 Bd. I). Weder am rechten noch am linken Fahrbahnrand noch auf dem Getreidefeld seien ein Reh oder sonstige Tiere zu erkennen gewesen (Bl. 59 Bd. I). Das Reh sei plötzlich aus dem Getreidefeld kommend auf die Fahrbahn gesprungen. Die Fahrzeugführerin habe keine Möglichkeit gehabt, auf das von rechts auf die Straße springende Tier zu reagieren. Ein Abbremsen vor dem Tier oder gar ein Ausweichen sei ausgeschlossen gewesen (Bl. 62 Bd. I). Der Unfall sei unabwendbar gewesen (Bl. 63 Bd. I). Die Sichtverhältnisse des Klägers auf das für diesen links gelegene Feld seien im Zweifel besser gewesen (Bl. 62 Bd. I). Es sei zudem zu keiner Berührung des bei ihr versicherten Fahrzeuges mit dem Reh gekommen (Bl. 139f Bd. II). Das bei ihr versicherte Fahrzeug sei mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h gefahren worden (Bl. 50 Bd. I). Im Blickfeld der Fahrzeugführerin sei kein Reh wahrnehmbar gewesen (Bl. 37 Bd. II). Dieses sei plötzlich von rechts kommend auf die Straße gesprungen (Bl. 52 Bd. II). Eine frühere Erkennbarkeit wäre auch bei einer geringeren Geschwindigkeit nicht gegeben gewesen (Bl. 52 Bd. II). Ein Reh hebe sich in der Dämmerung nicht von der weiteren Umgebung einer Wiese ab, so dass das rechts neben der Fahrbahn im Gelände befindliche Reh nicht ausreichend sichtbar gewesen sei (Bl. 44 Bd. III). Es könne nicht unterstellt werden, dass das Reh früher sichtbar gewesen sei, da es sich seitlich kommend nicht im auf die Straße gerichteten Blickfeld befunden habe.

Das Landgericht Osnabrück hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen DD und EE, durch Einholung einer amtlichen Auskunft bei der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, durch Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens nebst Ergänzungsgutachten sowie durch Anhörung der Sachverständigen Prof. Dipl.-Ing. FF, Dr. Dipl.-Ing. GG, Dr. HH und Dipl.-Phys. JJ.

Mit dem am 02.06.2023 verkündeten Urteil hat das Landgericht Osnabrück die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der Unfall sei für die Fahrzeugführerin im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG unabwendbar gewesen. Grundsätzlich sei ein Verkehrsteilnehmer auf Straßen an oder durch Waldbestand auch ohne das Gefahrzeichen 142 ("Wildwechsel") gehalten, sich auf die Gefahr eines gelegentlichen Wildwechsels einzurichten, insbesondere seine Geschwindigkeit zu mäßigen, den Fahrbahnrand verstärkt zu beobachten und seine Reaktionsbereitschaft zu erhöhen. Laut Auskunft der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr vom 06.07.2017 habe zur Unfallzeit eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h an der Unfallstelle gegolten. Ein Warnzeichen Z 142 zu § 40 Abs. 6 StVO "Wildwechsel" sei im Bereich der Unfallstelle nicht aufgestellt gewesen. Ferner sei zur Unfallzeit bereits die Dämmerung eingetreten gewesen. Bei diesen Gegebenheiten hätte ein besonders vorausschauender Fahrer die Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h unterschritten und seine Geschwindigkeit auf 70 bis 80 km/h beschränkt, auch um gegebenenfalls auf auftauchende Wildtiere besser reagieren zu können und diese frühzeitig auf dem Getreidefeld erblicken zu können. Eine weitere Reduzierung der Geschwindigkeit sei von einem Idealfahrer indes nicht zu erwarten. Die Fahrzeugführerin hätte das Kraftfahrzeug räumlich nach den Ausführungen des Sachverständigen nur vermeiden können, wenn sie knapp über 40 km/h gefahren wäre. Nur dann wäre es zu keinem Zusammenstoß mit dem von ihr geführten Fahrzeug und dem Reh gekommen, der im weiteren Geschehensablauf zu einer Verdrehung des im Sprung befindlichen Rehs geführt habe (vgl. hierzu insbesondere die Skizze zu der rekonstruierten Flugbahn des Rehs mit und ohne Anstoß des Rehs mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug Bl. 69 Bd. V). Auch ein besonders besonnener und vorsichtiger Fahrer hätte unter hinreichender Beobachtung des angrenzenden Getreidefeldes während der Fahrt nicht rechtzeitig reagieren können. Auch sei der Unfall für die Fahrzeugführerin des bei der Beklagten versicherten Kraftfahrzeuges nicht zeitlich vermeidbar gewesen. Der Einwand bei geringerer Geschwindigkeit erst später am Unfallort zu sein, sei von dem Schutzzweck der Norm nicht gedeckt. Der Zweck der Geschwindigkeitsbegrenzung liege darin, den typischen Gefahren einer erhöhten Geschwindigkeit entgegenzuwirken und nicht zu verhindern, dass eine Person schneller an einem Ziel ankomme. Die seitens der Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges gefahrene Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h sei nicht kausal für den Verkehrsunfall geworden. Zu einem Verkehrsunfall sei es vermutlich auch ohne den Anstoß des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges mit dem Reh gekommen. Auch dann wäre der Kläger mit seinem Fahrzeug vermutlich mit dem Reh zusammengestoßen. Der Einwand des Klägers, das Reh hätte sich dann anders verhalten, was sodann den Unfallablauf verändert hätte, sei ein rein hypothetischer Einwand, für den keine hinreichenden Anhaltspunkte vorlägen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird vollumfänglich auf das angefochtene Urteil (Bl. 62-75 Bd. V) Bezug genommen.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 14.06.2023 (Bl. 84 Bd. V) zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 13.07.2023 beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufungsschrift vom 12.07.2023 (Bl. 87ff Bd. V). Der Kläger hat in seiner Berufungsbegründung vom 13.09.2023, die am 14.09.2023 binnen antragsgemäß verlängerter Frist beim Oberlandesgericht eingegangen ist (Bl. 99ff Bd. V), im Wesentlichen ausgeführt, der Unfall sei für die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges nicht unvermeidbar gewesen. Es seien erstinstanzlich bereits keine hinreichenden Feststellungen bezüglich einer Vermeidbarkeit des Unfalls bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 70 km/h getroffen worden (Bl. 104 Bd. V). Gemäß dem erstinstanzlichen Beweisbeschluss vom 27.04.2022 habe eine (fiktive) Geschwindigkeit zugrunde gelegt werden sollen. In dem schriftlichen Gutachten vom 11.10.2022 sei jedoch nur auf die (tatsächliche) Annäherungsgeschwindigkeit von 90 km/h abgestellt worden. Eine Bewertung hinsichtlich der Vermeidbarkeit bei Nichtüberschreiten der gebotenen Geschwindigkeit könne daher aus den Angaben des Sachverständigen nicht hergeleitet werden. Bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 70 km/h wäre der Zusammenstoß zwischen dem Reh und dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug jedenfalls in zeitlicher Hinsicht vermieden worden. Auch ohne Abbremsen wäre der Anstoß dann bereits vermieden worden. Von einem Idealfahrer wäre zudem eine weitere Reduzierung der gefahrenen Geschwindigkeit zu fordern gewesen. Zudem wäre dem Reh bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h eine korrekte Einschätzung der Bewegung der Fahrzeuge möglich gewesen, so dass das Tier seinerseits noch auf ein nicht schneller fahrendes Fahrzeug hätte reagieren und so einen Zusammenstoß hätte vermeiden können. Ein Idealfahrer hätte diese Geschwindigkeit nicht überschritten. Der Unfall wäre auch zeitlich zu vermeiden gewesen. Bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 70 km/h wäre das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug nämlich zu einem späteren Zeitpunkt am Unfallort gewesen. Dies gelte erst recht bei der von einem Idealfahrer einzuhaltenden Geschwindigkeit von 60 km/h. Bei Vermeidung eines Anstoßes des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges mit dem Reh hätte sich der Unfall in der vorliegenden Form nicht ereignet, da es dann zu keinem Zusammenstoß zwischen dem Fahrzeug und dem Reh und damit zu der Drehbewegung des Rehes nicht gekommen wäre. Von einem identischen Verlauf könne ohne einen Anstoß des Rehs durch das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug nicht ausgegangen werden (Bl. 107 Bd. V).

Der Kläger beantragt,

das am 02.06.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Osnabrück (Aktenzeichen: 4 O 1363/16) abzuändern und in der Hauptsache wie folgt neu zu fassen:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter 500.000 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.10.2013 zu bezahlen.

  2. 2.

    Die Beklagte wird weiter verurteilt, an ihn einen Betrag in Höhe von 50.385,73 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 25.000 € seit dem 05.10.2013 sowie aus weiteren 25.385,73 € seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

  3. 3.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle weiteren immateriellen sowie bereits entstandenen oder noch entstehenden materiellen Schäden aufgrund des Unfalls vom TT.MM.2011 auf der Straße1 (Landkreis Osnabrück) zu ersetzen, soweit Ansprüche des Klägers nicht nach § 116 SGB X oder aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

  4. 4.

    Die Beklagte wird weiter verurteilt, ihn von einer Forderung der Klägervertreter für die vorgerichtliche Vertretung in Höhe von 8.741,74 € freizustellen.

Hilfsweise beantragt der Kläger,

das am 02.06.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Osnabrück (Aktenzeichen: 4 O 1363/16) mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Berufungsanträge an das Landgericht zurückzuverweisen.

Für den Fall der Zurückweisung der Berufung beantragt der Kläger hilfsweise,

die Revision gegen das Berufungsurteil zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 13.09.2023 Bezug genommen (Bl. 100ff Bd. V).

II.

Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurück, weil sie offensichtlich unbegründet ist. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 26.10.2023 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

1. In diesem Beschluss hat der Senat Folgendes ausgeführt:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht und zutreffend ausgeführt, dass eine Haftung der Beklagten ausscheidet, da der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist (§ 17 Abs. 3 Satz 1 StVG). Die Beklagte ist danach insgesamt von ihrer Haftung befreit (vgl. hierzu Greger in Greger/Zwickel, Haftung im Straßenverkehr, 6. Auflage, Rn. 3.269f).

Nach § 17 Abs. 3 StVG ist die Verpflichtung zum Ersatz des Schadens ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges beim Führen des Kraftfahrzeuges jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat.

Die Beklagte hat erstinstanzlich den Beweis geführt, dass der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist. Sie hat bewiesen, dass der Unfall auch bei Aufbringen der nach den Umständen des Falles äußerst möglichen Sorgfalt geschehen wäre (§ 17 Abs. 3 Satz 2 StVG).

Zum Aufbringen einer äußerst möglichen Sorgfalt gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus, nicht jedoch das Verhalten eines gedachten "Superfahrers", sondern, gemessen an durchschnittlichen Anforderungen, das Verhalten eines Idealfahrers. (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage, § 17 StVG Rn. 22 m.w.N.). Nicht den Schaden beeinflussende Umstände haben hierbei unberücksichtigt zu bleiben, selbst wenn diese ein Fehlverhalten des Fahrers begründen. Dementsprechend schließt beispielsweise das Fahren mit einer überhöhten Geschwindigkeit ein unabwendbares Ereignis nicht aus, wenn die überhöhte Geschwindigkeit für den Unfall nicht ursächlich war (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage, § 17 StVG Rn. 22 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes war der Unfall für die Führerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges weder räumlich noch zeitlich vermeidbar.

a) Der Unfall war räumlich unvermeidbar. Von einer räumlichen Vermeidbarkeitsmöglichkeit ist auszugehen, wenn das Fahrzeug bei pflichtmäßigem Verhalten (Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und rechtzeitige Reaktion) vom Kraftfahrer unter sonst gleichen Bedingungen vor der Unfallstelle hätte angehalten werden können (Weber in: Berz/Burmann Handbuch des Straßenverkehrsrechts (StraßenverkehrsR-HdB), Werkstand: 47. EL Mai 2023, 21. C. Vermeidbarkeitsbetrachtung Rn. 31, beck-online).

Die Führerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges hat die gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 lit. c) StVO am Unfallort zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten. Denn in dem betreffenden Streckenabschnitt der Straße1, an welchem sich der Unfall ereignet hat, war ausweislich der Auskunft der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr zum Unfallzeitpunkt eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zulässig. Ein Warnzeichen Z 142 ("Wildwechsel") war nicht vorhanden (Bl. 153 Bd. I). Die Straße war zum Unfallzeitpunkt trocken.

Die Beklagte hat bewiesen, dass das bei ihr versicherte Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von ca. 80/90 km/h gefahren worden ist und damit die Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nicht überschritten hat. Dies folgt aus den glaubhaften Aussagen der erstinstanzlich vernommenen Zeugin DD, die als Beifahrerin ihrer zum Unfallzeitpunkt 17jährigen Tochter Angaben zu dem Unfallgeschehen machen konnte. Sie hat bekundet, dass es zum Unfallzeitpunkt dämmerig gewesen sei. Sie seien mit dem Fahrzeug erst auf die Straße eingebogen und dann zwischen 80 und 90 km/h gefahren (Bl. 132 Bd. I).

Obwohl somit das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug mit der gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 lit. c) StVO am Unfallort zulässigen Höchstgeschwindigkeit geführt wurde, ist die Fahrzeugführerin dennoch nicht mit der gemäß § 3 Abs. 1 S. 1, 2 und 4 StVO den gegebenen Verhältnissen angepassten Geschwindigkeit gefahren. Denn ein Idealfahrer, der die größtmögliche Sorgfalt beachtet, wäre in der Gesamtschau der Witterungs-, Sicht- und Verkehrsverhältnisse nämlich weder die zulässige Geschwindigkeit von 100 km/h noch eine solche von 80 bis 90 km/h gefahren. Vielmehr hätte dieser die Geschwindigkeit aufgrund der objektiv bestehenden Gefahr eines Wildwechsels und der Sichtverhältnisse weiter reduziert.

Ein Idealfahrer hätte bereits infolge der objektiven Gegebenheiten des Geländes mit einem Wildwechsel gerechnet und seine Geschwindigkeit unter Beachtung dieser Gefahr angepasst. Grenzen an eine Straße ein Wald und ein offenes Feld ist grundsätzlich mit einem Wildwechsel zu rechnen. Mit der Gefahr eines gelegentlichen Wildwechsels auf Straßen an oder durch Waldbestand müssen Fahrzeugführende stets rechnen, so dass Verkehrsteilnehmer dort auch ohne das Gefahrzeichen 142 ("Wildwechsel") gehalten sind, sich hierauf einzurichten, insbesondere die gefahrene Geschwindigkeit zu mäßigen, den Fahrbahnrand verstärkt zu beobachten und die Reaktionsbereitschaft zu erhöhen. Auch ein die Fahrbahn anschließendes Gelände muss aufmerksam beobachtet werden, um Wild, dass dort steht oder sich der Fahrbahn nähert, möglichst frühzeitig erkennen und die Fahrweise darauf einstellen zu können (BGH VersR 1987, 158; Siegel: Verkehrsunfälle mit Tieren, SVR 2016, 281, beck-online).

Zudem waren die Sichtverhältnisse zum Unfallzeitpunkt eingeschränkt. Ausweislich des erstinstanzlich eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. FF vom 11.10.2022 herrschte zum Unfallzeitpunkt bereits Dunkelheit (nautische Dämmerung in einem Bereich von -6 bis -12° des Tiefenwinkels; Seite 5 Sonderband Gutachtenband II - im Folgenden: SH II). Die sogenannte bürgerliche Dämmerung sei bereits beendet gewesen. Die lichttechnische Untersuchung am Unfallort am 13.07.2022 um 23.35 Uhr habe ergeben, dass die Sichtverhältnisse vergleichbar mit den zum Unfallzeitpunkt geltenden Verhältnissen gewesen seien (vgl. das dem Gutachter zur Verfügung stehenden Material, so das Gutachten des Deutschen Wetterdienstes zum Gesamtbedeckungsgrad und der Niederschlagsmenge zum Unfallzeitpunkt, Seite 3 SH II). Zum Unfallzeitpunkt sei der Himmel ausweislich des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes fast vollständig bedeckt gewesen. Zum Zeitpunkt der lichttechnischen Untersuchung sei der Himmel hingegen nicht vollständig bedeckt gewesen (Seite 11 SH II). Es sei daher davon auszugehen, dass zum Unfallzeitpunkt eine geringere Helligkeit vorgelegen habe als bei klarem Himmel (Seite 6 SH II). Die Sichtweite für die Führerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges habe 75 Meter betragen (Seite 5, Anlage Z 3, Z 32 und Z 33 SH II).

Die Ausführungen des Sachverständigen sind ergiebig. Sie gehen von einer zutreffenden Sachverhaltswürdigung und einem richtigen Verständnis der an ihn gerichteten Beweisfragen aus. Die Schlussfolgerungen in dem Gutachten sind verständlich und für das Gericht auch in jeder Hinsicht nachvollziehbar.

Unter den gegebenen Umständen (trockene Fahrbahn, Dunkelheit, bestehende Gefahr des Wildwechsels, Sichtweite von 75 m) wäre eine Idealfahrerin unter Berücksichtigung des Sichtfahrgebots eine Geschwindigkeit von ca. 60 bis 70 km/h gefahren. Das folgt aus dem in § 3 Abs. 1 S. 2 und 4 StVO enthaltenen Sichtfahrgebot, wonach eine Herabsetzung der Fahrgeschwindigkeit geboten ist, wenn der Fahrzeugführer den Verkehrsablauf nicht vollständig überblicken und deshalb auftretende Hindernisse und Gefahren nicht so rechtzeitig bemerken kann, dass er ihnen mit Sicherheit begegnen kann. Dabei bezieht sich der Begriff der Unübersichtlichkeit nur auf die Fahrbahn, so dass eine Straßenstelle nicht schon dann unübersichtlich wird, wenn der Verkehrsablauf in der seitlichen Umgebung der Straße nicht voll zu überblicken ist (BGH, Urteil vom 23.04.2022 - VI ZR 180/01 Rn. 18 m.w.N.). Nach § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO war die Fahrzeugführerin daher gehalten, das Fahrzeug nur so schnell zu fahren, dass sie dieses innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten konnte. Sie hatte nämlich jederzeit mit einem Hindernis zu rechnen, vor welchem sie anhalten bzw. dem sie ausweichen musste.

In Ansehung der Sichtweite durfte die Fahrzeugführerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges eine Geschwindigkeit von ca. 70 km/h fahren. Die Sichtweite des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges betrug ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen zum Unfallzeitpunkt 75 m. Bei einer Reaktionszeit von 1,0 Sekunden zuzüglich des Weges bis zu welchem die Bremsen greifen von 0,2 Sekunden errechnet sich ein Reaktionsweg von 21 Metern ((V/10) x 3 = Reaktionsweg). Diese Reaktionszeit entspricht den seitens des Sachverständigen zugrunde gelegten Reaktionszeit von 1,2 Sekunden (Bl. 28 Bd. V). Hinzuzurechnen ist der Bremsweg von 49 Metern ((V/10) x (V/10) = Bremsweg). Es ergibt sich mithin ein Anhalteweg von insgesamt ca. 70 Metern. Bei einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 70 km/h konnte die Fahrzeugführerin bei einer Sichtweite von ca. 75 Metern folglich im Sichtbereich das Fahrzeug anhalten.

Entgegen den Ausführungen des Klägers war die Fahrzeugführerin auch unter Aufbringung der größtmöglichen Sorgfalt nicht verpflichtet, das Fahrzeug mit einer weit darunterliegenden Geschwindigkeit zu fahren. Auch von einem Idealfahrer kann nämlich gerade nicht verlangt werden, mit einer solchen Geschwindigkeit zu fahren, die es ihm ermöglicht, das Fahrzeug auch vor einem plötzlich unmittelbar vor das Fahrzeug springenden Tier anhalten zu können, denn dies hätte zu Folge, dass Straßen im Wald bzw. angrenzend zum Wald nur noch mit Schrittgeschwindigkeit befahren werden dürften (Siegel, SVR 2016, 281, beck-online; KG Berlin, Urteil vom 15. Februar 1993 - 12 U 6437/91, juris), was seinerseits neue Gefahren eröffnen könnte.

Die Fahrzeugführerin hätte den Unfall aber selbst bei Einhaltung der von einem Idealfahrer gefahrenen Geschwindigkeit seines Fahrzeugs nicht vermeiden können.

Nicht vermeidbar wäre er unzweifelhaft gewesen, wenn das Reh plötzlich in kürzester Entfernung in die Fahrbahn gelaufen wäre (vgl. hierzu KG Berlin, Urteil vom 15. Februar 1993 - 12 U 6437/91, juris m.w.N.). In dem für die Fahrzeugführerin denkbar ungünstigsten Fall wäre das Unfallgeschehen nur bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von knapp über 40 km/h räumlich vermeidbar gewesen (Seite 13 SH II). Dies folgt aus dem gut nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen Prof. FF. Aus dem Weg-Zeit-Diagramm zur Vermeidbarkeit durch Anhalten inkl. Erkennbarkeit des Rehs ergibt sich, dass der Unfall nur bei einer maximalen Geschwindigkeit von 43 km/h bei einer Reaktionszeit von 1,2 Sekunden hätte vermieden werden können (Anlage Z 33 SH II). Eine Reaktion auf das Reh hätte frühestens in einer Entfernung von 25 Metern erfolgen können (Seite Nr. 13 SH II). Für die Prüfung, ab welchem Zeitpunkt ein Reh bei den gegebenen Sichtverhältnissen erkennbar war, hatte der Sachverständige den Unfallhergang mit einer Reh-Attrappe, welche mit einem echten Rehfell versehen worden ist, rekonstruiert. Dabei ist der Sachverständige zum einem von einem stehenden - mithin statischen - und zum anderen von einem sich bewegendenden - mithin dynamischen - Reh ausgegangen. Bei dem dynamischen Reh ist der Sachverständige von einer Bewegungsgeschwindigkeit des Rehs von 30 km/h ausgegangen (Seite Nr. 10ff SH II). Hierbei wurde eine Erkennbarkeit aus einer Entfernung des statischen Rehs von etwa 20 Meter und des dynamischen Rehs von etwa 25 Metern gemessen. Daraus hat der Sachverständige nachvollziehbar im Weg-Zeit-Diagramm berechnet, dass ein Unfall nur bei einer Geschwindigkeit von 43 km/ zu vermeiden gewesen wäre (Anlage Z 33 SH II). Ergänzend hat er in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung am 26.04.2023 zudem ausgeführt, dass die Fahrzeugführerin dementsprechend auch bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h nicht hätte reagieren können (Bl. 28 Bd. V).

Hieraus folgt, dass es bereits bei einer Geschwindigkeit von über 43 km/h mithin auch unter Einhaltung einer gefahrenen Geschwindigkeit im Bereich von lediglich 60 bis 70 km/h zu dem Anstoß des Rehs durch das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug gekommen wäre. Der Anstoß mit dem Reh hätte mithin auch bei sorgfältigster Beobachtung der Straße und dem angrenzenden Gelände (vgl. hierzu BGH NJW-RR 1987, 150, beck-online) räumlich nicht vermieden werden können.

Dem steht nicht entgegen, dass die Fahrzeugführerin mit einer höheren als der durch das Sichtfahrgebot zulässigen Geschwindigkeit von ca. 70 km/h gefahren ist. Denn ein unabwendbares Ereignis kann auch bei Vorliegen eines Verstoßes gegen die Verkehrsvorschriften vorliegen, wenn dieser Verstoß für den Unfall nicht ursächlich geworden ist (Greger a.a.O. Rn. 3.284). Auch im Fall einer Geschwindigkeitsüberschreitung kann daher ein Entlastungsbeweis geführt werden, so bspw., wenn sich der Unfall auch bei Einhaltung der den jeweiligen Verkehrs-, Wetter- und Sichtverhältnisse angepassten Geschwindigkeit ereignet hätte (Greger Rn. 3.337ff). Das gilt auch für den vorliegenden Fall. Denn auch ein Idealfahrer wäre in Ansehung der konkreten Umstände (Dunkelheit und Gefahr des Wildwechsels) nicht gehalten gewesen, auf einer Landstraße, auf der eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zulässig ist, lediglich eine Geschwindigkeit von ca. 40 km/h zu fahren.

Der Unfall war mithin räumlich unvermeidbar.

b) Der Unfall war zudem auch zeitlich unvermeidbar.

Bei der Prüfung, ob ein Unfall zeitlich unvermeidbar ist, ist das Verhalten der Unfallbeteiligten mit einzubeziehen (BGH, Urteil vom 23.04.2022 - VI ZR 180/01 Rn. 22 m.w.N.). Es wird darauf abgestellt, ob es aufgrund niedrigerer Geschwindigkeit dem Unfallbeteiligten noch möglich gewesen wäre, den Gefahrenbereich zu verlassen (vgl. OLG Schleswig, NJW 2023, 2734, 2737 [OLG Schleswig 24.01.2023 - 7 U 148/22]). Entgegen den Ausführungen des Klägers ist nicht darauf abzustellen, dass die Fahrzeugführerin bei geringerer Geschwindigkeit zu einem späteren Zeitpunkt am Unfallort gewesen wäre und der Unfall infolge dieser zeitlichen Verzögerung vermieden worden wäre.

Geschwindigkeitsbegrenzungen haben gerade nicht den Zweck, zu verhindern, dass sich ein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Stelle befindet (BGH, Urteil vom 25.03.2003 - VI ZR 161/02, r + s 2003, 256, 257 m.w.N., beck-online). Daher genügt die bloße Tatsache, dass ein Kraftfahrer verbotswidrig zu schnell fährt, mithin bei Beobachtung der Verkehrsvorschriften noch nicht an der Stelle gewesen wäre, an welcher er dann mit dem Verletzten zusammengestoßen ist, nicht für die Begründung eines Zurechnungszusammenhangs. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich die zu hohe Geschwindigkeit auf die Vermeidbarkeit des Unfalls ausgewirkt hat, d. h. der Kraftfahrer die kritische Situation ohne Unfall hätte meistern können, wenn er zum Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Gefahr die erlaubte Geschwindigkeit eingehalten hätte. Für die Berechnung der Stelle, an der der Fahrer die Gefahr erkennen konnte, ist hierbei auf die tatsächlich gefahrene, nicht auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit abzustellen (Greger in Greger/Zwickel, Haftung im Straßenverkehr, 6. Auflage, Rn. 11.14 m.w.N.).

Unter Beachtung dessen war der Unfall selbst bei einer Geschwindigkeit im Bereich von ca. 60 bis 70 km/h nicht zeitlich vermeidbar. Der Unfall war nämlich bereits bei einer Geschwindigkeit von über 43 km/h zeitlich unvermeidbar. Auch bei dieser Geschwindigkeit wäre es zu dem Zusammenstoß des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges mit dem Reh gekommen.

Auch liegen die Voraussetzungen für eine zeitliche Vermeidbarkeit bei Betrachtung der Unfallbeteiligten nicht vor. Von einer Möglichkeit, den Unfall zeitlich zu vermeiden, ist nur dann auszugehen, wenn in der konkreten Situation bei pflichtmäßigem Verhalten zwar ein Anhalten vor der Kollisionsstelle nicht mehr möglich gewesen wäre, der Kraftfahrer aber aufgrund der geringeren Ausgangsgeschwindigkeit oder der früheren Reaktion so viel später an der Unfallstelle eingetroffen wäre, dass es dem anderen Verkehrsteilnehmer gelungen wäre, den Gefahrenbereich zu verlassen (Weber in: Berz/Burmann a.a.O. Rn. 31, beck-online). Die zeitliche Vermeidbarkeitsbetrachtung leitet sich mithin aus der Fragestellung ab, ob der Unfallgegner den Gefahrenraum bis zum Ankommen des zu betrachtenden Fahrzeuges unter Umständen verlassen hätte. Ein Unfall, der räumlich nicht vermeidbar ist, kann daher gleichwohl zeitlich vermeidbar sein (Janeczek/Roth, Verkehrsrecht, § 21 Grundsätze der technischen Aufklärung von Verkehrsunfällen Rn. 24, beck-online). Hier ist bspw. darauf abzustellen, ob ein Fußgänger den Gefahrenbereich bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit noch hätte verlassen können (Weber in: Berz/Burmann, a.a.O. Rn. 35ff, beck-online). Die Voraussetzungen für eine zeitliche Vermeidbarkeitsprüfung sind aber nur dann vorhanden, wenn der Querende den sich ergebenden Zeitgewinn auch wirklich zur weiteren Überquerung nutzt. Steht hingegen aufgrund objektiver Anknüpfungspunkte nicht fest, dass tatsächlich auch zum Kollisionszeitpunkt noch eine höhere Überquerungsgeschwindigkeit vorlag, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass ein weiteres Überqueren überhaupt nicht beabsichtigt war und die Voraussetzungen für die zeitliche Vermeidbarkeitsprüfung somit nicht mehr gegeben sind (vgl. Weber in: Berz/Burmann a.a.O. Rn. 42, beck-online).

Vorliegend bestehen bezogen auf den Kläger bereits keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser sein Fahrverhalten bei einer veränderten Geschwindigkeit des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges seinerseits dergestalt verändert hätte, als dass der Unfall hätte vermieden werden können.

Entgegen den Ausführungen des Klägers kann bei der Prüfung der zeitlichen Vermeidbarkeit auch nicht auf das Reh als Unfallgegner abgestellt werden. Bei der Prüfung, ob ein Unfall zeitlich vermeidbar ist, ist darauf abzustellen, ob der Unfallgegner den Gefahrenbereich rechtzeitig verlassen kann (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1992 - VI ZR 222/91, NZV 1992, 359; Urteil vom 23. April 2022 - VI ZR 180/01, NZV 2002, 365 [BGH 23.04.2002 - VI ZR 180/01] m.w.N.). Das Reh ist nicht als Verkehrsteilnehmer bzw. Unfallgegner in diesem Sinne zu behandeln. Zwar lässt sich den Ausführungen des Sachverständigen Dr. HH entnehmen, dass ein Reh bis zu einer Fahrzeuggeschwindigkeit von 60 km/h die Geschwindigkeit des ankommenden Verkehrs abschätzen sowie abschätzen kann, ob es die Fahrbahn kreuzen könne (Bl. 35 Bd. III). Gleichwohl ist die höchstrichterliche zu Fußgängern als Unfallgegner ergangene Rechtsprechung zur zeitlichen Vermeidbarkeit eines Unfalls (vgl. BGH a.a.O.) nicht auf Wildunfälle übertragbar. Wirkt sich bei einem Unfall auch eine Tiergefahr aus, die durch ein der tierischen Natur entsprechendes, nämlich einem selbstständigen und willkürlichen Verhalten eines Tieres verursacht wird (Geigel Haftpflichtprozess, Kap. 25 Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers Rn. 195, beck-online), scheidet eine Prüfung der zeitlichen Vermeidbarkeit des Unfalls bezogen auf das Tier als Unfallgegner aus, unabhängig von kognitiven artbedingten Fähigkeiten des konkreten Tieres.

Würde man der Argumentation des Klägers hier folgen, wäre nämlich ein Unfall, an welchem ein Reh beteiligt wäre, zudem ausnahmslos bei einer Geschwindigkeit des unfallverursachenden Fahrzeuges von über 60 km/h grundsätzlich zeitlich vermeidbar. Dieser Argumentation steht bereits entgegen, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung bei einem Wildunfall selbst bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h von einer Unabwendbarkeit eines Unfalls ausgegangen ist und auch bei Befahren einer Straße mit dem Gefahrenzeichen 142 nicht stets eine Geschwindigkeit von unter 60 km/h gefahren werden muss (BGH, Urteil vom 23. September 1986 - VI ZR 136/85, juris Rn. 6 und 9, juris-PK-Straßenverkehrsrecht, § 40 StVO, 2. Auflage 2022, Rn. 145ff). Die straßenverkehrsrechtlichen jeweils situationsbedingten Anforderungen an die konkret zu fahrende Geschwindigkeit hat die Frage der Erkenntnisfähigkeit des fraglichen Tieres daher offensichtlich nicht im Blick, ist vielmehr unabhängig von dieser ausgestaltet. Anderenfalls müsste jedenfalls im Rahmen der Unvermeidbarkeitsprüfung auf die jeweils konkrete Fähigkeit des unfallbeteiligten Tieres zur Einschätzung von gefahrenen Geschwindigkeiten abgestellt werden, eine Erwägung, die in der zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung -zu Recht- keinen Niederschlag gefunden hat.

Eine Haftung der Beklagten scheidet vor diesem Hintergrund nach § 17 Abs. 3 StVG aus. Mangels ursächlichen Sorgfaltsverstoßes kommt auch eine deliktische Haftung nicht in Betracht.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Nach § 543 Abs. 2 ZPO ist die Revision zuzulassen. Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Vorliegend war nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden, ob der Verkehrsunfall vermeidbar oder unvermeidbar war. Auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein durch ein Tier ausgelöster Unfall unabwendbar, wenn dieses Tier auch bei aufmerksamer Beobachtung nicht rechtzeitig zu erkennen war und plötzlich in kürzester Entfernung in die Fahrbahn läuft (BGH, NJW-RR 1987, 150). Diese Sach- und Rechtslage ist vorliegend gegeben."

2. Mit Schriftsatz vom 06.12.2023 (Bl. 131ff Bd. V) hat der Kläger zu diesem Hinweisbeschluss Stellung genommen und insbesondere ausgeführt, der Unfall sei sowohl räumlich als auch zeitlich durch die Führerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges vermeidbar gewesen. Es sei darauf abzustellen, ob der Anstoß des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges mit dem Reh vermeidbar gewesen sei. Dies sei bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h nach den Ausführungen des Sachverständigen der Fall gewesen. Es sei nicht darauf abzustellen, ob das Fahrzeug rechtzeitig hätte angehalten werden können. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sich das Reh bewegt habe. Es müsse eine Verlagerung des möglichen Kollisionspunktes Berücksichtigung finden. Bei einer geringeren Geschwindigkeit des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges hätte dieses die Kollisionsstelle später erreicht, so dass es zu keiner Kollision gekommen wäre. Es komme auf die Erkenntnisfähigkeit des Rehs nicht an. Diesem wäre aber bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h eine korrekte Einschätzung der Bewegung des Fahrzeugs möglich gewesen, so dass das Reh bei einem nicht ausreichenden Zeitrahmen von dem Überqueren der Fahrbahn hätte absehen können, wodurch der Unfall hätte vermieden werden können. Die Fahrzeugführerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges habe die an einen Idealfahrer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen nicht erfüllt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 06.12.2023 (Bl. 131ff Bd. V) Bezug genommen.

3. Auch nach erneuter Prüfung und Beratung hält der Senat an seinen Ausführungen fest.

Wie der Senat bereits in dem Hinweisbeschluss ausgeführt hat, haben Geschwindigkeitsbegrenzungen gerade nicht den Zweck, zu verhindern, dass sich ein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Stelle befindet. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich die gefahrene ggf. auch zu hohe Geschwindigkeit auf die Vermeidbarkeit des Unfalls ausgewirkt hat. Der Kläger verwendet als Ausgangspunkt für seine Überlegungen zum Kausalverlauf bei unterschiedlich gefahrenen Geschwindigkeiten weder den Ort der Kollision noch den der Erkennbarkeit der Gefahr. Vielmehr setzt seine Überlegung an einem früheren Punkt des Geschehensablaufs an, was im Ergebnis dann zu einer Vermeidung der Kollision führt. Damit würde auch jede Abweichung von der normativ einzuhaltenden Geschwindigkeit zu einem Zeitpunkt deutlich vor dem Beginn der kritischen Verkehrssituation die Vermeidbarkeit ausschließen, was nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade nicht der Fall ist. Denn danach kann ein späterer Unfall einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht allein schon deshalb zugerechnet werden, weil das Fahrzeug bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit erst später an die Unfallstelle gelangt wäre, vielmehr muss sich in dem Unfall gerade die auf das zu schnelle Fahren zurückzuführende erhöhte Gefahrenlage "aktualisieren". Der rechtliche Ursachenzusammenhang zwischen Geschwindigkeitsüberschreitung und Unfall ist mithin nur dann zu bejahen, wenn bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation der Unfall vermeidbar gewesen wäre (BGH, Urteil vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02 -, Rn. 11, juris). Dies war vorliegend aber gerade nicht der Fall.

Ausweislich der gut nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen wäre der Unfall nur bei einer Geschwindigkeit von 43 km/h zu vermeiden gewesen. Der Sachverständige ist hierbei von einem dynamischen Reh ausgegangen, welches bei den zum Unfallzeitpunkt gegebenen Sichtverhältnissen aus einer Entfernung von 25 Metern erkennbar gewesen sei. Ein statisches Reh wäre sogar nur aus einer Entfernung von etwa 20 Metern erkennbar gewesen, wonach der Unfall nur bei einer noch geringeren Geschwindigkeit als 43 km/h vermeidbar gewesen wäre. Der Sachverständige Prof. Dipl.-Ing. FF hat in seinem Gutachten vom 11.10.2022 zutreffend bezüglich der Vermeidbarkeit der Kollision auf den Unfallhergang unter Berücksichtigung des Weg-Zeit-Verhältnisses abgestellt. Seine Berechnungen hat er unter Bezugnahme auf die vorgelegten Weg-Zeit-Diagramme dargetan (vgl. die Weg-Zeit-Diagramme, Anlage Z 2, Z3 und Z4). Er hat zutreffend geprüft, bei welcher gefahrenen Geschwindigkeit das Fahrzeug rechtzeitig vor der Kollision hätte angehalten werden können (Seite 13 SH II). Der Sachverständige hat unter Bezugnahme auf seine Berechnungen nachvollziehbar ausgeführt, dass der Unfall räumlich nur bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von knapp über 40 km/h vermeidbar gewesen sei (Seite 15 SH II). In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige ergänzend ausgeführt, dass die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges den Unfall - mithin die Kollision - auch bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h nicht hätte vermeiden können.

Der Sachverständige hat gerade nicht ausgeführt, dass der Unfall bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 70 km/h hätte sicher vermieden werden können. Er hat zwar ausgeführt, dass das Fahrzeug bei einer geringer gefahrenen Geschwindigkeit später am Unfallort angekommen wäre, so dass ein Unfall sodann nicht stattgefunden hätte. Hierauf ist aber ausweislich der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02 -, Rn. 11, juris m.w.N.) nicht abzustellen, worauf der Senat bereits hingewiesen hat (s.o.).

Auch ist nicht auf die Einschätzung der Geschwindigkeit eines Tieres, hier eines Rehs, bei der Prüfung der Vermeidbarkeit abzustellen. Diesbezüglich wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss Bezug genommen.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Der Streitwert bemisst sich nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.