Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.12.2023, Az.: 3 UF 127/23

Anrag eines volljährigen Kindes gegen ihren Vater auf Zahlung von Unterhalt für das Ergreifen einer Zweitausbildung; Wertung der Aufnahme eines Fachhochschulstudiums im Bereich Mediendesign nach dem Abschluss einer Ausbildung zur kaufmännischen Assistentin als Zweitausbildung wegen eines fehlenden zeitlichen Zusammenhangs

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
14.12.2023
Aktenzeichen
3 UF 127/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 50373
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Leer - 05.09.2023 - AZ: 500 F 269/23 UK

Fundstellen

  • FamRZ 2024, 934
  • FuR 2024, 188
  • NZFam 2024, 513

Amtlicher Leitsatz

Die Aufnahme eines Fachhochschulstudiums im Bereich Mediendesign nach dem Abschluss einer Ausbildung zur kaufmännischen Assistentin stellt eine Zweitausbildung dar. Es fehlt an einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen Erst- und Zweitausbildung. Die Erstausbildung zur kaufmännischen Assistentin erweist sich zwar als "nützlich" für die Zweitausbildung. Dies reicht aber nicht für die Annahme einer einheitlichen Ausbildung aus. Allein der von vornherein bestehende Wille zur Absolvierung von zwei Ausbildungen reicht nicht für eine fortgesetzte Finanzierungspflicht auch der Zweitausbildung aus.

In der Familiensache
AA, Ort1,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB, Ort2,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 3. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Richterin am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Oberlandesgericht (...)
am 14. Dezember 2023
beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt,

  1. a)

    von einer erneuten mündlichen Verhandlung gemäß §§ 117 Abs. 3, 68 Absatz 3 Satz 2 FamFG abzusehen,

  2. b)

    die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Leer vom 05. September 2023 zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Beschwerde binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Senat lässt sich bei seiner Absicht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Eine mündliche Verhandlung hat bereits in erster Instanz stattgefunden. Weitere Erkenntnisse sind nicht zu erwarten.

II.

Die Antragstellerin ist die volljährige Tochter des Antragsgegners. Sie legte im Jahr 2018 ihren Realschulabschluss ab. Danach machte sie eine Ausbildung zur kaufmännischen Assistentin mit dem Schwerpunkt Fremdsprachenkorrespondenz an der CC in Ort3. Mit diesem Abschluss erlangte sie auch ihr Fachabitur im Bereich Wirtschaft.

Im Anschluss verbrachte sie zur Erweiterung ihrer Sprachkenntnisse einen dreimonatigen Sprachurlaub in Spanien. Nach ihrer Rückkehr meldete sie sich im Oktober 2021 zunächst arbeitssuchend. Über das Jobcenter erhielt sie den Hinweis auf die Möglichkeit mit ihrem Abschluss Mediendesign zu studieren. Zum 01.01.2022 begann sie dieses Studium an der DD.

Bis zum 31.12.2022 wohnte die Antragstellerin noch bei ihrer Mutter. Seit dem 01.01.2023 wohnt die Antragstellerin mit eigenem Hausstand in Ort1.

Die Antragstellerin bezieht Bafög-Leistungen. Der Antragsgegner verfügt nach den Feststellungen des Amtsgerichts über ein für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehendes Einkommen in Höhe von 2.466,98 €, die Kindesmutter in Höhe von 1.175,00 €, mithin unterhalb des Selbstbehalts.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Aufnahme des Studiums sei angemessen und stehe in einem engen zeitlichen und inhaltlichen Kontext mit der Berufsausbildung.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, an sie Kindesunterhalt

  1. 1.

    für die Zeit vom 01.09.2022 bis 28.02.2023 in Höhe von 3.214,96 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 480 € seit dem 01.09.2022, auf weitere 358 € seit dem 01.10.2022, auf weitere 358 € seit dem 01.11.2022, auf weitere 358 € seit dem 01.12.2022, auf weitere 785,48 € seit dem 01.10.2023 und auf weitere 785,48 € seit dem 01.02.2023 zu zahlen,

  2. 2.

    Für den Monat März 2023 Unterhalt in Höhe von 785,48 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2023 sowie

  3. 3.

    Für die Zeit ab dem 01.05.2023 monatlich 378 € jeweils zum 01. eines jeden Monats zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Antragstellerin habe bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung zur kaufmännischen Assistentin mit dem Schwerpunkt Fremdsprachenkorrespondenz absolviert; bei dem Studiengang Mediendesign handelte es sich um eine Zweitausbildung, so dass keine Unterhaltspflicht bestehe.

Das Amtsgericht Leer hat mit angefochtenem Beschluss vom 05.09.2023 den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Antrag der Antragstellerin sei unbegründet.

Für Ausbildungsabläufe, in denen nach einem Realschulabschluss zunächst eine Lehre, dann die Fachoberschule und später die Fachhochschule absolviert werde, seien die einzelnen Ausbildungsabschnitte nur dann als einheitliche, von den Eltern zu finanzierende Berufsausbildung anzusehen, wenn schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich des späteren Studiums angestrebt werde. Gemessen an diesen Maßstaben habe die Antragstellerin bereits eine angemessene Berufsausbildung absolviert und eine weitere begonnen, für die kein Anspruch auf weiteren Ausbildungsunterhalt bestehe. Eine Ausnahme, etwa eine Fehleinschätzung der Begabung des Kindes, läge nicht vor. Es sei auch nicht allein ausreichend, dass mit der Erstausbildung die formelle Berechtigung zum Studium erlangt werde. Diese Situation läge aber vorliegend vor. Die Antragstellerin habe nicht von vornherein das jetzt absolvierte Studium angestrebt. Sie trage vielmehr selber vor, sie sei der Empfehlung des Jobcenters gefolgt. Vorliegend habe auch die Erstausbildung erkennbar einen Schwerpunkt im kaufmännischen Bereich. Der Inhalt des Studiengangs befasse sich maßgeblich mit gestalterischen Fertigkeiten. Der Studiengang stelle sich daher nicht als Fortsetzung der abgeschlossenen Ausbildung dar. Es läge im Ergebnis zwar ein inhaltlicher Sachzusammenhang vor, dies sei jedoch kein enger, welcher notwendig wäre, um hier die Einheitlichkeit der Ausbildung zu bejahen.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde. Mit dieser verfolgt sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiter. Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt sie vor, dass die Antragstellerin von Beginn an vor hatte zu studieren. Der Antragsgegner habe dies auch gewusst. Bereits nach ihrem Realschulabschluss und ihrem Sprachurlaub habe die Antragstellerin den Entschluss gefasst, Mediendesign zu studieren. Zeitgleich zur Bewerbung bei der CC habe sich die Antragstellerin bereits im Jahr 2019 mit der DD in Verbindung gesetzt und dort Informationen eingeholt. Dort habe sie vom Dualen Studium erfahren. Noch während ihrer laufenden Ausbildung habe sie sich für das Duale Studium beworben, dort aber mangels eines geeigneten Praxispartners letztlich eine Absage erteilt bekommen. Der jetzige Studiengang sei inhaltlich identisch, aber ohne die duale Komponente. Der Antragsgegner sei über diese Abläufe stets informiert gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den amtsgerichtlichen Beschluss und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

Das Studium der Antragstellerin an der DD im Bereich Mediendesign erweist sich im Ergebnis als Zweitausbildung, für die kein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegenüber ihren Eltern mehr besteht.

Voraussetzungen für die Annahme nur einer Ausbildung sind in den Fällen mehrstufiger Ausbildungen ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang (BGH FamRZ 1989, 853, 855; 2017, 799, 801; 2017, 1132). Der BGH bejaht trotz verschiedener Berufssparten einen engen sachlichen Zusammenhang, wenn die praktische Ausbildung und das Studium so zusammenhängen, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeutet oder die praktische Ausbildung eine sinnvolle und nützliche Vorbereitung auf das Studium darstellt (BGH FamRZ 2017, 799, 800f).

Als einheitliche Ausbildung sind insbesondere die sogenannten Abitur-Lehre-Studium-Fälle anerkannt (BGH FamRZ 1989, 853; 2006, 1100, 1101; 2017, 799, 800; 2017, 1132, 1133). Der Entschluss zum Studium braucht hier nicht von vornherein erfolgt zu sein, sondern kann auch noch nach Abschluss der Lehre gefasst werden (BGH FamRZ 1989, 853, 855; 2017, 799, 800; 2017, 1132, 1133). In Fällen, in denen sich einer Lehre der Erwerb der Fachhochschulreife und sodann ein Studium anschließen, soll dagegen der Entschluss zu den weiteren Ausbildungsschritten schon von vornherein getroffen sein müssen, da die Eltern bei dieser Konstellation nicht mit einer mehrstufigen Ausbildung zu rechnen brauchten (BGH FamRZ 1995, 416, 417f; 2006, 1100; 2017, 799, 800). Diese Ansicht wurde angesichts der geänderten Ausbildungsgewohnheiten und der im Beruf geforderten Flexibilität in der Literatur teilweise als überholt angesehen (siehe MüKo-Born, 7. Auflage 2017, § 1610, Rn 263).

Außerdem muss den Eltern die Finanzierung des Studiums zumutbar sein, was aufgrund einer umfassenden Abwägung aller maßgeblichen Gründe zu prüfen ist (BGH FamRZ 1989, 853, 855; 2001, 1601, 1602; 2017, 1132, 1133). Zu diesen Umständen zählen insbesondere die finanziellen Verhältnisse, bisherige Unterhaltsleistungen, Möglichkeiten des Pflichtigen, vom Staat oder Arbeitgeber Unterstützungen gewährt zu bekommen, auch die voraussichtliche Dauer der Unterhaltslast und damit das Alter des Berechtigten und der Zeitpunkt, ab wann der Pflichtige mit einer Unterhaltslast rechnen konnte (BGH FamRZ 2017, 1132, 1133ff).

Zu berücksichtigen ist allerdings stets, dass eine Unterhaltspflicht nicht allein dadurch begründet wird, dass das Kind von vornherein eine Ausbildung in zwei verschiedenen Berufen anstrebt. Die Finanzierungspflicht besteht nur, sofern sich die zweite Ausbildung als bloße Weiterbildung darstellt; bei fehlenden engem sachlichem Zusammenhang ist das ausgeschlossen (BGH FamRZ 1992; 1991, 1044; OLG Celle NJW 2013, 2688; Klinkhammer in Wendl/Dose UnterhaltsR, 10. Auflage, § 2 Rn. 106).

Gemessen an diesen Kriterien erweist sich die Aufnahme des Studiums der Antragstellerin an der DD im Bereich Mediendesign als Zweitausbildung. Das Amtsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass es an einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang fehle.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin den Antragsgegner bereits frühzeitig über den beabsichtigten Besuch der Fachhochschule und damit die Fortsetzung ihrer Ausbildung nach der Ausbildung zur kaufmännischen Assistentin informiert hat.

Die Antragstellerin hat zwar bereits für sich frühzeitig Interesse an dem Fachhochschulstudium gezeigt. Dieses hat sie ihrem Vater allerdings ausweislich des vorgelegten Chatverlaufs bei WhatsApp erst im Jahr 2021, also kurz vor dem Ende der Ausbildung zur kaufmännischen Assistentin mitgeteilt. Die Erkundigungen im Oktober 2019 hat sie offensichtlich nur für sich eingeholt und nicht auch an den Antragsgegner weitergeleitet.

Es kann aber auch dahingestellt bleiben, ob man noch eine Entschlussfassung nach Abschluss der Erstausbildung, wofür der erstinstanzliche Vortrag der Antragstellerin spricht, dass sie sich auf den Hinweis des Jobcenters Ende 2021 für das Hochschulstudium beworben habe, für die Aufnahme des Fachhochschulstudiums - vergleichbar mit den Abitur-Lehre-Studium-Fällen - für ausreichend erachtet und insoweit nicht der bislang vom Bundesgerichtshof vertretenen Rechtsauffassung folgt, da es jedenfalls zur Überzeugung des Senats an dem notwendigen engen sachlichen Zusammenhang zwischen Erst- und Zweitausbildung fehlt.

Die Erstausbildung der Antragstellerin hat, worauf das Amtsgericht zutreffend abgestellt hat, einen erkennbar kaufmännischen Schwerpunkt. Diesen hat die Antragstellerin ergänzt um den Schwerpunkt Fremdsprachen und Korrespondenz. Auch wenn für das Studium Mediendesign sowohl der kaufmännische Aspekt als auch die vertieften Fremdsprachenkenntnisse von Nutzen sein dürften, so liegen die Schwerpunkte des Studiums Mediendesign gerade nicht in diesen Bereichen, sondern das Studium befasst sich maßgeblich mit gestalterischen Fähigkeiten. Insoweit erweist sich das Mediendesignstudium gerade nicht als fachliche Ergänzung, Weiterführung bzw. Vertiefung der Ausbildung zur kaufmännischen Assistentin mit Schwerpunkt Fremdsprachen und Korrespondenz. Wollte man allein den "Nutzen" als ausreichend für einen engen sachlichen Zusammenhang sehen wollen, würden sich gerade im kaufmännischen Bereich sehr viele Zweitausbildungen als nur eine einheitliche Ausbildung darstellen. Dies lehnt der Bundesgerichtshof zu Recht ab. Fremdsprachenkenntnisse würde sich angesichts der fortschreitenden Globalisierung sogar in einem noch größeren Umfang bei fast jeder weiteren Ausbildung als nützlich erweisen. Beide Schwerpunkte der Erstausbildung vermögen deshalb für sich genommen noch keinen engen sachlichen Zusammenhang zum Hochschulstudium im Bereich Mediendesign zu begründen.

Die Beschwerde war demnach zurückzuweisen.

Mangels Erfolgsaussicht der Beschwerde war der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zurückzuweisen.