Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.12.2023, Az.: 3 W 96/23

Verwendung von ungewöhnlichem Schreibpapier (hier: Kneipenblock) im Hinblick auf das Vorliegen eines ernsthaften Testierwillens; Gerichtliche Hinzuziehung eines Schriftsachverständigen zur Bewertung der Echtheit eines handschriftlichen Testaments; Berücksichtigung von außerhalb der Urkunde liegenden Umständen bei der Bewertung des Testierwillens

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
20.12.2023
Aktenzeichen
3 W 96/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 48197
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Westerstede - 30.08.2023 - AZ: 31 VI 1122/23

Fundstellen

  • MDR 2024, 450-451
  • NJW-Spezial 2024, 136
  • NZFam 2024, 332
  • ZAP EN-Nr. 268/2024
  • ZAP 2024, 417-418
  • ZEV 2024, 219

Amtlicher Leitsatz

Die Verwendung von ungewöhnlichem Schreibpapier (hier: Kneipenblock) spricht nicht per se gegen einen ernsthaften Testierwillen.

Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, zur Bewertung der Echtheit eines handschriftlichen Testaments, einen Schriftsachverständigen hinzuzuziehen oder im Rahmen eigener vorhandener Sachkunde den Schriftvergleich selbst durchzuführen.

Bei der Bewertung des Testierwillens können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände berücksichtigt werden (z.B. Auffindesituation, Äußerungen des Erblassers unmittelbar von Testamentserrichtung), über die ggf. gesondert Beweis zu erheben ist.

In der Beschwerdesache
betreffend
AA,
geboren am TT.MM.1945 in Ort1,
verstorben am TT.MM.2022 in Ort2,
mit letztem, gewöhnlichen Aufenthalt in Ort3
Beteiligte:
1. BB, Ort4,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
2. CC, Ort5,
3. DD, Ort1,
4. EE, Ort1,
Verfahrensbevollmächtigter zu 2. - 5.:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
5. FF, Ort1,
Verfahrensbevollmächtigter:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Richterin am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Oberlandesgericht (...)
am 20. Dezember 2023
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Westerstede vom 30.08.2023 aufgehoben.

Die für die Erteilung des von der Antragstellerin beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet. Das Amtsgericht wird angewiesen, den von der Antragstellerin beantragten Erbschein, wonach sie den AA, geboren am TT.MM.1945 in Ort1, verstorben am TT.MM.2022 in Ort2, mit letztem, gewöhnlichen Aufenthalt in Ort3 alleine beerbt hat, zu erteilen.

Die gerichtlichen Kosten erster Instanz trägt die Beteiligte zu 1), von der Erhebung der gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens wird abgesehen. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten erster und zweiter Instanz findet nicht statt.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) begehrt die Erteilung eines Erbscheins nach dem am TT.MM.2022 verstorbenen AA (im Folgenden: der Erblasser) auf Grund testamentarischer Erbfolge. Sie war die Partnerin des Erblassers.

Der Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Nachkommen. Seine Eltern und seine Schwester, der einzige Geschwisterteil, sind vorverstorben. Die Schwester des Erblassers hatte vier Kinder, die Beteiligten zu 2) bis 5).

Die Beteiligte zu 1) und der Erblasser kennen sich seit 1985. Die Beteiligte zu 1) führte zu der Zeit das Lokal "(...)" in Ort3, der Erblasser betrieb die Landwirtschaft. 1991 verstarb der Ehemann der Beteiligten zu 1) und aus der Freundschaft des Erblassers mit ihr entwickelte sich eine Partnerschaft, wobei beide bis zum Tode des Erblassers keine gemeinsame Wohnung bewohnten. Nach finanziellen Problemen der Beteiligten zu 1) erwarb der Erblasser das Lokal "(...)" im Jahr 1994 und führte es fortan zunächst neben der Landwirtschaft und ab 2012 ausschließlich. Die Beteiligte zu 1) war weiterhin in dem Lokal tätig.

Kontakt zwischen dem Erblasser, seiner 2020 verstorbenen Schwester und deren Kindern, den Beteiligten zu 2) bis 5), bestand zuletzt selten.

Der Erblasser verstarb am TT.MM.2022. Die Beteiligte zu 1) legte in der Folgezeit einen Notizzettel der Brauerei (...) vor, auf dem grundsätzlich Bestellungen in der Gastronomie notiert werden. Dort heißt es "BB kriegt alles AA 04.12.22".

Die Beteiligte zu 1) hat erstinstanzlich gemeint, dass es sich bei dem Zettel um das von dem Erblasser selbst und mit Testierwillen handschriftlich verfasste Testament handele. Sie habe es am 06.01.2023 im Gastraum hinter der Theke gefunden, an dem der Erblasser auch nicht bezahlte Rechnungen ("Deckel") verwahrt habe (vgl. Lichtbild Bl. 100). Die Beteiligte zu 1) heißt mit Vornamen BB. Der Erblasser habe sie zu Lebzeiten immer "BB" genannt. Eine andere BB habe er nicht gekannt.

Die Beteiligten zu 2) - 5) haben erstinstanzlich Einwände gegen den Erbscheinsantrag erhoben. Die Handschrift auf dem Zettel sei nicht die des Erblassers. Es sei nicht ausreichend sicher, dass es sich bei der Beteiligten zu 1) um "BB" handele. Schließlich könne nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem Zettel tatsächlich um ein Testament handele und dass der Zettel mit einem Testierwillen verfasst worden sei. Sie haben gemeint, dass sie die gesetzlichen Erben geworden seien. Einen Erbscheinsantrag haben sie bislang nicht gestellt.

Mit Beschluss vom 30.08.2023 hat das Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, wonach die Beteiligten zu 2) bis 5) Miterben nach dem Erblasser geworden seien. Es greife die gesetzliche Erbfolge. Der auf den 04.12.2022 datierte Zettel stelle hingegen kein wirksames Testament dar. Ein Testierwille des Erblassers sei nicht feststellbar. Darüber hinaus fehle es an einer ausreichenden Konkretisierung der "BB", so dass nicht sicher festgestellt werden könne, ob die Beteiligte zu 1) wirklich gemeint war. Da ein Testierwille nicht feststellbar sei und ein möglicher Erbe nicht hinreichend zu konkretisieren sei, könne die Echtheit des Schreibens dahingestellt bleiben.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde. Der Zettel erfülle Mindestanforderungen eines Testaments. Die Auslegung ergebe, dass der Erblasser den Text mit Testierwillen verfasst habe. Hinsichtlich der Wortwahl müsse berücksichtigt werden, dass der Erblasser keinen hohen Bildungsgrad erworben habe. Das Abfassen von Briefen und Schreiben habe ihm nicht gelegen. Mit BB habe er sie gemeint. Am Nachmittag des 04.12.2022, einem Sonntag, habe der Erblasser die erkrankte Beteiligte zu 1) zu Hause besucht. Die Tochter der Beteiligten zu 1), die Zeugin GG, sei hinzugekommen. In diesem Rahmen habe der Erblasser erneut den Wunsch geäußert, dass die Beteiligte zu 1) ihn beerben solle. Hierauf habe die Zeugin GG ihm gesagt, dass er dies dann aber auch aufschreiben müsse.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Senat hat die Beteiligten zu 1) bis 5) persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin GG.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung sowie zur Feststellung der zur Erteilung des von der Antragstellerin beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen. Da die Erteilung eines Erbscheins auf Grund des Wortlauts des § 2353 dem Nachlassgericht vorbehalten ist, ist dieses anzuweisen, den von der Beteiligten zu 1) beantragten Erbschein zu erteilen (vgl. MüKoBGB/Grziwotz, 9. Aufl. 2022, BGB § 2353 Rn. 147, m.w.N.).

1)

Der Beschluss des Nachlassgerichts, mit welchem die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Beteiligten zu 2) - 5) angekündigt geworden ist, ist bereits aus dem Grunde abzuändern, dass kein solcher Antrag gestellt wurde. Ein Erbscheinsantrag wurde von den Beteiligten zu 2) - 5) bislang lediglich angekündigt, jedoch noch nicht gestellt. Nach allgemeiner Auffassung, welcher auch der Senat folgt, besteht in Erbscheinsverfahren eine strenge Bindung an den Erbscheinsantrag was zur Folge hat, dass dem Erbschein kein anderer als der beantragte Inhalt gegeben werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 8. September 2021 - IV ZB 17/20 -, juris, Rn. 13, m.w.N.; Weidlich in Gründeberg, BGB, 82. Aufl., 2023, § 2353, Rn. 48). Im Verfahren wurde ausschließlich ein Erbschein beantragt, wonach die Beteiligte zu 1) Alleinerbin geworden ist. Das Nachlassgericht war mithin gehindert, einen hiervon abweichenden Erbschein zu Gunsten der Beteiligten zu 2) - 5) zu erteilen.

2)

Der Beteiligte zu 1) ist der von ihr beantragte Erbschein zu erteilen. Sie ist die testamentarisch bestimmte Alleinerbin des Erblassers geworden. Bei dem auf den 04.12.2022 datierten Schreiben handelt es sich um ein wirksam errichtetes Testament, welches der Erblasser eigenhändig und mit Testierwillen errichtete und mit welchem die Beteiligte zu 1) ausreichend bestimmt zur Alleinerbin eingesetzt wurde.

Im Erbscheinsverfahren wird die Gültigkeit eines Testaments nach §§ 2358 Abs. 1 BGB, 26 FamFG von Amts wegen geprüft. Soll ein Erbschein erteilt werden, muss nicht nur der erbrechtliche Charakter der Erklärung, sondern auch deren Echtheit und Eigenhändigkeit zur Überzeugung des Gerichts feststehen.

Da eine absolute Gewissheit der Echtheit eines Testaments im naturwissenschaftlichen Sinne fast nie zu erreichen und die theoretische Möglichkeit des Gegenteils der Tatsache, die festgestellt werden soll, kaum auszuschließen ist, genügt für die richterliche Überzeugung nach herrschender Rechtsprechung insoweit ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt. Eine solche Gewissheit liegt auch in Amtsverfahren - wie dem Erbscheinsverfahren - vor, wenn diese einen Grad erreicht hat, "der den Zweifeln Einhalt gebietet", ohne sie völlig ausschließen zu können (vgl. BGH NJW 1993, 935; BGH NJW 1994, 1348; BGH NJW-RR 1994, 567; BayObLG FamRZ 2005, 1414 f.; BayObLG FamRZ 2005, 1782 f.; OLG Frankfurt am Main OLGR Frankfurt 1994, 93, 94; OLG Düsseldorf FamRZ 2013, 1841; OLG Brandenburg Beschluss vom 19.12.2013 - 3 Wx 5/12 - und Beschluss vom 20.03.2014 - 3 Wx 62/13 -). Es reicht daher aus, wenn das zur Entscheidung im Erkenntnisverfahren berufene Gericht nach diesen Grundsätzen keine "vernünftigen Zweifel" an der Echtheit des Testaments hat.

Im Hinblick auf die "Beweislast" ist festzuhalten, dass das Erbscheinsverfahren eine subjektive Beweislast (Beweisführungslast) als ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wegen des hier geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 26 FamFG, 2358 Abs. 1 BGB) nicht kennt (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1428, 1429; KG OLGZ 1991, 144, 147; OLG Köln NJW-RR 2004, 1015, 1016). Indes gibt es auch hier eine objektive Beweislast (Feststellungslast), die bestimmt, wie zu entscheiden ist, wenn die gebotenen, zur Feststellung einer erheblichen Tatsache durchgeführten Ermittlungen zu keinem Erfolg geführt haben. Ihre Verteilung richtet sich nach materiellem Recht (vgl. BayObLGZ 1973, 145, 149; BayObLG NJW-RR 1992, 1219, 1220 [BayObLG 14.04.1992 - 1 Z BR 27/92]; BayObLGZ 1997, 1428, 1429; KG OLGZ 1991, 144, 147; OLG Köln NJW-RR 2004, 1015, 1016). Geht es - wie hier - um die Feststellungslast für die Echtheit eines Testaments, so trägt sie im Zweifel derjenige, der aus dem Testament ein Erbrecht herleitet (vgl. BayObLG FamRZ 1985, 837, 838; OLG Köln NJW-RR 2004, 1015, 1016 [OLG Köln 12.11.2003 - 2 Wx 25/03]; OLG Frankfurt am Main OLGR Frankfurt 1994, 93 f.).

Dies folgt bereits aus dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der Rechte beansprucht, auch den Beweis für ihre Entstehung zu liefern hat, dies ergibt sich aber auch aus § 440 Abs. 1 ZPO. Während § 416 ZPO nur für Urkunden gilt, deren Echtheit feststeht, hat danach derjenige die Echtheit einer gemäß § 439 ZPO nicht als echt anerkannten Urkunde zu beweisen, der sie behauptet. Daran ändert auch der nachlassrechtliche Amtsermittlungsgrundsatz nichts. Da die Beweise danach vom Nachlassgericht nur von Amts wegen einzuholen sind, bewirkt er lediglich, dass die dort nicht gegebene Beweisbelastung des Testamentserben für die sein Erbrecht begründenden Tatsachen, also auch die Echtheit des Testaments, zu der daraus folgenden Feststellungslast wird, d. h., dass ihn die Nachteile aus einer eventuellen Unaufklärbarkeit des Erbrechts treffen (vgl. OLG Frankfurt am Main OLGR Frankfurt 1994, 93, 94).

a)

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat davon überzeugt, dass die auf den 04.12.2022 datierte Verfügung von dem Erblasser stammt und nicht etwa eine Unaufklärbarkeit der Echtheit vorliegt, die sich zu Lasten der Antragstellerin auswirken würde. Vernünftige Zweifel an der Urheberschaft der Verfügung auf dem Zettel bestehen nicht.

Im Rahmen eines von dem Senat vorgenommenen Vergleichs des im Original vorliegenden Zettels mit den von den Beteiligten vorgelegten Vergleichsproben, die allesamt unstreitig von dem Erblasser verfasst wurden, bestehen keine Zweifel daran, dass der Erblasser die Verfügung selbst verfasst hat. Hierbei ist es dem Senat auf Grund eigner Sachkunde möglich, die Echtheit der Verfügung ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens selbst zu beurteilen. Der Senat beurteilt als Fachsenat für Erb- und Nachlasssachen regelmäßig handschriftliche Testamente auf ihre Echtheit und gleicht hierzu jährlich eine Vielzahl von Handschriften mit Vergleichsproben ab. Darüber hinaus hat der Senat durch die Auswertung einer Vielzahl von schriftsachverständlichen Gutachten eine umfangreiche Sachkunde in den Besonderheiten des Schriftvergleichs erworben.

Für die Echtheit spricht hier insbesondere, dass das Schriftbild der Unterschrift in seinem Gesamteindruck mit dem Eindruck der vorgelegten jüngeren Vergleichsproben übereinstimmt. Die Unterschrift auf der Verfügung vom 04.12.2022 wie auch die Unterschriften der Vergleichsproben weisen eine vergleichbare Dynamik und Formgebung der Buchstaben auf. Dies betrifft insbesondere die Vergleichsproben unter dem Darlehensvertrag vom 12.09.2022. Charakteristisch ist darüber hinaus, dass sich die Unterschriften im letzten Drittel von einer gedachten Linie ausgehend nach rechts oben wegbewegen. Darüber hinaus sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die für eine Fälschung durch ein Nachahmen der Handschrift oder ein Abpausen der Unterschrift sprechen. Insbesondere sind keine Unterbrechungen oder Anflickungen im Schriftbild feststellbar, das Schriftbild wirkt in sich flüssig geschrieben und es ist keine übermäßige Druckgebung erkennbar.

Der Anfangsbuchstabe "(...)" des Vornamens AA wurde in seiner charakteristischen Formgebung so geschrieben, wie in den Vergleichsproben. Dass sich in dem unteren Bereich des Buchstabens "(...)" ein weiterer Haken - vergleichbar mit einem kleinen "u" befindet - ist hierbei unbeachtlich. Denn bei genauer Betrachtung der Unterschrift wird deutlich, dass der Buchstabe "(...)" durchgehend und ohne Anflickungen geschrieben wurde. Der zu erkennende Haken wurde entweder anschließend eingefügt oder befand sich bereits auf dem Zettel. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass er in einem Zusammenhang mit der Formung des Buchstaben "(...)" steht. Auch die Buchstaben "(...)" im Nachnamen AA gleichen den Vergleichsproben. So wurde das doppelte "(...)" durchgehend sowie in der unteren Verbindung relativ rund geschrieben und mit einem durchgehenden (...)-Stricht versehen, der beide Buchstaben verbindet.

Soweit die Formgebung einzelner Buchstaben leicht von einzelnen Vergleichsproben abweicht, führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigten, dass die Verfügung vom 04.12.2022 den Eindruck hinterlässt, dass sie besonders sorgfältig geschrieben wurde. Hinsichtlich der von den Beteiligten zu 2) - 5) vorgelegten Vergleichsproben ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass diese teilweise sehr alt sind. Sie wurden teilweise 30 - 40 Jahre vor Abfassung der hier gegenständlichen Verfügung geschrieben. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich das Schriftbild eines Menschen im Laufe der Zeit teilweise verändert, eignen sich diese Vergleichsproben nicht, um ausreichende Zweifel an der Echtheit zu begründen.

Für die Echtheit spricht im konkreten Falle darüber hinaus, die Verwendung eines Bestellzettels einer Brauerei sowie die konkrete und von der Beteiligten zu 1) glaubhaft geschilderte Auffindestelle. Der Erblasser war jahrelang in der Gastronomie tätig - er betrieb eine klassische Dorf-Kneipe -, kümmerte sich jedoch kaum um Schriftverkehr und ähnliches. Vor diesem Hintergrund ist es nicht fernliegend, dass er einen von ihm üblicherweise verwandten Bestellzettel nutzte, um auf einem solchen auch bedeutsame Angelegenheiten wie seine letztwillige Verfügung niederzulegen. Nach den Angaben der Beteiligten zu 1) nutzte der Erblasser auch den Bereich hinter dem Tresen im Schankraum, an dem die Beteiligte zu 1) nach eigener glaubhafter Bekundung den Zettel fand, um dort für ihn bedeutsame Unterlagen wie nicht gezahlte Deckel aufzubewahren. Das ebenfalls vorhandene Büro nutzte er hierfür hingegen kaum. Auch habe es sich bei dem Bereich hinter dem Tresen aus Perspektive des Erblassers um eine Art Wohnzimmer gehandelt. Er habe diesen Bereich nicht nur als Arbeitsraum genutzt. Vielmehr habe er dort auch häufig gesessen, wenn keine Gäste zugegen waren oder die Gaststätte geschlossen war und von dort aus durch das Fenster das Treiben auf der Straße beobachtet. Hiernach verbrachte der Erblasser an dem Ort, an dem die Verfügung aufgefunden wurde, auch außerhalb seiner gastronomischen Tätigkeit viel Zeit und teilte diesen für sich nicht von seinen Privaträumen ab. Daher ist es nachvollziehbar, dass der Erblasser auch für sich gewichtige private Unterlagen dort ablegte.

Gegen eine Fälschung spricht schließlich die konkrete Formulierung des auf den 04.12.2022 datierten Schreibens. Dieses enthält die - wie nachfolgend dargelegt - Mindestanforderungen eines Testaments ohne weitere übliche Formulierungen wie "Testament", "letzter Wille", "Erbe", u.ä. zu verwenden. Im Falle einer Fälschung wäre es jedoch nachliegend gewesen, dass der Fälscher diese oder ähnliche Begriffe verwandt hätte um nicht Gefahr zu laufen, dass das Schreiben nicht als Testament anerkannt wird. Dies geschah hingegen nicht, was die Annahme überwiegen lässt, dass der Erblasser das Schreiben selbst verfasste.

b)

Die Mindestvoraussetzungen eines eigenhändigen Testaments erfüllt das Schreiben. Verlangt wird ausschließlich die eigenhändige Abfassung und die Unterschrift (§ 2247 Abs. 1 BGB). Beides ist erfüllt. Darüber hinaus wurden mehrere sog. Soll-Voraussetzungen für ein wirksames eigenhändiges Testament erfüllt. Die Unterschrift wurde mit Vor- und Nachnamen geleistet und das Schreiben wurde datiert (§ 2247 Abs. 2, 3 BGB).

c)

Die Beteiligte zu 1) wurde in dem Schriftstück ausreichend bestimmt bezeichnet. Soweit, wie hier, ein Erbe nicht eindeutig bezeichnet wurde, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wen der Erblasser konkret einsetzen wollte. Hierbei hat eine am Erblasserwillen orientierte Auslegung zu erfolgen, die ihre Grenzen im Bestimmtheitsgebot der Anordnung findet (vgl. Weidlich in Grüneberg, aaO, § 2065, Rn. 3). Nach Anhörung aller Beteiligter und Vernehmung der Zeugin GG ist der Senat davon überzeugt, dass der Erblasser die Beteiligte zu 1) mit der von ihm verwandten Abkürzung "BB" meinte. Die Beteiligte zu 1) heißt mit Vornamen BB und wurde von dem Erblasser in den letzten 30 Jahren durchgehend als BB bezeichnet. Dies bestätigten auch die Beteiligten zu 2) - 5), die sie ebenfalls BB nennen. Nach der glaubhaften Angabe der Beteiligten zu 1) kannte der Erblasser auch keine andere BB. Eine weitere dem Erblasser bekannte Person, die BB heißt, konnten die weiteren Beteiligten im übrigen auch nicht benennen.

d)

Der Erblasser hat das Schriftstück vom 04.12.2022 auch mit einem ausreichenden Testierwillen verfasst.

Ein Schriftstück, welches die formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB erfüllt, kann immer nur dann als letztwillige Verfügung gelten, wenn sie auf einem ernsten Testierwillen des Erblassers beruht (BayObLG FamRZ 2005, 656). Der Testierwille grenzt das Testament von Entwürfen, der bloßen Ankündigung der Errichtung eines Testaments oder sonstigen Schriftstücken, die keine letztwillige Verfügung darstellen sollen, ab. Demnach muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden (BayObLG FamRZ 2005, 656). Gegebenenfalls ist dies durch Auslegung sowie Würdigung der Umstände des Einzelfalls und Zugrundelegung der allgemeinen Lebenserfahrung zu erforschen (Düsseldorf FamRZ 2015, 700). Strenge Anforderungen an den Nachweis des Testierwillens sind zu stellen, wenn die Form des Schriftstücks nicht den für Testamente üblichen Gepflogenheiten entspricht (Karlsruhe FamRZ 2011, 500; München Rpfleger 2009, 24) oder das Original nicht sogfältig aufbewahrt wird. Alleine der Umstand, dass das formgültige Schriftstück sich auf einer ungewöhnlichen Unterlage befindet (zB Notizzettel, Briefumschlag), lässt allerdings nicht den zwingenden Schluss zu, dass es sich bei dem Schriftstück nur um einen Entwurf handelte (München NJW-RR 2020, 329 [OLG München 28.01.2020 - 31 Wx 229/19]) oder dass dieses keine verbindliche letztwillige Verfügung darstelle (vgl. S. Kappler/T. Kappler in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 2247 BGB, Rn. 3).

Unter Beachtung dieses Maßstabes ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der persönlichen Anhörung der Beteiligten zu 1) davon überzeugt, dass der Erblasser das Schriftstück vom 04.12.2022 mit Testierwillen errichtete. Insofern bekundete die Zeugin GG in sich nachvollziehbar, plastisch und glaubhaft, dass sie am Nachmittag des 04.12.2022 in der Wohnung der Beteiligten zu 1) auf diese und den Erblasser stieß und mit beiden einen Tee trank. In diesem Zusammenhang habe sich der Erblasser zum wiederholten Male Gedanken dazu gemacht, wie es mit ihm im Falle der Gebrechlichkeit weitergehen solle und wer sein Erbe werden solle. Er habe gewollt, dass die Beteiligte zu 1) alles erhalte. Hierauf habe die Zeugin nach eigenem Bekunden recht unwirsch reagiert und dem Erblasser gesagt, dass er dies dann aufschreiben müsse. Sie erklärte ihre Reaktion damit, dass der Erblasser häufig mit diesem Gesprächsthema begonnen habe und sie wenig Verständnis dafür habe aufbringen können, dass der Erblasser immer wieder über seinen Nachlass sprach, diesen aber nicht durch Abfassung eines Testaments regelte. Diese Bekundungen stehen auch im Einklang mit den Angaben der Beteiligten zu 1) im Rahmen der persönlichen Anhörung durch den Senat. Bei Bewertung der Glaubwürdigkeit der Zeugin lässt der Senat nicht außer Acht, dass diese die Tochter der Beklagten zu 1) ist und ein gutes Verhältnis zu ihr hat. Beide wohnen in einem Gebäude. Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht insbesondere, dass sie ihre Angaben machte, ohne dass der Eindruck entstand, dass sie dies in dem Bestreben tat, der Beteiligten zu 1) einen Vorteil zu verschaffen. Auch machte sie deutlich, zu welchen Aspekten sie keine Angaben machen konnte und in welchen Belangen sie sich unsicher sei. Schließlich waren ihre Angaben insbesondere hinsichtlich ihrer eigenen Gedanken und Reaktionen während des Gesprächs nachvollziehbar. So gab sie insbesondere an, dass sie genervt davon war, dass erneut das Thema des Testierens Gegenstand der Unterhaltung war. Besonders plastisch hat die Zeugin auch die Reaktion des Erblassers auf das Gespräch beschrieben: Er habe zunächst nichts mehr gesagt, man habe quasi von außen sehen können, wie er über das Gesprochene nachdachte. Große Erörterungen oder Preisgabe seiner Gedanken seien nicht sein Fall gewesen.

Unter Berücksichtigung des von der Zeugin und der Beklagten zu 1) bekundeten Gespräches vom Nachmittag des 04.12.2022 ist der Senat davon überzeugt, dass der Erblasser anschließend das Schreiben aufsetzte, wonach BB alles bekommen sollte. Hierbei sprechen weder die Verwendung eines Bestellzettels, noch dessen Ablage hinter dem Tresen im vorliegenden Fall gegen die Annahme des Testierwillens. Der Erblasser legte generell wenig Wert auf Schriftwechsel und ähnliches, so dass es - wie bereits ausgeführt - nicht fernliegend ist, dass er für die Abfassung seines letzten Willens einen Zettel nutzte, welcher für ihn direkt greifbar war und nicht auf ein Blatt ohne Werbeaufdruck zurückgriff. Auch die Verwahrung hinter dem Tresen bei den nicht gezahlten Rechnungen spricht nicht gegen die Annahme des Testierwillens. An diesem Ort legte der Erblasser - wie bereits dargelegt - die für ihn wichtigen Schriftstücke ab, so dass es aus seiner individuellen Sicht naheliegend war, auch ein Testament dort abzulegen.

Schließlich lässt sich das Schreiben auch zwanglos unter Beachtung des Erblasserwillens als Einsetzung der Beteiligten zu 1) zur Alleinerbin auslegen. Insbesondere nach den Bekundungen der Zeugin GG wollte der Erblasser, dass die Beteiligte zu 1) seine Alleinerbin wird. Entsprechend konnte diese Verfügung, wonach BB alles kriegen sollte, ausgelegt werden. Die simple Formulierung entspricht dem von der Beteiligten zu 1) beschriebenen Charakter des Erblassers als wenig mit intellektuellen Inhalten befassten Menschen.

3)

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 GNotKG, 81 FamFG.