Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.03.1997, Az.: 7 W (L) 12/97

Hofübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbbfolge; Ungesunde Verteilung von Grund und Boden; Verweigerung einer Genehmigung eines Übergabevertrages; Inhaltskontrolle eines Übergabevertrages

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.03.1997
Aktenzeichen
7 W (L) 12/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 16516
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1997:0317.7W.L12.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Stolzenau - 30.12.1996 - AZ: 2 Lw 57/96

Fundstelle

  • AgrarR 1998, 256-257

In der Landwirtschaftssache
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... als Berufsrichter
sowie die Landwirte ... und ... als ehrenamtliche Richter
am 17. März 1997
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Stolzenau vom 30. Dezember 1996 wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 3 trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten im Beschwerdeverfahren findet nicht statt.

Beschwerdewert: 418.800 DM.

Gründe

1

I.

Der Beteiligte zu 1 (geboren am ...) und die Beteiligte zu 2 (geboren am ...) sind miteinander verheiratet. Aus ihrer Ehe stammen mit der Beteiligten zu 4 (geboren am ...), einer Angestellten, und dem Beteiligten zu 3 (geboren am ...), einem Landwirtschaftsleiter, zwei Kinder.

2

Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer der im Grundbuch von ... Blatt ... eingetragenen landwirtschaftlichen Besitzung ... Nr. ..., eines Hofes im Sinne der Höfeordnung, zur Größe von 37,6689 ha (Einheitswert: 104.700 DM; Wirtschaftswert: 63.576 DM). Der Beteiligte zu 3, der verheiratet ist, bewirtschaftet das Anwesen "seit längerem" als Pächter.

3

Durch den notariellen Übergabevertrag vom 05.07.1996 übertrug der Beteiligte zu 1 mit Zustimmung der Beteiligten zu 2 seinen Hof im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Beteiligten zu 3, wobei unter § 3 Altenteilsleistungen für die Beteiligten zu 1 und 2 verabredet wurden. Außerdem enthält der Vertrag unter § 4 die Bestimmung:

"Der Übernehmer (= Beteiligter zu 3) verpflichtet sich, den übertragenen Grundbesitz zu Lebzeiten der Erschienenen zu 1 (= Beteiligte zu 1 und 2) ohne deren Zustimmung oder die Zustimmung des Längstlebenden von ihnen weder ganz oder teilweise zu veräußern noch zu belasten. Im Fall der Zuwiderhandlung ist er verpflichtet, den Grundbesitz auf den Übergeber, falls dieser bereits verstorben sein sollte, auf den überlebenden Elternteil zurückzuübertragen. Diese Verpflichtung erlischt, wenn sie nicht bis zum Tode des Längstlebenden der Eltern schriftlich geltend gemacht worden ist.

Zur Absicherung des im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Verfügungsbeschränkungen entstehenden Rückauflassungsanspruchs ist auf Verlangen der Berechtigten eine Vormerkung im Grundbuch auf der genannten Hof- und Gebäudefläche einzutragen.

Der Übernehmer bewilligt die Eintragung schon jetzt. Den Eintragungsantrag behalten sich die Erschienenen zu 1) vor."

4

Die Beteiligten zu 1 bis 3 haben die landwirtschaftsgerichtliche Genehmigung ihres Übergabevertrages begehrt. Das Landwirtschaftsgericht hat den Flecken ... und den Landkreis ... angehört, die keine Bedenken erhoben haben. Durch den Beschluß vom 30.12.1996 hat es den Beteiligten die Genehmigung ihres Übergabevertrages versagt. In den Gründen hat es ausgeführt, die Vereinbarung unter § 4 des Übergabevertrages beinhalte die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts, das im Ergebnis zu einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden i.S.d. § 9 Abs. 1 Ziff. 1 GrdstVG führe. Es würde nämlich den Beteiligten zu 3 an der eigenverantwortlichen Führung des Hofes hindern, die in Krisensituationen die Aufnahme eines Kredits oder auch die Veräußerung von Grundstücken erforderlich werden lassen könne. Außerdem sei die in der Verpflichtung zur Rückübertragung liegende weitere bedingte Übergabeverpflichtung zur Zeit nicht genehmigungsfähig. Denn es könnte nicht gesagt werden, ob die Berechtigten aus der Rückübertragungsverpflichtung im Zeitpunkt der Rückübertragung noch wirtschaftsfähig sein würden.

5

Gegen den am 13.01.1997 zugestellten Beschluß richtet sich die am 21.01.1997 beim Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3, mit der er sein Genehmigungsbegehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt er vor, die Regelung unter § 4 des Übergabevertrages trage lediglich dem Sicherungsinteresse der Beteiligten zu 1 und 2 Rechnung.

6

Falls in Krisensituationen die Aufnahme von Krediten oder die Veräußerung von Grundstücken erforderlich werden würden, könne er die dazu notwendige Zustimmung der Beteiligten zu 1 und 2 verlangen, was bereits aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen folge. Die Zustimmung könnte ihm nur aus wichtigem Grund versagt werden, wenn eine Veräußerung oder Belastung das Altenteil gefährden oder im Bestand angreifen würde. Bei einer unbegründeten Verweigerung der Zustimmung habe er die Möglichkeit, auf Abgabe der erforderlichen Erklärungen zu klagen. Einer Belastung oder Veräußerung würden die Beteiligten zu 1 und 2 jedoch immer zustimmen, wenn die Erlöse zweckbedingt zur Erhaltung des Hofes dienen würden. Im wesentlichen habe die Vereinbarung unter § 4 des Übergabevertrages nur "eine Warnfunktion" ihm gegenüber. Werde später einmal als Folge bzw. Ausfluß der Verpflichtung zur Rückübertragung ein entsprechender Vertrag geschlossen, dann müsse dieser neu landwirtschaftsgerichtlich genehmigt werden. Im Rahmen des erneuten Genehmigungsverfahrens sei dann zu prüfen, ob der Beteiligte zu 1 oder die Beteiligte zu 2 wirtschaftsfähig sei.

7

Der Senat hat die Grundakten von ... Blatt ... bei gezogen und von der Landwirtschaftskammer ... die Stellungnahme vom 18.12.1996 (Bl. 29 d. A.) eingeholt, auf die verwiesen wird.

8

II.

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3 ist zulässig und insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet. Das Landwirtschaftsgericht hat den Beteiligten die Genehmigung des Übergabevertrages vom 05.07.1996 zu Recht versagt.

9

Im Verfahren der gerichtlichen Genehmigung eines Hofübergabevertrages ist eine Inhaltskontrolle nur dahin vorzunehmen, ob Versagungsgründe nach der Höfeordnung oder nach dem Grundstücksverkehrsgesetz vorliegen. Hingegen wird der Hofübergabevertrag nicht auch auf seine privatrechtliche Wirksamkeit hin überprüft. Anders wird nur dann verfahren, wenn diese offenkundig nicht gegeben ist oder sich dem Gericht aufdrängt, was hier jedoch nicht der Fall ist.

10

Zwar ist der Beteiligte zu 3, der eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert hat, seit langem Pächter des Hofes und ohne Frage wirtschaftsfähig. Die vereinbarten Altenteilsleistungen stellen sich als üblich dar und würden den schuldenfreien Hof wirtschaftlich nicht überfordern. Insoweit sind von keiner Seite Bedenken erhoben worden. Abfindungsleistungen gegenüber der Beteiligten zu 4, die sich unter § 6 für bereits abgefunden erklärt hat, sind nicht zu erbringen.

11

Die begehrte Genehmigung scheitert auch nicht daran, daß die Verpflichtung zur Rückübertragung des Hofes im Falle der Zuwiderhandlung des Beteiligten zu 3 gegen § 4 des Übergabevertrages zur Zeit nicht genehmigungsfähig ist. Ob der Beteiligte zu 1 oder die Beteiligte zu 2, die beide schon älter sind, später einmal im Falle der Rückgabe der Besitzung aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse - wie insbesondere ihres Alters und ihres Gesundheitszustandes - noch über die erforderliche Wirtschaftsfähigkeit verfügen würden, läßt sich heute nicht voraussehen. Insoweit könnte die Genehmigung mit der Maßgabe vorbehalten bleiben, daß sie später zur gegebenen Zeit zu erfolgen hätte (dazu OLG Hamm in RdL 1965, S. 271, 272).

12

Ein höferechtlicher Versagungsgrund ist jedoch darin zu sehen, daß man den Beteiligten zu 3 bei einer "Rückübertragung" des Hofes auf die Beteiligte zu 2, was (nach der Bestimmung unter § 4 des Übergabevertrages) nur nach dem Tode des Beteiligten zu 1 akut werden könnte, im Ergebnis von der Hoferbfolge ausschließen würde. Denn die Beteiligte zu 2 würde praktisch Hofnachfolgerin werden, obwohl sie als Hoferbin zweiter Ordnung (§ 5 Satz 1 Nr. 1 HöfeO) gegenüber dem Beteiligten zu 3 als Hoferben erster Ordnung (§ 5 Satz 1 Nr. 1 HöfeO) in der Hoferbfolge nachrangig ist. Die Beteiligte zu 4 ist Angestellte und den Umständen nach nicht wirtschaftsfähig. Sie kommt deshalb dem Anschein nach nicht als Hoferbin in Betracht (§ 6 Abs. 6 HöfeO). Zudem dürfte der Beteiligte zu 3 im Hinblick darauf, daß er "seit längerem" Pächter des Hofes ist, bereits formlos durch Übertragung der Bewirtschaftung zum Hof erben bestimmt worden sein (§ 6 Abs. 1 Satz 1 HöfeO).

13

Zu bejahen ist auch der grundstücksverkehrsrechtliche Versagungsgrund des § 9 Abs. 1 Ziffer 1 GrdstVG. Die Hofübergabe an den Beteiligten zu 3 mit der Regelung unter § 4 des Übergabevertrages würde nämlich zu einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden führen. Eine solche wird nach § 9 Abs. 2 GrdstVG dann angenommen, wenn eine Grundstücksveräußerung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht. Davon wäre hier auszugehen, wenn die Beteiligten zu 1 und 2 über ihre Zustimmung insbesondere zu Belastungen des Hofes und damit zur Aufnahme von Krediten - so für Investitionen - weiterhin Einfluß auf die Betriebsführung nehmen könnten. Das könnte sich - worauf das Landwirtschaftsgericht zutreffend hingewiesen hat - besonders bei Spannungen und in Krisensituationen nachteilig auf den Betrieb und damit auf die Agrarstruktur auswirken.

14

Beispielsweise könnte der Beteiligte zu 3 Investitionen für günstig oder notwendig erachten und dafür kurzfristig Kredite benötigen. Wenn er sich erst mit den Beteiligten zu 1 und 2 abstimmen müßte, um deren erforderliche Zustimmung zu erhalten, könnte das seine Investitionsfreude, über die ein landwirtschaftlicher Unternehmer heute verfügen muß, nachhaltig beeinträchtigen. Im Falle der Verweigerung der Zustimmung wäre der Nachteil für die Betriebsführung besonders gravierend. Müßte der Beteiligte zu 3 erst auf Zustimmung klagen, würde das Ärger, Geld und insbesondere Zeit kosten, was für sinnvolle Investitionen hinderlich oder sogar abträglich wäre. Deshalb könnte der Beteiligte zu 3 unter Umständen sogar davon Abstand nehmen, den Rechtsweg zu bestreiten, und so darauf verzichten, für den Betrieb nötige Kredite in Anspruch zu nehmen. Zu berücksichtigen ist bei der Betrachtung auch, daß die Beteiligten zu 1 und 2 das Recht hätten, eine Rückauflassungsvormerkung ins Grundbuch eintragen zu lassen. Würden sie davon Gebrauch machen, womit gerechnet werden müßte, könnte dieser Umstand Kreditgeber abschrecken, überhaupt Darlehen zu gewähren, da sie Zins- und Tilgungsleistungen bei einer Rückübertragung der Besitzung auf den Beteiligten zu 1 oder 2 gefährdet sehen könnten. Insgesamt betrachtet sind wegen der erforderlichen Zustimmung der Beteiligten zu 1 und 2 insbesondere für Belastungen nachteilige Auswirkungen auf die Betriebsführung und als Folge davon auf die Agrarstruktur zu befürchten, so daß sich eine Hofübergabe nach der Maßgabe des § 4 des Übergabevertrages als ungesunde Verteilung von Grund und Boden darstellt.

15

Der Übergabevertrag vom 05.07.1996 kann nach alledem nicht genehmigt werden.

16

Die Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens beruhen auf den §§ 34 Abs. 1, 44 Abs. 1 LwVG. Die ihm im Beschwerdeverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten hat der Beteiligte zu 3 selbst zu tragen. Den übrigen Beteiligten sind offenkundig keine Kosten erwachsen, so daß es keiner Anordnung nach § 45 LwVG bedarf.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 418.800 DM. Den Gegenstandswert der Beschwerde hat der Senat gemäß den §§ 34 Abs. 2 LwVG, 19 Satz 1 Buchst. a HöfeVfO, 19 Abs. 4 KostO festgesetzt.