Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.03.1997, Az.: 7 W (L) 43/96

Anwendbarkeit der Höfeordnung ; Voraussetzungen eines selbstständigen landwirtschaftlichen Betriebes; Ausrichtung der Abfindungen an weichende Erben nach dem gesetzlichen Mindestmaß

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.03.1997
Aktenzeichen
7 W (L) 43/96
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 17174
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1997:0317.7W.L43.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Alfeld - 17.04.1996 - AZ: 8 Lw 23/94
AG Alfeld - 15.05.1996 - AZ: 8 Lw 23/94

Redaktioneller Leitsatz

Aus Art. 14 Abs. 1 GG ergibt sich, dass Abfindungen an weichende Erben nicht nach dem gesetzlichen Mindestmaß ausgerichtetwerden, sondern regelmäßig erheblich darüber hinausgehen. Es ist auch durchaus üblich und entspricht bäuerlicher Auffassung, dass weichende Erben mit solchen Grundstücken abgefunden werden, die für die Bewirtschaftung des Betriebes nicht erforderlich sind und gegen deren Übertragung weder die Vorschriften der HöfeO noch die des Grundstücksverkehrsgesetzes sprechen.

In der Landwirtschaftssache
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ... als Berufsrichter sowie
die Landwirte ... und ... als ehrenamtliche Richter
auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 1997
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluß des Landwirtschaftsgerichts Alfeld vom 17. April/15. Mai 1996 teilweise geändert und neu gefaßt:

Der Antragsgegner wird verurteilt, der Antragstellerin 76.175 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. August 1994 zu zahlen.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten der ersten Instanz tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Antragstellerin nach einem Wert von (137.500 DM ./. "Urteilssumme" =) 61.325 DM zur Last. Im übrigen ist das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Dieser Beschluß ist vorläufig vollstreckbar.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, soweit der Senat den Anspruch der Antragstellerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner, ihrem Bruder, eine Abfindungsergänzung (§ 13 HöfeO).

2

Die gemeinsame Mutter der Beteiligten war seit dem Jahre 1922 Eigentümerin der im Grundbuch von ... Blatt ... verzeichneten und mit einer Hofstelle bebauten landwirtschaftlichen Besitzung ... in ... die zunächst zusammen mit weiterem Grundbesitz des Vaters der Beteiligten einen Ehegattenhof bildete. Nach dem Tode des Vaters (25.07.1977) wurde der entsprechende Vermerk in der Aufschrift der Grundbücher gelöscht. Am 29.05.1979 wurde der Hofvermerk eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt umfaßte die Besitzung 60,536 ha.

3

In den Jahren 1962 bis 1974 waren die landwirtschaftlichen Flächen der Besitzung weitgehend an den Landwirt ... verpachtet, der sie von seinem Hof aus bewirtschaftete. Anschließend nahm der Antragsgegner die Besitzung insgesamt in Pacht. Die Bewirtschaftung erfolgte von dem in ... liegenden Hof (zur Größe von 17,9281 ha) seiner Ehefrau ... geb. ... aus.

4

Die Eltern der Beteiligten, die in Gütertrennung lebten, übereigneten der Antragstellerin im Laufe der Zeit von ihrem Grundbesitz mehrfach Grundstücke.

5

Durch notariellen Schenkungsvertrag vom 23.07.1956 übertrug ihr der Vater das Flurstück 7 Flur 8 Gemarkung ... zur Größe von 2.130 qm im Wege der verfrühten Vererbung (vgl. Grundakten von ... Bl. 29 Seite 30 f). Die Antragstellerin verkaufte dieses Grundstück im Jahr 1991 für 10.000 DM.

6

Durch notariellen Vertrag vom 03.03.1972 übertrug die Mutter der Antragstellerin schenkungsweise aus ihrem Grundbesitz das Flurstück 64 Flur 5 Gemarkung ... zur Größe von 8.267 qm sowie das Flurstück 122 Flur 6 zur Größe von 1.835 qm. Das letztgenannte Grundstück veräußerte die Antragstellerin im folgenden Jahre an die Gemeinde ... für 16.000 DM, das andere Grundstück im Jahre 1988 an den Rechtsanwalt und Notar ... für 36.000 DM.

7

Die Eltern der Beteiligten trafen wiederholt letztwillige Verfügungen, so u. a. Erbverträge in den Jahren 1922 und 1948, die allerdings durch die nachfolgenden gemeinschaftlichen Testamente aufgehoben wurden. In diesen gemeinschaftlichen Testamenten setzten sich die Eltern gegenseitig zu Erben und Hoferben ein und bestimmten, daß der Antragsgegner nach dem Tode des Letztlebenden Hoferbe werden sollte, der Antragstellerin aber noch eine Abfindung in Geld sowie die Rechte nach § 13 HöfeO zustehen sollten gemäß den näheren Regelungen. Insoweit wird auf die letztwilligen Verfügungen in den Akten 6 IV 301/88 AG Alfeld sowie Blatt 160 der Akten (des vorliegenden Verfahrens) verwiesen.

8

Durch notariellen Vertrag vom 29.12.1983 übertrug die Mutter der Beteiligten dem Antragsgegner das Anwesen ... zur damaligen Größe von ca. 16,5 ha. Der Antragstellerin wurde darin eine Abfindung von 25.000 DM versprochen, zahlbar am 1. Oktober der Jahre 1984, 1985 und 1986, womit sich die Antragstellerin von dem elterlichen Hof für abgefunden erklärte mit Ausnahme der Ansprüche nach § 13 HöfeO, dessen Geltungsfrist auf 30 Jahre verlängert wurde.

9

Aus der Ehe des Antragsgegners sind zwei Kinder hervorgegangen, nämlich der 1958 geborene Sohn ..., ein gelernter Landwirt, sowie die 1961 geborene Tochter ..., die Bankkauffrau ist.

10

Durch notariellen Vertrag vom 16.09.1992 übertrugen der Antragsgegner und seine Ehefrau ihre in den Grundbüchern von ... Blatt 305 und ... Blatt 254 eingetragenen Besitzungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Sohn Bernd. Ausgenommen wurden die im Grundbuch von ... Blatt 305 verzeichneten Flurstücke 284/1 und 281/2 der Flur 6 der Gemarkung ... zur Größe von 1.242 qm und 1.335 qm, die - in gesonderter Urkunde vom selben Tage - der Tochter ... zur Abgeltung ihrer Ansprüche aus § 12 HöfeOübertragen wurden. Die beiden Flurstücke betreffen zum einen die Gebäudefläche ..., die Hofstelle der elterlichen Besitzung, sowie zum anderen Gartenland.

11

Wegen dieser Übertragung auf die Tochter ... begehrt die Antragstellerin vom Antragsgegner eine Abfindungsergänzung.

12

Die Antragstellerin hat vorgetragen, die von der Mutter stammende landwirtschaftliche Besitzung ... Blatt 305 habe spätestens durch die Übertragung der beiden Flurstücke auf die Tochter ... die Hofeigenschaft verloren. Darin liege eine Veräußerung im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 2 HöfeO. Der Verkehrswert der beiden Parzellen betrage mindestens 300.000 DM. Hiervon stehe ihr die Hälfte zu. Darauf lasse sie sich die Hälfte der ihr gewährten Barabfindung, also 12.500 DM, anrechnen.

13

Sie hat zunächst von dem Antragsteiler Auskunft verlangt und, nachdem diesem Begehren teilweise stattgegeben worden ist, beantragt,

den Antragsgegner zu verurteilen,

  1. 1.

    ihr 137.500 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10.08.1994 zu zahlen,

  2. 2.

    ihr Auskunft zu erteilen über sämtliche Veräußerungen und andere nachabfindungspflichtigen Tatbestände betreffend den im Grundbuch von ... Blatt 305 verzeichneten Hof sowie über den Verkehrswert der im vorbezeichneten Grundbuch verzeichneten Hofstelle ... in einer Größe von 1.242 qm und 1.335 qm.

14

Der Antragsgegner hat beantragt,

diesen Antrag zurückzuweisen.

15

Der Antragsgegner hat eingewandt, die Übertragung der beiden Flurstücke auf seine Tochter ... habe nicht zu einer Nachabfindungspflicht gegenüber der Antragstellerin geführt. Die Tochter sei aufgrund der Hofübergabe an den Sohn ... abfindungsberechtigt geworden und habe die beiden Flächen zur Abgeltung dieses Anspruchs erhalten. Das unterfalle nicht der Regelung des § 13 HöfeO, zumal er, der Antragsgegner, keinen Erlös erzielt habe. Im übrigen habe es in ... keine Hofstelle mehr gegeben, die Hofeigenschaft sei schon seit langem entfallen gewesen. Schließlich müsse sich die Antragstellerin auch ihre Vorempfänge in Gestalt von Grundstücken und Bargeld anrechnen lassen, deren Wert mehr als 120.000 DM ausmache.

16

Das Landwirtschaftsgericht hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.04.1996 mit dem angefochtenen Beschluß die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Entscheidung verwiesen.

17

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr Zahlungs- und Auskunftsbegehren weiterverfolgt hat. Den im Beschwerdeverfahren zunächst noch geltend gemachten Auskunftsanspruch haben die Beteiligten in der Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

18

Die Antragstellerin vertritt weiterhin die Auffassung, die Übertragung der Hofstelle in ... sowie des Gartenlandes habe zu ihren Gunsten einen Anspruch auf Abfindungsergänzung ausgelöst. Der Antragsgegner und seine Ehefrau hätten zu ihren Lasten der Tochter ... Teile des Hofes übertragen, deren Wert weit über dem gesetzlichen Abfindungsanspruch läge, womit sie die Tochter auch hinsichtlich des Hofes ... zu ihren, der Antragstellerin, Lasten abgefunden hätten. Daraus ergebe sich eine Entgeltlichkeit der Übertragung.

19

Die Antragstellerin beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Beschlusses den Antragsgegner zu verurteilen, ihr 137.500 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. August 1994 zu zahlen.

20

Der Antragsgegner hat beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

21

Der Antragsgegner tritt den tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der Antragstellerin entgegen. Er macht geltend, die Antragstellerin habe auch eine Aussteuer, eine Ausbildungsfinanzierung und schließlich weitere Geldzuwendungen im Werte von insgesamt mindestens 18.400 DM erhalten.

22

Der Senat hat von Amts wegen die Auskunft des Finanzamtes ... vom 06.03.1997 eingeholt, mit den Beteiligten mündlich verhandelt und hierbei die beigezogenen Grundakten von ... Blatt 19, 29, 305, 429, 446 und 758 sowie die Grundakten von ... Blatt 133 und 254, ferner die Testamentsakten 6 IV 301/88 AG Alfeld zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Ferner hat es das Gutachten des Sachverständigen ... vom 10. Dezember 1996 eingeholt. Auf den Inhalt dieser Akten und des Sachverständigengutachtens wird ebenfalls Bezug genommen.

23

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 9, 22 LwVG, 19, 20 FGG) ist nur teilweise begründet. Der Antragsgegner schuldet der Antragstellerin für die Veräußerung der ehemaligen Hofstelle in ... nebst des Gartenlandes eine Abfindungsergänzung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 Abs. 5 Satz 3 HöfeO sowie nach dem Übergabevertrag vom 29.12.1993. Dieser Anspruch bemißt sich jedoch nur auf 76.175 DM und damit auf einen geringeren Betrag, als er von der Antragstellerin in Höhe von 137.500 DM verlangt wird, weil die Grundsätze von Treu und Glauben sowie die Billigkeit einen so hohen Anspruch nicht rechtfertigen, § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 3 HöfeO.

24

A.

Das Begehren der Antragstellerin ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Antragsgegner hat innerhalb von 20 respektive 30 Jahren nach dem - fiktiven (vgl. § 17 Abs. 2 HöfeO) - Erbfall durch Vollzug des Hofübergabevertrages vom 29.12.1983 mit der Eintragung als neuer Eigentümer im Grundbuch am 28.05.1984 Teile dieser Besitzung an einen Dritten, nämlich seine Tochter ..., veräußert, der nicht Hofnachfolger geworden ist, weshalb die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 3 HöfeO nicht erfüllt sind. Er hat dabei einen ihm zurechenbaren fiktiven Erlös erzielt, indem er die Abfindungsansprüche seiner Tochter hinsichtlich des gesamten, auf den Sohn ... übertragenen Grundbesitzes der Eheleute ... und ... befriedigt und den eigentlich abfindungspflichtigen Hofnachfolger insoweit freigestellt hat.

25

1.

Die Höfeordnung ist auf das Rechtsverhältnis der Beteiligten anwendbar. Die Besitzung in ... war jedenfalls im Zeitpunkt der Übertragung durch Vertrag vom 29.12.1983/28.05.1984 noch ein Hof im Sinne der Höfeordnung. Dafür spricht zunächst, daß in der Aufschrift des Grundbuches der Hofvermerk eingetragen war, der sogar noch jetzt eingetragen ist (obwohl mit der Veräußerung der Hofstelle in jedem Falle die selbständige Wirtschaftseinheit im Sinn des § 1 Abs. 1 Satz 1 HöfeO auf Dauer weggefallen ist). Die Besitzung erfüllte in jenem Zeitpunkt noch die Voraussetzungen eines selbständigen landwirtschaftlichen Betriebes, mag er auch geruht haben. Zwar war die eigenständige Bewirtschaftung mit der weitgehenden Verpachtung der landwirtschaftlichen Nutzflächen an den Landwirt ... im Jahr 1962 und der vollständigen Überlassung dieser Flächen an den Antragsgegner ab dem Jahr 1974 zunächst aufgegeben worden. Auch bestand angesichts der familiären Gegebenheiten eine nur geringe Aussicht, diese Flächen von der Hofstelle in ... aus wieder in Eigenbewirtschaftung zu nehmen (vgl. die Begründung für den Schenkungsvertrag vom 03.03.1972 zwischen den Eltern der Beteiligten und der Antragstellerin, insbesondere zu § 7 in den Grundakten ... Blatt 446). Jedoch war eine solche Wiederinbetriebnahme nicht ausgeschlossen oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu verneinen. Die Hofstelle war zwar nicht mehr modern, genügte aber im Jahr 1983 noch den Anforderungen für eine Bewirtschaftung der verhältnismäßig geringen Flächen im Nebenerwerb, insbesondere bei viehloser Bewirtschaftung, was der Senat unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen ... vom 10.12.1996 kraft der Sachkunde seiner ehrenamtlichen Mitglieder selbst feststellen kann. Außerdem war nicht ausgeschlossen, daß sich der Antragsgegner bei einem eventuellen Scheitern seiner Ehe - auch wenn es damals keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Möglichkeit gab - auf die mütterliche Besitzung hätte zurückziehen können. Dafür, daß er sich diese jedenfalls theoretische Möglichkeit erkennbar offengehalten hat, spricht der Umstand, daß der Antragsgegner und seine Ehefrau von 1984 bis 1992 nicht den Schritt unternommen haben, ihre beiden Besitzungen zu einem Ehegattenhof zu vereinigen, obwohl, soweit erkennbar, nur der Sohn ... als Hofnachfolger in Betracht kam.

26

Unabhängig davon, daß die Hofeigenschaft im Jahr 1983/1984 noch nicht weggefallen war, legt der Senat die Regelung in § 4 des Vertrages vom 29.12.1983 dahin aus, daß die Vertragschließenden die Geltung des § 13 HöfeO unabhängig von dem Fortbestand der rechtlichen Hofeigenschaft vereinbart haben. Allen Beteiligten waren die tatsächlichen Verhältnisse bekannt. Sie wußten, wie zweifelhaft es war, daß der Betrieb in ... wieder eigenständig in Gang gesetzt würde. Trotzdem hatte die Mutter den - für den Antragsgegner erkennbaren und von ihm gebilligten - Willen, die Antragstellerin wirtschaftlich ihrem Sohn ... gleichzustellen, soweit es die Verhältnisse rechtfertigen. Die Antragstellerin sollte an dem Verkehrswert der Besitzung nur solange nicht teilhaben, wie der Antragsgegner diese landwirtschaftlich im Rahmen des gemeinsam mit seiner Ehefrau betriebenen Unternehmens nutzte. Sobald er diese Nutzung aufgab und einen Tatbestand nach § 13 HöfeO erfüllte, sollte die Antragstellerin in jedem Falle daran teilhaben. Dieser Wille der Mutter schlägt sich insbesondere in den letztwilligen Verfügungen beider Elternteile nieder. Das Testament vom 30.01.1972 (Bl. 160 d. A.) spricht der Antragstellerin das kurze Zeit später übertragene Gartenland und Ackerland als Vermächtnis zu. Nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 15.05.1972 sollte die Antragstellerin einen Anspruch auf die Hälfte des Verkaufserlöses auch bei Veräußerung der kleinsten Parzelle haben. Im Testament vom 25.05.1974 ist bestimmt, daß der Antragstellerin mindestens die Hälfte des jeweiligen Verkaufserlöses zustehen und der Anspruch nicht durch Ersatzinvestitionen in den Hof ausgeschlossen sein sollte. Angesichts der damaligen Geltung des § 13 HöfeO a.F. gingen diese Bestimmungen weit über die gesetzliche Regelung hinaus.

27

Unter Berücksichtigung dieser Umstände wertet der Senat die Bestimmungen unter § 4 des Übergabevertrages vom 29.12.1983 als eine selbständige Regelung, die der Antragstellerin unabhängig von dem Bestehen der Hofeigenschaft einen Anspruch nach Maßgabe des § 13 HöfeO einräumt.

28

2.

Die Tochter ... hat sich im Schenkungs- und Abfindungsvertrag vom 16.09.1992 hinsichtlich aller ihrer Ansprüche aus § 12 HöfeO gegenüber ihren Eltern und ihrem Bruder für abgefunden erklärt. Damit ist in erster Linie der Bruder Bernd seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Abfindung entsprechend §§ 12, 17 Abs. 2 HöfeO entbunden. Der Antragsgegner hat daraus zwar keinen Vermögenswerten Vorteil erlangt. Gleichwohl ist nach der Auffassung des Senats die Vertragsgestaltung nicht anders zu werten, als wenn der Sohn ... zunächst den gesamten Grundbesitz seiner Eltern übertragen erhalten und sodann seiner Schwester als Abfindung die beiden Parzellen in ... übertragen hätte, was den Tatbestand des § 13 Abs. 1 und 7 HöfeO erfüllt hätte. Es wäre nämlich nicht gerechtfertigt, wenn die Antragstellerin als gegenüber dem Antragsgegner weichende Erbin uneingeschränkt unentgeltliche Landveräußerungen an nahe Angehörige des Übernehmers in Schmälerung der Haftungsmasse für ihre Ansprüche nach § 13 HöfeO bzw. der entsprechenden vertraglichen Regelung hinnehmen müßte, was insbesondere der Fall wäre, soweit die Abfindung der Tochter ... auch den von der Ehefrau des Antragsgegners herrührenden Grundbesitz erfaßt und weit über den Wert hinausgeht, der ... von Gesetzes wegen zustand.

29

3.

Die Antragstellerin muß sich andererseits eine Begrenzung ihres Anspruches in einem von Art. 14 Abs. 1 GG, von Treu und Glauben und der bäuerlichen Sitte geprägten Rahmen gefallen lassen. Dazu zählt, daß Abfindungen an weichende Erben nicht nach dem gesetzlichen Mindestmaß ausgerichtet werden, sondern regelmäßig erheblich darüber hinausgehen. Es ist auch durchaus üblich und entspricht bäuerlicher Auffassung, daß weichende Erben mit solchen Grundstücken abgefunden werden, die für die Bewirtschaftung des Betriebes nicht erforderlich sind und gegen deren Übertragung weder die Vorschriften der HöfeO noch die des Grundstücksverkehrsgesetzes sprechen. In Anbetracht dessen sieht der Senat die Übertragung der beiden Flächen auf ... nicht im vollen Umfang ausgleichspflichtig an, sondern hält eine Begrenzung für erforderlich und angemessen. Das gilt auch, soweit die Tochter ... nicht in Geld abgefunden worden ist. Denn dazu hätte es im Zweifel der Aufnahme eines Darlehens bedurft, das grundbuchmäßig abzusichern war und dessen Verzinsung und Tilgung dem Hofnachfolger zur Last gefallen wäre. Diese mögliche Regelung, die die Hofstelle in ... unversehrt gelassen hätte, mußte der Antragsgegner aber im Interesse der Antragstellerin nicht in jedem Falle einhalten. Denn dabei ist auch zu berücksichtigen, daß seinerzeit die Antragstellerin ihrerseits nicht nur vom Antragsgegner die Abfindung in Höhe von 25.000 DM erhalten hat, sondern bereits zuvor, vor der Übertragung des Hofes in ... auf den Antragsgegner, von den Eltern wertvolle Abfindungen in Land erlangt hat, mit denen diese eine weitgehende Gleichstellung beider Kinder erstrebten. Auch die Übertragung der drei Parzellen in den Jahren 1956 und 1972 auf die Antragstellerin hat die Masse des elterlichen Ehegattenhofes geschmälert und ist zum Nachteil des Antragsgegners erfolgt. Es entspricht deshalb der Billigkeit und den Grundsätzen von Treu und Glauben, daß die Antragstellerin, soweit eine Abfindung der Nichte ... in Land in noch angemessenem Umfang erfolgt ist, diese ohne Begründung eines Ergänzungsanspruchs hinnehmen muß.

30

B.

Die Höhe der der Antragstellerin zustehenden Abfindung bemißt sich nach folgenden Überlegungen:

31

Die Besitzungen des Antragsgegners und seiner Ehefrau hatten im Jahr 1984 in etwa die gleiche Größe (16,5096 ha und 17,9289 ha). Die Einheitswerte und damit die Werte der beiden Betriebe unterschieden sich allerdings. Gemeinschaftlich betrug der Einheitswert für den gesamten Grundbesitz der Eheleute ... und ... zum 01.01.1984 79.800 DM. Davon entfielen 43.100 DM auf die Besitzung in ... und der Rest überwiegend auf den Hof in ..., zum Teil, und zwar zur Höhe von 1.600 DM und 1.300 DM, aber auch auf das vom Antragsgegner bereits zuvor käuflich erworbene und dem Sohn ... noch nicht übertragene Land (vgl. Ziff. II und VI der Auskunft des Finanzamtes ... vom 06.03.1997). Der Senat geht deshalb davon aus, daß die Besitzung ... abweichend von den Angaben in dem Übergabevertrag vom 29.12.1983 einen Einheitswert von 33.800 DM (= 79.800 DM - 43.100 DM - 1.600 DM - 1.300 DM) hatte. Der Hofeswert betrug somit 50.700 DM (= 33.800 DM × 1,5), wovon der Tochter ..., da die Eltern in Gütertrennung lebten, gemäß § 1939 Abs. 4 BGB von Gesetzes wegen ein Drittel, und somit höchstens 16.900 DM, zustanden. Die angemessene Abfindung in Land, die der Antragsgegner der Tochter ... gewähren durfte, ohne die wohlverstandenen Interessen der Antragstellerin zu verletzen, betrug nach der Auffassung des Senates höchstens das Vierfache, das sind 67.600 DM. Erhalten hat die Tochter ... jedoch eine Landabfindung im Werte von 285.000 DM, wie das Gutachten des Sachverständigen ... vom 10.12.1996 ergeben hat. Die Beteiligten haben dieses Gutachten nicht angegriffen. Der Senat hat nach kritischer Prüfung keine Zweifel an dessen Richtigkeit. Damit hat die Tochter ... aber eine um 217.400 DM überhöhte Abfindung in Land zu Lasten der Antragstellerin empfangen. Insoweit hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Abfindungsergänzung. Allerdings vermindert sich diese Verpflichtung noch anteilig um die Lasten, die der Antragsgegner mit Abschluß des Übergabevertrages vom 29.12.1983 übernommen hat, insbesondere in Form des Altenteils zugunsten seiner Mutter, das er ihr bis zu ihrem Tode am 18.05.1987 gewährte. Es sind etwa 25 % des 3 1/2-fachen Jahreswertes abzusetzen, wobei der Jahreswert nicht - wie im Vertrag vom 29.12.1983 angegeben - auf 9.000 DM, sondern auf mindestens 12.000 DM zu bemessen ist. Danach ist ein Betrag von 10.400 DM in Abzug zu bringen. Zur Verteilung unter den Beteiligten verbleiben mithin 207.000 DM, wovon der Antragstellerin 1/2, d. h. 103.500 DM zustehen.

32

Der Senat schätzt den Gesamtwert des Hofes für das Jahr 1992 auf 870.000 DM. Dabei ist die Hofstelle nebst dem Gartenland entsprechend dem Gutachten des Sachverständigen ... mit 285.000 DM zu bewerten. Die restlichen Flächen zur Größe von 16,25 ha enthalten ca. 2,2 ha Forst, der wesentlich geringwertiger ist als das Ackerland, bei dem ein durchschnittlicher Wert von 4 DM/qm anzunehmen ist (wie er sich auch letzten Endes in dem Vertrag mit dem Rechtsanwalt ... aus dem Jahr 1988 wiederspiegelt). Deshalb ist von einem durchschnittlichen Wert aller Ländereien zusammen von 3,60 DM/qm = 36.000 DM/ha auszugehen, so daß sich der Wert der übrigen Ländereien auf 585.000 DM bemißt.

33

Von dem Gesamtwert von 870.000 DM hat der Antragsgegner mit der überhöhten Abfindung der Tochter ... von 217.400 DM einen Teil veräußert, der 25 % des Gesamtwertes entspricht. Insoweit, also um einen Anteil von 25 % = 10.400 DM, ist die übernommene Altenteilsverpflichtung von der überhöhten Landabfindung von 217.400 DM abziehen.

34

Auf die sich danach ergebenden 103.500 DM (= 207.000 DM × 1/2) muß sich aber die Antragstellerin zu einem Anteil von 25 % ihre Vorempfänge anrechnen lassen. Dazu zählen nicht nur die Zahlung der Barabfindung in Höhe von 25.000 DM, sondern auch die Abfindungen in Land. Zwar haben die Eltern eine solche Anrechnungspflicht nicht ausdrücklich in den Testamenten und in dem Übergabevertrag vom 29.12.1983 angeordnet. Sie ergibt sich aber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung aus den Umständen. Es hat sich bei den Grundstücksübertragungen um Flächen gehandelt, die zu dem Ehegattenhof gehörten. Solchen Schmälerungen eines Hofes zugunsten des Abfindungsberechtigten liegt in der Regel die Absicht des Eigentümers zugrunde, damit nicht nur ein Geschenk zu machen, sondern auch zugleich eine Abfindung vom Hof. Diese Auslegung steht im Einklang mit den oben erörterten Ausführungen, wonach die Eltern der Beteiligten eine gleichmäßige wirtschaftliche Beteiligung der beiden Kinder an ihrem Vermögen bzw. ihrer Hinterlassenschaft wünschten.

35

Die der Antragstellerin zugeflossenen Werte sind wertbeständig auf den Zeitpunkt des Entstehens ihres Anspruchs hochzurechnen, und zwar unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Veränderungen in den allgemeinen Lebenshaltungskosten. Das Grundstück aus dem Vertrage des Jahres 1956 ist von der Antragstellerin im Jahre 1991 für 10.000 DM verkauft worden. Dieser Erlös bedarf keiner weiteren Anpassung auf das hier maßgebliche Jahr 1992 und kann übernommen werden. Soweit die Antragstellerin im Jahr 1973 einen Bauplatz an die Gemeinde ... veräußert hat, war seitdem bis zum Jahr 1992 der Preisindex um ca. 91 % gestiegen, so daß diese Übertragung mit einem Wert von 30.560 DM zugrundezulegen ist. Der Wert des Ackergrundstücks, das die Antragstellerin im Jahr 1972 von ihrer Mutter erhalten und im Jahr 1988 für 36.000 DM verkauft hat, ist unter Berücksichtigung einer Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes für 1992 um 13,5 % auf 40.860 DM zu erhöhen. Für die Barabfindung, die in den Jahren 1984 bis 1986 zu zahlen war, sind unter Berücksichtigung eines Indexes von 11,5 % insgesamt 27.875 DM zugrundezulegen. Daraus ergibt sich ein Gesamtwert der Abfindung in Höhe von aufgrundet 109.300 DM.

36

Diese 109.300 DM muß sich die Antragstellerin zu einem Anteil von 25 % = 37.325 DM auf ihren an sich gegebenen Anspruch auf eine Abfindungsergänzung von 103.500 DM anrechnenlassen, woraus sich dann die ihr zuerkannten 76.175 DM ergeben.

37

Die weiteren der Antragstellerin gewährten Leistungen wie Ausbildung zur Kindergärtnerin, Aussteuer und - geringfügige - Barzuwendungen sind dagegen nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht nachweislich als Abfindung vom Hofe gegeben worden sind.

38

Die zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich aus § 288 BGB.

39

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 Abs. 1, 44 Abs. 1 LwVG, § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO. Dem für erledigt erklärten Auskunftsanspruch kommt kein besonderer Wert zu. Es entspricht der Billigkeit, von der Anordnung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen, weil das Ausmaß des beiderseitigen Unterliegens nicht erheblich voneinander abweicht und richterliche Schätzung sowie Billigkeit die Entscheidung beeinflussen.

40

Der Geschäftswert bestimmt sich nach § 19 d HöfeVfO, §§ 30, 131 Abs. 2 KostO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 30 Abs. 2 LwVG. Der Senat hat - auf den Grund des Anspruches beschränkt (vgl. vorstehende Ausführungen zu A.) - die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil, soweit erkennbar, die Frage, ob eine Abfindungsergänzung für die Abfindung weichender Erben in Land geschuldet wird, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.