Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 21.08.2024, Az.: L 2 R 329/22

Erstattung von Aufwendungen gegenüber dem Rentenversicherungsträger für stationäre Rehabilitationsmaßnahmen; Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung im Falle einer Bulimia Nervosa wegen akuter Gefährdung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.08.2024
Aktenzeichen
L 2 R 329/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 25234
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2024:0821.2R329.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 10.11.2022 - AZ: S 53 R 102/19

Amtlicher Leitsatz

Die Entscheidung der Krankenkasse, ob einer psychisch schwer erkrankten Versicherten eine klassische Krankenhausbehandlung oder eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren ist, hat sich an der Zielvorstellung auszurichten, in medizinischer Hinsicht den bestmöglichen und andauerden Heilerfolg zu bewirken.

In dem Rechtsstreit
hkk Krankenkasse,
vertreten durch den Vorstand,
Martinistraße 26, 28195 Bremen
- Klägerin und Berufungsklägerin -
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bund,
vertreten durch das Direktorium,
Ruhrstraße 2, 10709 Berlin
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
hat der 2. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 21. August 2024 in Celle durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. B., die Richterin am Landessozialgericht Dr. C. und den Richter am Landessozialgericht Dr. D. sowie die ehrenamtlichen Richter E. und F. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die klagende Krankenkasse begehrt von dem beklagten Rentenversicherungsträger die Erstattung von Aufwendungen in Höhe von 16.926,66 €. Diese hat sie für die Behandlung ihrer im August 1994 geborenen Versicherten G. (im Folgenden: Versicherte) im Zeitraum vom 6. Juli bis 30. Oktober 2015 in der Klinik H. in I. aufgewandt. Diese Klinik hat als Rehabilitationseinrichtung einen Versorgungsvertrag gemäß § 111 SGB V abgeschlossen (vgl. wegen der Einzelheiten den vorgelegten Versorgungsvertrag, Bl. 104 ff. GA); sie gehört nicht zu den zugelassenen Krankenhäusern im Sinne der §§ 39, 108 SGB V.

Die Versicherte litt seit etwa dem 17. Lebensjahr an Essattacken, welche mit Erbrechen korrelierten. Bis etwa Anfang 2014 erbrach sie etwa einmal in der Woche. Dann eskalierte die Situation, so dass sie bis zu täglich zehn Brechanfälle erlitt (vgl. insbesondere die anamnestischen Angaben im Verlängerungsantrag der Klinik, Bl. 47 ff. VV).

Die Versicherte nahm im Sommer 2014 nach dem Abitur eine mit einer Hochschulausbildung im Sinne eines dualen Studiums verbundene Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau bei einem Bekleidungsunternehmen auf. Für sie wurden seit August 2014 vom Ausbildungsbetrieb Beiträge zur Rentenversicherung an den beklagten für die Versicherte kontoführenden Rentenversicherungsträger abgeführt (vgl. wegen der Einzelheiten auch den Versicherungsverlauf, Bl. 82 ff. GA).

Am 28. Januar 2015 ging bei der Deutschen Rentenversicherung Oldenburg-Bremen ein Rehabilitationsantrag der in Sande wohnenden Versicherten ein. Beigefügt war ein ärztlicher Befundbericht der Hausärzte Maul und Partner vom 19. Dezember 2014, in deren Behandlung sich die Versicherte seit Juli 2014 befand. Ausweislich dieses Berichts litt die Versicherte an einer Anorexia nervosa mit einem "seit Jahren veränderten Körperschema". Eine stationäre Maßnahme wurde unbedingt angeraten.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2015 leitete die Deutsche Rentenversicherung den Rehabilitationsantrag an die Klägerin mit der Begründung weiter, dass die Versicherte nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen durch den Rentenversicherungsträger nach § 11 SGB VI erfülle.

Mit Schreiben vom 20. März 2015 bewilligte die Klägerin der Versicherten eine Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik H..

Ende Mai 2015 beging die Versicherte nach einem Streit mit der Familie einen Suizidversuch verbunden mit einem Konsum großer Mengen von Alkohol und Amphetamin. Nach eindringlichen Einwirkungen ihrer Eltern nahm sie die bewilligte stationäre Behandlung in der Klinik H. am 6. Juli 2015 auf.

Dort wurden (vgl. den Verlängerungsantrag von Anfang August 2015) eine "sehr schwere Bulimia nervosa mit leichtgradigem Untergewicht" (BMI bei Aufnahme 18,1), eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom sowie eine dependente Persönlichkeitsakzentuierung diagnostiziert. Entsprechend dem Verlängerungsantrag der Klinik verlängerte die Klägerin die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme zunächst bis zum 20. September 2015.

Einen nachfolgenden weiteren Verlängerungsantrag der Klinik, mit dem eine Verlängerung bis zum 1. November 2015 begehrt worden war, entsprach die Klägerin nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zunächst nur teilweise im Sinne einer bis zum 11. Oktober 2015 begrenzten Verlängerung.

In dem gegen die Teilablehnung von der Klinik eingeleiteten Widerspruchsverfahren wurden von Seiten der Klinik als weitere Diagnosen der Verdacht auf eine Borderline-Persönlichkeitsstörung sowie der Verdacht auf ADHS mit Persistenz im Erwachsenenalter geltend gemacht.

Daraufhin verlängerte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 die Bewilligung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme bis zum 9. November 2015. Entsprechend dem im zweiten Verlängerungsantrag aufgezeigten Zeitrahmen wurde die Versicherte aber bereits am 30. Oktober 2021 entlassen.

Für den Aufenthalt der Versicherten in der Klinik im Zeitraum 6. Juli bis 30. Oktober 2015 wandte die Klägerin Kosten in Höhe von 16.926,66 € auf (vgl. wegen der Einzelheiten die Kostenaufstellung auf Bl. 3 GA). Vorgerichtliche Bemühungen der Klägerin, diese Kosten von dem beklagten Rentenversicherungsträger erstattet zu erhalten, blieben ohne Erfolg. Dieser wies zuletzt im Schreiben vom 28. Oktober 2016 darauf hin, dass es sich bei der streitbetroffenen Behandlung der Sache nach um eine in die Zuständigkeit der Klägerin fallende Krankenhausbehandlung und nicht eine rehabilitative Behandlung gehandelt habe.

Daraufhin hat die Klägerin am 25. März 2019 die vorliegende Klage erhoben. Schon der zeitliche Ablauf bestätigte, dass keine Akutbehandlung im Sinne einer Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen sei. Indiziert gewesen sei vielmehr die beantragte und bewilligte Rehabilitationsmaßnahme.

Mit Urteil vom 10. November 2022, der Klägerin zugestellt am 16. November 2022, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Maßgebliches Ziel der streitbetroffenen Maßnahme sei die Heilung der Erkrankung der Versicherten gewesen. Das rentenversicherungsrechtliche Ziel der Wiederherstellung bzw. Erhaltung der Erwerbsfähigkeit könne angesichts insbesondere auch der Schwere der Erkrankung nur als zweitrangig eingestuft werden. Dafür spreche bereits die Dauer des Klinikaufenthaltes.

Mit ihrer am 12. Dezember 2022 eingegangenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Erstattungsbegehren weiter.

Ein akuter Behandlungsbedarf sei im Maßnahmezeitraum nicht erkennbar gewesen. Da sich der Suizidversuch der Versicherten noch vor Aufnahme in die Rehabilitationsmaßnahme ereignet habe, lasse sich auch daraus kein akuter Behandlungsbedarf ableiten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 10. November 2022 aufzuheben und die Beklagte zur Erstattung von 16.926,66 € zu verpflichten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat die Beteiligten um Darlegung gebeten, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse und Studienergebnisse bezüglich der Frage vorgelegen haben, welche Ausprägungen einer Bulimia nervorsa im Interesse eines guten und zeitnah zu erreichenden möglichst langfristig wirkenden Behandlungserfolgs am besten von einer Behandlung einerseits in psychiatrischen Fachkrankenhäusern (im Sinne des § 39 SGB V) und andererseits von einer Behandlung in entsprechend ausgerichteten Rehabilitationskliniken profitieren.

Der beklagte Rentenversicherungsträger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2023 mitgeteilt, dass entsprechende Studien aus seiner Sicht "ethisch nicht zu verantworten" seien. Akutmedizinische Behandlungen würden der akuten Behandlung einer Erkrankung dienen, rehabilitative Leistungen würden hingegen das Ziel einer "möglichst weitgehenden" Verbesserung von Teilhabeeinschränkungen verfolgen.

Der Senat hat eine ergänzende Auskunft der Klinik H. vom 18. August 2023 (Bl. 94 ff. GA) eingeholt, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Begehren der Klägerin, von der Beklagten die Kosten der stationären Maßnahme erstattet zu verlangen, ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) zulässig. Hierbei handelt es sich um einen Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist.

Die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts ist zu Recht ergangen, da der Klägerin ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nicht zusteht. Die Klägerin erfüllt schon dem Grunde nach nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch.

1. Als ihrerseits sachlich zuständiger Rehabilitationsträgerin stand der Klägerin schon im Ausgangspunkt kein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX aF zu.

a) Die ab dem 1. Januar 2018 geltende, ohnehin weitgehend inhaltsgleiche Vorschrift des § 16 Abs. 1 SGB IX (idF von Art 1 Bundesteilhabegesetz <BTHG> vom 23. Dezember 2016, BGBl I 3234) ist hier noch nicht maßgeblich. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts ist eine sozialrechtliche Anspruchsnorm nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach ihrem Inkrafttreten verwirklicht werden - es sei denn, das Gesetz erstreckt seinen Geltungsanspruch auch auf solche Umstände, die vor seinem Inkrafttreten entstanden sind. Dementsprechend geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw. Rechtsverhältnisse grundsätzlich noch nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (vgl. BSG Urteil vom 27. Juni 2019 - B 10 EG 2/18 R - SozR 4-7837 § 2c Nr. 5 RdNr 20 mwN; BSG Urteil vom 27. August 2019 - B 1 KR 14/19 R - SozR 4-2500 § 13a Nr. 1 RdNr 10 mwN). Hier wird die Erstattungsforderung auf einen Sachverhalt gestützt, der im Jahr 2015 und damit noch vor Inkrafttreten des BTHG stattfand. Anhaltspunkte dafür, dass der im BTHG neu gefasste § 16 Abs. 1 SGB IX ab seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2018 auch auf Sachverhalte Anwendung finden soll, die bereits zuvor abgeschlossen waren, sind weder dem Gesetz (vgl. Art 26 Abs. 1 Satz 1 iVm Art 1 BTHG) noch den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren zu entnehmen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BTHG, BT-Drucks 18/9522 S 202 - zu II.6 und II.7: grundsätzliches Inkrafttreten zum 1. Januar 2018 bei vorgezogener Wirksamkeit nur einzeln benannter Regelungen <zu denen § 16 SGB IX nicht gehört> auf den Tag nach der Verkündung des Gesetzes bzw. auf den 1. Januar 2017; BSG, Urteil vom 26. Februar 2020 - B 5 R 1/19 R -, SozR 4-2600 § 11 Nr. 1, RdNr 13).

b) Im vorliegenden Fall fehlen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 SGB IX aF für den von Seiten der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruch. Für die streitbetroffene Maßnahme in der Klinik Lüneburger Heide war kein "anderer Rehabilitationsträger" im Sinne dieser Vorschrift und insbesondere nicht der beklagte Träger der Rentenversicherung zuständig, vielmehr war die Klägerin selbst für diese Leistung zuständig.

In medizinischer Hinsicht diente die Durchführung der streitbetroffenen Maßnahme der Behandlung der an einer Bulimia nervosa verbunden mit einem kurz vor Maßnahmebeginn durchgemachten Suizidversuch erkrankten Versicherten.

Die klagende Krankenkasse hatte gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V den Anspruch der Versicherten auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, zu erfüllen. Erforderlichenfalls umfasste dieser Anspruch auch die Gewährung von Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V). Bezüglich dieser Ansprüche der Versicherten war die Klägerin nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Versicherte die ihr zustehenden Leistungen umfassend und zügig erhielt.

Die Klägerin war zudem nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX aF verpflichtet, insbesondere auch die notwendigen Sozialleistungen zu erbringen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. In § 4 Abs. 2 SGB IX aF hatte der Gesetzgeber wiederum eigens hervorhoben, dass diese notwendigen Leistungen "vollständig" und "umfassend" zu erbringen sind. Diesen Pflichten hatte die Klägerin von Amts wegen zu erfüllen, und zwar letztlich unabhängig von Leistungsanträgen der Patientin.

Die angesprochene gesetzliche Verpflichtung zur "vollständigen" und "umfassenden" Erbringung aller notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen umfasst naturgemäß auch die Pflicht, während der Erbringung von Rehabilitationsleistungen und damit insbesondere bei ihrer längerfristigen Gewährung sich fortlaufend zu vergewissern, inwieweit die eingeleiteten Maßnahmen noch ausreichen oder ob sie unter Berücksichtigung geänderter Umstände wie etwa in Form von Veränderungen im Gesundheitszustand des Rehabilitanden zum Erreichen der vorgesehenen Rehabilitationsziele zu erweitern oder anderweitig zu modifizieren sind. Der Gesetzgeber hat sich gerade von der Zielvorstellung leiten lassen, dass die "insgesamt erforderlichen Leistungen" aus der Sicht der leistungsberechtigten Bürgerinnen und Bürger wie "aus einer Hand" erscheinen sollen (BT-Drs. 14/5074, S. 101; vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 11. September 2018 - B 1 KR 6/18 R -, BSGE 126, 269).

Die Vorgaben des SGB IX verfolgen das Ziel, im Verhältnis zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Reha-Trägern die Zuständigkeit schnell und insbesondere zugleich auch "dauerhaft" zu klären (BSG, U.v. 11. September 2018 - B 1 KR 6/18 R -, BSGE 126, 269, Rn. 20). Hieran anknüpfend ändert sich die Außenzuständigkeit des erstangegangenen Trägers selbst dann nicht, wenn dieser das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt (BSG, Urteil vom 11. September 2018 - B 1 KR 6/18 R -, BSGE 126, 269, Rn. 19).

Ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 14 Abs. 4 SGB IX aF scheitert im vorliegenden Fall bereits daran, dass eine Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers für die streitbetroffene Maßnahme gar nicht in Betracht kam.

Insbesondere bestand für die streitbetroffene Maßnahme entgegen der Auffassung der Klägerin keine Zuständigkeit auf Seiten des beklagten Rentenversicherungsträgers. Einer solchen Zuständigkeit stand die Ausschlussvorschrift des § 13 Abs. 2 SGB VI entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen Träger der Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit nicht erbringen, es sei denn, die Behandlungsbedürftigkeit tritt während der Ausführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ein (Nr. 1); ferner dürfen sie insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation anstelle einer sonst erforderlichen Krankenhausbehandlung nicht erbringen (Nr. 2).

Im vorliegenden Fall bestand sowohl eine "akute Behandlungsbedürftigkeit" der Erkrankung der Patientin, überdies wäre ohne die streitbetroffene Maßnahme eine Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen. Akut behandlungsbedürftig ist jedenfalls ein Zustand, der - im Gegensatz zu einem chronischen Krankheitsgeschehen - zeitnahe ärztliche Behandlungen oder Überwachung erfordert (BSG, U.v. 27. Januar 1999 - B 4 RA 27/98 R -, SozR 3-2600 § 13 Nr 3, Rn. 22; Kater in Beck-Online-Großkommentar (Kasseler Kommentar), Stand: 15.2.2024, SGB VI § 13 Rn. 75). Eine solche zeitnahe ärztliche Behandlung und Überwachung war im Zeitraum der Durchführung des streitbetroffenen Klinikaufenthalts dringend erforderlich.

c) Schon im Ausgangspunkt sind Essstörungen wie auch die Bulimia nervosa mit erheblichen Suizidrisiken verbunden (vgl. https://www.aerzteblatt.de/archiv/60153/Essstoerungen-Einfluss-auf-Suizidrisiko). Im vorliegenden Fall sind diese abstrakten Risiken durch einen konkreten Suizidversuch der Patientin kurz vor ihrer Aufnahme in die Klinik nachdrücklich verdeutlicht worden. Überdies gaben die Umstände des Suizidversuchs Hinweise auf Drogenmissbrauch, vor diesem Hintergrund ist von einer noch größeren Vulnerabilität der Patientin bei Beginn der Maßnahme auszugehen.

Die Patientin litt unter einer gravierenden psychischen Erkrankung in Form der Bulimia nervosa, wobei sich das Krankheitsbild seit etwa Anfang 2014 noch weiter nachdrücklich verschlechtert hatte, so dass etwa zehn Brechanfälle am Tag zu verzeichnen waren. Eine richtungweisende ernsthafte und nachdrückliche Behandlung dieses schweren (schon angesichts der aufgezeigten Suizidrisiken überdies mit erheblichen letalen Gefahren verbundenen) Krankheitsbildes war noch gar nicht aufgenommen worden. Dies Patientin befand sich nicht einmal in psychiatrischer Behandlung, sondern wurde (und auch dies nach Maßgabe des dem Rehabilitationsantrag beigefügten Behandlungsberichts erst seit wenigen Monaten) lediglich hausärztlich betreut. Aktenkundigen wenig bestimmten Hinweisen auf eine gewisse psychotherapeutische Unterstützung vermittelten nicht den Eindruck einer ernsthaften Behandlung; die Klägerin ist dem auch nicht nachgegangen; ein entsprechender Behandlungsbericht ist nicht eingeholt worden.

Angesichts der Schwere des Krankheitsbildes lag der akute Behandlungsbedarf offen zu Tage. In diesem Zusammenhang hilft es der Klägerin nicht weiter, dass diese auf eine zunächst nur unzureichende Behandlungs- und Rehabilitationsbereitschaft auf Seiten der Patientin hinweist, welche sich im Ergebnis erst dann zum Antritt der stationären Maßnahme entschließen konnte, nachdem sich der darauf abzielende innerfamiliäre Druck insbesondere anknüpfend an den Suizidversuch noch nachdrücklich verstärkt hatte. Dieses anfängliche Verhalten der Patientin war Ausdruck ihrer seinerzeit noch unzureichenden Einsicht in die Schwere ihrer Erkrankung. Sie kann schon im Ausgangspunkt nicht als verständige und nachvollziehbare Einschätzung einer fehlenden Behandlungsbedürftigkeit verstanden werden.

Bei vielen betroffenen Patienten fehlen oft trotz erheblichen Leidens anfänglich die Krankheitseinsicht und Motivation, die für eine adäquate Behandlung ihrer jeweiligen Gesundheitsstörung erforderlich sind; diese müssen erst in einer längerfristigen - psychotherapeutischen - Behandlung hergestellt werden auch bei einem chronischen psychiatrischen Leiden ist deshalb die Notwendigkeit einer Akutbehandlung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht zu ziehen (BSG, Urteil vom 20. Januar 2005 - B 3 KR 9/03 R -, BSGE 94, 139, Rn. 29). Diese ist auch im vorliegenden Zusammenhang gerade angesichts der nachhaltigen Verschlechterung des Krankheitsbildes seit Anfang 2014 festzustellen.

Aus medizinischer Sicht wäre eine Nichtaufnahme einer ärztlichen Behandlung der Versicherten oder deren Hinausschiebung bei Beginn der streitbetroffenen Klinikbehandlung gar nicht zu verantworten gewesen. Auch von Seiten der Klägerin ist nichts dafür inhaltlich nachvollziehbar vorgetragen worden, dass ungeachtet der schweren Erkrankung der Versicherten das Erfordernis einer zeitnahen ärztlichen Behandlung im Sinne der erläuterten Rechtsprechung in Zweifel zu ziehen sein könnte. Auch ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung war diesbezüglich im Ergebnis unergiebig.

Zudem hat der kurz vor Behandlungsbeginn durchgemachte Suizidversuch noch einmal in besonders prägnanter Weise verdeutlicht, dass sich die Patientin seinerzeit in einer Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit befand.

d) Überdies wäre ohne das streitbetroffene Heilverfahren eine stationäre psychiatrische Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen.

Mit der Formulierung "anstelle einer sonst erforderlichen Krankenhausbehandlung" in § 13 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI fordert der Gesetzgeber im Ergebnis eine hypothetische Beurteilung. Ausschlagend ist mithin, ob unter Hinwegdenken der (in Betracht kommenden und in Bezug auf den vorliegenden Erstattungsrechtsstreit auch bereits durchgeführten) Rehabilitationsleistung eine Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen wäre. Der Gesetzgeber will verhindern, dass in die alleinige Zuständigkeit der Krankenkassen nach §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 SGB V fallende Krankenhausbehandlungen in der Sache - deklariert als Rehabilitationsmaßnahme - auch von Rentenversicherungsträgern erbracht werden.

Dementsprechend kann die gesetzliche geforderte Prüfung der Voraussetzungen der Ausschlussvorschrift des § 13 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nicht schon im Hinblick darauf unterbleiben, dass die betreuende Klinik als Rehabilitationsklinik zugelassen ist und die Maßnahme als Rehabilitationsleistung abgerechnet hat. Ausschlaggebend für die erforderliche Prüfung der Vorgaben des § 13 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI ist vielmehr, ob es in medizinischer Hinsicht auf der Basis der rechtlichen Vorgaben richtig war, die Patientin in einer Rehabilitationsklinik und nicht in einem psychiatrischen bzw. psychosomatischen Akutkrankenhaus zu behandeln. Bezogen auf den vorliegenden Fall bestand jedoch die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 SGB V. Aufgrund ihrer stand § 13 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI einer Zuständigkeit der Beklagten zur Erbringung einer stationären Rehabilitationsleistung mit gleicher Zielrichtung entgegen.

Die insoweit gesetzlich gebotene Abgrenzung zwischen Krankenhausbehandlungen und stationären Rehabilitationsbehandlung ist namentlich auch in Bezug auf psychische Erkrankungen auch vor dem Hintergrund der wenig bestimmten Vorgaben des Gesetzgebers mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Das BSG (U.v. 15. Februar 1978 - 3 RK 29/77 -, BSGE 46, 41, Rn. 20) weist darauf hin, dass eine klare Abgrenzung "hin und wieder" (aus Sicht des erkennenden Senates auch noch deutlich häufiger) "nur schwer möglich" sei. Es lasse sich schon im Ausgangspunkt "keine scharfe Trennungslinie" für die jeweiligen Zuständigkeiten ziehen. Der Gesetzeswortlaut biete dazu keine hinreichenden Anhaltspunkte. Eine Zuordnungsrichtlinie lasse sich jedenfalls vielfach auch aus einer finalen, am Zweck der Maßnahme orientierten Betrachtung nicht gewinnen: Das Ziel der Krankenversicherung liege vor allem darin, die Krankheit zu heilen und die Krankheitsfolgen zu beseitigen, und das Ziel der Rentenversicherungsleistung bestehe vorrangig in der Wiederherstellung oder Erhaltung der Erwerbs- (bzw. bei Schülern zunächst: Schul-)fähigkeit. Die in Betracht kommenden Maßnahmen könnten jedoch "beiden Zwecken gleicherweise" dienen (BSG, aaO, Rn. 16; in der damaligen Entscheidung waren Maßnahmen zur Behandlung einer Alkoholerkrankung zu beurteilen). Ohnehin kommen im Rahmen des § 40 SGB V auch auf Seiten der Krankenkassen rehabilitative Maßnahmen in Betracht.

Der Ansatz des BSG, wonach sich gerade "keine scharfe Trennungslinie" zwischen Krankenhausbehandlung und stationärer Rehabilitationsbehandlung und damit für die von dieser Abgrenzung abhängigen Zuständigkeiten der in Betracht kommenden Leistungsträger ziehen lässt, verdeutlich im Ergebnis, es sich bei diesen Begriffen im Ergebnis um sog. "Typusbegriffe" (vgl. zum Typusbegriff: BSG, U.v. 17. Januar 1996 - 3 RK 39/94 -, BSGE 77, 209, Rn. 28, in Bezug auf den Begriff des "allgemeinen Gebrauchsgegenstandes des täglichen Lebens") bzw. sog. "Typenbegriffe" (BSG, U.v. 24. März 2015 - B 8 SO 12/14 R -, SozR 4-3500 § 90 Nr 7, Rn. 17) handelt.

Die erforderlichen Feststellungen erfolgen bei dieser Ausgangslage auf der Grundlage einer Gesamtbewertung des jeweils zu beurteilenden Sachverhalts. Zur Feststellung der Merkmale, die den betreffenden Typus kennzeichnen, ist auf den jeweiligen Normal- oder Durchschnittsfall abzustellen; Merkmale, die sich als bloße Einzelfallerscheinungen darstellen, sind bei der Typusbildung auszuscheiden. Es ist zudem nicht erforderlich, dass stets sämtliche den Typus kennzeichnende Merkmale vorliegen. Diese können vielmehr in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Maßgeblich ist das durch eine wertende Betrachtung gewonnene Gesamtbild (BVerfG, B.v. 13. April 2017 - 2 BvL 6/13 -, BVerfGE 145, 171, Rn. 65, bezogen auf die in Art. 105 und Art. 106 GG verwandten Typusbegriffe; vgl. auch ergänzend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 1. Dezember 2021 - L 2 R 128/19 - juris).

Soweit das BSG in seinem Urteil vom 15. Februar 1978 (aaO, Rn. 19) ein Abgrenzungskriterium darin gesehen hat, dass eine Krankenbehandlung darauf gerichtet sei, die Krankheit zu bekämpfen und entweder ausschließlich oder doch zumindest in erheblichem Maße den "körperlichen Zustand" des Patienten zu verbessern, vermag dieser Ansatz eher weniger weiterzuführen, soweit Erkrankungen mit einem psychiatrisch-psychosomatischen Schwerpunkt zu beurteilen sind. Auch eine klassische stationäre Krankenhausbehandlung ist in solchen Fällen eher weniger auf eine Besserung des "körperlichen Zustandes", sondern schwerpunktmäßig auf Besserung des psychischen Gesundheitszustandes ausgerichtet. Die vom BSG (aaO) angesprochene "Hilfestellung zur Entwicklung eigener Abwehrkräfte" dürfte in vielen Fällen auch eine klassische psychiatrische Krankenhausbehandlung prägen, wohingegen die des Weiteren vom BSG angeführten "technischen Apparaturen" auch in klassischen psychiatrischen Krankenhäusern bei vielen Krankheitsbilder nicht richtungweisend zum Einsatz kommen (vgl. in diesem Sinne auch BSG, U.v. 10. April 2008 - B 3 KR 19/05 R -, BSGE 100, 164).

Soweit das BSG (aaO) auf eine "aktive und fortdauernde" (in der Regel - was allerdings auch in Bezug auf klassische psychiatrische Krankenhausbehandlung gerade nicht anzunehmen sein dürfte -"äußerlich") "behandelnde Einwirkung des Arztes auf den Patienten" abstellt, ist dieser Ansatz in Bezug auf die Behandlung von Erkrankungen mit psychiatrisch-psychosomatischem Schwerpunkt unter Einbeziehung der gesetzgeberischer Wertungen zu erweitern: Angesichts der gesetzlichen Gleichstellung der Psychotherapie einschließlich der psychotherapeutischen Psychotherapie mit ärztlichen Behandlungen in § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V sind auch "behandelnde Einwirkungen" von Psychotherapeuten wie ärztlicher Behandlungen in die Beurteilung einzubeziehen. Eine den stationären Aufenthalt prägende "aktive und fortdauernde" "behandelnde Einwirkung" von Ärzten und Psychotherapeuten auf den Patienten spricht damit im Ausgangspunkt für eine inhaltlich eine Krankenhausbehandlung darstellende Behandlung.

Mit diesem Ansatz korrespondiert die Legaldefinition der Rehabilitationseinrichtung in § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V. Danach werden Rehabilitationseinrichtungen insbesondere dadurch geprägt, dass sie fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen. Maßgeblich ist danach, dass in diesen Rehabilitationseinrichtungen der Gesundheitszustand der Patienten "vorwiegend" durch die Anwendung von Heilmitteln und ferner auch durch andere geeignete Hilfen gebessert werden soll. Dies verdeutlicht im Umkehrschluss, dass stationäre Maßnahmen, in denen die Besserung des Gesundheitszustandes weniger durch die Anwendung von Heilmitteln, sondern vielmehr schwerpunktmäßig durch behandelnde Einwirkungen von Ärzten und Psychotherapeuten bewirkt werden soll, im Regelfall den Bereich der Rehabilitation verlassen und dem Bereich der Krankenhausbehandlung im Sinne der §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 SGB V zuzurechnen sind. Folgerichtig hat der Gesetzgeber in § 107 Abs. 1 Nr. 3 SGB V Einrichtungen, in denen "vorwiegend" durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung das Ziel verfolgt wird, Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten sowie Krankheitsbeschwerden zu lindern, den Krankenhäusern zugewiesen.

In diesem Sinne haben Versicherte mit einem schweren psychiatrischen Leiden nach der Rechtsprechung des BSG Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung, wenn nur auf diese Weise ein erforderlicher komplexer Behandlungsansatz durch das Zusammenwirken eines multiprofessionellen Teams unter fachärztlicher Leitung erfolgversprechend verwirklicht werden kann. Vor allem bei psychiatrischer Behandlung könne der Einsatz von krankenhausspezifischen Gerätschaften in den Hintergrund treten und allein schon die Notwendigkeit des kombinierten Einsatzes von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Möglichkeit einer ambulanten Behandlung ausschließen und eine stationäre Behandlung erforderlich machen (BSG, U.v. 10. April 2008 - B 3 KR 19/05 R -, BSGE 100, 164, Rn. 31).

Bei der in diesen Zusammenhängen erforderlichen Abgrenzung zwischen einer Krankenhausbehandlung und einer rehabilitativen Behandlung insbesondere von Erkrankungen aus dem psychiatrisch-psychosomatischen Formenkreis geht es schon im Ausgangspunkt nicht in erster Linie um die Klärung von Zuständigkeitsfragen oder ggfs. auch von Erstattungsansprüchen. Vielmehr muss das primäre Ziel einer sachgerechten Abgrenzung zwischen Krankenhausbehandlung und stationärer Rehabilitationsmaßnahme darin bestehen, den betroffenen Patienten diejenige Behandlung zukommen zu lassen, welche in medizinischer Hinsicht im Ergebnis den bestmöglichen und andauernden Heilungserfolg verspricht. Die angesprochene Ausrichtung der psychiatrisch-psychosomatischen Krankenhausbehandlung auf die behandelnden Einwirkungen von Ärzten und Psychotherapeuten hat zur Folge, dass die entsprechenden Krankenhäuser auch über eine Personalausstattung im ärztlichen und psychotherapeutischen Bereich verfügen, welche die erforderlichen ärztlichen und psychotherapeutischen Behandlungen mit der gebotenen Intensität (jedenfalls tendenziell) ermöglicht. Demgegenüber sind die personellen Behandlungskapazitäten im Bereich der ärztlichen und psychotherapeutischen Behandlung in den Rehabilitationskliniken jedenfalls im Ausgangspunkt im Regelfall deutlich schlechter (was in wirtschaftlicher Hinsicht mit geringeren Entgeltsätzen korrespondiert). Ihre entsprechende Personalausstattung trägt jedenfalls typischerweise ihrer gesetzlichen vorgegebenen Ausrichtung auf eine Bewirkung von Heilerfolgen "vorwiegend" durch die Anwendung von Heilmitteln Rechnung.

In der Behandlungspraxis finden sich allerdings auch angesichts der großen Zahl der betroffenen Patienten und Patientinnen Überschneidungen in dem Sinne, dass die Krankenkasse namentlich auch bei Essstörungen für einen Teil der Betroffenen mit einem Bedarf für eine erstmalige intensivere stationäre Behandlung eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme bewilligt, wohingegen andere entsprechend Erkrankte in psychiatrischen Akutkrankenhäusern behandelt werden. Inwieweit damit die Vorgaben des § 40 SGB V vollinhaltlich gewahrt bleiben, muss der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht vertiefen.

Jedenfalls bedarf es aber in den betroffenen Fällen vor Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme zur stationären Erstbehandlung einer schweren Erkrankung mit letalen Risiken wie etwa der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Bulimia nervosa einer sorgfältigen Abklärung durch die Krankenkasse unter Einschaltung des Medizinischen Dienstes (§ 275 SGB V), ob damit dem individuellen Behandlungsbedarf ausreichend Rechnung getragen wird. Dies ist schon im Interesse der betroffenen - auch grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG besonders geschützten - Patienten gewissenhaft abzuklären.

Zu prüfen ist, ob der Behandlungsbedarf im Sinne einer möglichst umfassenden, dauerhaften und nicht mit vermeidbaren Verzögerungen verbundenen Heilung oder zumindest Besserung des Krankheitsbildes in psychiatrisch-psychosomatischer Hinsicht sich noch in einem Bereich bewegt, dass dieser voraussichtlich bereits durch einen Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik auch unter Berücksichtigung der dort nur begrenzt zur Verfügung stehenden personellen Kapazitäten für ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen angemessen und möglichst zeitnah abgedeckt werden kann. Bedarf es hingegen prognostisch zur Erreichung des gewünschten medizinischen Erfolgs einer intensiveren ärztlichen und psychotherapeutischen Behandlung als diese im Rahmen der insoweit begrenzten Ressourcen einer Rehabilitationsklinik erbracht werden kann, dann ist regelmäßig eine Behandlung in einem psychiatrisch bzw. psychosomatisch ausgerichteten Krankenhaus im Sinne der §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 SGB V indiziert.

Auch eine verständige Ausübung des Wahlrechts nach § 9 Abs. 1 SGB IX aF durch den betroffenen Patienten kommt regelmäßig nur auf der Basis einer vorausgegangenen medizinischen Abklärung der für eine Krankenhausbehandlung oder aber für eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme sprechenden Gesichtspunkte in Betracht. Mangels eigener Fachkunde kann der Patient entsprechende Fragen regelmäßig nicht eigenständig beurteilen.

Ohnehin sind Anträge von Versicherten oder deren Vertreter (und damit auch Rehabilitationsanträge) nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung auszulegen (BSG, Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 R 8/14 R -, BSGE 117, 192 mwN). Sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, ist davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt, unabhängig davon, welchen Ausdruck er gewählt hat (BSG, U.v. 30. Oktober 2014 - B 5 R 8/14 R - Rn. 32).

Bei der gebotenen Abgrenzung zwischen einer Krankenhausbehandlung und einer stationären Rehabilitationsbehandlung ist im Rahmen der wertenden Gesamtbeurteilung auch den gesetzlichen Vorgaben in § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB VI Rechnung zu tragen, wonach stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für längstens drei Wochen erbracht werden sollen. Sie können (Satz 2) allerdings auch für einen längeren Zeitraum erbracht werden, wenn dies erforderlich ist, um das Rehabilitationsziel zu erreichen. Auch diesem zeitlichen Faktor kommt für die vorzunehmende Abgrenzung eine Indizwirkung zu.

Eine zu erwartende deutliche Überschreitung des in § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB VI normierten Regelzeitraums von drei Wochen für stationäre Rehabilitationsbehandlungen spricht im Ergebnis für die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung jedenfalls in Bezug auf Fallgestaltungen, in denen zugleich der vorgesehene Behandlungsschwerpunkt durch eine aktive und fortdauernde behandelnde Einwirkung von Ärzten und Psychotherapeuten auf die Patientin geprägt wird.

Diesen Ansatz erfasst auch die vorliegend zu beurteilende stationäre Behandlung der Patientin vom 6. Juli 2015 bis 30. Oktober 2015. Angesichts der Schwere und Chronizität des Krankheitsbildes war es von vornherein zu erwarten, dass die Behandlungsdauer deutlich mehr als drei bis vier Wochen umfassen würde. Tatsächlich hat die Behandlung rund 20 Wochen umfasst. Diese Dauer war nicht durch erst nachträglich zu verzeichnende Veränderungen bedingt, sondern trug der Schwere der medizinischen Ausgangslage Rechnung. Gegenteiliges ist nicht ersichtlich und wird insbesondere auch von Seiten der fachkundigen Klägerin nicht aufgezeigt.

Bei einer Suizidgefahr, wie sie auch im vorliegenden Fall vorlag, ist ohnehin in aller Regel eine stationäre Unterbringung und fachärztliche Beobachtung angezeigt, um den Patienten zu entlasten und zu versorgen (BSG, Urteil vom 20. Januar 2005 - B 3 KR 9/03 R -, BSGE 94, 139-149, SozR 4-2500 § 112 Nr 4, SozR 4-2500 § 39 Nr 6, Rn. 25).

Des Weiteren war schon aufgrund des psychiatrischen Krankheitsbildes von vornherein absehbar, dass die Maßnahme und der mit ihr angestrebte Heilerfolg maßgeblich durch vorgesehene behandelnde Einwirkungen von Ärzten und Psychotherapeuten geprägt sein würden, wie dies auch während der streitbetroffenen Behandlung der Versicherten in der Rehabilitationsklinik nach Maßgabe der vom Senat eingeholten Auskunft der Klinik umgesetzt worden ist.

Gegenteiliges vermag auch die Klägerin nicht aufzuzeigen. Diese hat ohnehin vor Beginn der streitbetroffenen Maßnahme ungeachtet der gesetzlichen Verpflichtungen zur umfassenden Gewährung aller zustehenden Sozialleistungen (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) und zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 20 SGB X) nicht näher geprüft, ob aus medizinischer Sicht eine Krankenhausbehandlung in einem psychiatrischen Akutkrankenhaus indiziert war. Weitergehende Ermittlungen kommen diesbezüglich inzwischen schon angesichts des Zeitablaufs und des Fehlens aussagekräftiger Befunderhebungen nicht mehr in Betracht. Auch die Auskunft der Klinik verdeutlicht, dass dort keine konkreten Erkenntnisse über die aktenkundigen Berichte hinaus hinsichtlich des damaligen Gesundheitszustandes der Versicherten mehr vorhanden sind.

e) Soweit der beklagte Rentenversicherungsträger vorträgt, "ethische Bedenken" stünden einer wissenschaftlichen Abklärung der Frage entgegen, welche Ausprägungen einer Bulimia nervorsa im Interesse eines guten und zeitnah zu erreichenden möglichst langfristig wirkenden Behandlungserfolg am besten von einer Behandlung einerseits in psychiatrischen Fachkrankenhäusern (im Sinne des § 39 SGB V) und andererseits von einer Behandlung in entsprechend ausgerichteten Rehabilitationskliniken profitieren würden, ist angesichts der vorstehenden Erwägungen nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass die beteiligten Sozialleistungsträger als Körperschaften des öffentlichen Rechts gemäß den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 20 Abs. 3 GG an die gesetzlichen Vorgaben gebunden sind.

Der Gesetzgeber erwartet eine umfassende Abdeckung des Bedarfs zur Erreichung der Zielvorgaben der §§ 1, 4 Abs. 1 SGB IX durch die betroffenen Rehabilitationsträger in vollständiger, umfassender und qualitativ hochwertiger Form (§ 4 Abs. 2 SGB IX), wobei er auch ein "effektives Qualitätsmanagement" ausdrücklich fordert (§ 37 Abs. 1 SGB IX). Eine verlässliche Umsetzung dieser gesetzgeberischen Zielvorgaben setzt auch die Herausarbeitung tragfähiger wissenschaftlicher Erkenntnisgrundlagen voraus, soweit in der Versorgungspraxis unterschiedliche Behandlungsvorgehensweisen Anwendung finden. Die angesprochenen einfachgesetzlichen Vorgaben konkretisieren zugleich den verfassungsrechtlich geforderten Schutz von Leben und Gesundheit der betroffenen Versicherten gemäß Art. 2 Abs. 1 GG.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegt nicht vor.